Völlig unter Wert bezahlt

hamburg
regional
ver.di publik 03 · 2015
impressum: VERANtwoRtlich: VER.Di-lANDEsbEziRK hAMbURg, bEsENbiNDERhoF 60, 20097 hAMbURg.
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Völlig unter Wert bezahlt
beraten, erziehen, betreuen, pflegen,
fördern – und noch vieles mehr. Die
aufgaben im sozial- und erziehungsdienst sind vielfältig, aber eins haben
sie alle gemeinsam: Der mensch steht
im mittelpunkt. tagtäglich geben die
beschäftigten dort ihr bestes, damit
unsere gesellschaft eine gemeinschaft
bleibt. Wenn die Politik zudem die Qualitätsstandards anhebt, muss sie auch
bereit sein, besser zu bezahlen. und
das fordern die beschäftigten jetzt, verständlicherweise. es geht bei den derzeitigen Verhandlungen im sozial- und
erziehungsdienst um die aufwertung
von sozialen berufen und den anstoß
einer gesellschaftlichen Debatte darüber,
wie soziale berufe in Zukunft gesellschaftlich eingeordnet werden sollen.
Mehr als 2 000 Beschäftigte streikten am 7. April in Hamburg
nicht einfach ein job
in den vergangenen Jahren ist die Kinderbetreuung in Deutschland erheblich
ausgebaut worden. und je mehr das
geschieht, umso mehr wird von denen
verlangt, die diese betreuung übernehmen: sie sollen, wenn die Kinder schon
auf die eltern verzichten, besser sein
als diese. sie sollen stets gelassen und
fröhlich sein, sie sollen beurteilungsbögen führen, förderpläne ausarbeiten
und eltern-Kind-gespräche leiten, als
wären sie angestellte der Personalabteilung. sie sollen darauf achten, dass
jedes Kind nach dem mittagessen die
Zähne putzt, kein muslim schweinefleisch isst und kein Vegetarier knochenmehlhaltige gummibärchen. erzieher/innen sollen auseinandersetzungen zwischen eltern moderieren
können und sie sollen, vor allem, ihre
arbeit mit leidenschaft tun, denn wer
mit Kindern arbeitet, macht ja nicht einfach einen Job.
nils asmussen (30), erzieher im Hamburger Waldkindergarten, sagt: „ich
liebe es, die Kinder beim entdecken
und erleben des alltäglichen zu begleiten und es für sie begreifbarer zu machen“. aber, fügt er hinzu, „es gibt im
arbeitsalltag sehr wenig raum, um auf
die Probleme, themen und besonderheiten der Kinder einzugehen.” oftmals
sei es nur möglich, von einem Kind zum
anderen zu hetzen, das Wichtigste zu
klären und die büroarbeit zu erledigen.
falle dann noch jemand durch Krankheit
oder urlaub aus, gebe es keine Vertretung. „stattdessen werden zwei grup-
Nils Asmussen
Gabriele Marquardt
pen zusammengelegt oder wenn möglich, eltern zur unterstützung eingebunden,” sagt asmussen. „Das macht
nicht nur unzufrieden, das geht auch
mir als jungem menschen an die substanz.”
wo viele menschen
wegschauen, beginnt ihr job:
soziale dienste
sozialarbeiter/innen und sozialpädagog/innen sind immer dann da, wenn
Kindern, Jugendlichen oder erwachsenen ihre Probleme über den Kopf wachsen. gabriele marquardt, 59 Jahre alt
und von beruf sozialpädagogin in der
ambulanten sozialpsychiatrie (AsP), sagt:
„Die sparpolitik des Hamburger senats
macht sich insbesondere in gestiegenen
arbeitsanforderungen bei reduziertem
Personalschlüssel und absehbar veränderter Personalstruktur bemerkbar.” Das
Moana Kahrmann
heiße: „erhöhung der Klientenzahl pro
mitarbeiter/in, sozialräumliche Öffnung
mit dem anspruch, zusätzliche offene,
niederschwellige angebote vorzuhalten,
ein Druck, chronisch schwer erkrankte
menschen in gruppenangebote, am
liebsten verstärkt in den sozialraum hinein zu vermitteln und vieles mehr.“ in
der Konsequenz führt die sparpolitik
des Hamburger senats somit dazu, dass
die Qualität der betreuungsleistung perspektivisch schrittweise abnehmen wird
und der Druck auf die beschäftigten
weiter steigt. ob die zuletzt geforderte
inklusion so gelingen kann, ist mehr als
fraglich.
man weiß nie,
was einen am tag erwartet
Die entscheidung für den erzieher/innenberuf hat die 24-jährige moana
Kahrmann bis jetzt nicht bereut. „Die
arbeit ist spannend und abwechslungsreich, man weiß nie genau, was einen
am tag erwartet.“ einen Haken hat
das ganze jedoch: Die ausbildung
wird nicht vergütet. „Viele meiner mitschülerinnen müssen neben 35 ausbildungsstunden wöchentlich zusätzlich
arbeiten, um sich über Wasser zu
halten. ich denke, dass die fehlende
ausbildungsvergütung und die geringe
bezahlung – sei es in der Pflege, assistenz oder eben in der erziehung –
sich in eine Politik einreiht, die den sozialen sektor immer wieder vernachlässigt. und das ist ein unzumutbarer
Zustand.“
unter anderem auch deshalb haben
sich schüler/innen der Hamburger fachschulen für sozialpädagogik zusammengeschlossen, um für bessere ausbildungsbedingungen und vor allem
für eine ausbildungsvergütung zu
kämpfen. „es ist an der Zeit, dass auf
politischer ebene gehandelt wird und
die bezahlung der sozialen berufe sich
an dem Wert ihrer arbeit für die gesellschaft, in der wir leben, orientiert.
auch wenn mir bewusst ist, dass dieser
Wert unbezahlbar ist, sollten menschen, die diesen beruf ausüben, sich
zumindest niemals gedanken darüber
machen müssen, wie sie sich im alltag
über Wasser halten können oder wie
sie ihre rente finanzieren sollen.“
Die beispiele zeigen: Die anforderungen an die sozial- und erziehungsberufe
sind stark gestiegen – im gegensatz zu
den entgelten. mehr Wertschätzung ist
es daher, was die beschäftigten in den
sozial- und erziehungsberufen einfordern – und Wertschätzung drückt sich
auch in der bezahlung aus. ver.di will
eine Verbesserung der eingruppierung
der beschäftigten, sodass eine erhöhung
der einkommen von durchschnittlich
zehn Prozent wirksam würde. Die arbeitgeber erkennen zwar die bedeutung
und die unverzichtbarkeit der arbeit
im sozial- und erziehungsdienst an, sehen aber dennoch keinen grund für
eine bessere bezahlung. ohne den weiteren massiven Druck der beschäftigten
werden die arbeitgeber nicht zu einer
aufwertung bereit sein. Die beschäftigten streiken dafür, und sowohl Politiker als auch eltern haben Verständnis
dafür. Viele Politiker, eltern und gewerkschafter sind sich einig: sie sollen
mehr verdienen. Jetzt müssen sich nur
noch die arbeitgeber bewegen.
f o t o s : D Pa P i c t u r e a l l i a n c e ; V e r . D i H a m b u r g
sozial- und erziehungsberufe – Pädagogische Höchstleistungen für zu wenig Geld
11. juni, 19 uhr 30: Wer rettet Wen?
filmvorführung mit der filmemacherin
leslie franke. ver.di-frauen in Kooperation mit DENKtRÄUME, Hamburger frauenbibliothek, grindelallee 43, eintritt
frei, spende erwünscht.
ver.di Jugend (U28) lädt ein
27. mai, 9 bis 16 uhr: JAV-infotagung
– tarifverträge: in den nachrichten werden tarifverhandlungen immer mit fähnchen und streiks dargestellt. Doch was
und vor allem welche menschen stecken
eigentlich dahinter? mehr infos unter
[email protected] | für JAVen:
freistellung vom arbeitgeber möglich.
anmeldung bis zum 21. mai 2015.
17. und 20. juni, 18 uhr: meet your
lokal union: offenes Verbindungstreffen
für azubis, JAVen und junge beschäftigte.
ort: Jugendraum des gewerkschaftshauses, besenbinderhof 60.
Für Aktive und Interessierte
19. juni, 11 uhr: Werksbesichtigung
a 380 airbus mit führung, Kosten 30
€ für rentner/innen, 33 € für nichtrentner/innen, bitte überweisen.
25. juni, 10 uhr 45 uhr: museumshafen oevelgönne. rundgang durch
den museumshafen mit besichtigung
des feuerschiffs „elbe 3“. Kosten für
die führung 3/4 € bar.
montags u. mittwochs 10 bis 13
uhr, tel. 28 58 13 41; im internet
http://senioren.hamburg.verdi.de
Freie und Selbstständige
Kurze Wege für Veränderungen
angucken und sehen, wie in den strukturen gearbeitet wird. ich hoffe darauf,
möglichst viele ideen gemeinsam mit
den Kolleginnen und Kollegen entwickeln zu können. grundsätzlich möchte
ich unbedingt dazu beitragen, dass
ver.di in den betrieben und Dienststellen
als eine unterstützung zur selbsthilfe
begriffen wird. sicherlich ist hauptamtliche unterstützung aus dem gewerkschaftshaus wertvoll und hilfreich, im
betrieb müssen unsere mitglieder aber
Verantwortung übernehmen und möglichst viele ihrer Kolleginnen und Kollegen motivieren, sich gemeinsam eigenständig stark zu machen.
ver.di publik – Du bist zukünftig auch
für die Jugend und den Jungerwachsenenbereich zuständig. Hier schaffen
wir es nach wie vor nicht, wieder an
Stärke zu gewinnen. Was könnten richtige Ansätze sein?
goldschmidt – ich denke, dass ein
ansatz im Jugendbereich auch eine
stärkere Präsenz von uns an schulen
und berufsschulen sein kann. Wir müssen unsere inhalte und guten argumente
möglichst rechtzeitig an Jugendliche
Sandra Goldschmidt
herantragen. Die übliche sozialisation
der Vergangenheit, bei der jungen menschen in den arbeitnehmerfamilien die
gewerkschaft nahegelegt wurde, hat
sich leider verändert. als zweiten Punkt
würde ich mir eine noch stärkere einbindung der jüngeren mitglieder in ihre
betrieblichen interessensvertretungen
und fachbereiche bei ver.di wünschen.
nicht selten sind junge menschen bei
uns aktiv, kriegen aber keinen richtigen
Zugang zu ihren gewerkschaftlichen
strukturen und gremien, wie beispielsweise den tarifkommissionen.
ver.di publik – Hamburg ist als Landesbezirk der einzige „Stadtbezirk“ bei
ver.di. Siehst du darin mögliche Chancen?
goldschmidt – ich komme aus einem
großen flächenbezirk, in dem Hauptund ehrenamtliche bis zu vier stunden
anreisezeit haben, um an einer gremiensitzung oder betriebsversammlung
teilzunehmen. Das ist hier nicht der fall.
Hamburg hat gute bedingungen um gemeinsam etwas zu verändern. Der Weg
in die betriebe, aber auch zur Politik,
ist wesentlich kürzer als woanders.
f oto : K ay H e r s c H e l m a n n
hamburg – Sandra Goldschmidt sieht gute Bedingungen, im Landesbezirk Neues zu entwickeln
ende februar wurde sandra goldschmidt neben Petra reimann zur stellvertretenden landesbezirksleiterin von
ver.di Hamburg gewählt. Die 39-jährige
mutter von drei Kindern war zuvor leiterin des ver.di-fachbereiches sozialversicherungen in niedersachsen-bremen und ist momentan dabei, mit ihrer
familie nach Hamburg zu ziehen.
ver.di publik – Sandra, wie sieht dein
neuer Zuständigkeitsbereich als stellvertretende Landesbezirksleiterin aus?
sandra goldschmidt – mein schwerpunkt ist unter anderem der bereich
mitglieder- und organisationsentwicklung, also alles, was sich unter dem begriff „Perspektive 2015“ tummelt. gemeint ist damit ein Projekt, mit dem
sich ver.di bundesweit umstrukturiert,
damit wir unsere Kraft als gewerkschaft
zukünftig effektiver nutzen. Das beinhaltet auch den bereich der rechtsberatung. außerdem bin ich für die bereiche frauen und Jugend zuständig.
ver.di publik – Was sind deine Ideen
für die neuen Aufgabenfelder?
goldschmidt – ich möchte mir den
Hamburger landesbezirk erst einmal
Filmvorführung
28. mai 2015, 19 bis 21 uhr 15: marktanalyse – Wie finde ich meine Kunden?
bin ich im richtigen marktsegment unterwegs, stimmt mein Verbreitungs-,
fach- oder themengebiet? Weiß ich,
was meine Kunden wollen und warum
gerade von mir? referent: christian
braun, berater und coach, beratungsbüro tiedemann & braun gbr.
10. juni 2015, 17 bis 19 uhr 15: „Durststrecke und Vogelstrauß? nicht mit
mir!“ finanziell wird es schon mal eng.
Das ist normal und gehört zur freiberuflichkeit dazu. es kommt darauf an,
das richtige zu tun. Die referentin
Heike oetjen berichtet dazu aus den
erfahrungen der „Firmenhilfe” zeigt typische fehler auf, die bei einem finanziellen engpass gemacht werden – um
sie zu vermeiden.
7. juli 2015, 19 bis 21 uhr 15: Wer
neue Kunden und Projekte gewinnen
möchte, braucht für die übersichtliche
Verwaltung der aktivitäten die richtigen
Werkzeuge. Wir zeigen, wie man akquise professionalisieren kann und was
wichtig ist, um dabei nicht den faden
zu verlieren. referent: Holger ahrens,
socialmedia-berater & trainer. anmeldung unter: www.freie.hamburg.verdi.de/veranstaltungen
Seniorinnen und Senioren
monatliche mitgliedertreffen der fachbereiche 1, 4, 5, 8, 12, 13 am 13. mai
und 10. Juni, jeweils 10 uhr 30 bis 13
uhr, raum st. georg: infos, referate
und news am besenbinderhof 60, tel.
040 / 2858-1344
www.senioren.hamburg.verdi.de
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