„Emerging Countries“ der Bildungsmigration: Vom Brain Drain zum Austausch auf Augenhöhe? Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Zur gesellschaftlichen und individuellen Bedeutung transnationaler Migration? Wer geht und lohnt sich Mobilität im Lebenslauf? „Tagung: Global Student“? Bildungsmigration als Herausforderung für Universität und Kirche Jahresakademie 23. bis 26. April 2015 Folie 1 von 22 Nationalstaatlichkeit und Transnationalität Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 20. Jahrhundert Durchsetzung des Nationalstaatsprinzips 20. Jh. Nationalstaaten als Containergesellschaften (Institutionen auf Nationalstaat ausgerichtet; Flora über Stein‐Rokkan 2000) 21. Jahrhundert Europäisierte/Globalisierte Gesellschaften Nationalstaatlich organisierte Gesellschaften verlieren an Bedeutung. (Insbesondere EU, USA/CA; EU/USA; Asean Länder, international vernetzte Länder) Folie 2 von 22 Nationalstaatlichkeit und Transnationalität Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Veränderung internationaler Zusammenhänge Reduzierung nationalstaatlich politischer Souveränität Freier Waren‐ und Dienstleistungsverkehr Freier Arbeitsmarkt Zunahme international tätiger Firmen, „Global Player“ Wohlstandssteigerung (Rosling 2012; Verwiebe 2004; Böll Stiftung 2005) Folie 3 von 22 Transnationalität als neues Phänomen? Empirisches Beispiel Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Stellenanzeigen der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” Analyse des Zeitraumes 1970 bis 2010 ‐ Inserate in Englisch 10fach so häufig ‐ 3,6 to 20 Prozent als Voraussetzung sich zu bewerben ‐ Zunahme der Anforderungen an transnationalem Kapital von 25 auf 50 Prozent Firmen die Fremdsprachkompetenzen verlangen 21 Prozent der Arbeitskräfte 33 Prozent der Arbeitskräfte bei Firmen, die global arbeiten (Tucci/Wagner 2003; Lenske/Werner 2000; Gerhards; Hans. 2013. Transnational Human Capital, Education, and Social Inequality. Analyses of International Student Exchange. Zeitschrift für Soziologie 42(2): 99‐117. Hier auf Seite 101 / Sailer 2009) Folie 4 von 22 Transnationale Mobilität Politische Ziele Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Deutschland Schüler Studierende Berufsschüler/ Auszubildende Keine zahlenmäßigen Zielvorgaben, aber: Erhöhte Jugendmobilität wird als Ziel im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 27. November 2013 festgelegt Ermöglichung grenzüberschreitender Mobilität für jeden Jugendlichen wird als Ziel im 14. Kinder‐ und Jugendbericht des BMFSFJ genannt 50 % der Studierenden im Erststudium sollen studienbezogene Erfahrungen im Ausland sammeln (kein fester Zeitpunkt für Zielerreichung) 2015: Verdoppelung von Auslandsqualifizierungen in der beruflichen Ausbildung (Ausgangswert ca. 10.000 ) Quellen: Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK (2013); The High Level Expert Forum on Mobility (2008); Innovationskreis Berufliche Bildung 2007; Koalitionsvertrag 2013; BMFSFJ 2013. Folie 5 von 22 Transnationale Mobilität Politische Ziele Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Europäische Union Schüler 2020: 0,45 % aller Schüler der Sekundarstufe sollen sich in einer mobilitätsbasierten ehrenamtlichen Tätigkeit engagieren Studierende 2020: 20 % der Studierenden sollen einen Studien‐ oder Praktikumsaufenthalt im Ausland absolvieren Berufsschüler/ Auszubildende 2020: 3,5 % der Auszubildenden sollen einen Berufsschul‐ oder Praktikumsaufenthalt im Ausland absolvieren Junge Generation 2020: 50 % der jungen Generation (16‐29 Jahre) sollen sich in irgendeiner Art an grenzüberschreitender Mobilität in Europa beteiligen Quellen: Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK (2013); The High Level Expert Forum on Mobility (2008); Innovationskreis Berufliche Bildung 2007; Koalitionsvertrag 2013; BMFSFJ 2013. Folie 6 von 22 EU Ziele Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach „Die Fähigkeit, in mehreren Sprachen zu kommunizieren, ist ein großer Vorteil für Menschen, doch auch für Organisationen und Unternehmen. Sie verstärkt die Kreativität, überwindet kulturelle Vorurteile, fördert das Denken abseits der ausgetretenen Pfade und kann bei der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen helfen. All diese Fähigkeiten und Tätigkeiten sind volkswirtschaftlich wertvoll. Mehrsprachigkeit macht Menschen auch mobiler, so dass sie leichter in anderen Ländern Ausbildungsmöglichkeiten oder eine Arbeitsstelle suchen können. Sie ist gut für den Einzelnen, die Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit, und damit auch entscheidend für die Verwirklichung des übergeordneten Ziels der Europäischen Union – die Lissabon-Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Förderung des Wirtschaftswachstums. […] Ziel der Kommissionspolitik zur Mehrsprachigkeit ist es, diese Stärken miteinander zu verknüpfen. Insbesondere hat sie zum Ziel, das Sprachenlernen und die Sprachenvielfalt in der Gesellschaft zu fördern, eine gesunde, mehrsprachige Wirtschaft zu fördern und den Bürgerinnen und Bürgern in ihrer eigenen Sprache Zugang zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu geben“ (Orban 2007). Folie 7 von 22 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach “Cross border mobility for learning and skills can be made a basic element in the emerging knowledge society and of a more competitive and attractive Europe” (High Level Expert Forum on Mobility 2008: 5) Folie 8 von 22 Entwicklung der Teilnehmerzahlen von deutschen Jugendlichen an Schüleraustauschprogrammen seit 2001 / 2002* Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 25000 20000 15000 10000 5000 0 * Für das Schuljahr 2005/06 erfolgte keine Erfassung der Teilnehmerzahlen von deutschen Jugendlichen an Schüleraustauschprogrammen. Quelle: weltweiser – Studie (2013), Schüleraustausch – High School – Auslandsjahr, S. 5 Folie 9 von 22 Entwicklung der deutschen Studierenden im Ausland seit 2002 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 160000 140000 120000 100000 80000 A 60000 40000 20000 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: Statistisches Bundesamt (2014), Deutsche Studierende im Ausland, Statistischer Überblick 2002 – 2012, S. 29 Folie 10 von 22 Entwicklung der Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung seit 1995 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 20000 18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: BIBB (2015), Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2015, Vorversion, Stand: 15.04.2015, S.487 Folie 11 von 22 Entwicklung der Zahl der außerhalb des Landes ihrer Staatsangehörigkeit eingeschriebenen Studierenden seit 1975 (Angaben in Mio.)(Weltweit) 5,0 4,5 4,2 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 4,4 4,5 2011 2012 4,0 3,5 3,0 3,0 2,5 2,0 1,7 1,5 1,0 0,8 1,1 0,5 0,0 1975 1985 1995 2005 2010 Quelle: OECD (2014), Bildung auf einen Blick 2014, S. 454 Folie 12 von 22 Transnationale Mobilität Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Folie 13 von 22 Transnationale Kompetenz ‐ Transnationales Kapital? Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Vergleichbar dem ökonomischen oder kulturellen Kapital ‐ Sprachkompetenz (2 oder 3 Sprachigkeit) ‐ Kulturelle Kompetenz (Kenntnisse der anderen Gesellschaft) ‐ Allgemeines Humankapital ‐ Spezielles Humankapital (Betriebsspezifisch) ‐ Stärkung der Persönlichkeit (Allgemeine Selbstwirksamkeit, berufliche Selbstwirksamkeit) Wirkung auf Einkommen? Folie 14 von 22 Transnationales sprachliches Kapital in Europa nach dem Alter der Befragten Person Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach 15‐24 25‐34 35‐44 45‐54 55‐64 65+ Keine Fremdsprache 31,3 39,1 49,3 54,4 59,4 71,3 Eine Fremdsprache 33,6 34,2 28,1 25,8 24,0 17,9 Zwei Fremdsprachen 25,8 19,1 14,8 13,8 11,3 6,9 Drei Fremdsprachen 9,3 7,5 7,5 6,0 5,4 4,0 3447 4158 4674 4473 4223 5535 N EU Datensatz, 1000 Personen, große Länder, 500 Personen, kleine Länder 2005 erhoben In: Gerhards 2010: 181 Folie 15 von 22 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Generation 1 Großeltern/Eltern Generation 2 Befragte 35-50J. 35-50J. 55-70J. 65-80J. n=610 n=419 n=1622 n≈1359 12 J. 13 J. 14 J. 15 J. 16 J. 35/37J. 45 J. n=1112 n=1265 n=1213 n=1203 n=1180 n=1657 n=1359 0-15 J. 12-17J. n≈1800 n=581 Generation 3 Kinder/Enkel 1979 1980 1981 1982 1983 2002/2004 2012 Quelle: LifE 2012, eigene Darstellung Folie 16 von 22 LifE 2012 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Haben Sie nach Ihrem 15. Lebensjahr für einen Monat oder länger außerhalb von Deutschland gelebt? (Ja / Nein) Wenn ja: Nennen Sie bitte den Grund und die Gesamtdauer in Monaten. Austausch‐Programm Fremdsprache lernen/verbessern Berufliche Qualifizierung/Weiterbildung, Berufstätigkeit Wegzug mit Eltern, Partnerschaftsgründe Andere Gründe (bitte notieren) zeitliche Spanne des Auslandsaufenthaltes: 1982 – 2002 LifE ermöglicht zwei Perspektiven: 1. Wer geht ins Ausland? 2. Welche Konsequenzen hat ein Auslandsaufenthalt? Folie 17 von 22 Transnationale Migration in institutionellen Kontexten Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Schulabschluss des Jugendlichen Alle Frauen 3,2 (7) 2,0 Hauptschulabschluss 21,2 Mittlere Reife 22,2 (49) 76,8 (Fach)Abitur 74,6 (165) N 221 99 Berufsabschluss des Jugendlichen 3,2 (7) keine Ausbildung 2,0 gewerbliche / Lehre 4,0 7,3 (16) Kauf. Lehre / Berufsfachschule 42,5 28,6 (63) Meister / Techniker 4,0 7,3 (16) Fachhochschule 15,2 17,7 (39) Hochschule 32,3 35,9 (79) N 220 1 99 Männer 4,1 22,9 73,0 122 4,1 9,9 17,4 9,9 19,8 38,9 121 Quelle: LifE 2012, eigene Berechnungen. Folie 18 von 22 Transnationale Migration bis zum Alter von 35 Jahren (%-Angaben) Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Alle Frauen Männer HS RS Gym. Austauschprogramm Fremdsprachenaufenthalt Berufliche Weiterbildung Au Pair 13,2 29,3 52,0 5,5 50,0 55,0 35,2 86,7 50,0 45,0 64,8 13,3 / 1,3 4,9 / 11,1 17,5 24,7 26,7 88,9 81,2 70,4 73,3 N 273 125 148 8 57 208 Quelle: LifE 2012, eigene Berechnungen Folie 19 von 22 Transnationale Bildungsmobilität (standardized coefficient) Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Sprachauf enthalt .23 * ‐.28 .48 *** Einkom men 25 .40 *** .35 *** Einkom men 35 .58 *** Einkom men 45 .30 *** .26 *** .30 *** Schulbild ung .74 *** Ausbildu ng ‐.15 .33 *** N=483 .24 ** RMSEA = .06 CFI = .99 TLI = .96 Ausland beruflich 15 20 Quelle: LifE 2012, eigene Berechnungen 25 30 35 40 Alter im Lebenslauf 45 Folie 20 von 22 Zusammenfassung Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Globalisierung forciert die Entstehung Transnationaler Kompetenzen gewinnen zunehmend an Bedeutung Transnationale Bildungsmobilität gewinnt seit 10 bis 15 Jahren an Bedeutung Mehr als Verdopplung der Studierenden im Ausland seit 2002 (Transnationale Klasse?) Transnationalität als neue Kompetenz und Kapital Berufliche und Sprachliche Auslandsaufenthalte wirken sich positiv auf das Einkommen aus (Einkommenssteigerung) Sprachliche Kompetenzen wirken früh im Erwerbsverlauf (35 Jahre), berufliche Kompetenzen im mittleren Erwachsenenalter (45) Selektionseffekt und damit Matthäuseffek: Wer früh im LV im Ausland war, geht auch in einem höheren Alter Folie 21 von 22 Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 22 von 22
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