Diffus grauschwarze Hyperpigmentierung der Gesichtshaut bei

Diffus grauschwarze Hyperpigmentierung
der Gesichtshaut bei einer 59-jährigen
Patientin
P. Nenoff, H. Müller, I. Schulze,
A. Laumanns & W. Handrick
Der Hautarzt
Zeitschrift für Dermatologie,
Venerologie und verwandte Gebiete
ISSN 0017-8470
Volume 66
Number 3
Hautarzt (2015) 66:214-217
DOI 10.1007/s00105-014-3574-9
1 23
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Wie lautet Ihre Diagnose?
Hautarzt 2015 · 66:214–217
DOI 10.1007/s00105-014-3574-9
Online publiziert: 31. Januar 2015
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
P. Nenoff1 · H. Müller2 · I. Schulze3 · A. Laumanns3 · W. Handrick4
1 Haut- und Laborarzt/Allergologie, Andrologie, Tätigkeitsschwerpunkt: Tropen- und
Reisedermatologie (DDA), Labor für medizinische Mikrobiologie, Mölbis, Deutschland
2 Internistische Praxis, Zwenkau, Deutschland
3 Hautarztpraxis, Markkleeberg, Deutschland
4 Institut für Medizinische Diagnostik Oderland, Frankfurt (Oder), Deutschland
Diffus grauschwarze
Hyperpigmentierung der
Gesichtshaut bei einer
59-jährigen Patientin
Kasuistik
Eine 59-jährige Patientin stellte sich mit
dunklen Verfärbungen der Gesichtshaut
in der Hautarztpraxis vor. Sie gab an, dass
diese Verfärbungen bereits seit 3 bis 4 Jahren bestehen würden, sich jedoch in den
letzten Monaten verstärkt hätten.
Wegen einer hypothyreoten Struma
nodosa, an der sie seit Jahrzehnten litt
und die früher auch retrosternal gewachsen wäre, nahm die Patientin aktuell täglich 112 µg L-Thyroxin ein. Sie erhielt wegen einer Refluxösophagitis Pantoprazol,
wegen arterieller Hypertonie Torasemid,
außerdem Tilidinhydrochlorid/Naloxonhydrochlorid. Seit etwa 10 Jahren nahm
sie wegen persistierenden Talgdrüsenentzündungen im Gesicht im Sinne einer Rosazea und einer Acne tarda täglich 2-mal
100 mg Minocyclin ein.
Es wurde nach der Einnahme von silberhaltigen Magentropfen, z. B. wegen
einer chronischen Gastritis, oder anderen silberhaltigen Arzneimitteln gefragt.
Eine solche Medikation wurde jedoch
verneint.
Lokalbefund
Oberhalb der Oberlippen (mit Aussparung des Philtrums), in der Nasolabialregion, aber auch an Schläfen, Wangen
und Kinn war eine dunkle, grauschwarze
Hyperpigmentierung in Hautniveau er-
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kennbar (. Abb. 1a–d). Die Verfärbung
breitete sich flächenhaft und diffus aus
und wies eine unterschiedliche Intensität
der Pigmentierung auf. Das sonstige Integument war frei von Hyperpigmentierungen. Auch Zunge, Mundschleimhaut
und harter Gaumen waren nicht betrof-
fen. Eine histologische Untersuchung von
Hautgewebe erfolgte nicht.
Für eine Rosazea oder Acne tarda gab
es mit flachen, braunroten postinflammatorischen Läsionen im Gesicht allenfalls
diskrete Hinweise.
Abb. 1 9 Grauschwarze Hyperpigmentierung der Gesichtshaut
bei einer 59-jährigen
Patientin. a Frontal,
b rechte Wange, c linke
Wange, d Oberlippenund Nasolabialbereich
links. (Mit freundl.
Genehmigung
© P. Nenoff 2014.
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D Wie lautet ihre Diagnose?
Verlauf
Der Patientin wurde nahegelegt, die Einnahme von Minocyclin sofort zu beenden. Sie war jedoch wegen ihrer entzündlichen Talgdrüsenläsionen beunruhigt und drängte auf eine weitere aus
ihrer Sicht effektive Behandlung mit Minocyclin. So wurde vereinbart, zunächst
4 Wochen auf Minocyclin zu verzichten.
Zur topischen Aknebehandlung wurde ein Vitamin-A-Säure-Derivat (Adapalen) rezeptiert. Mit der Patientin wurde vereinbart, bei Progression der Knötchen und Pusteln alternativ statt Minocyclin ggf. Doxycyclin einzusetzen. Dies
erwies sich jedoch im weiteren Verlauf
als nicht notwendig. Bei Kontrollen nach
3 und 6 Monaten war keine Verschlechterung der Hyperpigmentierung im Gesicht zu verzeichnen, jedoch auch keinerlei Besserung.
dere Nebenwirkungen beobachtet. Diese betrafen die Haut (Photosensitivität,
Lupus-ähnliche Reaktionen, subkutane Knötchen, Pruritus, Urtikaria, Livedo
reticularis, kutane Polyarteriitis nodosa;
[14]), den Magen-Darm-Trakt (Übelkeit,
Erbrechen, Durchfall, Ösophagitis, hepatotoxische Effekte) und auch das Zentralnervensystem (Schwindel, erhöhter intrakranieller Druck). Eine Besonderheit
stellt das DRESS-Syndrom („drug reaction, eosinophilia, systemic symptoms“)
dar [23].
»
Diagnose:
Minocyclin-induzierte
Hyperpigmentierung, Typ III
Die verfügbaren Daten zur Hyperpigmentierung durch Minocyclin beruhen überwiegend auf Einzelfallbeobachtungen.
Diskussion
Klinisches Bild
Minocyclin ist ein lipophiles TetracyclinDerivat und wurde Ende der 1960er-Jahre
erstmals eingesetzt. Im Gegensatz zu den
klassischen Tetracyclinen ist Minocyclin
besser fettlöslich und cheliert wenig mit
Kalzium. Deshalb wird es besser aus dem
Magen-Darm-Trakt resorbiert und hat eine längere Halbwertszeit [3].
Minocyclin diffundiert in Körperflüssigkeiten und Gewebe. Es hemmt die
bakterielle Proteinsynthese und wirkt dadurch bakteriostatisch. Das Wirkspektrum entspricht weitgehend dem des Doxycyclins. Sowohl Minocyclin als auch
Doxycyclin weisen antientzündliche Effekte auf.
Zu den klinischen Indikationen zählen vor allem Acne vulgaris und Rosazea.
Es wurde aber auch eingesetzt bei autoimmunologisch bedingten bullösen Dermatosen, bei Pyoderma gangraenosum und
Rheumatoidarthritis [13].
Der erste Bericht über eine Hyperpigmentierung durch Minocyclin erschien
bereits im Jahr 1970. Außer Hyperpigmentierungen wurden beim Einsatz von
Minocyclin aber noch verschiedene an-
Die Minocyclin-induzierten Hyperpigmentierungen der Haut werden in 4 Typen unterteilt.
55Typ I (kommt am häufigsten vor):
blauschwarze Verfärbung in Arealen
vorausgegangener Entzündung, z. B.
Aknenarben im Gesicht,
55Typ II: blaugraue Pigmentierung in
zuvor normalen Hautarealen, z. B. in
der Haut der Unterschenkel oder Unterarme [6, 7],
55Typ III (selten): schmutzig-braune
Verfärbungen zuvor normaler Haut,
vor allem in sonnenexponierten
Hautregionen,
55Der neuerdings beschriebene Typ IV
wird charakterisiert durch umschriebene blaugraue Verfärbung von Aknenarben am Rücken [12].
Hyperpigmentierungen können aber
auch in anderen Körperregionen auftreten: Konjunktiva, Sklera [10, 21], Mundschleimhaut [5], Gingiva, Lippen, Nägel
[19], Zähne, Knochen [9], Knorpel, Hirn,
Schilddrüse und Herz.
Häufigkeit und Pathogenese
In der Literatur findet sich der Hinweis,
dass Hyperpigmentierungen bei 3–14 %
der Patienten unter einer MinocyclinTherapie auftreten [4, 19].
Die Meinungen über die Beziehung
zwischen Therapiedauer und Auftreten
der Hyperpigmentierung sind kontrovers. Beim Typ I scheint die Therapiedauer bzw. die kumulative Dosis keine Rolle zu spielen. Die Verfärbung kann bereits nach einer Behandlung von nur einigen Wochen beginnen. Dagegen treten
die Typen II und III eher nach längerer
Therapiedauer (eventuell erst nach Jahren) bzw. höheren kumulativen Minocyclin-Dosen (> 70–100 g) auf [12]. Patienten mit Autoimmunerkrankungen sowie
ältere Patienten haben offensichtlich ein
höheres Risiko, an dieser Nebenwirkung
zu erkranken.
Der Mechanismus, der der Hyperpigmentierung zugrunde liegt, ist nicht völlig
geklärt. Beim Typ I handelt es sich wahrscheinlich um Ablagerungen von Minocyclin-Eisenchelaten, beim Typ II um Minocyclin-Metaboliten, und beim Typ III
hat man erhöhte Melaninmengen in der
Epidermis und in dermalen Makrophagen gefunden [11, 19]. Inwieweit sich der
unterschiedliche Pathomechanismus auf
die Prognose der Minocyclin-Hyperpigmentierung auswirkt – cheliertes Minocyclin vs. Transfer von Melanin – ist nicht
bekannt.
Die hier vorgestellte Patientin ist am
ehesten dem Typ III der MinocyclinHyperpigmentierungen zuzuordnen, da
schmutzig-braune Hyperpigmentierungen in sonnenexponierter Haut bestehen,
hervorgerufen durch erhöhte Melaninmengen in der Epidermis wie auch durch
Melanin in dermalen Melanophagen [2].
Die Patientin setzte sich eher wenig dem
Sonnenlicht aus, sodass keine Verschlechterung unter UV-Exposition angegeben wurde. Die Lokalisation im Gesicht
spricht jedoch durchaus für einen UVEinfluss auf die Hyperpigmentierung. Erwähnt werden muss jedoch, dass die Dosierung von täglich 2-mal 100 mg MinoDer Hautarzt 3 · 2015 | 215
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Wie lautet Ihre Diagnose?
cyclin in keiner Weise der üblichen Dosierung entspricht. Diese beträgt bei Akne und Rosazea laut Fachinformation für
Minocyclin täglich 1 Kapsel zu 100 mg, in
der Regel für nur 7 bis 21 Tage [20].
Diagnostik und
Differenzialdiagnosen
Die Diagnose basiert auf der Anamnese
(Minocyclin-Einnahme, oft über längere
Zeit) und dem klinischen Bild. In fraglichen Fällen kommt eine Hautbiopsie in
Betracht [14]. Diese erlaubt es, den im
Einzelfall vorliegenden Typ der Hyperpigmentierung festzustellen, da sich die 3 Typen histopathologisch unterscheiden [5].
Differenzialdiagnostisch ist zu beachten, dass es auch aus anderen Ursachen zu
Hautverfärbungen kommen kann. Hier
sind verschiedene Erkrankungen zu nennen, z. B. die Purpura pigmentosa progressiva (Morbus Schamberg), die Dermatitis bei venöser Stase, Morbus Addison, Argyrie oder Argyrose [17], Hämochromatose, Riehl-Melanosis und metastatisches Melanom im Endstadium. Aktuell beschrieben wurde die Hyperpigmentierung im Sinne einer Argyrie als kutane Manifestation einer silberummantelten
Prothese wegen eines distalen femoralen
Osteosarkoms [8]. Aber auch bei der Therapie mit einer Vielzahl anderer Medikamente kann es zu Hautverfärbungen kommen, z. B. beim Einsatz von Amiodaron,
Bleomycin, Zidovudin sowie psychotropen und Antimalariamedikamenten [15].
Eine aktuell publizierte Übersicht hat ergeben, dass eine Kausalität bezüglich der
Hyperpigmentierung der Haut nur für
Prostaglandine, Minocyclin, Phenothiazin, Nikotin und Malariamittel wahrscheinlich ist [11].
Therapie und Verlauf
Die erste therapeutische Maßnahme ist
die Beendigung der Minocyclin-Therapie. Üblicherweise bildet sich die Hyperpigmentation nach Beendigung der Therapie zurück, dieser Prozess kann aber
Monate bis Jahre dauern. Unter Isotretinoin-Behandlung der Akne ließ sich eine
Besserung der Hyperpigmentierung erreichen [18]. Die Rückbildung der Hyperpigmentierungen kann durch den Einsatz
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einer speziellen Lasertherapie effektiv beschleunigt werden [1, 13]. Ein sehr guter
Effekt mit letztendlich erreichter Heilung
ist nach wiederholter Anwendung eines
gütegeschalteten Rubinlasers („Q switch­
ed laser“) bei Minocyclin-induzierten
Hyperpigmentierungen vom Typ III berichtet worden [13]. Auch Alexandrit- und
Nd:YAG-Laser kommen zur Behandlung
in Betracht [22]. Bei hyperpigmentierten
Aknenarben kann eventuell auch eine chirurgische Exzision erwogen werden.
In letzter Zeit scheinen sich Berichte über Minocyclin-induzierte Hyperpigmentierungen zu häufen, sodass sich
durchaus die Frage nach einem kritischeren Einsatz dieses in der Dermatologie
nach wie vor wichtigen Antibiotikums
stellt [16, 22]. Eine Alternative stellt auch
mit Blick auf ein besseres Sicherheitsprofil in Bezug auf schwere Leberschädigungen Doxycyclin dar.
Fazit für die Praxis
55Zu den klinischen Indikationen von
Minocyclin zählen vor allem Acne vulgaris und Rosazea.
55Unter einer Minocyclin-Therapie treten bei 3–14 % der Patienten Hyperpigmentierungen auf.
55Die Diagnose basiert auf Anamnese
und klinischem Bild.
55Erste therapeutische Maßnahme ist
die Beendigung der Minocyclin-Therapie. Üblicherweise bildet sich die
Hyperpigmentation nach Beendigung der Therapie zurück. Die Rückbildung der Hyperpigmentierungen
kann durch den Einsatz einer speziellen Lasertherapie effektiv beschleunigt werden.
55Eine Alternative zu Minocyclin stellt
Doxycyclin dar.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. P. Nenoff
Haut- und Laborarzt/Allergologie, Andrologie
Tätigkeitsschwerpunkt: Tropen- und
Reisedermatologie (DDA), Labor für
medizinische Mikrobiologie
Straße des Friedens 8, 04579 Mölbis
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. P. Nenoff, H. Müller, I. Schulze,
A. Laumanns und W. Handrick geben an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen
oder Tieren.
Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung
gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt
die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder
des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
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Originalien/Kasuistiken:
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Klinik für Derma­tologie, Allergologie und
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OE 6600,
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
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Prof. Dr. Thomas Ruzicka
Klinik und Poliklinik für Dermatologie,
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Anfragen an:
Prof. Dr. Daniela Bruch-Gerharz
Hautklinik des Universitätsklinikums
Düsseldorf, Moorenstr. 5,
40225 Düsseldorf
Tel: +49-211-81-18328
Fax: +49-211-81-04905
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In der Diskussion:
Prof. Dr. Alexander Kapp/
Prof. Dr. Thomas Werfel
Klinik für Derma­tologie, Allergologie und
Venerologie,
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OE 6600,
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
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Leserforum:
Prof. Dr. Hans F. Merk
Klinik für Dermatologie und Allergologie,
Universitätsklinikum der RWTH,
Pauwelsstraße 30, 52057 Aachen
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