Die neue ALTINOVA ist da (März 2015)

01/2015
DER NEWSLETTER DER GRÜNEN ALTONA
IN H A LT
EDITORIAL
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02
von Wolfgang Krechlok
ARTIKEL 4 | MITGLIEDERBETEILIGUNG
.......................................................
10
Darauf kann man aufbauen
ARTIKEL 8 | STADTENTWICKLUNG
...........................................................................
23
Ein Bunkerabriss und viele Pläne: Was passiert an
der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße?
von Steffen Treske
von Frank Steiner
ARTIKEL 1 | BÜRGERSCHAFTSWAHL
. ...................................................................
03
Altona ist weit vorn!
von Filiz Demirel
ARTIKEL 5 | WAHLRECHT
............................................................................................................................
13
Wählen oder nicht wählen, das ist die Frage
ARTIKEL 9 | ZUWANDERUNG
von Filiz Demirel
„Willkommenskultur“ – nicht nur ein Wort
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26
von Ingo Lembke
ARTIKEL 2 | BÜRGERSCHAFTSWAHL
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05
Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona gewinnt
am stärksten dazu
von Anjes Tjarks
ARTIKEL 6 | NATURSCHUTZ
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Daten zur Wahl
..................................................................
09
ARTIKEL 10 | DIE GÄRTNERIN
Flächenkonkurrenz im Geestdorf
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21
Wohnungsbau ohne Milieuschutz – kann das
gut gehen?
von Benjamin Harders
. ...................................................................................................
30
Stadtgrün und Artenvielfalt oder:
Natur ist gar nicht so natürlich
von Caroline Kouptsidis und Benjamin Harders
ARTIKEL 7 | STADTENTWICKLUNG
ARTIKEL 3 | BÜRGERSCHAFTSWAHL
17
von Bettina Schröder
ZU GUTER LETZT…
......................................................................................................................................................
33
E D ITO R IA L
Inhalt
W
ieder liegt eine Wahl hinter uns, die dritte in kurzer
Folge, diesmal die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft. Wenn wir auch landesweit mit 12,3% der abgegebenen Stimmen ein gutes Ergebnis eingefahren
haben und Stimmen dazugewannen, ließen die Umfragen vor der
Wahl doch Hoffnungen zu, noch besser abzuschneiden. Das grüne
Wählerpotenzial in dieser Stadt ist sicher noch nicht ausgeschöpft.
Stolz sind wir natürlich auf die Ergebnisse in Altona. 36% des landesweiten Stimmenzuwachses der GRÜNEN gehen auf das Konto
der beiden Altonaer Wahlkreise, was sicherlich auch auf die gute
Arbeit unserer Kandidatinnen und Kandidaten in Altona zurückgeht und auf das große Engagement vieler Mitglieder. (Details in
den Artikeln von Filiz Demirel und Anjes Tjarks). Der Kreisvorstand
bedankt sich ausdrücklich bei allen, die dabei mitgeholfen haben,
dieses gute Resultat zu erreichen.
Bis zum nächsten Urnengang, der Bundestagswahl im September 2017, liegen nun 2½ Jahre wahlfreie Zeit vor uns, eine
Zeit, die wir nutzen sollten, um zusammen die Arbeit des Kreisverbandes voranzubringen. Verbesserungspotenziale gibt es in
vielen Aufgabenbereichen: Unter anderem sollten wir die Beteiligung möglichst vieler Mitglieder an der Arbeit und eine brei-
2
Editorial
tere und intensivere Diskussion im Kreisverband anstreben. Wir
sollten darüber nachdenken, wie Partei und Fraktion ihre Öffentlichkeitsarbeit intensivieren, ob wir eine Zusammenarbeit mit der
SPD im Bezirk anstreben, was unsere Knackpunkte in Altona sind,
die wir in der nächsten Zeit erreichen wollen. Wie gewinnen wir
mehr Mitglieder? Und natürlich sollten wir auch eine Diskussion
darüber beginnen, was unsere langfristigen Themen und Ziele als
GRÜNE sind.
Dazu brauchen wir Euch, die Mitglieder! Wir brauchen Eure
Kreativität, Eure Kompetenz und Euer Engagement. Um unseren
Kreisverband voranzubringen, werden wir Euch in nächster Zeit in
vielfacher Weise ansprechen und Euch Angebote machen, wie Ihr
Euch und Eure Fähigkeiten einbringen könnt.
Aber jetzt wünscht Euch das Reaktionsteam erst mal viel Spaß
beim Lesen der vorliegenden ALTINOVA.
Wolfgang Krechlok,
am 25.03.2015
ALTONA
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
Inhalt
Artikel 1
F OTO: F L ICK R / R AS AN D E TY S K AR
ALTONA IST WEIT VORN! !
Altona ist weit vorn!
vom Filiz Demirel
3
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
Inhalt
Artikel 1
ALTONA IST WEIT VORN! !
L
iebe Mitglieder, wir haben in den beiden Wahlkreisen in Altona sehr ansehnliche Wahlergebnisse erzielt. Wir möchten uns
auch an dieser Stelle bei allen Spendern und aktiven Mitgliedern für ihren unermüdlichen Einsatz im Wahlkampf bedanken.
Trotz der guten Ergebnisse schöpfen wir auch in unserem Bezirk unser Potenzial nicht aus. Wir müssen uns daher Gedanken machen,
wie wir für die kommenden Wahlen u.a. mehr Mitglieder mobilisieren können. An dieser Stelle hakt es nämlich noch. Ein großes
Problem war auch dieses Mal die Besetzung von Infoständen.
Die Wahlbeteiligung bei dieser Bürgerschaftswahl betrug nur
56,5 Prozent und ist um 0,8 Prozentpunkte geringer als 2011.
Es ist damit der niedrigste Wert seit 1949 und damit vorläufiger
Höhepunkt eines stetigen Rückgangs seit 2001 bei Bürgerschaftswahlen. Wir sind gefordert uns Gedanken zu machen, wie wir
bei den Menschen wieder mehr Interesse für Politik wecken und
ihnen die Bedeutung der Wahlen vermitteln können. Das ist eher
ein mittel- bis langfristiger Prozess und erfordert viele gute Ideen.
Nächster Artikel: „Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona gewinnt am stärksten dazu“
4
Während die Koalitionsgespräche auf Landesebene noch laufen,
müssen wir uns damit beschäftigen, wie die weitere Arbeit in der
Bezirksversammlung gestaltet werden kann. Auf der nächsten
Kreismitgliederversammlung am 21. April werden wir voraussichtlich eine Entscheidung treffen, ob wir mit der Altonaer SPD in Gespräche eintreten. Die inhaltliche Vorbereitung starten Vorstand
und Fraktion diese Tage auf Basis der Wahlprogramme.
Der Kreisvorstand geht am 29. März in Klausur, um die Tätigkeiten
der kommenden Monate zu planen und Ziele zu definieren. Schon
jetzt steht fest, dass wir daran arbeiten wollen, mehr Mitglieder in
die Aktivitäten des Kreisverbandes einzubeziehen und Interessenten
intensiver an die Partei zu binden. Der Klausurtag soll u.a. auch dazu
dienen, in dieser Richtung neue Ideen zu entwickeln.
Wir freuen uns auch auf neue frische aber auch gute alte Ideen
Eurerseits! Gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam können
wir für unsere Grünen Inhalte in Altona kämpfen!
Euer Kreisvorstand
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
Inhalt
Artikel 2
BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS
ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU
Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona
gewinnt am stärksten dazu
von Anjes Tjarks
5
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
D
ie Ausgangssituation für diesen Wahlkampf war schwierig:
Unser Hauptgegner war die SPD. Unser Ziel: Eine Koalition
mit der SPD. Für die Wahlkampfstrategie befanden wir uns
in einem Dilemma zwischen Kuscheln und Konfrontation.
Die CDU bot von vorne herein keinerlei realistische Machtoption und
fiel damit als Herausforderer der SPD aus. Die Gefahr, dass die SPD
die absolute Mehrheit verteidigen könnte, war also keineswegs gering.
Der schon totgeglaubten FDP gelang es mit ihrer professionellen und
sicher nicht ganz billigen Wahlkampagne, sich wieder erfolgreich ins
Gespräch zu bringen. Und mit der AfD drohten nach Schill auch wieder
Rechtspopulisten in die Bürgerschaft einzuziehen.
6
Inhalt
Artikel 2
BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS
ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU
Wahlkreis 03 Altona: In Hamburgs Grünen-Hochburg
deutlich zugelegt
Angesichts der Dominanz der SPD und des mit einer gewaltigen
Kampagne begleiteten Überlebenskampfs der FDP mussten wir
hart kämpfen, um medial in Erscheinung zu treten. Vor diesem
Hintergrund war das Wahlergebnis von 12,3 % ein großer Erfolg.
Insgesamt haben die Grünen in Hamburg 432.713 Stimmen über
die Landesliste geholt - ein Plus von 48.211 Stimmen gegenüber
2011 (384.502 Stimmen). Wir haben einen Sitz dazu gewonnen
Der Wahlkreis Altona hat wieder maßgeblich zu diesem Erfolg beigetragen: 25,6 % der Wahlkreisstimmen und 21,9 % der Landeslistenstimmen sind das beste grüne Ergebnis im Vergleich zu allen
anderen Wahlkreisen. Wir sind zweitstärkste Kraft geblieben vor
der Linken mit 17,7 % und der CDU mit 8,6 %. Nach 16,8 %
2008 und 17,6 % 2011 konnten wir unser Ergebnis um satte 4,3
Prozentpunkte auf 21,9 % steigern.
Insgesamt haben die Grünen in Hamburg 432.713 Stimmen
über die Landesliste geholt. 2011 waren es 384.502 Stimmen. Das
ist ein Plus von 48.211 Stimmen. Im Wahlkreis 03 konnten wir
unser Ergebnis von 49.619 auf 61.706 erhöhen. Das ist ein Plus
von 12.087 Stimmen. Damit haben wir sowohl prozentual und
absolut im Wahlkreis Altona mit Abstand am stärksten zugelegt
und in einem von 17 Wahlkreisen rund 25 Prozent zum gesamten
Zuwachs beigetragen. Das ist eine wichtige Erkenntnis für zukünftige Wahlen: In unserer Hochburg wachsen wir am stärksten.
Auffällig ist auch das Ergebnis der SPD als unserem Haupt-
und schicken nun 15 Abgeordnete in die Bürgerschaft.
gegner in diesem Wahlkampf: Mit 37,2 % hat sie in Altona das
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
schwächste Wahlkreisergebnis geholt. Nirgends hat sie so stark –
nämlich um 8,4 Prozent – verloren wie hier.
Persönlich habe ich mich sehr gefreut, dass ich 34.537 Stimmen
holen konnte. Das sind 12,4 % und das beste Personenergebnis im
Wahlkreis vor Gabriele Dobusch (11,3) und Arno Münster (6,8) beide SPD. Dass ich sogar mehr Stimmen ziehen konnte als unsere
bisherige Spitzenkandidatin und ehemalige Zweite Bürgermeisterin
Christa Goetsch – sie hat 2011 30.629 Stimmen geholt – empfinde
ich als großen Vertrauensbeweis der Altonaerinnen und Altonaer.
Erfolgreich waren wir aber, weil wir eine interessante Wahlkreisliste für möglichst viele Wählerinnen und Wähler aufgestellt haben:
Mareike Engels als Spitzenkandidatin der Grünen Jugend, unser
Stadtentwicklungsexperte Christian Trede, unser Migrations- und
Sozialpolitiker Yusuf Uzundag, unser ehemaliges LaVo-Mitglied Peer
Kaeding und die erfahrene Christa Müller. Dieser gute Mix an Schwerpunktthemen, Altersgruppen und unterschiedlichen politischen Hintergründen war sicher ein wichtiges Erfolgsgeheimnis. Und vor allem
das persönliche Engagement, das die Kandidatinnen und Kandidaten
und viele Mitglieder bei diesem Wahlkampf gezeigt haben.
Inhalt
BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS
ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU
Stimmen (11,7 %) über die Wahlkreisliste geholt. Auch hier haben
wir uns damit nach 9,6 % 2011 um 2,1 Prozentpunkte gesteigert.
Hier sind wir weiterhin viertstärkste Kraft.
Unsere Bürgerschaftsabgeordnete Filiz Demirel hat hier mit
15.011 Stimmen (5,7 %) eines der Direktmandate geholt. Auch
hier hatten wir mit unserem Pastor im Ruhestand Ingo Lemke, der
jungen Linda Heitmann und dem erfahrenen Michael Klanck einen
bunten Mix aus unterschiedlichen Berufen, Schwerpunkten und
Altersklassen.
Wahlkreis 04 Blankenese: Auch in schwierigeren
Stadtteilen dazu gewonnen
Landesliste: Altonaer Grüne weit vorne
Auch auf der Landesliste konnten die Altonaer Grünen punkten:
Ich konnte auf der Landesliste 8.268 Stimmen holen und wurde
damit von Platz 8 auf Platz 3 knapp hinter Jens Kerstan (8.918)
hochgewählt.
Mareike Engels hat mit 4.192 Stimmen den Einzug in die Bürgerschaft über die Landesliste leider knapp verpasst. Nach den
Kandidatinnen und Kandidaten, die über Wahlkreise eingezogen
sind, hat sie das zweitbeste Ergebnis erzielt. Das ist das Ergebnis
einer tollen Kampagne und unzähligen Wahlkampfterminen, die
sie insbesondere als Kandidatin der Grünen Jugend wahrgenommen hat.
Im schwierigeren Wahlkreis 04 mit Blankenese, Lurup etc. haben
wir 26.617 Stimmen (10,0 %) über die Landesliste und 30.922
Nur Nebahat Güclü hat mehr Stimmen (5.624) erhalten. Offensichtlich konnte sie von der für die Gesamtpartei eher ungün-
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Artikel 2
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
stige Berichterstattung über ihren umstrittenen Auftritt profitieren und wurde von Platz 25 in die Bürgerschaft gewählt. Ob sie
Mitglied der Grünen Bürgerschaftsfraktion wird, darüber werden
wir sicher noch einige Diskussionen führen müssen.
Fazit
Wir haben in Altona insgesamt einen sehr erfolgreichen Wahlkampf hingelegt. Das Ergebnis ist besser als zu erwarten war.
Es ist uns offensichtlich gelungen, ohne Wechselstimmung den
Mehrwert zu verdeutlichen, den eine grüne Regierungsbeteiligung bedeutet. Und wir konnten dem medialen Hype um Scholz
und Suding trotzen. Das lag wahrscheinlich weniger an unserer
Kampagne, die inhaltlich eher schwach war und deren Kopfplakate ausgesprochen unnatürlich wirkten. Dennoch: Alle Wahlziele wurden erreicht. Hier haben wir sicher von unserer politischen Wählerschaft profitiert, die zwar immer kritisch bleibt,
aber sich nicht allzu sehr von medialen Hypes beeinflussen lässt.
Nächstes Thema: „Daten zur Wahl“
8
Inhalt
Artikel 2
BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS
ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU
Gefahrengebiete und Flüchtlingspolitik haben die Altonaer nicht
so schnell vergessen, wie die SPD es gerne gehabt hätte.
Wir haben uns dazu entschieden, Koalitionsverhandlungen zu
führen. Aber es ist klar, dass dies keine einfachen Verhandlungen
sind. Die SPD hat die absolute Mehrheit nur knapp verpasst und
sie hat mit der FDP und Neuwahlen durchaus ernstzunehmende
Alternativoptionen. Nach dem anstrengenden Wahlkampf wird
es nicht entspannter.
Für zukünftige Wahlkämpfe müssen wir berücksichtigen, dass
wir gerade in unserer Hochburg Altona zulegen konnten. Dabei konnten wir nicht nur von einer geringeren Wahlbeteiligung
profitieren und unsere bisherigen Wählerinnen und Wähler mobilisieren, sondern es ist uns auch gelungen, in absoluten Zahlen
zuzulegen.
Dass dieser Wahlkampf so erfolgreich gelaufen ist, ist eine tolle
Teamleistung. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben.
B Ü R G E R S C H A F TSWA H L
Inhalt
Artikel 3
DATEN ZUR WAHL
DATEN ZUR WAHL
WAHLKREIS 03 - ALTONA
WAHLKREIS 04 - BLANKENESE
ERGEBNIS DER BÜRGERSCHAFTSWAHL 2015
IM WAHLKREIS 3 – ALTONA: LANDESSTIMMEN 2015
ERGEBNIS DER BÜRGERSCHAFTSWAHL 2015 IM WAHLKREIS 4 – BLANKENESE: LANDESSTIMMEN 2015
SPD
CDU
DIE LINKE
FDP
GRÜNE
AFD
ÜBRIGE
SPD
CDU
DIE LINKE
FDP
GRÜNE
AFD
ÜBRIGE
37,2
8,6
17,7
6,0
21,9
3,0
5,6
44,3
18,9
5,5
12,5
10,0
6,0
2,8
WAHLKREIS 3- ALTONA: WAHLKREISSTIMMEN 2015 IN %
WAHLKREIS 4- BLANKENESE: WAHLKREISSTIMMEN 2015 IN %
SPD
CDU
DIE LINKE
FDP
GRÜNE
AFD
ÜBRIGE
30,9
10,5
18,9
5,5
25,6
2,8
5,8
WAHLBETEILIGUNG: 61,3 %
SPD
CDU
DIE LINKE
FDP
GRÜNE
AFD
ÜBRIGE
37,5
22,0
6,5
13,7
11,7
5,9
2,7
WAHLBETEILIGUNG: 60,3 %
PERSONENSTIMMEN IM WAHLKREIS 3
PERSONENSTIMMEN IM WAHLKREIS 4
NAME
STIMMEN
%
NAME
STIMMEN
%
Tjarks Dr., Anjes
34.537
12,4
Demirel, Phyliss
15.011
5,7
Engels, Mareike
9.128
3,3
Klanck, Michael
3.993
1,5
Müller, Christa
5.235
1,9
Heitmann, Linda
5.217
2,0
Kaeding, Peer
6.332
2,3
Lembke Dr., Ingo
6.701
2,5
Uzundag, Yusuf
7.597
2,7
Christian Trede
8.667
3,1
Weitere Informationen zur Wahl beim Statistikamt Nord. www.statistik-nord.de/wahlen/wahlen-in-hamburg/buergerschaftswahlen/2015-1/#c4475
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DARAU
as
von Steffen Treske
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Wi e b e g l e i t e n d i e
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B a u p ro j e k t e h e u
Inhalt
Artikel 4
DARAUF KANN
MAN AUFBAUEN
F OTO: F L ICK R / R AS AN D E TY S K AR
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eise-Parkplatz, Spritzenplatz und Mamma Mia, Ende letzten Jahres beschäftigte kaum ein Thema die Altonaer Bürger so sehr wie die großen Bauprojekte, die das Stadtbild
im Kerngebiet in den nächsten Jahren massiv verändern
werden. Und unter das Unbehagen, das jede Veränderung erst einmal
mit sich bringt, mischte sich eine ohnmächtige Wut darüber, dass die
Politik scheinbar über die Köpfe der Menschen hinweg folgenschwere
Entscheidungen trifft, ohne die Bürger angemessen zu informieren
oder im Vorfeld in die Abläufe einzubinden.
Im Falle der Bebauung des Zeise-Parkplatzes brach sich dieser Unmut Bahn in der Gründung einer Initiative mit dem Namen Pro
Wohnen Ottensen, die sich massiv gegen die Ansiedlung von
Gewerbe und für eine zwischenzeitlich geplante Wohnbebauung
einsetzt. Die Vorgeschichte und Hintergründe dieser Baumaßnahme hat Christian Trede in ALTINOVA 2/2014 detailliert dargestellt.
Was passiert da eigentlich?
Doch nicht nur Altonas Bürger murren angesichts des Vorgehens
der Politik, auch die Mitglieder der GRÜNEN Partei fühlten sich
11
Inhalt
Artikel 4
DARAUF KANN
MAN AUFBAUEN
uninformiert und angesichts der rasanten Entwicklungen übergangen. Auf einer Kreismitgliederversammlung Anfang Dezember wurden spontan zahlreiche Stimmen laut, die von unserer
Bezirksfraktion wissen wollten, was denn da nun eigentlich passiert. Und in wie weit die GRÜNEN hier eigentlich Einfluss nehmen. Nehmen können. Nehmen wollen. Christian Trede wurde als Fachsprecher unvorbereitet überfallen und musste in der
rastlosen Hektik und Zeitnot, die Mitgliederversammlungen so
oft auszeichnet, aus dem Stegreif aktuelle Sachstände referieren, für eine inhaltliche Auseinandersetzung blieb jedoch keine
Gelegenheit.
Eine Themenwerkstatt als Auftakt
Dieser deutliche Wunsch nach Information und Einbindung der
Mitglieder sollte jedoch aufgegriffen werden. Am 19. Januar fand
eine Grüne Themenwerkstatt mit dem schlichten Titel Bauprojekte in Altona statt, bei der Gesche Boehlich als Fraktionsvorsitzende und Christian Trede als baupolitischer Sprecher eingeladen
waren, um die Mitglieder zum aktuellen Stand geplanter Bauprojekte in Altona zu informieren. Die Themenwerkstatt hatte
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sich große Ziele gesetzt: Die Grünen Zielvorstellungen aus dem
Bezirkswahlprogramm sollten an der Praxis der konkreten Bauvorhaben gemessen, unsere Vorstellung von der baulichen Entwicklung des Kerns von Altona in den nächsten Jahren diskutiert
werden. Schließlich stand die Frage auf dem Programm, wie der
Prozess in der Partei, aber auch unter Einbeziehung von Bürgern
und Initiativen weiter gestaltet werden soll.
Während der gut besuchten Veranstaltung wurde schnell klar,
dass dies nicht an einem Abend zu leisten ist. Den fast 30 Teilnehmern wurden im Schnelldurchlauf 18 aktuelle Bauprojekte
unterschiedlichsten Planungsstands vorgestellt, viel wurde be-
Nächster Artikel: „Altona ist weit vorn!“
12
richtet über Rechts- und Verwaltungsnormen, Bebauungspläne,
Planfeststellungsverfahren und Bauvorbescheide. Die intensive
Diskussion einzelner Projekte oder ein übergeordneter Austausch
über die grundsätzlichen Vorstellungen GRÜNER Stadtentwicklung blieben jedoch erneut auf der Strecke. In der Debatte wurden sich unsere Mitglieder und Abgeordneten jedoch schnell einig, dass dieses Thema in Zukunft intensiver und regelmäßig in
größerer Runde diskutiert werden solle. Jetzt, nachdem die Last
des Wahlkampfs hinter uns liegt, ist es an der Zeit, das nächste
Kapitel anzugehen. Der Kreisvorstand bemüht sich bereits um
einen weiteren Termin, die Einladung sollte euch bald zugehen.
Lasst uns am Ball bleiben.
Inhalt
Artikel 4
DARAUF KANN
MAN AUFBAUEN
WA H L R EC H T
Wählen oder
nicht wählen,
das ist die Frage
von Filiz Demirel
13
Inhalt
Artikel 5
WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN,
DAS IST DIE FRAGE
WA H L R EC H T
Inhalt
WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN,
DAS IST DIE FRAGE
D
ie Wahlbeteiligung bei dieser Bürgerschaftswahl war mit
nur 56,5 Prozent der niedrigste Wert seit 1949. Das ist ein
Trend, der auch bei Bundestagswahlen zu beobachten ist.
Immer weniger Menschen gehen wählen. Die Gründe dafür
sind unterschiedlich: einige denken, dass sie gerade bei dieser Wahl
die Mehrheiten in Hamburg nicht ändern können, einigen ist es gleich,
wer regiert, mit der Begründung: „Es würde sich für sie sowieso nichts
ändern etc.“ Es gibt auch Nicht-WählerInnen aus Protest, die ihre Politikverdrossenheit auf diesem Wege kundtun. Und es gibt Menschen,
die überhaupt kein Interesse an der Politik und den Wahlen haben.
Wir müssen künftig gezielt daran arbeiten, dass Politik konkreter und
nachvollziehbarer wird, gerade auch für junge Menschen.
14
Artikel 5
Darüber hinaus gibt es eine große Gruppe von Menschen in Hamburg und in Deutschland, die nicht wählen darf: Migrantinnen und
Migranten, die aus Nicht-EU-Staaten kommen, dürfen in Deutschland weder auf Bezirks- noch auf Landesebene wählen.
Wenn wir aber Integration als gleichberechtigte Teilhabe auf
allen Ebenen definieren, wozu natürlich auch die politische Parti-
nale Wahlrecht zusteht, dürfen Menschen aus Nicht-EU-Ländern,
die seit 20 oder 30 Jahren hier leben, nicht mitbestimmen, wenn es
um die Angelegenheiten ihrer Kommune geht. Dafür gibt es keine
vernünftige Erklärung! Der Ausschluss dieses Personenkreises vom
kommunalen Wahlrecht stellt eine Diskriminierung bei der Ausübung der politischen Rechte dar und führt zu sozialen und gesellschaftlichen Problemen. Es ist an der Zeit, die Benachteiligung von
Drittstaatsangehörigen beim Wahlrecht aus dem Weg zu räumen.
Es ist schon fast 25 Jahre her, dass das Bundesverfassungsgericht zum staatlichen und kommunalen Wahlrecht ein Urteil gesprochen hat, das das Wahlrecht an die deutsche Staatsbürgerschaft koppelt.
Zwei Jahre nach dem Urteil war diese Rechtsprechung schon
überholt: Angestoßen durch das Europarecht änderte der Bundestag Artikel 28 des Grundgesetzes und führte das kommunale
Wahlrecht für EU-BürgerInnen ein. Kurz darauf folgte das Wahlrecht für die Wahlen zum Europaparlament.
Die Änderung von Artikel 28 Grundgesetz bedeutete eine
Kehrtwende im deutschen Wahlrecht: Seitdem ist das Wahlrecht
zipation gehört, läuft hier einiges schief. Während den EU-BürgerInnen nach dreimonatigem Aufenthalt in Hamburg das kommu-
in Deutschland nicht mehr an die deutsche Staatsangehörigkeit
gebunden, sondern an den ständigen Wohnsitz. Ob jemand wahl-
WA H L R EC H T
Inhalt
WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN,
DAS IST DIE FRAGE
berechtigt ist, richtet sich nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit, sondern es richtet sich – zumindest bei EU-BürgerInnen –
ganz einfach danach, ob sie ihren Wohnsitz in Deutschland haben.
Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit aus Nicht-EU-Ländern wurde dieses Recht aber bislang nicht eingeräumt. Dieser Teil
unserer Bevölkerung ist also von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Durch dieses Demokratiedefizit dürfen Millionen Menschen in Deutschland nicht dort wählen, wo sie leben. Das können
wir nicht länger hinnehmen!
Es kann nicht sein, dass Menschen, die seit Jahren oder Jahrzehnten hier leben, zum Wohlstand beitragen, ihre Steuern zahlen, ihre Kinder und Enkelkinder in die Schulen schicken und zur
Mitwirkung an Staat und Gesellschaft aufgerufen werden, keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ihr Lebensumfeld,
ihre Bezirke und ihre Einrichtungen prägen!
In vielen europäischen Ländern ist das kommunale Wahlrecht
eine Selbstverständlichkeit, so in Estland, Finnland, Luxemburg,
Schweden, Irland, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Die
dert, auch Bürgerinnen und Bürgern aus Nicht-EU-Ländern das
kommunale Wahlrecht einzuräumen. Viele zivilgesellschaftliche
Organisationen und Verbände unterstützen diese Forderung.
Wir haben 2013 einen Antrag zum Kommunalen Wahlrecht
für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger in der Bürgerschaft eingebracht. Mit diesem Antrag forderten die Grünen den Senat auf,
die Möglichkeit der Ausweitung des Wahlrechts auf Nicht-EUBürgerInnen zu den Bezirksversammlungen zu prüfen und eine
landesverfassungsgesetzliche Regelung vorzulegen. Parallel sollte
eine Bundesratsinitiative mit anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Bremen angestoßen werden.
Unser Antrag wurde in den Innenausschuss überwiesen und
dort mit den Stimmen von SPD und CDU beerdigt. Die SPD begründete ihre Ablehnung damit, dass das Thema kommunales
Wahlrecht bei den Koalitionsgesprächen auf Bundesebene mit der
CDU in 2013 kein Thema gewesen sei und daher keine Chance
zur Umsetzung habe.
Wir Grünen bleiben dennoch bei unserer Position. Wir betrach-
Europäische Kommission, das Europäische Parlament, der Ausschuss der Regionen haben in vielen Beschlüssen dazu aufgefor-
ten das kommunale Wahlrecht für Alle als ein Grundrecht zur demokratischen Teilhabe und werden weiter für die Umsetzung des
15
Artikel 5
WA H L R EC H T
Inhalt
WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN,
DAS IST DIE FRAGE
kommunalen Wahlrechts kämpfen. Daher ist dieser Punkt auch
aktuell Gegenstand unserer Koalitionsgespräche mit der SPD auf
Bürgerschaftsebene. Denn es gibt keine richtige Demokratie ohne
Wahlrecht!
Um das deutlicher zu machen, möchte ich einen kleinen Dialog mit Euch teilen, den ich bei den Bürgerschaftswahlen 2011
erlebte:
Bei den Wahlen 2011 habe ich meine Nachbarin, die sechs
Monate zuvor aus Portugal nach Hamburg kam, um hier zu arbeiten, im Wahllokal getroffen. Sie durfte bei den Bezirksversammlungswahlen mitwählen. Auf dem Rückweg sah ich meinen
Nachbarn aus der Türkei vor dem Bäckerei und habe ihn angesprochen, ob er wählen war.
Das war wohl die falsche Frage! Daraufhin hat er ein langes
Referat gehalten, dass er jetzt schon weit über 30 Jahren hier
lebt, seine Enkelkinder in die Schule gehen und er es unmöglich
findet, nicht mal bei den Bezirkswahlen mitwählen zu dürfen.
Da hat er Recht! Und er sagte weiter: „Ich werde hier als Bürger zweiter Klasse behandelt! Was tun Sie, Politikerinnen und
Politiker, um diesen Missstand aus dem Weg zu schaffen? Wa-
ger als viele EU-BürgerInnen in diesem Land! Sogar länger als die
Bundeskanzlerin! Und ich habe doch dieses Land mit aufgebaut,
mit meinen Steuern werden hier die Straßen saniert, Schulen gebaut. Warum muss ich mich unbedingt einbürgern lassen, um
hier vor Ort mit entscheiden zu dürfen?“
Es hat nicht viel geholfen, ihm die Grünen Grundsätze in
dieser Frage zu erläutern und auf die Bundesgesetzgebung zu
verweisen. Und von der Haltung der konservativen Parteien im
Bundestag wollte er erst recht nichts wissen. Für ihn war es eine
Frage der Gerechtigkeit! Ich habe ihm 2013 von unserem Antrag
berichtet. Er schaute mich an und sagte: „Lieber spät als nie,
Frau Demirel.“ Richtig! Lieber spät als nie!
An dieser Stelle möchte ich Willy Brandt zitieren. Er sagte über
die parlamentarische Demokratie: „Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld
im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen.
Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweisen öffnen“.
rum hat ein EU-Bürger mehr Rechte als ich? Ich wohne doch län-
Lieber spät als nie…
Nächster Artikel: „Flächenkonkurrenz im Geestdorf“
16
Artikel 5
N AT U R S C H U T Z
Inhalt
FLÄCHENKONKURRENZ
IM GEESTDORF
Flächenkonkurrenz im Geestdorf
von Caroline Kouptsidis und Benjamin Harders
17
Artikel 6
N AT U R S C H U T Z
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andwirtschaft in Sülldorf und Rissen hat eine lange Tradition. Um 1790 wurde eine Landreform umgesetzt und einzelne
Felder den Höfen zugeteilt. Knicks – auch Wallhecken genannt – wurden angelegt, um Grundstücke und Koppeln voneinander abzugrenzen und Erosion zu stoppen. Die Böden waren überwiegend karg, in Rissen geprägt von eiszeitlichen Sanden, in Sülldorf
etwas lehmiger und entlang der Wedeler Au bisweilen versumpft. Die
Heugewinnung gestaltete sich schwierig. Um das Vieh mit besserem
Futter zu versorgen, wurde zusätzlich saftiges Gras auf den nahe gelegenen Elbwiesen gewonnen. Die produzierten Lebensmittel wurden
überwiegend nach Hamburg geliefert.
Landwirtschaft im Wandel
Im 20. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung in Sülldorf und Rissen
von 1.156 auf 22.920 (aktuell: 24.152). Durch diese Zunahme änderten sich die Bedingungen für die Landwirtschaft grundlegend.
Immer mehr landwirtschaftliche Flächen wurden an Investoren verkauft und in Bauland umgewandelt. 1985 gründete sich der Verein „Erhaltet Sülldorf – das letzte Geestdorf in Hamburg e.V.“, um
Bausünden wie in Rissen zu verhindern und die Freiflächen in der
Feldmark zu erhalten. Allein in den vergangenen 20 Jahren ging die
landwirtschaftlich genutzte Fläche in Hamburg um 15 % zurück.
18
Inhalt
Artikel 6
FLÄCHENKONKURRENZ
IM GEESTDORF
Die Landwirtschaftspolitik in der EU führte dazu, dass die Preise
für Lebensmittel immer weiter sanken, zu stark für die meisten
der kleinen Bauernhöfe, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Alternativen mussten her. Ein Sülldorfer Bauernhof stellte ab 1984
erfolgreich auf Biolandwirtschaft um und eröffnete einen Bioladen. Mittlerweile ist die Konkurrenz auch in diesem Bereich so
groß geworden, dass der Hofladen kürzlich an einen Großhändler
verpachtet wurde.
Sülldorf heute: Wohnraum für Pferde
Landwirtschaft bedeutete lange Zeit Vielfalt. Doch das ist vorbei.
In der Rissen-Sülldorfer-Feldmark gibt es heute im Wesentlichen
nur noch sieben Pferdepensionsbetriebe, zwei Milchviehbetriebe
und eine Baumschule. Die Zahl der in der Feldmark in Pferdepensionen gehaltenen Pferde liegt mittlerweile bei rund 1000 Tieren.
Ein ganzer Wirtschaftszweig ist entstanden: Die eigenen – und
zusätzlich von der Stadt gepachteten – Flächen werden für die
Pferdehaltung und die Produktion von Heu genutzt. Immer neue
Gebäude, Reithallen, Longierzirkel und Pferdeboxen werden gebaut, denn landwirtschaftliche Betriebe profitieren von einem privilegierten Baurecht. Die Konkurrenz zwischen den Höfen, das
beste Angebot für die Unterbringung von Pferden bereitzustel-
N AT U R S C H U T Z
len, nimmt zu. Manche Hofbesitzer stellen ihre Leistungen den
zu diesem Zwecke gegründeten gemeinnützigen Reitvereinen in
Rechnung, welche wiederum Mitgliedsbeiträge steuerfrei kassieren können. Eine All-Inclusive-Unterbringung eines Pferdes kann
schon mal bis zu 500 Euro pro Monat kosten.
Fauna und Flora leiden unter einseitiger Nutzung
Der Flächendruck durch Bebauung und die ausschließliche Pferdehaltung hat negative Folgen für die Natur. Vom Aussterben
bedrohte Wiesenvögel finden zunehmend keine geeigneten Brutplätze. Einseitige Landwirtschaft reduziert auch die Vielfalt an
Tieren und Pflanzen. Der Storch nistet schon lange nicht mehr in
Sülldorf. Die Zahl der brütenden Kiebitze ist in 22 Jahren um 76 %
zurückgegangen. Offene Böden auf den Weiden durch einen
zu hohen Pferdebesatz begünstigen die Ausbreitung von Greiskräutern, die angereichert im Heu vor allem für Pferde leberschädigend und giftig sind. Heuernten müssen dann sogar auf Steuerzahlerkosten entsorgt werden.
Inhalt
FLÄCHENKONKURRENZ
IM GEESTDORF
als landwirtschaftlicher Betrieb zu behalten, um u.a. EU-Flächenprämien in Anspruch nehmen zu können. Eine Pferdepension ist
eigentlich eine gewerbliche Dienstleistung, gilt aber als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn der Großteil des Pferdefutters auf den
selbst bewirtschafteten Flächen erzeugt werden kann. Für die
landwirtschaftlichen Pferdepensionsbetriebe ist es angesichts von
Wachstumsplänen wichtig, über mehr Flächen zu verfügen. Das
bringt uns zurück zu dem Kernproblem: die Flächenkonkurrenz.
Die Flächen in der Rissen-Sülldorfer-Feldmark sind als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und zu mehr als einem Drittel in
städtischem Eigentum. Sie sind zu großem Teil an die Landwirte
verpachtet und werden von ihnen auch bewirtschaftet.
Gewerbe im Landschaftsschutzgebiet?
Für die Betriebe in der Feldmark gibt es einen Zielkonflikt: Einer-
Altona braucht Ausgleichsflächen
Nur 8,3 % der Gesamtfläche sind als Biotope oder Kompensation für
Flächenversiegelung durch Bebauung im Bezirk Altona festgesetzt.
Diese Ausgleichsflächen sollen extensiv bewirtschaftet werden, weil
sie mit Rücksicht auf die Brutsaison erst nach dem 15. Juni gemäht
und grundsätzlich nur mit einzelnen Rindern statt mit Pferden beweidet werden dürfen. Außerdem darf dort nicht gespritzt werden und
nur in Ausnahmefällen Stallmist ausgebracht werden. Hierfür gibt es
seits ist es wichtig, durch die Möglichkeit zu Wachstum wettbewerbsfähig zu bleiben, andererseits ist es erforderlich, den Status
von der Stadt Hamburg auf Basis einer Vollkostenrechnung festgelegte Entschädigungen in Höhe von 420 bis 650 Euro pro Hektar.
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Artikel 6
N AT U R S C H U T Z
Inhalt
FLÄCHENKONKURRENZ
IM GEESTDORF
Ein Bebauungsplan soll‘s richten
Seit dem Jahr 2000 arbeitet das Bezirksamt Altona an einer Planung, um die wertvolle Kulturlandschaft in Rissen und Sülldorf für
Landwirtschaft, Natur, Naherholung und Ausgleichsflächen gleichermaßen durch einen Bebauungsplan zu sichern. Der Bebauungsplan soll durch die Festsetzung verbindlicher Baugrenzen den
unkontrollierten Bau weiterer Gebäude und die Entstehung ungewollter Gewerbebetriebe mitten in der Feldmark beschränken.
In der aktuellen Planung werden den vorhanden Betrieben durch
eine Baugrenzenerweiterung bereits beträchtliche Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt.
Im Gegenzug sollen Naturräume in der Feldmark besser geschützt werden. Es ist geplant, Ausgleichsflächen zusammenzulegen und den Biotopverbund zu stärken. Feuchte Wiesen im Bereich
der Wedeler Au sollen dem Schutz der Wiesenbrüter vorbehalten
sein. Dies kann allerdings nur in einer guten Zusammenarbeit mit
der Landwirtschaft gelingen. Für guten Naturschutz ist die extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung von großer Bedeutung.
Nächster Artikel: „Wohnungsbau ohne Milieuschutz – kann das gut gehen?“
20
Artikel 6
Der Kampf um alte Privilegien geht weiter
Erbitterte Kritik an diesen Plänen kommt von den Landwirten.
Sie sehen ihre Interessen nicht hinreichend gewahrt. Im Rahmen
des neu eingerichteten Runden Tischs diskutieren nun die unterschiedlichen Interessenvertreter die verschiedenen Aspekte
des Bebauungsplans. Von Seiten der Landwirtschaft wird der Bebauungsplan sogar grundsätzlich in Frage gestellt, man möchte
an der alten Privilegierung nach Baurecht für landwirtschaftliche
Betriebe festhalten und keine weiteren städtischen Flächen extensiv bewirtschaften. Die Flächen der landwirtschaftlichen Betriebe in der Feldmark reichen nicht aus, um noch mehr Pferde
unterzubringen.
Eine Einigung und Abwägung zwischen den widerstreitenden
Interessen scheint im Moment schwierig, denn es geht um handfeste wirtschaftliche Interessen. Für den Naturschutz und den Erhalt der bedeutenden Kulturlandschaft Rissen-Sülldorfer-Feldmark
ist es vor allem wichtig, eine Lösung mit vielfältiger und naturverträglicher Landwirtschaft zu erreichen.
Inhalt
Artikel 7
WOHNUNGSBAU OHNE MILIEUSCHUTZ –
KANN DAS GUT GEHEN?
F OTO: F L I CKR/ AXE L B RU N S
STA DT E N T W IC K LU N G
Wohnungsbau ohne Milieuschutz –
kann das gut gehen?
von Benjamin Harders
21
STA DT E N T W IC K LU N G
F
ür Stadtteile prägend ist die Art ihrer Bebauung. Einzelhäuser, Reihenhäuser oder Gebäude, die wie Schuhkartons und
Kaffeemühlen aussehen. Die Politik gibt die Vorgaben und
legt die Baugrenzen fest. Die Architekten nutzen diese Grenzen aus und bestimmen das Erscheinungsbild.
Benjamin Harders ist Beisitzer
im Vorstand des Blankeneser
Bürger-Vereins e.V. und Mitglied des Ausschusses für Grün,
Naturschutz und Sport für die
Grüne Fraktion Altona.
In Blankenese, nördlich der Blankeneser Landstraße und im Bereich des südlichen Sülldorfer Kirchenwegs, läuft zur Zeit das
Bebauungsplan-Verfahren Blankenese 31/34/40 zum „Erhalt der
vorhandenen aufgelockerten Wohnbebauung mit innenliegenden
Frei- und Gartenflächen bei gleichzeitiger Festsetzung von Gestaltungs- und Erhaltungsvorgaben zur Wahrung des gewachsenen
Ortsbildes“. Zurzeit gilt noch ein 60 Jahre alter Baustufenplan, der
zu große Freiheiten in der Bebauung zulässt. Dadurch konnten
teilweise Gebäude entstehen, die nicht zur Umgebung passten.
Mit einem Bebauungsplan, der die Baugrenzen festsetzt, sollte das
Problem gelöst werden.
Völlig überraschend haben die Sprecherinnen und Sprecher des
Planungsausschusses im November 2014 eine Kehrtwende um
180° hingelegt und dem Bezirksamt neue Planungsvorgaben aufgegeben: „Demnach ist die strenge Wahrung der bestehenden
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WOHNUNGSBAU OHNE MILIEUSCHUTZ –
KANN DAS GUT GEHEN?
Bebauungsstruktur nicht länger vordergründiges Planungsziel.
Vielmehr soll über streifen- und flächenbezogene überbaubare
Grundstücksflächen (sog. „Baustreifen“, „Bauflächen“) die tatsächliche Bebaubarkeit der Grundstücke flexibilisiert werden.“
Es ist undurchsichtig, was die Politik hierzu bewogen haben
mag. Ist es das Senatsprogramm zum Wohnungsbau um fast jeden Preis? Oder soll ein „Tummelplatz für Bauspekulanten“ eröffnet und der Milieuschutz ausgehebelt werden, wie der Blankeneser Bürger-Verein vermutet?
Bei einer Präsentation und Podiumsdiskussion des Bürgervereins
im Januar 2015 konnten sich 150 Menschen informieren, was die
Folgen sein würden: Verlust historischer Bausubstanz, große Verdichtung durch die Ausweisung großer, grundstücksübergreifender
Bauflächen sowie Verlust von vielfältiger Natur durch die Reduzierung der privaten Grünflächen auf Kosten der Gartenvielfalt und
reicher Flora und Fauna, insbesondere des alten Baumbestandes.
Die Mitglieder des Planungsausschusses, die an der Diskussion teilnahmen, konnten nicht schlüssig erklären, was die Intention zu der
Kehrtwende war. Viele Menschen des betroffenen Gebiets wünschen sich Milieuschutz, bessere Information und hoffen auf die
Kehrtwende zur Kehrtwende des Planungsausschusses.
Nächster Artikel: „Ein Bunkerabriss und viele Pläne: Was passiert an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße?“
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Artikel 7
Inhalt
Artikel 8
EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE:
WAS PASSIERT AN DER ECKE
GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE?
F OTO: X X X X X X X X X X X X X X
Foto: Frank Steiner
STA DT E N T W IC K LU N G
Ein Bunkerabriss und viele Pläne:
Was passiert an der Ecke
Gaußstraße/Barnerstraße?
von Frank Steiner
23
STA DT E N T W IC K LU N G
I
ch schaue aus meinem Fenster in der Gaußstraße und sehe den
Arbeiten zu. Im Dezember 2014, vor ca. zwei Monaten begannen
sie, die Arbeiten zum Abriss des Bunkers an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße.
Artikel 8
EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE:
WAS PASSIERT AN DER ECKE
GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE?
Altonaer Wohnungsbau: Der Strukturwandel geht weiter
Das Gelände, auf dem der Bunker noch steht, und die nördlich
rendt Wohnungsbau, die in der Friedensallee ihren Sitz hat. Eine
weitere Altonaer Wohnungsbaufirma, die Altoba ist Miteigentümer des Bunkergrundstücks. Von der Max-Brauer-Allee will die
Altoba dort, wo jetzt noch der Bunker steht, ihren Firmensitz hinverlegen. In zwei Jahren – Ende 2017 – soll dieser neue Firmensitz
in einem fünfstöckigen Bürogebäude seinen Platz finden, zusammen mit noch anderen Firmen.
Das weitere Gelände der Firma Behrendt Wohnungsbau zieht
sich entlang der Gaußstraße hin. Es hat die Hausnummern Gaußstraße 71-75, und es erstreckt sich bis zu den Bauis (die haben
dort ein Bleiberecht, zwar kein „ewiges“, aber doch für eine lange Zeit – es muss politisch klar sein, dass sie nicht vertrieben
werden dürfen!). Bis heute ist dies Gelände noch Gewerbegebiet. Es ist bekannt, dass die Eigentümer eine Umwandlung des
Gewerbegebiets in ein Gebiet anstreben, auf dem Wohnungsbau
möglich ist. Das wird mit den Hamburger Behörden zur Zeit verhandelt.
Auf der anderen Seite von Gaußstraße 71-75, im Osten, grenzt
das Bahngelände der Deutschen Bahn an. Auf Teilen dieses Gelän-
daran anschließenden Grundstücke sind Eigentum der Firma Beh-
des plant die Stadt Hamburg bekanntlich, ein großes Wohngebiet
Dieser Bunker ist ein gewaltiger Klotz, ca. 30 Meter hoch und jetzt
– nachdem ein Gerüst um ihn herum errichtet wurde und zusätzlich noch drei Lagen Container davor übereinander gestellt worden
sind, zum Schutz vor Staub und Lärm – jetzt wird er abgerissen:
Ein Bagger, mit einer Drehtrommel ausgerüstet, nagt ein Loch in
den Bunker. Das Loch wird von Tag zu Tag größer, aber beim derzeitigen Tempo wird es wohl noch viele Wochen dauern, bis aus
diesem Bunker ein großer Haufen kleiner Steinchen geworden ist.
Die Nazis haben ihn 1942 gebaut, so wie viele weitere Bunker
in Hamburg. Nun wird dieser wegkommen – zerbröselt fällt er auf
den Schutthaufen der Geschichte.
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Inhalt
STA DT E N T W IC K LU N G
zu schaffen: die Neue Mitte Altona. Dort sollen einmal 3500 Wohnungen entstehen. 1600 Wohnungen davon im 1. Bauabschnitt
sind schon fertig geplant und werden in den nächsten 2 bis 3 Jahren fertig sein.
Und wo wird gearbeitet?
Die vielen Menschen, die dort einmal leben werden, brauchen
nicht nur Möglichkeiten zum Einkaufen, sogenannte „Nahversorgung“, sondern sie brauchen auch Möglichkeiten zu arbeiten. Ihre Arbeitsplätze sollen genau so in der Nähe ihrer Wohnungen sein wie die Einkaufsläden. Dazu muss auch Platz für
Arbeitsplätze vorhanden sein und solcher Platz wird durch Gewerbegebiete bereit gestellt. Zieht man auch noch in Betracht,
dass im Bezirk Altona und gerade auch im Stadtteil Ottensen
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EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE:
WAS PASSIERT AN DER ECKE
GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE?
im Laufe der vergangenen Jahre sehr viele Gewerbegebiete in
Wohngebiete umgewandelt wurden, so wird die Gefahr offenbar: Wir müssen aufpassen, dass das Gleichgewicht zwischen
Wohnungen und Arbeitsplätzen in der Nähe der Wohnungen
nicht verloren geht. Frühere, längst zum Glück verworfene Vorstellungen von Stadtplanung favorisierten eine „Entmischung“
von Wohnen und Arbeiten. Inzwischen weiß man, dass aus
vielerlei Gründen, unter anderem um zusätzlichen Verkehr zu
vermeiden, gerade umgekehrt ein Schuh daraus wird: auf eine
Durchmischung von Wohnen und Arbeiten muss in der Stadtplanung Wert gelegt werden.
Mit Freude, dass der Bunker in kleine Steinchen zerlegt wird,
aber auch mit Sorge, dass dem Druck der Wohnungsbauwirtschaft nachgegeben wird, schaue ich aus meinem Fenster.
Nächster Artikel: „Willkommenskultur – nicht nur ein Wort“
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Artikel 8
Z U WA N D E RU N G
Inhalt
Artikel 9
„WILLKOMMENSKULTUR“ –
NICHT NUR EIN WORT
„Willkommenskultur“ –
nicht nur ein Wort
F O TO : A N K E D E V RIE S
von Ingo Lembke
26
Z U WA N D E RU N G
F
lüchtlinge und Zuwanderer sind der Öffentlichkeit scheinbar
nur ein großes Problem. Demgegenüber ruft engagierte Sozialpolitik zu einer gelingenden Willkommenskultur auf. Das
klingt zunächst papieren und blutleer. Bei näherem Hinsehen
zeigt sich, dass im Bezirk Altona das Engagement von Ehrenamtlichen
und Freiwilligen, die sich ganz praktisch für Flüchtlinge einsetzen,
ausgesprochen umfangreich und intensiv ist. Das gilt es, viel mehr bekannt zu machen. Hier einige Beispiele:
Runder Tisch für Sieversstücken
Seit über 20 Jahren gibt es den Runden Tisch Blankenese, der sich
für die Folgeunterbringung Sieversstücken in Rissen einsetzt. Bei
einem Besuch wird uns signalisiert: Wir werden auch ein zweites
Sieversstücken mit weiteren 280 Personen zuverlässig begleiten
können. Das Potenzial an weiteren 30 Ehrenamtlichen lässt das zu.
Begleitung heißt: Schularbeitenhilfe, Deutschkurse, Kleiderkammer, Kindergruppen, Musikangebote, Ausgabe von Obst und
Gemüse, Brot und Kuchen, gemeinsame Feste usw.
Sieversstücken gilt als Vorzeigebeispiel und wurde schon im NDR
vorgestellt. Die Verantwortlichen werden eingeladen, wenn es um
die Gründung eines neuen Runden Tisches wie etwa bald am Holm-
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Inhalt
Artikel 9
„WILLKOMMENSKULTUR“ –
NICHT NUR EIN WORT
brook in Othmarschen geht. Dort finden sich bei einem ersten Treffen ca. 150 Interessierte ein – schon bevor die Entscheidung gefallen ist, ob es wirklich eine Flüchtlingsunterkunft geben wird.
Luthercampus
Ein weiteres „Vorzeigebeispiel“ ist der Luthercampus in Bahrenfeld. Hier wurde das ehemalige Gemeindehaus der Luthergemeinde an der Lyserstraße mehr und mehr zu einem Stadtteilzentrum
und Treffpunkt gerade auch der Flüchtlinge aus der Sibeliusstraße. Neben den Angeboten wie Essensausgabe und Kleiderkammer durch Ehrenamtliche ist ein regelmäßiger Wochenmarkt ein
„highlight“.
Runder Tisch Holstenkamp
Da ist es erstaunlich, dass eben dieselbe Luthergemeinde auch im
nördlichen Bahrenfeld einen Runden Tisch mit regelmäßig ca. 25
Personen verantwortet, an dem die Interessen der Bewohner und
Bewohnerinnen und der Nachbarschaft des Holstenkamps vertreten werden, als da sind: Pflegeheim, Punker, Baugemeinschaft
„Hütten und Paläste“, Obdachlose und in Zukunft weitere Flüchtlinge, für die gerade gebaut wird.
Z U WA N D E RU N G
Inhalt
Artikel 9
„WILLKOMMENSKULTUR“ –
NICHT NUR EIN WORT
In einem Interview zu den Motiven der PEGIDA Bewegung
sagt der Hamburger Soziologe und Autor von „Gesellschaft
der Angst“, Heinz Bude:
„Man darf nicht vergessen, dass wir in jüngster
Zeit eine andere, überraschende Affektbewegung
in der deutschen Bevölkerung gesehen haben,
praktisch die Gegenbewegung zur Angst: diese
unglaubliche Solidarität mit Flüchtlingen, eine erstaunliche soziale Großzügigkeit. …und ich habe
den Eindruck, dass das letztlich die stärkere Emotion ist als Angst. Wobei natürlich niemand sagen
kann, welche von beiden am Ende obsiegen wird.“
In Vorbereitung darauf haben sich
schon mehrfach Freiwillige getroffen, die
diese Folgeunterbringung begleiten wollen und ein Willkommensfest planen.
Unterstützergruppe August-Kirch-Straße
Bei der Einladung zu ihrem ersten Treffen meldeten sich so viele Interessierte,
dass daraus eine weitere Gruppe von 30
(DIE ZEIT 22.1.2015)
Personen entstand, die sich nun um die
Unterkunft an der August-Kirch-Straße
kümmert. Sie ist Anfang dieses Jahres
fertig geworden und wird von 280 Personen aus unterschiedlichen
Ländern bewohnt.
Fördern & Wohnen (f&w) ist die Anstalt öffentlichen Rechts,
die für die Stadt Hamburg und die Sozialbehörde die Unterbringung der Wohnungslosen und Flüchtlinge verantwortet. Bei der
August-Kirch-Straße an der Trabrennbahn haben wir zum ersten
Mal erlebt, dass f&w seine ganze Verantwortung auch für die Koordination der Freiwilligen wahrgenommen hat.
Erstaufnahme Schnackenburgallee
Ganz anders noch als vor zwei Jahren, als die Innenbehörde bei
der Einrichtung der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) an der Schna-
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ckenburgallee den Standpunkt vertrat: Der Parkplatz Braun zwischen Autobahn und Müllverbrennungsanlage eigne sich gut, weil
es keine direkte Nachbarschaft gebe. Nachbarn wurden als Problem und nicht als Unterstützung vermutet.
Inzwischen hat sich diese ZEA von 300 auf eigentlich eine unvertretbare Größe von zeitweise 1400 Plätzen entwickelt, ganz
der großen Zahl an Zuwanderern geschuldet, auf die die Stadt
nicht vorbereitet war und ist.
Das Erstaunliche ist, dass sich über die Zeit eine Vielzahl von
Unterstützern und engagierten Gruppen um die „Schnacke“ herum gebildet hat. Eine Liste des Sozialdezernats umfasst 26 unterschiedlichste Angebote von Sportvereinen, Jugendzentren,
Spieleanbietern, Schulen und insbesondere der Luthergemeinde.
Nach und nach gelang es, sowohl für f&w als auch für die Luthergemeinde eine bezahlte Person als Koordinatorin der Ehrenamtlichenarbeit bewilligt zu bekommen.
Dass es bei der Flüchtlingsunterbringung nicht nur um die Sicherung von Grundstücken und das Aufstellen von Containern oder Pavillons geht, sondern mindestens genauso wichtig um die Sicherstellung einer guten Nachbarschaft – das hat f&w immer verbal als seine
Aufgabe anerkannt, aber erst nach und nach umgesetzt.
Jetzt gibt es drei Mitarbeiterinnen in der Zentrale, die für alle
Unterbringungen in Hamburg die Unterstützertätigkeiten koordinieren sollen.
Z U WA N D E RU N G
Inhalt
„WILLKOMMENSKULTUR“ –
NICHT NUR EIN WORT
Die Hamburger Künstlerin Anke
de Vries gibt mit ihren Aquarellen Flüchtlingen ein Gesicht und
eine Geschichte. Die Ausstellung ihrer Bilder wandert durch
Hamburg. Wir wollen sie auch
im Altonaer Rathaus zeigen.
Bei dem Treffen in der August-Kirch-Straße wurden Unterlagen
verteilt, die deutlich machen, dass f&w mit Interessierten einen
Vertrag schließen will und dafür Versicherung gewährleistet sowie
Fahrtkostenerstattung und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis erwartet. Ein weit gefächertes Fortbildungsangebot für
Freiwillige ist aufgelegt.
Ich bin gespannt, wie sich diese professionelle Arbeit weiter
entwickelt.
Quartiersmanagement Bahrenfeld
Die Flüchtlinge werden nicht verschwinden, sondern bleiben.
Eine langfristige Integration erfordert eine zivilgesellschaftliche
Aufnahmebereitschaft, in die finanziell, personell und strukturell
investiert werden muss. Das Sozialraummanagement des Bezirks
sieht hier eine große Herausforderung und hat zusammen mit der
Politik für ein Quartiersmanagement Bahrenfeld gesorgt. In der
Trägerschaft der Großstadtmission Hamburg ist seit Februar 2015
ein Mitarbeiter dabei, die Akteure im Stadtteil und seinen inzwischen fünf öffentlichen Unterbringungen für Veränderungen zu
sensibilisieren, zu informieren und ihre Ressourcen aufeinander zu
beziehen. Nach drei Jahren soll daraus eine selbsttragende Struktur etwa in Form eines Stadtteilbeirats entstanden sein.
AN MITARBEIT INTERESSIERTE WENDEN SICH AN:
f&w Freiwilligenkoordination
Luthergemeinde Bahrenfeld
Runder Tisch
Blankenese
Flüchtlingsunterkunft
Holstenkamp
[email protected]
[email protected]
Elke Haas , [email protected]
[email protected]
Nächster Artikel: „Stadtgrün und Artenvielfalt oder: Natur ist gar nicht so natürlich“
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Artikel 9
D IE G Ä RT N E R IN
Inhalt
Artikel 10
STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER:
NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH
STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER:
Natur ist gar nicht
so natürlich
FO T OS : BE T T IN A S C H RÖD E R
von Bettina Schröder
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D IE G Ä RT N E R IN
U
Inhalt
STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER:
NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH
m es vorweg zu schicken: Ich kann sie nicht ausstehen, diese „Nylonfaden-Heckenscheren“. Wenn ich im Park das fiese
Geräusch höre und anschließend das Ergebnis sehe – gefledderte Blätter, ohne Sinn und Verstand an beliebiger Stelle
schnitt mit dem Rasenmäher. Da mag das Personal noch so fachkundig sein, mehr Zeit ist eben nicht da. Und schon gar nicht für so
komplizierte Dinge wie Begleitung und Erhalt besonderer Biotope...
durchgeschnittene Äste und Zweige – möchte ich mit den Zähnen knirschen. Fast schon auf einer Stufe mit den herbstlichen Laubbläsern. Und
doch... Für diesen „Schnitt“ gibt es gute Gründe. Womit wir eigentlich
schon beim Thema wären.
Artenvielfalt ist kein „Normalzustand“
Denn vielfältige Natur entsteht ja nicht einfach durch In-Ruhelassen. Meist müssen verschiedene „ungünstige“ Bedingungen
zusammenkommen, damit eine Vielfalt von spezialisierten Pflanzen gedeiht, die mit diesen – eigentlich unzumutbaren – Bedingungen besser klarkommt als das Allerweltsgrünzeug. Und, was
noch schwieriger ist: Diese „schlechten Bedingungen“ müssen
erhalten bleiben! Biotope sind nämlich nichts Statisches. Manche
befinden sie sich in einem stabilen Gleichgewicht, häufiger sind sie
vorübergehende Stadien einer Entwicklung.
Beispiel Heidelandschaft: Dies beliebte Biotop entstand einst
durch nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung (Holzkohlegewin-
FOTOS: CARLOTTA BOCHERT
In Gärten und Parks gilt: Bloß kein Aufwand!
Vielen Besitzern eines Gartens ist es wichtig, dass dieser möglichst
wenig Arbeit macht, wie verbreitete Buchtitel wie „Gärtnern für
Faule“, „Garten ohne Mühe“ oder „Instantgardening“ nahelegen.
Im öffentlichen Bereich steht das so etwa auf einer Stufe mit „Pflege
darf nix kosten, vor allem kein Personal“. Also einmal investieren
(planen, anlegen, Sichtachsen...) und dann einmal jährlich Strauch-
Artikel 10
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D IE G Ä RT N E R IN
Inhalt
STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER:
NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH
FOTOS: BETTINA SCHRÖDER
nung für die örtlichen Salinen) und Überweidung durch Schafe.
Heute kommt unser Salz nicht mehr aus Lüneburg und Schafherden sind kein selbsttragendes Businessmodell mehr. Jetzt würde
aus Heide wieder Wald werden, gäbe es nicht subventionierte
Schäfer und Naturschützer, die Baumsämlinge entfernen.
Was nur mit ganz viel Arbeit funktioniert...
Wenn man sich also entscheidet, ein ganz bestimmtes Stadium der
Biotopentwicklung zu konservieren, ist das eigentlich auch nichts
anderes als – Gärtnern! Und zwar in der aufwändigen Version.
Statt „Unkraut“zupfen im Staudenbeet heißt es eben Kiefernsämlige roden zwischen Heidepflanzen. Aber für die aufwändigeren
Varianten des Gärtnerns hat das städtische Gartenbauamt nun
wirklich kein Geld, kein Personal, keine Zeit.
...sollten wir einfach selbermachen
In Zeiten knapper Kassen also keine Chance für Biotopvielfalt im
öffentlichen Raum? Vielleicht kann das auch anders sein. Wenn
die Gestaltung der öffentlichen grünen Stadt nicht mehr als
zwingend staatliche Aufgabe definiert würde. Wenn die Nutzer
des öffentlichen Grüns mitmachen dürfen/sollen/müssen (?) bei
dessen Pflege. Wenn gemeinsame Verantwortung für die Stadtnatur als Alternative zu 08/15-Pflege und Verwahrlosung entdeckt wird.
Politisch formuliert: Wenn wir uns den öffentlichen Raum durch
Pflege und Nutzung aneignen!
Aber noch einmal zurück zum Anfang dieses Artikels, zum Thema Rückschnitt. Denn für ein in dieser Jahreszeit sehr beliebtes
Biotop ist der amtliche Strauchschnitt ganz wichtig! Nur wo
im Frühjahr viel Licht an die Erde kommt und im Sommer wenig, haben die Frühjahrsgeophyten einen Selektionsvorteil. Das
klappt in der echten Natur am Waldrand und auch in der städtischen Grünanlage, wenn Gebüsch immer mal zurückgeschnitten wird. Dann freuen sich Bienen und Spaziergänger über die
ersten Blüten.
Nächster Artikel: „Zu guter Letzt…“
32
Artikel 10
ZU GUTER LETZT…
Inhalt
Artikel 11
ZU GUTER LETZT…
„Eine wirklich gute Idee erkennt man daran,
dass ihre Verwirklichung von vornherein
ausgeschlossen erscheint“
Albert Einstein
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