zum bereit!

Konzentration mangelhaft?
Exekutive Funktionen - oder:
Wie man das Gehirn auf
Konzentration trainiert.
Baden-Baden, 16. April 2015
Susanne Häberle
Lehrerin
FE X
Selbststeuerung
Kognitive Flexibilität
Inhibition
Arbeitsgedächtnis
|2
Das exekutive System
Arbeitsgedächtnis
Inhibition
Kognitive Flexibilität
Als Einheit: Regulations-, Kontrollfunktionen für zielorientiertes, planvolles,
situationsangepasstes Verhalten Selbstregulation
Erforderlich in neuen, herausfordernden Situationen (nicht für die Ausführung von
Automatismen, Handlungsroutinen)
Unterschiedliche Aufgaben bedürfen unterschiedliche Aspekte der EF
(z.B. Blair, 2002; Miller & Cohen, 2000; Carlson, 2005; Diamond, 2002)
Arbeitsgedächtnis
Brainstorming:
•Was fällt Ihnen zu „Arbeitsgedächtnis“ ein?
•Kennen Sie Situationen, in denen das Arbeitsgedächtnis benötigt wird?
Nennen Sie Beispiele.
Arbeitsgedächtnis
Informationen kurzzeitig speichern und weiter verarbeiten
Unterstützt - in diesem Fall - Handlungsplanung
Kann ich noch
Basketball
spielen…
Wenn ich schnell
zu Hause bin…
ich
ss
mu
e
für
Da t Leut
ers ufen…
anr
etz
hN
noc
nd
…u Korb …
n
und stelle
auf
(z.B. Miyake 2000, Diamond 2007)
Arbeitsgedächtnis: Test
In Häusern wohnen Menschen.
Arbeitsgedächtnis: Test
Der grüne Frosch miaut.
Arbeitsgedächtnis: Test
Autos können fliegen.
Arbeitsgedächtnis: Test
Ist die Aussage von Satz 1 richtig?
JA
9
03.05.20
15
Arbeitsgedächtnis: Test
Ist die Aussage von Satz 2 richtig?
NEIN
Arbeitsgedächtnis: Test
Ist die Aussage von Satz 3 richtig?
NEIN
Arbeitsgedächtnis: Test
Was war das Verb in Satz 2?
miaut
Arbeitsgedächtnis: Test
Was war das Verb in Satz 1?
wohnen
Arbeitsgedächtnis: Test
Was war das Verb in Satz 3?
fliegen
Sehr gut!!
ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm
Messung Exekutiver Funktionen
Neuropsychologische Testungen
two-Back
| 16
Messung EF: 2-Back-Aufgabe
Bitte rufen Sie „FEX“,
FEX
wenn Sie 2 Folien zuvor genau den gleichen Zahlen gesehen haben.
3
5
Zielreiz
3
7
Zielreiz
9
7
17
Arbeitsgedächtnis – wozu?
• Lesen und Textverständnis
Beispiel:
Wenn wir einen Satz sprechen oder verstehen, benutzen wir das AG,
um beim Einbau eines Nebensatzes – auch wenn er lang ist und
vielleicht vom Thema abweicht, wie dies ja gelegentlich vorkommt,
besonders in der deutschen Sprache, worüber sich auch Mark Twain
schon beschwerte, den Rest nicht zu vergessen.
•
•
•
•
Reagieren auf Fragen
Kopfrechnen
Arbeitsaufträge
Diskussionen
18
Beispiel: Arbeitsgedächtnis
Wir brauchen es ständig!
Deshalb nutzen wir verschiedene Hilfsmittel:
•Pläne, Übersichten, Teilschritte
Handlungsplanung, to do Listen
•Sanduhren, Time-Timer zur Zeiteinteilung
und Erinnerungsstütze
•Bilder, Sticker, Stempel als Erinnerungen
und zur Priorisierung
für
Braintertainment
| 20
Exekutive Funktionen
Exekutive Funktionen
Selbstregulationsfähigkeit
Arbeitsgedächtnis
Inhibition
Kognitive Flexibilität
21
Test
Stroop Task
Farbe
grün
gelb
Nennen Sie rasch die Farben
Messung Exekutiver Funktionen
*****
*****
*****
*****
*****
*****
*****
*****
| 23
BLAU
ROT
GELB
GRÜN
SCHWARZ
BLAU
WEISS
GRÜN
| 24
ROT
GELB
SCHWARZ
WEISS
BLAU
ROSA
GRÜN
BLAU
| 25
ROT
GELB
SCHWARZ
WEISS
BLAU
ROSA
GRÜN
BLAU
| 26
Beispiel: Inhibition
Wir brauchen sie
ständig!
Inhibition
Brainstorming:
•Was fällt Ihnen zu „Inhibition“ ein?
•Kennen Sie Situationen, in denen die Inhibition benötigt
wird?
Nennen Sie Beispiele.
Inhibition
Quellen lesen
Impulskontrolle, Emotionsregulation
Aufmerksamkeitssteuerung, Ausblenden von Störreizen
(z.B. Miyake 2000, Diamond 2007)
Messung exekutiver Funktionen
Switch Task
Ziffer
1111
>< 5?
Anzahl
1111
30
Ziffer
31
9999
32
Anzahl
33
444
34
Ziffer
35
33
36
222222
37
4444
38
Anzahl
39
6666
40
77
41
2222222
42
Ziffer
43
888
44
111111
45
44
46
Anzahl
47
888
48
999999
49
777
50
3333333
51
Super!!
52
Beispiel: Kognitive Flexibilität
Wir brauchen sie ständig!
Einstellen auf andere
Mitgefühl für andere
Umstellung von einer Situation
in die andere
Kognitive Flexibilität
sich auf neue Situationen und Anforderungen schneller und besser
einstellen
Personen und Situationen aus anderen, neuen Perspektiven
betrachten und zwischen diesen Perspektiven wechseln
(z.B. Miyake 2000, Diamond 2007)
Was sind exekutive Funktionen?
Arbeitsgedächtnis
Informationen kurzzeitig speichern und weiter verarbeiten
Handlungsplanung, Zielsetzung
Probleme lösen
Inhibition
Impulskontrolle, Emotionsregulation
Aufmerksamkeitssteuerung, Ausblenden von Störreizen
unterstützt situationsangemessenes Verhalten
Kognitive Flexibilität
sich auf neue Situationen und Anforderungen schneller und besser
einstellen
Personen und Situationen aus anderen,
neuen Perspektiven betrachten und zwischen diesen
Perspektiven wechseln
Alternativen abwägen, Prioritäten setzen, Entscheidungsfindung
55
Bedeutung von
exekutiven Funktionen und
Selbstregulation
Der Marshmallow Test mit 4-Jährigen
(Mischel et al., 1988)
www.youtube.de
IQ
| 58
Zensurendurchschnitt in Punkten
Duckworth & Seligman, 2005 Psych
Science
Selbstregulation
Dunedin Multidisziplinäre
Gesundheits- und Entwicklungsstudie
seit 1972 in Dunedin, Neuseeland
Moffitt et al., 2011:
A gradient of childhood self-control predicts health, wealth, and
public safety. PNAS
| 59
Finanzen –
Selbstregulation
0,4
0,2
Finanzielle Planungen
0
-0,2
Fremdeinschätzung:
finanz. Probleme
-0,4
1
(niedrig)
2
3
Selbstregulation
während Kindheit
4
Moffitt et al., 2011 PAS
Finanzen als Erwachsene
Sozioökonomischer
Status
5
(hoch)
| 60
Entwicklung
exekutiver Funktionen und
Selbstregulation
Sitz des exekutiven Systems: der Präfrontale Cortex
Unterschiedliche Aufgaben benötigen
unterschiedliche EF-Aspekte
Als Einheit:
Regulations-, Kontrollfunktionen für
zielorientiertes, planvolles,
situationsangepasstes Verhalten
Selbstregulation
Erforderlich in neuen, herausfordernden
Situationen (keine Automatismen,
Handlungsroutinen)
62
Exekutive Funktionen (EF)
Sie werden von der Umwelt beeinflusst
Armut der Familie
Depressive Mutter
Wenig soziale Unterstützung
Kritische Lebensereignisse
Gewalt
Sie haben eine biologische Basis
| 63
Entwicklung der Exekutiven Funktionen
Gogtay et al. 2004
| 64
Entwicklung Exekutive Funktionen
Allgemeine Entwicklung
Alter in Jahren
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
15
17
20
25
Entwicklung
der EF
Entwicklung
der EF
Die 3 Teilaspekte des exekutiven Systems (A, I, F)
entwickeln sich nicht parallel und individuell.
65
Beispiel
Alter
Zu Anna: „Holst du dir bitte zum Malen die Farben, den Pinsel,
Wasser und eine Unterlage und legst alles an deinen Platz?“
3-4 Jahre
Sich Zahlenreihen in Gruppierungen merken: 150-23-10 anstatt
1-5-0-2-3-1-0.
Erwachsene
„Erst dürfen Simon und Anna mit dem neuen Bobbycar spielen.
Sie warten schon lange. Dann bist du an der Reihe.“
Alter:
Ruth und Adam überlegen wie sie den Käfer aus ihrem Zimmer
bekommen. „Draufhauen geht. So kriegen wir ihn raus. Aber lass
uns doch noch eine Möglichkeit überlegen, bei der wir ihn nicht
zerquetschen. Wie wär’s wenn wir ihn auf ein Blatt laufen lassen
und raus tragen?“
Alter: 9-12
Der Vater zum Sohn: „Was meinst Du, passiert, wenn du grob zu
Arne bist? Möchte er dann weiter mit dir Eisenbahn spielen?“
5-6
Alter: 7-9
66
67
Förderung
exekutiver Funktionen und
Selbstregulation
Regeln, Rituale und
exekutive Funktionen
Regeln, Rituale und Routinen
Selbstregulation unterstützen durch äußere „Strukturen“:
•Situationen, die mit deutlichen Regeln verbunden sind und ihren festen
Platz haben, erleichtern es sich selbstreguliert zu verhalten.
• Essenssituation, Aufräumen, Arbeitsphasen
• Umziehen, Trainingsbeginn
• Unterrichtsbeginn ritualisieren
•In strukturierten Aktivitäten zeigen Kinder
• weniger aggressives Verhalten
• nehmen Regeln besser an und setzen diese um
• Mehr selbst-initiierte Befolgung der Regeln (Internalisierung)
Internalisierte Selbstregulation
(Taylor 2011)
Bewegung, Spiel und
Sport und exekutive
Funktionen
Bewegung und exekutive Funktionen
Allgemeine körperliche Fitness
Akute körperliche Belastung:
Koordinative Bewegungen
Ausdauerbetonte Belastung
Intensive Belastung
Bewegung „formt“ das Gehirn – aber wie?
Physiologische Veränderungen im Gehirn
•Verbesserung der regionalen Gehirndurchblutung
•Förderung der Plastizität und Neubildung von Nervenzellen durch
Steigerung von Wachstumsfaktoren (BDNF)
•Optimierung der Produktion von Botenstoffen
(Neurotransmitter)
Körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf neurobiologische Prozesse
aus und fördert die exekutiven Funktionen und Selbstregulation!
Bewegung fördert Plastizität und Neurogenese
Steigerung von Wachstumsfaktoren (BDNF): wichtig für Neuroplastizität und
Neurogenese
•nachgewiesen im Hippocampus
Hippoampus: speichert neuerlernte Fakten und Erfahrungen
•Durch körperliche Aktivität verdoppelt sich die Anzahl der neugebildeten Nervenzellen im
Hippocampus (Ameri, 2001)
•Ausdauertraining (3x pro Woche, über ein Jahr) wirkt nicht nur dem natürlichen
altersabhängigen Abbau entgegen, sondern lässt den Hippocampus wachsen (Erickson, 2011)
Bessere Merkfähigkeit
Reduziertes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen
Serotoninbiosynthese
Tryptophan
Eiweiß
Blut-Hirn-Schranke
Chaouloff 1997
Serotoninbiosynthese
Freie
Fettsäuren
Ausdauerbelastung ab ca. 30 Minuten
Chaouloff 1997
Serotoninbiosynthese
Freie
Fettsäuren
freies
Tryptophan
Eiweiß
Ausdauerbelastung ab ca. 30 Minuten
Chaouloff 1997
Serotoninbiosynthese
freies
Tryptophan
+ 75 %
Blut-Hirn-Schranke
Ausdauerbelastung ab ca. 30 Minuten
Chaouloff 1997
Serotoninbiosynthese
freies
Tryptophan
Blut-Hirn-Schranke
Serotonin
Ausdauerbelastung ab ca. 30 Minuten
Chaouloff 1997
Kognitiver Anspruch komplexer
Bewegungsdurchführung
• Komplexe Bewegungen benötigen kognitive Beteiligung
im Gegensatz zu einfachen Bewegungen (Laufen, Fahrradfahren,…)
• Nicht-Routinierte Handlungsabläufe müssen bewusst kontrolliert und
überwacht werden
• Bewegungsaufgaben mit kognitiver Komponente in Regelgestaltung müssen
gut gesteuert werden
Exekutive Funktionen werden gefordert und dadurch gefördert!
(vgl. Best, 2010)
Kognitiver Anspruch zielgerichteter Aktivitäten
• Sportliche Aktivitäten in Gruppen / Teams erfordern u. a.
• Kooperation mit Mitspielern
• Antizipation von Bewegungsverhalten von Partnern, Mitspielern und Gegnern
• Umsetzung von Spielstrategien, Abläufen
• Anpassung an plötzliche Veränderungen
• Schnelle Entscheidungsfindung
• Bewegungsverhalten muss ständig geplant, reflektiert, angepasst werden
Exekutive Funktionen werden gefordert und dadurch gefördert!
(vgl. Best, 2010)
(Sport-)Spiele und exekutive
Funktionen
Mehrere Perspektiven
berücksichtigen
Sich Regeln und
Kommandos merken
Sich auf Mitspieler
einstellen
Strategisch denken
und planvoll handeln
Plötzliche Regeländerungen beachten
Verhalten schnell
anpassen
Verschiedene
Lösungswege abwägen
Wichtiges im
Blick behalten
Impulse
Handlungen
Alte Regeln Aufmerksamkeit Mit Niederlagen
zurückhalten abrupt abrechen ignorieren
lenken
umgehen
Achtsamkeit,
Entspannung und
exekutive Funktionen
Spaziergang im Park
Auswirkungen von Achtsamkeit und Entspannung
„Aktive Entspannung“ wirkt sich positiv aus auf
•
•
•
•
•
die Entstehung neuer Neuronen
den Umgang mit Stress
das Selbstwertgefühl und Optimismus
die Emotions- und Verhaltensregulation
die exekutiven Funktionen
„Entspannungsmethoden“ sind
individuell unterschiedlich und
brauchen viel Übung.
(u.a. Flook et al., 2010; Hölzel et al., 2011)
Zusammenfassung
Studien zeigen: körperliche Aktivität beeinflusst Kognition und Psyche über
mehrere Prozesse
Körperliche Aktivität führt zu anatomischen und physiologischen
Veränderungen im Gehirn
Komplexe Bewegungen benötigen eine gut gesteuerte Ausführung
exekutive Funktionen
Sportspiele u. ä. erfordern zielgerichtetes, planvolles Verhalten und
flexibles Reagieren in neuen Situationen
Achtsamkeitsübungen beeinflussen Gehirnfunktionen und exekutive
Funktionen positiv
WICHTIG für die Umsetzung:
•Anforderungen an Interessen und Können anpassen!
•Frustration vermeiden!
•Exekutive Funktionen nicht überfordern!
•Exekutive Funktionen ermüden mit der Zeit und brauchen auch mal eine Pause!
Förderung exekutiver Funktionen in den (Sport-)Alltag einflechten!
87
http://www.johnratey.com/newsite/index.html
Zum Nachlesen
Dr. John Ratey