Aktualitäten – März 2015 / Bulletin d'actualités – Mars 2015 Rechtsprechung / Jurisprudence BAUEN IM GESCHÜTZTEN GEWÄSSERRAUM: ERSTE URTEILE ZUR UMSETZUNG DER NEUEN GEWÄSSERSCHUTZRECHTLICHEN VORSCHRIFTEN Mit Inkrafttreten der revidierten Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes im Jahre 2011 sind erhebliche Unsicherheiten entstanden. Nun hat das Bundesgericht die drei ersten Entscheide zum Gewässerraum im Siedlungsgebiet gefällt. Insbesondere hat es erstmals den stark umstrittenen Begriff des «dicht überbauten Gebiets» präzisiert. Während das Gericht «dicht überbautes Gebiet» in Dagmersellen an der Wigger verneinte, hat es hingegen im Fall Rüschlikon am Zürichsee das Bestehen von «dicht überbautem Gebiet» bejaht. La loi sur la protection des eaux révisée est entrée en vigueur en 2011, ce qui a généré des incertitudes considérables. Le Tribunal fédéral a rendu les trois premiers arrêts relatifs aux espaces cours d’eaux dans les agglomérations. En particulier, il a précisé la notion très controversée de « zone densément bâtie », ne l’a pas reconnue à Dagmersellen, le long de la Wigger, mais l’a admise à Rüschlikon, sis au bord du lac de Zurich. BGE 139 II 470 = BGer 1C_41/2012 (28.3.2013); BGE 140 II 437 = BGer 1C_803/2013 (14.8.2014); BGE 140 II 428 = BGer 1C_565/2013 (12.6.2014) Peter Hänni, Dr. iur., Professor an der Universität Freiburg Tamara Iseli, MLaw, Freiburg I. Rüschlikon I Der Fall Die Erbengemeinschaft X. sowie C. planen die Erstellung eines Einfamilienhauses mit Garagengebäude auf einem Grundstück in Rüschlikon am Zürichsee. Rund die Hälfte des Baugrunds liegt auf sog. Konzessionsland (konzessionierte Landanlage). Das Grundstück ging mit der Konzessionsverleihung vom 1. September 1897 ins Privateigentum der Beschwerdeführer über. Deren Eigentumsrecht ist aber durch den in der Konzessionsverleihung statuierten Bewilligungsvorbehalt beschränkt. Demgemäss darf der Landanlagekonzessionär ohne Bewilligung der Baudirektion (sog. Baukonzession) keine Baute auf seiner Landanlage erstellen. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 erteilte die Baukommission Rüschlikon die baurechtliche Bewilligung für das Projekt. Zusammen mit dem baurechtlichen Entscheid wurde die im koordinierten Verfahren ergangene konzessions- rechtliche Verweigerung der Baudirektion (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft [AWEL]) des Kantons Zürich vom 1. November 2010 eröffnet. Gegen diese konzessionsrechtliche Verweigerung der Baudirektion reichten die Erbengemeinschaft X. und C. Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich ein. Mit Entscheid vom 21. Juni 2011 wies dieses den Rekurs ab. Die gegen diesen Entscheid von der Erbengemeinschaft X. und C. erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. November 2011 ab. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben die Erbengemeinschaft X. und C. beim BGer Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten erhoben. Der Entscheid A Die Bedeutung der Sondervorschriften für Konzessionsland Das BGer befasst sich zunächst mit der Aussage der Vorinstanz, wonach kein Anspruch auf Erteilung einer Baukonzession bestehe. Dabei stützt sich diese auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung, nach welcher sich der Staat mit der Konzessionserteilung für die Landanlagen das Recht vorbehalten habe, über die Möglichkeit von Bauten und Anlagen auf diesem Land, unter Beachtung der öffentlichen Interessen, im Einzelfall frei zu entscheiden (vgl. BGE 102 Ia 122 E. 6e). Die Landanlagekonzession enthält eine Auflage, wonach für die Ausführung allfälliger Bauten auf der Landanlage eine Bewilligung einzuholen sei. Das BGer hat in seiner bisherigen Rechtsprechung erklärt, dass gestützt auf eine solche Klausel eine Baukonzession mit Rücksicht auf öffentliche Interessen ohne Weiteres verweigert werden kann. Die öffentlichen Interessen dürften grundsätzlich uneingeschränkt berücksichtigt werden. Das BGer stellt in diesem Zusammenhang nun aber fest, dass der erwähnte Bewilligungsvorbehalt für Bauten und Anlagen dem Staat ermöglicht hätte, lange Zeit vor der Schaffung einer umfassenden Bodennutzungsordnung dem Anliegen des Seeuferschutzes Rechnung zu tragen. Mit dem Inkrafttreten des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich (PBG/ZH) am 1. April 1976 und des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (RPG) am 1. Januar 1980 hat sich die Rechtslage indessen erheblich geändert. Die Kanton sind seither verpflichtet, mit planerischen Mitteln See- und Flussufer möglichst freizuhalten und den öffentlichen Zugang und die Begehung zu erleichtern. 1 Die Planungspflicht der Kantone erstreckt sich auf ihr gesamtes Territorium und schliesst damit auch das im Privateigentum stehende Aufschüttungsland ein. Die Mittel der Raumplanung sowie des Natur- und Heimatschutzes erlauben es somit, den Seeuferschutz nunmehr in umfassender Weise wahrzunehmen und ermöglichen den Schutz in einer gesamtheitlichen Sicht anzugehen. Das BGer kommt daher zum Ergebnis, dass verbindliche Normen und nutzungsplanerische Festlegungen bestehen, welche das aufgeschüttete Land einschliessen. An diese ist die Baudirektion beim Entscheid über die Baukonzession gebunden und kann somit nicht mehr frei entscheiden. Sodann setzt sich das BGer mit der von der Baudirektion geltend gemachten kantonalen Richtlinie für bauliche Veränderungen auf Landanlagen und für Seebauten vom 7. Juli 1995 auseinander. Die Baudirektion hat die Baukonzession verweigert, weil das Vorhaben der Beschwerdeführer ihren Richtlinien nicht entspreche. Es unterschreite den darin vorgesehenen Gewässerabstand von 18 Metern. Eine ausnahmsweise Unterschreitung könne nicht bewilligt werden, weil die vorgesehene Baute nach dem Merkblatt zu den Richtlinien nicht als zweigeschossig gelte. Der Gewässerabstand, den Bauten auf Konzessionsland einzuhalten haben, und auch die erlaubte Geschosszahl sind gesetzlich geregelt. 2 Die Baudirektion ist bei der Erteilung von Baukonzessionen auf Landanlagen an diese Normen gebunden. Die Richtlinien der Baudirektion weichen davon jedoch in verschiedenen Punkten ab und stellen für die Land- anlagen eine Art Spezialbauordnung auf. Daher prüft das BGer, ob eine genügende gesetzliche Grundlage für eine solche Abweichung von den grundsätzlich auch für die Landanlagen geltenden Bestimmungen besteht. Es stellt fest, dass § 25 und 27 der Konzessionsverordnung zum WWG/ZH der Baudirektion keine Befugnis verleihen, für Baukonzessionen auf Landanlagen eine Art Spezialbauordnung aufzustellen. Es kommt hinzu, dass eine abweichende Regelung für Landanlagen einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedürfte, was hier nicht gegeben ist. Weiter führt das Gericht aus, dass der Seeuferschutz heute vollumfänglich mit den Mitteln der Raumplanung sowie des Naturund Heimatschutzes wahrzunehmen sei. Ein nur auf Aufschüttungsland bezogener Seeuferschutz widerspreche der bundesrechtlichen Planungspflicht, die eine gesamtheitliche Sicht und damit auch den Einbezug des nicht aufgeschütteten Landes erfordert. Dies schliesst nicht aus, dass der Kanton Zürich den Seeuferschutz in genereller Weise – also nicht nur für das aufgeschüttete Land – ausweitet, wenn dies erforderlich ist. 1 Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG, §§ 8 ff., § 18 Abs. lit. i, § 203 lit. a PBG/ZH. Vgl. § 21 des Wasserwirtschaftsgesetzes des Kantons Zürich vom 2. Juni 1991 [WWG/ZH] bzw. die seit dem 1. Januar 2011 geltende bundesrechtliche Gewässerschutzgesetzgebung, Art. 18 Abs. 1 BZO/Rüschlikon und§§ 279 f. PBG/ZH. 2 B Anwendbarkeit der neuen bundesrechtlichen Vorschriften? In einem zweiten Schritt prüft das BGer das umstrittene Bauvorhaben auf seine Vereinbarkeit mit den neuen gewässer- schutzrechtlichen Vorschriften vom 11. Dezember 2009. 3 Dabei ist zunächst zu entscheiden, ob diese neuen Vorschriften vorliegend Anwendung finden. Die Verfügung der Baudirektion erging vor dem Inkrafttreten der neuen Verordnungsbestimmungen zum Gewässerraum am 1. Juni 2011, während der Entscheid des Baurekursgerichts und auch jener der Vorinstanz nach dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen gefällt wurden. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist (mangels einer ausdrücklichen übergangsrechtlichen Regelung) vom Rechts- zustand auszugehen, der im Zeitpunkt der Bewilligung galt. Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn zwingende Gründe dafür bestehen, das neue Recht sogleich anzuwenden, was vorliegend zutrifft. Die neuen Bestimmungen zum Gewässerraum dienen der Durchsetzung wichtiger öffentlicher Interessen, nämlich insbesondere der Gewährleistung der natürlichen Funktionen der Gewässer, dem Schutz vor Hochwasser und der Gewässernutzung. Mit Absatz 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der GSchV vom 4. Mai 2011[ÜbBest. GSchV] soll sichergestellt werden, dass in diesem Bereich nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung keine neuen Bauten und Anlagen mehr errichtet werden. Diese Zielsetzung verlangt, dass die neuen Bestimmungen auch noch im Beschwerdeverfahren Anwendung finden. Die neuen Gewässerraumbestimmungen sind damit anwendbar. 4 C Materiell-rechtliche Beurteilung Gemäss Absatz 1 ÜbBest. GSchV haben die Kantone den Gewässerraum für stehende Gewässer auf der Grundlage von Art. 41b GSchV bis zum 31. Dezember 2018 auszuscheiden. Diese Gewässerraumfestlegung ist im Kanton Zürich bislang noch nicht erfolgt. Im vorliegenden Verfahren findet deshalb Abs. 2 ÜbBest. GSchV Anwendung. Demgemäss gelten während der Übergangsfrist die Vorschriften für Anlagen nach Art. 41c Abs. 1 und 2 GSchV entlang von Gewässern auf einem beidseitigen Streifen mit einer Breite von je 20 m bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha. Das zu beurteilende Bauprojekt der Beschwerdeführer ragt in diesen Gewässerabstandsbereich hinein und ist zwar zonenkonform, aber nicht standortgebunden. Die Errichtung des geplanten Einfamilienhauses ist damit unter Vorbehalt der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV unzulässig. Damit stellt sich für das BGer die Frage, ob die Voraussetzungen zur Erteilung der Ausnahmebewilligung gegeben sind. Dies hängt davon ab, ob das Baugrundstück in einem «dicht überbauten Gebiet» liegt. Zum Begriff des «dicht überbauten Gebiets» verweist das BGer auf das Merkblatt des Bundesamts für Raumentwicklung [ARE] und des Bundesamts für Umwelt [BAFU] «Gewässerraum im Siedlungsgebiet» vom 18. Januar 2013. Falls die Bauparzelle im «dicht überbauten Gebiet» liegt, müsste in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der Erteilung einer Ausnahmebewilligung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Sollte die Interessenabwägung ergeben, dass eine Ausnahme grundsätzlich bewilligt werden kann, hat die Bauherrschaft zusätzlich nachzuweisen, dass keine weniger starke Beanspruchung des Gewässerraums durch die vorgesehene Baute möglich ist. 5 Im Ergebnis heisst das BGer die Beschwerde gut und weist die Sache zur Neubeurteilung an die Baudirektion des Kantons Zürich zurück. II. Rüschlikon II Der Fall Während des laufenden Rechtsmittelverfahrens für das in BGE 139 II 470 dargestellte Projekt reichte die Bauherrschaft ein alternatives Bauprojekt ein. Hierfür erteilte die Baukommission Rüschlikon am 12. April 3 In Kraft seit 1. Januar 2011. Massgebend sind dabei insbesondere Art. 36a des Gewässerschutzgesetzes [GSchG] sowie Art. 41b, Art. 41c, Art. 46 der Gewässerschutzverordnung [GSchV] und die Übergangsbestimmungen zur Änderung der GSchV vom 4. Mai 2011 (in Kraft seit 1. Juni 2011). 4 Vgl. Urteil 1C_505/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.1.3, in: URP 2012,S. 165. 5 Vgl. HANS W. STUTZ, Uferstreifen und Gewässerraum – Umsetzung durch die Kantone, in: URP 2012, S. 125. 2012 die baurechtliche Bewilligung. Zusammen mit dem baurechtlichen Entscheid wurde die konzessions- und gewässerschutzrechtliche Bewilligung der Baudirektion des Kantons Zürich vom 24. April 2012 eröffnet. Gemäss Disp.-Ziff. III.2 ist der Kanton berechtigt, das für die Realisierung eines öffentlichen Seewegs benötigte Land (bis zu 3,5 m Breite) auf dem Bau- grundstück unentgeltlich zu beanspruchen. Die gegen die Baubewilligung erhobenen Beschwerden wurden erstinstanzlich vom Baurekursgericht gutgeheissen, und dessen Entscheid anschliessend vom VGer ZH bestätigt. Dagegen führte der Bauherr Beschwerde in öffentlich-recht- lichen Angelegenheiten beim BGer. Der Entscheid Zur Beurteilung des vorliegenden Projektes prüft das BGer zunächst, ob sich das Vorhaben im geschützten Gewässerraum im Sinne von Art. 36a Abs. 1 GSchG befindet. Bis zur definitiven Festlegung der Gewässerräume sind Nutzungseinschränkungen gemäss Art. 41c Abs. 1 und 2 GSchV bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha auf einem Streifen von 20 m zu beachten (Abs. 2 lit. c ÜbBest. GSchV). Da das geplante Einfamilienhaus in einem Abstand von 9,5 bis 12,5 m zum Seeufer liegen soll, ist es auf eine Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV angewiesen. A Befindet sich das Grundstück im «dicht überbauten Gebiet»? Erste Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist zunächst, dass sich das Baugrundstück im «dicht überbauten Gebiet» befindet. Gemäss Verwaltungsgericht ist entscheidend, ob der Uferstreifen bereits überbaut ist. Der Fokus sei daher auf das Land seeseitig der Seestrasse zu richten, wo ein mehr oder weniger freies, durchgrüntes Ufergelände von mehr als 100 m Länge infrage stehe. Zum See hin bestehe ein beachtlicher Grüngürtel. Die Bauparzelle sowie die nordwestlich und südöstlich angrenzenden Grundstücke seien weitgehend unüberbaut; auf dem fraglichen Uferstreifen befänden sich lediglich kleinere Seebauten. Ein überwiegendes Interesse an einer städtebaulichen Verdichtung sei im fraglichen Gebiet zu verneinen. 6 Das BGer erinnert zunächst daran, dass der Begriff «dicht überbautes Gebiet» ein Begriff der GSchV und damit des Bundesrechts ist, der bundesweit einheitlich auszulegen ist, wobei bei dieser Frage dem Baurekurs- und dem Verwaltungsgericht ein Ermessen zusteht. Sodann wiederholt das BGer, dass der Betrachtungsperimeter nicht zu eng gefasst werden dürfe. 7 Der Begriff «dicht überbautes Gebiet» werde auch in Art. 41a Abs. 4 und Art. 41b Abs. 3 GSchV, im Zusammenhang mit der planerischen Festlegung des Gewässerraums verwendet. Eine sachgerechte Planung setze einen genügend gross gewählten Perimeter voraus. Planungsperimeter sei – zumindest in kleineren Gemeinden – in der Regel das Gemeindegebiet. Das BGer teilt die Auffassung der Vorinstanz, den Fokus auf den Uferstreifen und damit auf das Gebiet seeseits der Seestrasse zu legen. Dabei darf der Blick allerdings nicht ausschliesslich auf die Bauparzelle und die unmittelbar an- grenzenden Parzellen gerichtet werden, sondern es muss eine Gesamtbetrachtung angestellt werden, mit Blick auf die bestehende Baustruktur des Gemeindegebiets. Konkret befindet sich das Hauptsiedlungsgebiet von Rüschlikon am Nordosthang des Zimmerbergs, zwischen der Autobahn A3 und dem Zürichseeufer. Es ist Teil der Agglomeration am linken Seeufer, das von Zürich bis Horgen, über die Gemeindegrenzen hinweg, dicht überbaut ist. Allerdings ist der Uferstreifen seeseits der Seestrasse lockerer überbaut als das übrige Siedlungsgebiet. Weiter stellt das Gericht fest, dass die Bauparzelle und die benachbarten, sehr schmalen Parzellen durchwegs mit Boots- und Badehäusern überbaut sind. Diese stehen unmittelbar am See und ragen in diesen hinein. Vom See aus betrachtet erscheint das Gebiet daher als dicht überbaut. Ein anderer Eindruck ergibt sich von der Seestrasse aus, da die Parzellen hinter der Uferlinie nur teilweise baulich ausgenutzt sind und deshalb als ein über 100 m langer Grünstreifen in 6 Das AWEL geht nunmehr (entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung) davon aus, dass es sich nicht um «dicht überbautes Gebiet» handelt. Nach dem planerischen Willen (vgl. bisher geltende Richtlinie vom 7. Juli 1995 für bauliche Veränderungen auf Landanlagen und für Seebauten) sei die erste Bautiefe rund um den See nur locker zu überbauen. Eine dichtere Überbauung würde zu Gebäudefassaden führen, die (wegen dem Wunsch nach Aussicht) das Aufkommen von Ufervegetation fast gänzlich verhindern würden. Dies würde sich negativ auf Landschaft und Ökologie aus- wirken. Das BAFU hingegen verneint das Vorliegen eines bedeutenden Grünraums. Das Ufer sei durch die Ufermauern und die seeseitigen Bau- ten wie Boots- und Badehäuser hart verbaut. Sowohl auf der Bauparzelle als auch auf den angrenzenden Parzellen befänden sich Bauten direkt am Gewässer. Es entspreche dem Sinn und Zweck der Ausnahme nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV, gerade in solchen Gebieten die Weiterentwicklung von Siedlungen zu ermöglichen. Aus heutiger Sicht sei daher das betroffene Gebiet als «dicht überbaut» zu betrachten. 7 Vgl. dazu BGE 140 II 428 E. 8 (hinten III.) Erscheinung treten. Zu bemerken ist jedoch, dass es sich dabei nicht um typische Ufervegetation handelt, sondern um Gartenanlagen. Wie das BAFU überzeugend darlegt, ist der bestehende Grünraum aufgrund der Verbauung des Ufers aus ökologischer und gewässerschutzrechtlicher Sicht nicht besonders wertvoll. 8 Im vorliegenden Fall liegt die streitige Bauparzelle im Hauptsiedlungsgebiet der Agglomeration am linken Zürichseeufer. Der fragliche Abschnitt des Zürichsees ist durch eine Ufermauer hart verbaut und zusätzlich mit Boots- und Badehäusern in dichter Folge überstellt. Indem das BGer den Fokus in erster Linie auf das Ufer und nicht auf das Hinterland richtet, kommt es zum Ergebnis, dass grundsätzlich von einem «dicht überbauten Gebiet» auszugehen ist. B Entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen In einem zweiten Schritt ist nun zu prüfen, ob der Erteilung einer Ausnahmebewilligung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Dies setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus. Dabei sind insbesondere die Anliegen des Hochwasserschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes und das Interesse der Öffentlichkeit an einem erleichterten Zugang zu den Gewässern i.S. von Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG zu berücksichtigen. 9 Das BGer stellt dazu fest, es sei nicht nötig das Bauen im Gewässerraum vollständig zu verbieten. Der Baudirektion gehe es in erster Linie darum, eine lockere Überbauung der ersten Bautiefe sicherzustellen, um zwischen den Bauten Ufervegetation zu erhalten. Hinzu komme das Interesse, das Seeufer für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diesen Anliegen könne mit Auflagen und Bedingungen Rechnung getragen werden, indem die Ausnahmebewilligung nur für landschaftsverträgliche Bauvorhaben gewährt wird, mit Auf- lagen zur Sicherstellung des Zugangs der Öffentlichkeit und einer naturnahen Bepflanzung. Zur Frage ob der im Entscheid der Baudirektion enthaltene Passus, wonach der Staat berechtigt sei, auf dem Grundstück das für die Realisierung eines öffentlichen Seewegs benötigte Land (bis zu 3,50 m Breite) unentgeltlich zu beanspruchen, äussert sich das BGer nicht. Die Vorinstanzen hatten sich mit dieser Thematik noch gar nicht befasst. Der Umstand, dass die Baudirektion lediglich geprüft hatte, ob das Bauvorhaben der Richtlinie vom 7. Juli 1995 für bauliche Veränderungen auf Landanlagen und dem dazugehörigen Merkblatt entspricht, qualifizierte das BGer als Ermessensunterschreitung, weil die Baudirektion zu Unrecht davon ausging, sie sei an diese Vorgaben gebunden. Vor diesem Hintergrund weist das BGer die Sache an die erstinstanzlichen Behörden zurück; Baudirektion und AWEL werden nun eine umfassende Interessenabwägung vornehmen müssen. III. Dagmersellen Der Fall B. ist Eigentümer der überbauten Grundstücke Nrn. c und d sowie des nicht überbauten Grundstücks Nr. e in der Wohn- und Gewerbezone der Gemeinde Dagmersellen, unmittelbar östlich der Wigger. Am 24. April 2012 reichte er ein Baugesuch ein, um die bestehenden Gebäude abzubrechen und an ihrer Stelle sowie auf Grundstück Nr. e zwei Mehrfamilienhäuser (Haus A und Haus B) und eine Autoeinstellhalle zu errichten. Gegen das Bauvorhaben erhob die A. AG Einsprache. 8 Gemäss dem BGer genügt es allerdings für die Qualifikation als «dicht überbautes Gebiet» nicht, dass ein Seeufer verbaut ist und die Aufwertungsmöglichkeiten beschränkt sind: Der Gewässerraum soll den Raumbedarf des Gewässers langfristig sichern und ist grundsätzlich unabhängig vom Bestehen konkreter Revitalisierungs- oder Hochwasserschutzprojekte freizuhalten. Das BGer hat bereits in BGE 140 II 428 das Vorliegen von «dicht überbautem Gebiet» verneint, trotz der bestehenden Verbauung der Wigger und der beschränkten Aufwertungsmöglichkeiten. Dieser Fall ist jedoch nicht vergleichbar, da es sich um ein peripher gelegenes Gebiet handelte. 9 Vor Verwaltungsgericht hatten die Heimatschutzverbände geltend gemacht, dass Anliegen des Hochwasserschutzes sowie die im regionalen Richtplan Zimmerberg vorgesehene Führung des Seeuferwegs der Erteilung einer Ausnahmebewilligung entgegenstehen. Da diese Einwände mangels Vorliegens eines «dicht überbauten Gebietes» von der Vorinstanz nicht geprüft wurden, geht das BGer auf diese Fragen nicht näher ein. Die Heimatschutzverbände hatten ausserdem geltend gemacht, dass der Kanton berechtigt und verpflichtet sei, die Seebauten nach Ablauf der Konzessionsdauer zu beseitigen und das Seeufer zu revitalisieren; der hierfür erforderliche Raum müsse gesichert und dürfe nicht überbaut werden. In diesem Zusammenhang stellt das BGer fest, dass es nicht seine Aufgabe sei zu prüfen, ob längerfristig mit dem Fortbestand der Seebauten und der Ufermauer zu rechnen sei, sondern diejenige der zuständigen kantonalen Instanzen. Käme eine Uferrevitalisierung im streitigen Abschnitt ernsthaft in Betracht, so dürfte sie nicht durch die Erteilung einer Ausnahmebewilligung präjudiziert werden. Am 16. August 2012 bewilligte der Gemeinderat Dagmersellen das Bauvorhaben unter Bedingungen und Auflagen und wies die Einsprache der A. AG ab. Gleichzeitig wurde den Parteien die Verfügung der kantonalen Dienststelle Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation (RAWI) vom 3. September 2012 eröffnet, mit der unter anderem gewässerschutz- und wasserbaurechtliche Ausnahmebewilligungen in Bezug auf die Wigger erteilt wurden. Gegen die Baubewilligung und die Verfügung des RAWI reichte die A. AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Am 30. April 2013 wies das Verwaltungsgericht Luzern (inzwischen: Kantonsgericht, 4. Abteilung) die Beschwerde ab. Dagegen hat die A. AG am 3. Juni 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim BGer erhoben. Der Entscheid Das BGer stellt sich zunächst die Frage, ob das vorliegende Projekt in den von Art. 41a GSchV geschützten Gewässer- raum hineinragt. Trifft dies zu, dürfen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen erstellt werden (Art. 41c Abs. 1 Satz 1 GSchV). In dicht überbauten Gebieten kann jedoch die Behörde für zonenkonforme Anlagen Ausnahmen bewilligen, soweit keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Satz 2). Bis zur definitiven Festlegung der Gewässerräume seitens der Kantone sind die Nutzungseinschränkungen gemäss Art. 41c Abs. 1 und 2 GSchV bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha auf einem Streifen von 20 m zu beachten (Abs. 2 lit. c ÜbBest. GSchV). Da das geplante Bauvorhaben 8 bis 11 m in den übergangsrechtlichen Gewässerraum hineinragt, ist es auf eine Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV angewiesen. A Befindet sich das Grundstück im «dicht überbauten Gebiet»? Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei den Bauparzellen um «dicht überbautes Gebiet» handelt. Dieser Begriff wurde mit Blick auf die Gewässerraumthematik neu geschaffen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Lehre und Rechtsprechung näher konkretisiert werden muss. 10 Das BGer setzt sich daher mit diesem Begriff aus- einander, insbesondere mit dem Erläuternden Bericht, der Literatur 11 und dem Merkblatt des ARE und des BAFU in Zusammenarbeit mit den Kantonen vom 18. Januar 2013. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Bauten und An- lagen in der Umgebung der Baugrundstücke und der Verbau- ung der Wigger im fraglichen Abschnitt betrachtete das Verwaltungsgericht als vertretbar, «dicht überbautes Gebiet» anzunehmen, trotz der in der weiteren Umgebung vorhandenen Grünräume. Das BAFU teilte in seiner Stellungnahme ebenfalls die Auffassung, die Einstufung als «dicht überbautes Gebiet» sei vertretbar, insbesondere aufgrund der beschränkten Aufwertungsmöglichkeiten der Wigger im fraglichen Gewässerabschnitt, zwischen zwei Brücken. Es stelle sich jedoch die Frage, ob zur weitestmöglichen Schonung des Gewässerraums, eine Verschiebung des Mehrfamilienhauses A weg vom Gewässer möglich wäre. Die Beschwerdeführerin hingegen ist der Auffassung, der Betrachtungsperimeter müsse grösser gefasst werden. Er umfasse den bedeutenden Grünraum «A de Wigere», weshalb «dicht überbautes Gebiet» zu verneinen sei. Dazu stellt das BGer fest, dass der Begriff «dicht überbautes Gebiet» ein Begriff der GSchV und damit des Bun- desrechts sei, der bundesweit einheitlich auszulegen sei. Ein Spielraum der Kantone bestehe nur beim Vollzug im Einzel- fall. Der Begriff «dicht überbautes Gebiet» werde zudem nicht nur in Art. 41c Abs. 1 GSchV verwendet, sondern auch in Art. 41a Abs. 4 und Art. 41b Abs. 3 GSchV, im Zusammenhang mit der planerischen Festlegung des Gewässerraums. 10 Vgl. HANS W. STUTZ, zit. in Fn. 5, S. 104. Vgl. HANS W. STUTZ, zit. in Fn. 5, S. 104; Hans W. Stutz, Raumbedarf der Gewässer – die bundesrechtlichen Vorgaben für das Planungs- und Baurecht, in: PBG aktuell 4/2011, S. 18. 11 Sodann betont das BGer, dass eine sachgerechte Planung einen genügend gross gewählten Perimeter voraussetzte. Planungsperimeter sei in der Regel das Gemeindegebiet. Dabei liege der Fokus auf dem Land entlang der Gewässer und nicht auf dem Siedlungs- oder Baugebiet als Ganzem. Wie die Beispiele im Erläuternden Bericht zeigen, wollte der Verordnungsgeber eine Anpassung des Gewässerraums bzw. Ausnahmebewilligungen vor allem in dicht überbauten städtischen Quartieren und Dorfzentren zulassen, die (wie Basel und Zürich) von Flüssen durchquert werden. In solchen Gebieten sollen die raumplanerisch erwünschte städte- bauliche Verdichtung und die Siedlungsentwicklung nach innen ermöglicht und Baulücken geschlossen werden. Dagegen besteht in peripheren Gebieten, die an ein Fliessgewässer angrenzen, regelmässig kein überwiegendes Interesse an einer verdichteten Überbauung des Gewässerraums. Der Verordnungsgeber hat mit dem Begriff «dicht überbaut» zum Ausdruck gebracht, dass eine «weitgehende» Überbauung nicht genügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 36a GSchG als indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative «Lebendiges Gewässer» konzipiert wurde. Der Rückzug der Initiative erfolgte nach Annahme des Gesetzes, aber vor Erlass der dazugehörigen Ausführungsbestimmungen. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des «dicht überbauten Gebiets», der Ausnahmen vom Grundsatz des Schutzes und der extensiven Nutzung des Gewässerraums gemäss Art. 36a GSchG erlaubt, restriktiv auszulegen. Konkret stellt das BGer fest, dass sich das Hauptsiedlungsgebiet der Gemeinde Dagmersellen östlich der Bahnlinie befinde. Die Wigger fliesse westlich der Bahnlinie und wird durch einen Grüngürtel vom Gemeindezentrum getrennt. Er wird im streitigen Bereich durchbrochen, durch das kleine Wohngebiet Sagenstrasse/Birkenweg und die daran angrenzenden überbauten Parzellen der Wohn- und Gewerbezone. Das östliche Ufer der Wigger sei lediglich auf einer Länge von rund hundert Metern, auf vier Parzellen, überbaut (darunter die Bauparzellen d und c und die Parzelle f der Beschwerdeführerin). Mit Blick auf das gesamte Gemeindegebiet handle es sich um ein peripher gelegenes Gebiet, das nicht als «dicht überbaut» bezeichnet werden kann. Das BGer präzisiert, dass daran auch der Umstand nichts ändere, dass die Wigger im fraglichen Abschnitt verbaut ist und die Aufwertungsmöglichkeiten aufgrund der beiden Brücken beschränkt sind. Dieser Umstand könne im Rahmen der nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV gebotenen Interessenabwägung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung sprechen, genüge aber für sich allein nicht, um «dicht überbautes Gebiet» zu begründen. Der Gewässerraum solle den Raumbedarf des Gewässers langfristig sicherstellen und sei unabhängig vom Bestehen konkreter Revitalisierungs- oder Hochwasserschutzprojekte auszuscheiden. B Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie Schliesslich prüft das BGer, ob die Beschränkung der Eigentumsfreiheit zumutbar ist. Die strittigen Parzellen, die gemeinsam überbaut werden sollen, ergeben zusammen eine relativ grosse Fläche. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sie auch unter Respektierung des Gewässerraums baulich sinnvoll genutzt werden können. Jedenfalls geniessen die bestehenden Bauten, auch soweit sie in den Gewässerraum hineinragen, Bestandesschutz (Art. 41c Abs. 2 GSchV). Die noch nicht überbaute Parzelle Nr. e liegt ausserhalb des übergangsrechtlichen Gewässerraums; dieser steht daher der Schliessung dieser Baulücke nicht entgegen. Insofern bedeutet die Verweigerung der Ausnahmebewilligung keine unzumutbare Einschränkung der Eigentumsfreiheit. Das BGer kommt zum Schluss, dass es sich nicht um ein «dicht überbautes Gebiet» handelt und somit keine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV erteilt werden kann. Das Bauprojekt des Beschwerdegegners kann daher nicht bewilligt werden. IV. Anmerkungen A Vorbemerkung zu den Übergangsbestimmungen Zu bemerken ist zunächst, dass alle drei Fälle auf Grundlage der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 4. Mai 2011 entschieden wurden. Die Kantone haben bis Ende 2018 Zeit, um den Gewässerraum gemäss den Art. 41a und 41b auszuscheiden (Abs. 1 ÜbBest. GSchV). Da dies in den Kan- tonen Zürich und Luzern noch nicht erfolgt ist, kommt die zum Teil strengere Vorschrift von Abs. 2 ÜbBest. GSchV zur Anwendung, so verlangt z.B. Abs. 2 lit. c ÜbBest. GSchV bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha eine Breite des Gewässerraums von 20 m, gemessen ab der Uferlinie, während Art. 41b Abs. 1 GSchV lediglich eine Breite von 15 m erfordert. 12 B Anwendbarkeit der neuen Gewässerschutzvorschriften im Beschwerdeverfahren Auch wenn der erste Entscheid 139 II 470 zum Begriff «dicht überbautes Gebiet» kaum Ausführungen enthält, hat das BGer darin die wichtige Frage geklärt, dass die neuen gewässerschutzrechtlichen Vorschriften, die erst im Laufe des kantonalen Verfahrens in Kraft getreten sind, wichtigen öffentlichen Interessen dienen, und somit auch noch im Beschwerdeverfahren Anwendung finden. 13 C Schluss mit der Zürcher Spezialbauordnung auf Landanlagen Sodann hat das BGer klargestellt, dass die kantonalzürcherische Spezialbauordnung für Bauten auf Landanlagen der bundesrechtlich geforderten umfassenden Planungspflicht widerspricht. Beim Konzessionsland handelt sich um Liegenschaften auf aufgeschüttetem Land, die durch Konzessionen des Kantons ins private Eigentum gegangen sind, allerdings mit gewissen Einschränkungen. Auf der Landanlage dürfen nur Bauten erstellt werden, für die eine Baukonzession besteht. Mit seinem Entscheid 139 II 470 hat das BGer nun die seit Jahrzehnten bestehende Praxis des Kantons Zürich, die Ufergestaltung am Zürichsee über die Baukonzession zu lenken, als unzulässig erklärt. Während die Beschwerdeführer lediglich gerügt haben, die Verweigerung der Baukonzession stütze sich nicht auf eine genügende gesetzliche Grundlage, ist das BGer weiter gegangen und hat die Spezialbauordnung als solche für unzulässig erklärt. Dem Kanton Zürich ist es somit in Zukunft nicht mehr erlaubt, eine Spezialordnung für Landanlagen (selbst auf formell-gesetzliche Grundlagen) zu errichten. Möchte der Kanton Zürich für Bauvorhaben am Seeufer strengere Anforderungen stellen, ist dies nur soweit möglich, als dafür eine Regelung besteht, die auch das nicht aufgeschüttete Land miteinbezieht. Dem bundesgerichtlichen Entscheid ist in diesem Punkt zuzustimmen. Es ist in der Tat nicht einzusehen, dass das Seeufer unterschiedlich geschützt wird, je nachdem, ob es sich um aufgeschüttetes Land handelt oder nicht. Hätte das vorliegende Bauprojekt nämlich auch ohne Beanspruchung des aufgeschütteten Landes realisiert werden können, wäre keine Baukonzession nötig gewesen. Ein Seeuferschutz, der nur zum Tragen kommt, wenn die Baute Konzessionsland beansprucht, widerspricht der vom Bundesrecht verlangten gesamtheitlichen Sicht. 14 Die Landanlagekonzession hat somit erheblich an praktischer Bedeutung verloren. Es fragt sich, ob mit dem Weg- fall der kantonalen Richtlinien zur Baulandanlage eine Regelungslücke entstanden ist. Es wird Aufgabe des Kantons Zürich sein, neue Regelungen für einen umfassenden Seeuferschutz zu erarbeiten und, wenn nötig, Übergangsregelungen zu erlassen, um unerwünschte Bebauungen zu verhindern. 15 Schliesslich bedeutet der Entscheid des BGer, dass Bauvorhaben auf Konzessionsanlagen nun gleich wie andere Bauten nach dem Prüfungsschema von Art. 41c GschV beurteilt werden müssen, und somit der Prüfung des «dicht überbauten Gebiets» unterstellt werden. D Prüfungsschritte für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung Gemäss Art. 41c GSchV dürfen im Gewässerraum nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen erstellt werden. In dicht überbauten Gebieten kann die Behörde für zonenkonforme Anlagen Ausnahmen bewilligen, soweit keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Bei einem Projekt im Gewässerraum ist somit in mehreren Prüfungsschritten vorzugehen. Zuerst muss entschieden werden, ob das Bauvorhaben standortgebunden oder von öffentlichem Interesse ist. Sodann muss geprüft werden, ob sich das Projekt in einem dicht überbauten Gebiet befindet. Schliesslich ist zu 12 BARBARA JUD, Ausnahmebewilligungen – Gewässerraum beschäftigt das Bundesgericht, in: VLP-ASPAN Inforaum 6/2014, S. 3. Mit dieser Frage hat sich das BGer bereits im Urteil 1C_505/2011 vom 1.2.2012 befasst (E. 3.1.3). 14 Vgl. MARKUS RÜSSLI, Bemerkungen zum Urteil 1C_41/2012, in: ZBl (114) 2013, S. 454. 15 Vgl. RETO SCHMID, Anmerkung zum Urteil 1C-41/2012, in: URP 2013, S. 343. 13 ermitteln, ob dem Bauvorhaben keine überwiegend öffentlichen Interessen entgegenstehen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine Ausnahmebewilligung erteilt werden. E Konkretisierung des Begriffs «dicht überbautes Gebiet» Was unter dem Begriff «dicht überbautes Gebiet» zu verstehen ist, war bis anhin unklar. Dieser Begriff wird in der Gewässerschutzverordnung zwar erwähnt, aber nicht näher definiert. Was «dicht überbautes Gebiet» bedeuten soll, wurde hingegen in dem von dem ARE und dem BAFU in Zusammenarbeit mit den Kantonen erarbeiteten Merkblatt vom 18. Januar 2013 konkretisiert. Sinn und Zweck dieses neuen Begriffs werden zudem auch im Erläuternden Bericht näher umschrieben. Das Merkblatt erweist sich jedoch als relativ unbestimmt, ist doch die konkrete Bedeutung des Begriffs «dicht überbautes Gebiet» immer noch mit Unsicherheiten verbunden. Zur Anwendung dieses Begriffs bestehen keine Erfahrungen, zumal das BGer festgestellt hat, dass man sich auf den schon seit längerer Zeit bekannten Begriff des «weitgehend überbauten Gebiets» nicht stützen kann. Im Rahmen der Entscheide BGE 140 II 428 und 140 II 437 hat sich das BGer zum ersten Mal konkret mit dem Begriff des «dicht überbauten Gebiets» auseinandergesetzt. Dabei ging es einerseits um die Erstellung eines Einfamilienhauses in Rüschlikon am Zürichsee und andererseits um den Bau von Mehrfamilienhäusern in der Luzerner Gemeinde Dagmersellen am Ufer der Wigger. Während das BGer «dicht überbautes Gebiet» im Luzerner Fall verneinte, hat es dies hingegen im Zürcher Fall bejaht. 1. Die massgeblichen Kriterien Aus den beiden Entscheiden lassen sich nachstehende Kriterien für die Qualifizierung von «dicht überbautem Gebiet» herleiten: 1. Es ist zu ermitteln, ob das Bauvorhaben eine Parzelle im Zentrum des Siedlungsgebiets betrifft oder ob sich diese an der Peripherie des Siedlungsraumes befindet. Dieses Kriterium war im Luzerner Fall von grosser Bedeutung. In Dagmersellen war das Zentrum der Gemeinde klar erkennbar und das Bauvorhaben sollte am Rande dieses Gebietes realisiert werden; im Fall Rüschlikon befindet sich die Parzelle im Zentrum. 2. Aus Fall Dagmersellen (und dem Merkblatt) ergibt sich, dass ein Interesse bestehen muss, den Gewässerraum verdichtet zu überbauen. Es muss ein Bedarf bestehen, Baulücken zu schliessen. Eine Verdichtung war jedoch im Fall Rüschlikon II gerade nicht angestrebt. Bemerkenswert deshalb, dass am Ufer eine lockere Überbauung beabsichtigt wird, und dennoch – weil sich das Bauvorhaben im Hauptsiedlungsgebiet der Agglomeration befindet – «dicht überbautes Gebiet» angenommen werden kann. 3. Entscheidend für die Frage, ob sich eine Parzelle im «dicht überbauten Gebiet» befindet, ist darüber hinaus der Betrachtungsperimeter. Dieser muss genügend gross sein. Massgebend ist somit nicht der Blick auf die Einzelparzelle. Im Fall Rüschlikon II haben die kantonalen Instanzen nur den Landstreifen zwischen der Seestrasse und dem Zürichsee betrachtet und sind deshalb zum Schluss gekommen, es liege kein «dicht überbautes Gebiet» vor. Das BGer hat hin- gegen den Betrachtungsperimeter weiter gefasst. Gleiches gilt für das Bauvorhaben an der Wigger. Der Betrachtungsperimeter dürfte wohl eines der wichtigsten Kriterien dar- stellen. Dabei liegt der Fokus auf dem Land entlang des Gewässers. Im Fall Rüschlikon II präzisiert das BGer, dies bedeute nicht, dass der Betrachtungsperimeter enger gefasst werden könne. Obwohl das Land entlang der Gewässer massgebend sei, sei stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, mit Blick auf die Baustruktur im Gemeindegebiet. Zu- dem ergibt sich eine unterschiedliche Lösung, je nachdem von welcher Seite man das Gebiet betrachtet. Vom See aus ergibt sich beispielsweise ein anderer Eindruck als von der Seestrasse aus. 4. Von erheblicher Bedeutung war im Fall Rüschlikon II ebenfalls, dass das Ufer durchgehend hart verbaut und mit Boots- und Badehäusern in dichter Folge überstellt ist. Des- wegen bestand auch ein eingeschränktes Potenzial für eine Aufwertung. Obwohl dies vorliegend eine Rolle spielte, präzisiert das BGer, dass der Gewässerraum den Raumbedarf der Gewässer langfristig sicherstellen soll. Die fehlenden Aufwertungsmöglichkeiten dürfen nicht als einziges Kriterium zur Bestimmung des «dicht überbauten Gebiets» her- angezogen werden. 2. Die praktische Bedeutung der Leitentscheide Auch wenn mit den hier vorgestellten Leitentscheiden nicht alle Fragen mit Blick auf die Errichtung von Bauten und An- lagen im Gewässerraum geklärt worden sind, kann ihre praktische Bedeutung kaum überschätzt werden. Die vom BGer herausgearbeiteten Kriterien zur Abgrenzung von «dicht» zum nicht «dicht überbauten Gebiet» sind entscheidwesentlich für die Beurteilung der Frage, ob eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann. 16 Besonders hervorzuheben ist auch der deutlich erkennbare Wille des BGer, dem Gesetzesvorrang Nachachtung zu verschaffen. Merkblätter und Richtlinien dürfen nicht angewendet werden, wenn der Wille und die Zielsetzungen des Gesetzgebers dadurch gefährdet würden oder sogar die Gefahr besteht, dass dieser unterlaufen wird. Aus BR/DC 2/15 / Extraits de BR/DC 2/15 Redaktion/Rédaction: Prof. Dr. Jean-Baptiste Zufferey http://www.unifr.ch/baurecht 16 Bemerkenswert ist, dass sich die verschiedenen Instanzen bzw. Fachstellen nicht einig sind. Während im Fall Dagmersellen die Gemeinde, der Kanton und das BAFU der Ansicht sind, es handle sich um «dicht überbautes Gebiet», kam das BGer entgegen der Einschätzung des BAFU zu einem anderen Ergebnis. Die gleiche Bemerkung gilt für den Fall Rüschlikon II, wo das BGer, im Gegensatz zum Kanton (jedoch in Übereinstimmung mit dem BAFU) «dicht überbautes Gebiet» bejaht hat. Umso mehr sind die bundesgerichtlichen Klärungen zu begrüssen.
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