Holz pur – für mehr Ruhe(puls)

Bildquelle: DeepGreen Development
Holzbau > Reportage
Woodcube
Holz pur – für mehr Ruhe(puls)
Neue Wege zu einem gesunden Wohnbau
Als konsequenten Holzbau kann man den Woodcube in Hamburg wohl in jedem
Fall bezeichnen. Der Mehrgeschoss-Monolith ist schließlich nahezu frei von „Nichtholz“. Er kommt etwa völlig ohne Leim und Sperrfolien aus. Stattdessen halten
Holzdübel die Holzelemente zusammen.
W
ie schnell schlägt Ihr Herz, wenn Sie vollkommen entspannt sind? Kennen Sie
eigentlich Ihren wahren Ruhepuls?
Die Bewohner des Hamburger Woodcubes
könnten diesen wahrscheinlich zu fast jeder Tageszeit bedenkenlos messen, denn der Aufenthalt in Räumen, die aus purem Holz bestehen,
senkt bekanntlich den Herzschlag. Das konnte
auch Woodcube-Erbauer und -Bewohner Matthias Korff feststellen. Er beschreibt das Phänomen
aber anders herum: „Der menschliche Herzschlag
ist wahrscheinlich in normalen Räumen, die
voll von Ausdünstungen des Baumaterials sind,
chronisch erhöht.“ Und auch andere Körperteile
können rebellieren: Flüchtige Schadstoffe von
„Nichtholz“-Baumaterialien rufen bei Korff häufig
allergische Reaktionen, wie etwa auf der Haut,
hervor. Drei Mal musste er deswegen schon umziehen, sich ein Mal sogar einer Blutwäsche unterziehen. „Burn-out hatte früher auch niemand. Also
entweder sind wir alle Weicheier geworden oder
irgendetwas stresst permanent unsere Nerven“,
schlussfolgert der Leidgeplagte.
Frei von Synthetik
Für Korff stand fest: Es muss ein Geschosswohnbau nur aus Holz möglich sein. Also entschieden
sich er und sein Team von DeepGreen Development, Hamburg, bewusst gegen den üblichen Materialmix und nahmen das Wort Holzbau einmal
wörtlich. Sie konzipierten den ersten synthetikfreien Mehrgeschosser. Der Blockhausansatz kam
dafür nicht infrage, da man zu starke Setzungen
aufgrund der Höhe des Gebäudes befürchtete.
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H o l zk u r i e r 29 • 17.07. 2014
Das hätte schlimme Auswirkungen auf die Statik
haben können. Es musste also ein anderes Konzept her. Der Woodcube sollte die Baubranche
zum Umdenken anregen.
Baugenehmigung im Eiltempo
Zunächst war für das Grundstück auf dem Gelände der Internationalen Bauausstellung in Hamburg-Wilhelmsburg (IBA) noch ein Gebäude in gekapselter Brettsperrholz-Bauweise angedacht und
bereits genehmigt. Nachdem die Entscheidung
gefallen war, neue Wege zu beschreiten, erfolgte
die zügige und gründliche Umplanung. So wurde
nach kurzer Zeit eine Sonderbaugenehmigung
für den ersten durchgängigen mehrgeschossigen
Holzwohnbau beantragt. Da diese jedoch auf sich
warten ließ und die Zeit knapp wurde, um bis zur
Eröffnung der Ausstellung fertig zu werden, musste man doch einen Kompromiss eingehen: Um im
Falle einer Absage noch zumindest auf das erste
Konzept zurückgreifen zu können, errichteten
die Pioniere vorweg den Treppenhauskern aus
zusatzstofffreiem Recyclingbeton. „Ohne diesen
hätte es beim ersten Entwurf statische Probleme
gegeben. In der reinen Holzversion hätte man den
Beton auch durch Holz ersetzen können, aber die
Zeit drängte und wir brauchten eine Alternative“,
schildert Korff.
Kreatives Schaffen ohne Grenzen
Die Genehmigung kam. „Damit haben wir die
Bauvorschriften fortgeschrieben“, freut sich Korff
über das mittlerweile vollendete Projekt, in das er
mit seiner Frau selbst eingezogen ist. Im Eiltempo
wurde das im Passivhausstandard geplante Haus
innerhalb weniger Wochen fertiggestellt.
Die Holzelemente lieferte Thoma Holz, Goldegg. „Für diese Zusammenarbeit sprach dessen
umfangreiches Know-how zur Holzdübeltechnik“, weiß Korff. Mehrere Lagen Vollholz mit dazwischen liegenden Holzweichfaser-Dämmplatten bilden die vorgefertigten Bauelemente der
Holz100-Elemente. Das Konzept musste allerdings
erst von DeepGreen Development an höhere Anforderungen angepasst werden, denn ursprünglich wurde Holz100 für Einfamilienhäuser entwickelt. Wände, Böden und Decken wurden exakt
nach Architektenplänen gefertigt und geliefert.
„Dabei sind dem kreativen Schaffen kaum
Grenzen gesetzt: Fast jede Form kann durch die
Holz-Holz-Verbindung ermöglicht werden. Übertrocknete Dübel werden in vorgefertigte Bohrungen eingebracht und dehnen sich mit der Zeit aus,
weil sie wieder Feuchtigkeit aus der Umgebung
aufnehmen. Das hält bombenfest und wirkt so
aussteifend, dass sogar eine gewisse Erbensicherheit -gegeben ist“, weiß der Erbauer. Thoma
lieferte außerdem ausschließlich Produkte aus
Mondholz. Das soll laut Thoma die Dauerhaftigkeit erhöhen, die Entflammbarkeit verringern und
viele weitere gute Eigenschaften des Holzes fördern. „Darüber mag der eine oder andere vielleicht
anders denken, aber die Qualität von Mondholz
stimmt auf jeden Fall.“
70 Woodcubes für einen Betonbau
Korff bemerkt ein Umdenken – auch im Stadtbau.
Einerseits verspüren immer mehr Menschen das
Verlangen nach natürlichem Wohnraum. Andererseits befürworte auch die Politik die Nutzung
des nachwachsenden Rohstoffs als den „Inbegriff
nachhaltiger Verwendung“, meint Korff. „Aus Holz
muss man Dinge herstellen, die in unseren Maßstäben ewig halten. Nur so kann das gebundene
CO2 möglichst lang festgehalten werden.“
Und auch der Energieaufwand für den Bau war
beim Woodcube vergleichsweise gering: „Mit der
Energie, die für ein herkömmliches Mehrfamilienhaus benötigt wird, könnte man im Schnitt 70
Woodcubes bauen. 8 % der Weltenergie werden
für die Zementherstellung benötigt.“ Korff hält das
für Wahnsinn. Er ist froh, einen Anstoß gegeben zu
haben. 12,5 t Leim hätte die gekapselte BSP-Version verbraucht. Der Rohbau des Woodcubes hingegen besteht – abgesehen vom Betonkern – aus
nichts als 500 m3 Holz.
Ein wichtiges Forschungsobjekt
Der Woodcube ist damit nicht nur ein behagliches Heim, sondern dient in erster Linie als Forschungs- und Referenzobjekt. „Viele Städte möchten ihre Holzbauanteile erhöhen. Dabei treten
gleich mehrere Probleme auf. Zum einen muss
diese Änderung den Bauherren schmackhaft gemacht werden. Das löst München etwa durch
einen pauschalen Kostenzuschuss für jedes eingesparte Kilogramm CO2. Außerdem müssen aber
auch umsetzbare Baukonzepte vorliegen. Mit dem
Woodcube gehen wir einen Schritt voraus“, freut
sich der Woodcube-Projektleiter.
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