18 HILDESHEIM | HILDESHEIMER ALLGEMEINE ZEITUNG MONTAG, 30. MÄRZ 2015 Fest-splitter Sie tanzen, singen, machen gute Stimmung und großen Appetit auf das Programm des Jubiläumsjahres 2015: die Akteure der Musical Company des TfN. vo et alt n In sa K re b s2 014 mit dem Kun es stbaukasten Hild h ei m Sie pusten gemeinsam für den Geburtstag: Ingo Meyer, Stephan Weil, Peter Block, Bischof Norbert Trelle, Hartwig Kemmerer und Jens Koch. Ein Fest wie ein Versprechen t Ges Dolmetscher sind am besten unsichtbar, heißt es unter Diplomaten. Bei Gebärdendolmetschern ist das völlig anders. Sie müssen immer gut zu sehen sein. Dass ihre Arbeit allerdings wirkt wie ein eigenes Show-Element oder dass sie den Hauptdarstellern die Show stehlen, ist eher selten. Kann aber passieren, wie Mira Sander beim Bürgerfest vor dem Theater bewies. Wer nah genug am Theaterwagen stand, sah die Frau vor der Bühne auch Dinge in Gesten übersetzen, die man so nicht erwarten durfte. Beim Auftritt des Liebesgrund-Quartetts zum Beispiel „übersetzte“ sie live die Songtexte und wiegte sich dabei im Rhythmus der Musik. Sogar vor dem Soundcheck machte Sander nicht Halt: „Ich brauch mehr Bass auf meinem Monitor, und ich brauch noch‘n Bier!“ – auch diese Ansage wurde sozusagen für alle sichtbar. Fest-splitter 0 120 Das ging ja gut los für Christof Wahlfeld: Gerade hatte er sich, flankiert von den Gebärdendolmetscherinnen Mira Sander und Nadine Wiesner, zur Begrüßung der Besucher auf die Bühne geschwungen und ein paar Sätze gesagt, da fiel auch schon der Strom aus. Wahlfeld wartete noch ein bisschen, dann gab er auf, das Schweigen konnten nicht mal seine findigen Partnerinnen übersetzen. „Wasser in einer Steckdose“ sei der Grund gewesen, berichtete Wahlfeld nach Rücksprache mit den Technikern. Das Beste aus dem Stromausfall machten Ruben und Benjamin Scheidhauer. Vater und Sohn, die sich unter dem Namen „Zwiebelrenner“ als Sänger und Songschreiber betätigen, hockten sich vor die Bühne, riefen die Umstehenden ganz nah heran und spielten erst einmal „unplugged“, ohne Strom und Verstärker. Das dankbare Publikum nahm die ganze Sache mit Humor und ließ sich auch zum Mitsingen animieren. So ein Stadtjubiläum ist eben auch ein Grund, zusammenzurücken. Besonders, wenn es so kalt ist. „Achtung Achtum!“, möchte man da rufen: Die Einwohner des Ortsteils Achtum-Uppen kapern mit Herz und Witz das Stadtjubiläum. In Anlehnung an die Marke „Stadtgefühl“ laden sie ein, „Dorfgefühl“ zu erleben – und zwar am Sonabend, 13. Juni, von 12 bis 17 Uhr im Ortskern von Achtum. Motto: „1200 Bürger feiern 1200 Jahr Hildesheim“. Für dieses Ereignis warben die Achtumer mit einem Kärtchen, das auch vom Design her der Werbung fürs Stadtjubiläum entspricht. Die HAZ meint: Achtum ist offenbar nicht nur alphabetisch ganz vorn! Das Jubiläumsjahr der Stadt ist offiziell eröffnet. Mit einem bunten Programm, der Gala und Revue im und am TfN, haben die Macher Samstagabend Appetit gemacht auf mehr. TexTe: Manfred HüTTeMann und Tarek abu ajaMieH foTos: CHris GossMann Hiermit erlasse ich der Stadt Hildesheim sämtliche Schulden, die es beim Land hat Als passionierter Musiker wäre er auf der Bühne vielleicht auch gern aufgetreten – Oberbürgermeister Ingo Meyer begrüßte die Feiernden dann aber doch „nur“ mit einer Rede. Gebärdendolmetscherin Melanie Wiesner übersetzte. Die Rede enthielt ein paar kumpelhafte Elemente („Ihr seid hier, das ist super!“), bestand dann aber vor allem aus Lob und Dank an Sponsoren und engagierte Mitarbeiter. Andererseits: Kurz und knackig passte. Drinnen redete Meyer deutlich länger. Stephan Weil, Ministerpräsident Weitere Fotos von der Eröffnung des Stadtjubiläums sehen Sie bei der HAZ im Internet unter www.hildesheimer-allgemeine.de/galerie. E in spektakuläres Feuerwerk vom Dach des Theaters für Niedersachsen (TfN), ein Schuldenerlass des Landes für Hildesheim, ein spontan von Bischof Norbert Trelle angekündigtes Experiment im Dom, kreative Kräfte auf der Bühne, Tanz, Spaß und Unterhaltung vor und im TfN: Das und noch mehr hat den offiziellen Auftakt der Feierlichkeiten zum 1200-jährigen Bestehen der Stadt Hildesheim am Sonnabend geprägt. In seiner Rede bei der Gala im TfN erinnerte Oberbürgermeister Ingo Meyer an einige Schicksalsstunden der Stadt und würdigte das „unglaubliche ehrenamtliche Engagement“ in Hildesheim. Der OB verband mit dem Jubiläum die Hoffnung, dass die Bürger bei den 444 Veranstaltungen von Stadt und Bistum erkennen, wie „einzigartig und schön“ ihre Stadt sei und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt werde. Meyer dankte allen, die das Programm erarbeitet hätten und in den kommenden Monaten mit Leben erfüllen würden. Er dankte den Sponsoren, ohne deren finanzielles Engagement das Ganze nicht machbar sei. Schwung auf die Bühne brachten nicht nur das Orchester des TfN unter der Leitung von Generalmusikdirektor Werner Seitzer und Videoeinspielungen mit Gratulanten aus Hildesheim und aller Welt, sondern auch Nele Kießling „Schmitz Katzen“ mit ihrer lockeren Moderation und einige der prominenten Gäste. Mit einer Charmeoffensive ließ Ministerpräsident Stephan Weil aufhorchen. Was das Jubiläum in Hildesheim auszeichne, wollte Kießling wissen. Ein 1200-jähriges Jubiläum habe er in seinem Amt noch nicht erlebt, sagte der MP. Das könne man wirklich feiern, denn Hildesheim sei eine quicklebendige, moderne Stadt, die gleichzeitig eine riesige Tradition habe. „Das finde ich großartig und da kann eine Stadt auch ruhig einmal so richtig stolz auf sich sein.“ Was sein Highlight im Programm sei? Weil ließ daran keine Zweifel: der Tag der Niedersachsen. „Wir wollen damit als Land Hildesheim die Referenz erweisen. Der Besuch lohnt sich wirklich.“ Als weiteren „richtig schönen Termin“ nannte der MP die Wiedereröffnung des Dommuseums. Da er so oft in Hildesheim sei, werde er womöglich bald Zweitwohnungssteuer zahlen müssen, scherzte Weil. Das Schmunzeln wechselte zum herzhaften Lachen, als Bischof Norbert Trelle das Wort ergriff. Was er Vom Publikum bei der Revue gefeiert: Ars Saltandi mit der Rosenchoreographie. Ja, hat Hildesheim denn einen Vogel? Als Blickfänge waren auf dem Platz vor dem Theater zahlreiche Vertreter von Ars Saltandi und auch vom Forum Heersum unterwegs, um als sogenannte Walkacts die Besucher zu unterhalten. Mit den Kostümen hatten sich die Verantwortlichen auf jeden Fall eine Menge Mühe gemacht. Beliebtes Fotomotiv war ein indischer Maharadscha, der sich von einem Diener durch die Menge schieben ließ, mit ausgebreiteten Armen huldvoll lächelte und immer mal wieder eine Art Jodeln hören ließ. Der Vogel hier gönnte sich hingegen nicht einmal ein leises Piepsen. Viele Walkacts hatten später auch bei der Gala noch Auftritte. Wenn irgendwo in Hildesheim etwas gefeiert wird, sind die Bratwurstbuden von du Carrois oder Hellberg nicht weit. Wie in weiten Teilen Deutschlands auch gehört die Bratwurst, gern auch Currywurst, Krakauer oder Schnitzel, zur Mindestausstattung – selbst auf dem kleinsten Dorf. Das Bürgerfest vor dem Theater brachte – gewollt oder nicht – die erstaunliche Erkenntnis, dass Feiern auch ohne Wurst möglich sind. Es gab zwar Kartoffelund Käsesuppe, Brezeln, Waffeln und Schokoriegel, aber das war‘s mit Essen, wobei der kleine Stand phasenweise etwas überlastet wirkte. Doch die Besucher feierten unverdrossen, angesichts der Kälte kamen vielen die gut gewürzten Süppchen gerade recht. Man darf gespannt sein, ob dieser kulinarische Kurs für das ganze Jubiläumsjahr gilt. Wetten sollte man darauf aber nicht – die Wurstbudenbetreiber würden einem wohl in die Suppe spucken. Foto: Hanuschke der Stadt wünsche? Den einen oder anderen Batzen Gold könne sie angesichts ihrer finanziellen Situation sicherlich gut gebrauchen, sagte das dazu beizutragen, Hildesheim noch atKirchenoberhaupt. Das dritte Buch traktiver, lebenswerter und bekannter Moses sage über Jubeljahre, dass es zu machen. Die Sparkasse sehe sich dem da einen Schuldenerlass gebe ... Der Gemeinwohl verpflichtet, wolle ihren Bischof blickte zum Ministerpräsiden- Kunden – 55 Prozent der Bürger und ten: „Er schaut noch ein bisschen Firmen dieser Stadt – etwas zurückgemissmutig.“ Der Ministerpräsident ben und engagiere sich daher in besonkonterte: „Hiermit erlasse ich Hildes- derer Weise. Jens Koch und Hartwig heim sämtliche SchulKemmerer gaben Einbliden, die es beim Land cke in die Arbeit des KuLob für eine hat.“ Leicht gesagt – ratoriums 1200. selbstbewusste steht die Stadt doch Das Besondere am Jugar nicht beim Land, Kemmerer: und kreative Stadt biläum? sondern bei den Ban„Dass wir uns getraut haHildesheim ken in der Kreide. Starben, es allein zu machen. ken Beifall gab es denDas ist eine selbstbenoch für beide Akteure, darunter in wusste Stadt mit vielen kreativen KöpReihe fünf auch von Kämmerin Antje fen. Wir werden versuchen, das zu zeiKuhne. gen.“ OB Meyers größter Wunsch? „Das Trelle wünschte der Stadt ein ho- Jubiläum nutzen, um enger zusammen hes ehrenamtliches Engagement und zuwachsen, unabhängig von Hautfarbe ganz viel positives Miteinander von und Herkunft.“ Menschen, „die hier schon lange leDen Lacher des Abends setzte Bischof ben und denen, die als Fremde zu uns Trelle. Nach dem gemeinsamen Ausblakommen. Begegnungen, die uns spü- sen der Geburtstagstorte griff Trelle ren lassen, wie schön es ist, dass wir spontan zum Mikrofon: „Das hat mich so so verschieden sind“. „Bunt ist meine beeindruckt, dass ich diese Crew demLieblingsfarbe“, habe Gropius gesagt. nächst für einen Festgottesdienst engaDas sei ein gutes Motto für eine gut giere, um den Heziloleuchter auszublamiteinander lebende Menschheitsfa- sen.“ milie in Hildesheim. „Das wünsche Es war zugleich ein munterer Ausich Ihnen zum Jubiläum für Ihre Stadt, klang zur Einstimmung in die einstündiHerr Oberbürgermeister.“ Starker ge muntere Revue mit Ausblicken auf Beifall für starke Worte des Kirchen- Veranstaltungen im Jubiläumsjahr. Peroberhauptes. Peter Block, Vorstands- fekt organisiert und in Szene gesetzt war sprecher der Sparkasse Hildesheim, der Abend von Anke Persson, Dramazugleich Hauptsponsor des Jubilä- turg Reiner Müller (TfN) und Eva Humums, betonte, alle Sponsoren wollten berg (Ausstattung und Videos). Auftakt nach Maß mit viel Spaß Kommentar Von Manfred HüTTeMann G ratulation! Das war ein gelungener Auftakt des Stadtjubiläums. Eine Gala, die anderenorts oftmals von langen Reden und Langeweile geprägt ist, haben sich die Festmacher in Hildesheim zum Glück erspart und auch den Auftritt teurer Stars. Gut so, denn beim Jubiläum in Hildesheim ist die Mannschaft der Star. Das verbindet. Geprägt war die Eröffnung von humor- und gehaltvollen Wortbeiträgen, viel Gefühl und Spaß. Dem Team um Macherin Anke Persson vom Büro 1200 ist es mit der Gala und Revue gelungen, neugierig zu machen auf das, was die Menschen hier in den kommenden Monaten erwartet. Und das ist sehr viel, wie der Blick in das Programm zeigt. Die Stadt hat aus ihrer finanziellen Not eine Tugend gemacht. Sie hat auf die kreativen Köpfe und engagierte Bürger dieser Stadt gesetzt – und gut daran getan. Der Auftakt jedenfalls macht großen Appetit auf mehr. Gelingt der Kraftakt, können die Hildesheimer stolz auf sich und ihre Stadt sein und mit viel Selbstvertrauen in die nächsten 1200 Jahre durchstarten. Wenn es noch eines Argumentes bedurft hätte, warum dieses Fest nicht auf dem Marktplatz stattfand – hier ist es: Ein solches Feuerwerk wäre zwischen den vielen historischen Fachwerkhäusern nicht einmal ansatzweise möglich gewesen. Selbst am Theater staunten viele, dass die Feuerwehr keinen Einspruch gegen das Spektakel erhoben hatte – erst recht, als ein Querschläger statt nach oben geradewegs in die nächste Hauswand flog. Mit Feuerwerk zauberten die Macher auch eine „1200“ über den Platz – ein beliebtes Motiv für Handykameras. 1200 Leuchtdioden fürs JubiläumsSchild wollen Hildesheims Funkamateure im Lauf des Jubiläums von Kindern montieren lassen. Beim Start vorm Theater standen sie zwar etwas versteckt, das Interesse war aber groß. Die vierjährige Henriette Wiegner ließ sich von Merle Pawlak (10 Jahre) sogar hochheben, um eine der Dioden in das Schild stecken zu können – sehr zur Freude von Klaus Kinzig und seinen Mitstreitern, die den Namen jedes beteiligten Kindes sorgfältig notierten. Noch warten viele Löcher auf „ihre“ Dioden“ – Hildesheims Kinder sollten also in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder nach den Funkern Ausschau halten.
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