Briefing Paper “Fracking in Nord und Süd”

Fracking in Nord und Süd –
Gewinner und Verlierer einer neuen
­Risikotechnologie
Ausgehend von den USA hält eine neue Risiko­
technologie derzeit Einzug in immer mehr Län­
dern dieser Welt. Die Rede ist von Hydraulic
Fracturing, kurz Fracking. Mithilfe dieser Tech­
nologie können seit einigen Jahren sogenannte
unkonventionelle Öl- und Gasvorräte ausgebeu­
tet werden, die bislang nicht förderbar waren.
In Zeiten des voranschreitenden Klimawan­
dels werden mit der Förderung neuer fossiler
Brennstoffvorkommen falsche Anreize für die
Energieversorgung der Zukunft gesetzt, was
besonders in Ländern des globalen Südens fata­
le Auswirkungen hat. Dort ist auch der Einsatz
von Fracking mit noch weitreichenderen Prob­
lemen verbunden als in Ländern des globalen
Nordens. Die größten unkonventionellen Ölund Gasvorkommen weltweit werden in Nordund Südamerika, China, Russland, nordafrika­
nischen Ländern und Südafrika vermutet.
Obwohl das Potenzial für die Förderung un­
konventioneller Öl- und Gasvorkommen mit­
tels Fracking in Deutschland im weltweiten
Vergleich äußerst bescheiden ist, würde von
einem Fracking-Verbot im Energiewende-Land
eine wichtige Signalwirkung ausgehen. Dage­
gen setzt die Öl- und Gasindustrie, die sich gute
Geschäfte mit der Erschließung immer neuer
Vorkommen erhofft, alle Hebel in Bewegung.
Anders als von der Industrie behauptet, sind
wesentliche Effekte auf Beschäftigung und
Versorgungssicherheit hierzulande nicht zu
erwarten.
Fracking heizt den Klimawandel weiter an
Der globale Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Um die Gefahren der Erderwärmung für Mensch und Umwelt
in Maßen zu halten, müsste eine schnelle und
drastische Reduktion der Förderung und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe sowie ein rascher
Übergang zu erneuerbaren Energietechnologien
erfolgen. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur IEA müssen zwei Drittel der
fossilen Energieträger im Boden bleiben, um die
1
© Observatorio Petrolero Sur: Von den USA in die ganze Welt: Fracking-Bohrturm in Argentinien
Was ist Fracking?
Beim Hydraulic Fracturing (kurz Fracking)
werden große Mengen Wasser in Kombination
mit einem Gemisch aus teils giftigen Chemikalien und Sand in den Untergrund gepumpt,
um unkonventionelle Öl- oder Gasvorkommen
zu gewinnen. Diese sind im Unterschied zu
herkömmlichen Vorkommen in feinporigen Gesteinsschichten wie Schiefer, dichtem Sandstein
(Tight Gas) oder Kohleflöz eingeschlossen. Das
Gestein muss deshalb zunächst aufgebrochen
werden, um die fossilen Brennstoffe freizusetzen und förderbar zu machen. Neben dem Gas
oder Öl kommt auch das zum Aufbrechen des
Gesteins nötige Wasser-Chemikalien-Gemisch
wieder an die Oberfläche. Dieser sogenannte
„Flowback“ fördert je nach Untergrund giftige
Schwermetalle oder nuklear belastetes Material mit an die Oberfläche. Eine große Gefahr
beim Fracking besteht deshalb in der Verunreinigung von Grundwasservorkommen im
Bereich der Bohrung.
P werShift
Schiefergas ist keine Brückentechnologie hin
zu einer erneuerbaren Energieversorgung. Zu
diesem Ergebnis kommt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen: „Die Gewinnung
von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in
Deutschland lässt sich (...) nicht mit Klimaschutzgründen und auch nicht mit der Unterstützung der Energiewende begründen“.
Erdbeben, Wassermangel und Landkon­
flikte
© Martín Barzilai / SubCoop: Trinkwasserversorgung einer kleinen Gemeinde in einem Fracking-­
Gebiet in Argentinien
2
Erderwärmung noch auf zwei Grad Celsius zu
begrenzen. Die in Folge des Schiefergasbooms
in den USA weltweit sinkenden Preise für fossile
Brennstoffe sind somit genau das falsche Signal,
da sie den Anreiz zur Einsparung fossiler Brennstoffe und für eine zügige Energiewende senken.
Hinzu kommt, dass bei der Förderung unkonventioneller Gasvorkommen in vielen Fällen deutlich
größere Mengen an Treibhausgasen freigesetzt
werden als dies bei konventionellen Quellen der
Fall ist.
„No more than one-third of proven reserves of fossil
fuels can be consumed prior to 2050 if the world is
to achieve the 2°C goal“
Internationale Energieagentur 2012
Bereits heute sind die Folgen der Erderwärmung
in Form von zunehmenden Dürren, Stürmen
oder Hochwasser an vielen Orten spürbar. Die
armen und ärmsten Bevölkerungsgruppen dieser Erde bekommen die Folgen gleich doppelt
zu spüren: Einerseits sind die negativen Auswirkungen der Erderwärmung gerade in den wenig
wohlhabenden Regionen der Welt besonders
stark. Andererseits verfügen diese gesellschaftlichen Gruppen oder Länder oftmals nicht über die
notwendigen finanziellen Mittel oder Rücklagen,
um Ernteausfälle auszugleichen oder Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser und Stürme
zu ergreifen. Die Verursacher des menschengemachten Klimawandels hingegen sind vor allem
in den Industrienationen und wohlhabenden Gesellschaftsschichten zu finden. Denn mit einem
hohen Einkommen geht in der Regel auch ein hoher Ausstoß an Treibhausgasen einher. Deutschland zählt historisch und aktuell zu den größten
Verursachern des Klimawandels. Aus diesem
Grund ist die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen durch Fracking unverantwortlich.
Bei der Förderung von Erdöl und -gas mithilfe von
„Hydraulic Fracturing“ werden große Mengen Wasser versetzt mit verschiedenen Chemikalien und
Sand in den Untergrund gepresst. In Deutschland
steht die Angst um die Verschmutzung von Trinkwasser im Vordergrund der Debatte. Diese Gefahr
ist in Ländern mit geringeren Umweltstandards
oder einer fehlenden Implementierung geltender Regeln noch ungleich größer. Zumal die geltenden Umweltgesetze ohnehin dem ständigen
Druck der Industrie ausgesetzt sind. Zahlreiche
Schiefergasvorkommen befinden sich außerdem
in sehr trockenen Regionen, in denen bereits heute Wasserknappheit herrscht. Fracking steht bei
der Wassernutzung in vielen Ländern deshalb in
direkter Konkurrenz mit der landwirtschaftlichen
Nutzung oder der Trinkwasserversorgung. In Algerien wird beispielsweise mitten in der Sahara
gefrackt. Pro Bohrung werden bis zu 26 Millionen
Liter Wasser benötigt. Wichtige entwicklungspolitische Ziele wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser und ausreichend Nahrungsmitteln werden so durch Fracking direkt unterlaufen.
Für den Einsatz der Fracking-Technologie werden nicht nur große Mengen an Wasser benötigt,
sondern auch Land. In vielen Ländern führt das
zu Landnutzungskonflikten mit indigenen Bevölkerungsgruppen, so zum Beispiel in Argentinien,
Brasilien, Russland und Südafrika. In Argentinien
kam es in Zusammenhang mit der Entscheidung,
die unkonventionellen Öl- und Gasvorkommen
zu erschließen, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen indigenen Bevölkerungsgruppen
und der Polizei. Die Mapuche wurden im Vorfeld
weder über die Bohrungen auf ihren Gebieten
informiert noch gefragt. Genau wie bei den konventionellen Bohrungen rechnen sie nicht damit,
von den Aktivitäten der Öl- und Gasindustrie auf
ihrem Gebiet zu profitieren. Bislang brachten
diese weder Elekrizität noch Arbeitsplätze. Was
hingegen gerne zurückgelassen wird, sind die
giftigen Abfälle.
Viele unkonventionelle Öl- und Gasvorkommen
befinden sich außerdem in erdbebengefährdeten
Regionen. Das gilt in Deutschland zum Beispiel
„It’s truly terrible to live on an oil site as we do.
When you don’t have any wood to burn in winter,
they flare the gas. When you don’t have any electricity, they have it for themselves. When you don’t
have any water, they have it for their wells“
Relmu Ñamka, Teil der Winkul Newen Mapuche-­
Gemeinschaft in Argentinien
für den Oberrheingraben. In Südamerika, Asien
und Südafrika befinden sich große Vorkommen
ebenfalls in teils stark erdbebengefährdeten Gebieten. Welche verheerenden Folgen Erdbeben in
Entwicklungsländern haben können, wurde erst
kürzlich wieder am Beispiel der heftigen Beben
in Nepal deutlich, wo im April 2015 mehr als 8000
Menschen ums Leben kamen. Auch Fracking kann
solche Katastrophen auslösen: In Folge einer Serie verheerender Erdbeben in der Provinz Sichuan
im Jahr 2013 räumten chinesische Behörden ein,
dass diese möglicherweise durch menschlichen
Einfluss in Zusammenhang mit der Förderung
unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen ausgelöst wurden. In den Beben starben mehrere
hundert Menschen, tausende wurden verletzt.
Fracking und der Ressourcenfluch
Die größten Vorkommen an Schiefergas und -öl
außerhalb von Nordamerika und Russland befinden sich in Ländern des globalen Südens. Für
viele Entwicklungs- und Schwellenländer entwickelt sich der eigene Rohstoffreichtum jedoch
zum Fluch. Zum einen kommen die Devisen aus
dem Verkauf der Bodenschätze oftmals eher korrupten Eliten und nicht der breiten Bevölkerung
zugute. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die
Entwicklung einer weiterverarbeitenden Industrie vernachlässigt wird. Auch bereits bestehende
Industriezweige, die oftmals deutlich mehr Arbeitsplätze schaffen als der Rohstoffabbau leiden
in vielen Fällen unter steigenden Rohstoffexporten. Bei der sogenannten „holländischen Krankheit“ führen steigende Deviseneinnahmen durch
den Rohstoffexport zu einer Aufwertung der
Währung, was die Exportchancen für andere Industriezweige - aber auch die Rohstoffe - auf dem
Weltmarkt deutlich verschlechtert und die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes in der Folge
hemmt. Dass eine solche Entwicklung unterbleibt,
ist auch im Interesse von Industrienationen wie
Deutschland. Denn der viel zitierte Exportweltmeister ist gleichzeitig stark von Rohstoffimporten abhängig. Wenn Entwicklungs- und Schwellenländer ihren Rohstoffreichtum zu günstigen
Preisen auf dem Weltmarkt zur Verfügung stellen und gleichzeitig weiterverarbeitete Produkte
importieren, ist das ganz im Sinne der Industrienationen. EU, USA und Co sichern dies auch über
bi- und plurilaterale Handelsabkommen oder
© Observatorio Petrolero Sur: Wasser - wertvoll für lokale Gemeinden und in riesigen Mengen von
der Fracking-Industrie benötigt
Die BASF-Tochter Wintershall in
Argentinien
In Argentinien werden nach Schätzungen der
US Energy Information Administration die
zweitgrößten Schiefergasvorkommen und die
viertgrößten Schieferölvorkommen der Welt
vermutet. Der deutsche Öl- und Gaskonzern
Wintershall, selbst Tochterfirma des Chemiekonzerns BASF, ist in Argentinien mit seiner
Tochtergesellschaft Wintershall Energía S.A.
aktiv. Die sogenannte Vaca-Muerta-Formation
in Argentinien gilt als eine der größten Lagerstätten für Schieferöl und -gas überhaupt.
Wintershall ist dort an insgesamt vier Projekten
zur Förderung unkonventioneller Vorkommen
beteiligt. Die Projektleitung obliegt in einem
Fall Wintershall selbst, in zwei der Projekten
dem französischen Konzern Total und in einem
Fall dem argentinischen Konzern „Yacimientos
Petrolíferos Fiscales“ (YPF). Ein Bericht der
argentinischen Organisation „Observatorio
Petrolero Sur“ und von „Friends of the Earth“
dokumentiert das aggressive Vorgehen der Ölund Gaskonzerne auf der Jagd nach Schieferöl
und -gas in Argentinien: Die Konzerne nehmen
weder Rücksicht auf Naturschutzgebiete oder
die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen,
noch wurde die lokale Bevölkerung informiert
oder kann wirtschaftlich von dem Fracking-Boom profitieren. Umfangreiches Filmund Bilsmaterial belegt, dass teilweise inmitten
von Obstplantagen oder Naturschutzgebieten
und in direkter Nachbarschaft zu Siedlungen
gebohrt wird.
3
Mit ISDS gegen Fracking-­
Moratorien
©Martín Barzilai / SubCoop: Auch mitten im Obsthain ist Fracking in Argentinien kein Tabu
4
politische Initiativen wie die Rohstoffstrategie
der Bundesregierung ab. Zusätzlich werden die
Eigentumsrechte multinationaler Konzerne für
ausländische Direktinvestitionen durch eine rasant steigende Zahl internationaler Investitionsschutzabkommen immer mehr gestärkt. Einen
vergleichbar starken Mechanismus zur Sicherung
menschenrechtlicher, ökologischer oder sozialer Sorgfaltspflichten gibt es auf internationaler
­Ebene hingegen nicht.
Internationale Investitionsschutzabkommen sehen in der Regel sogenannte Investor-Staat-Klagerechte (ISDS) vor. Diese erlauben
multinationalen Konzernen, Staaten vor speziellen Schiedsgerichten zu verklagen wenn sich
diese in ihren Eigentumsrechten verletzt sehen.
Eine Verletzung ihrer Eigentumsrechte sehen
Konzerne zunehmend auch in politischen
Entscheidungen von Staaten, so zum Beispiel
im Falle von Fracking-Moratorien. Über eine
ausländische Tochterfirma verklagt der kanadische Konzern Lone Pipe Resources derzeit die
Regierung des Bundesstaates Quebec aufgrund
eines dort verhängten Fracking-Moratoriums
vor einem internationalen Schiedsgericht. Der
Konzern hatte zuvor Lizenzen für die Erkundung von unkonventionellen Gasvorkommen
erhalten und fordert nun Entschädigung. Anders als bei öffentlichen Gerichten werden die
ISDS-Streitfälle meist hinter verschlossener Tür
verhandelt und den Schiedsgerichten fehlt eine
demokratische Legitimation oder Kontrolle.
Außerdem räumen sie ausländischen Investoren Sonderrechte ein, auf die inländische
Unternehmen nicht zurückgreifen können. Bei
ihren Urteilen sind die Schiedsgerichte allein
an die sie etablierenden Verträge gebunden,
die zumeist schwammig formuliert sind und
somit viel Spielraum für Interpretation lassen.
In nicht wenigen Fällen erfolgt die Auslegung
ganz im Sinne der klagenden Konzerne. An die
nationale Gesetzgebung des verklagten Staates
sind die internationalen Schiedsgerichte nicht
gebunden. Wenn Unternehmen im Ausland
Menschenrechtsverletzungen begehen oder
ökologische und soziale Standards verletzen,
haben die betroffenen Staaten und Bevölkerungsgruppen hingegen keine vergleichbaren
Möglichkeiten diese vor einem internationalen
Gericht einzuklagen. ISDS ist auch in TTIP und
CETA vorgesehen, den geplanten Handelsabkommen mit den USA und Kanada. Damit
könnten auch gegen Deutschland Klagen von
multinationalen Konzernen wie ExxonMobil
gegen die Einschränkung oder das Verbot von
Fracking drohen.
Im Falle des Schiefergases sind vor allem die USA
an der Erschließung möglichst vieler Vorkommen weltweit interessiert, da an den meisten
Projekten auch US-Unternehmen beteiligt sind.
Doch auch europäische und deutsche Unternehmen wollen mitverdienen, so zum Beispiel die
BASF-Tochter Wintershall an Projekten in Argentinien. Zahlreiche Regierungen in Entwicklungsund Schwellenländern haben ihre Gesetzgebung
abgeändert, um den Abbau unkonventioneller
Vorkommen für die Öl- und Gasindustrie attraktiv zu machen. So garantiert die argentinische
Regierung einen festen Abnahmepreis, der weit
über dem normalen Marktpreis liegt und Marokko nimmt die Frackingindustrie von der Unternehmenssteuer aus. Auch im Falle der Schiefergasproduktion steht deshalb zu befürchten,
dass der Rohstoffreichtum in Entwicklungs- und
Schwellenländern nicht der lokalen Bevölkerung
oder den Abbauländern zugutekommt, sondern
in erster Linie multinationalen Öl- und Gaskon- Produktion in den USA bewirkt. Im Jahr 2013 wazernen mit Sitz in Nordamerika oder Europa.
ren die USA weltweit größter Produzent von Erdöl und -gas. Grundlage für den Erfolg in den USA
waren
hohe Energiepreise sowie eine Lockerung
Von den USA in die ganze Welt
bzw. Nicht-Einhaltung von Wasserschutz- und
Der Einsatz der Fracking-Technologie hat in den Umweltgesetzen. Inzwischen droht der Fravergangenen Jahren die Förderung unkonventi- cking-Boom in den USA an seinem eigenen Erfolg
oneller Öl- und Gasvorkommen überhaupt erst zu scheitern: Die in der Folge des größeren Angemöglich gemacht und einen starken Anstieg der bots stark gesunkenen Öl- und Gaspreise haben
in den vergangenen Monaten zu einem Einbruch
bei der Zahl neuer Bohrungen und der Anzahl der
Fördertürme in den USA geführt. Während die
Fracking-Industrie einen Ölpreis von mindestens
80 US-Dollar pro Barrel benötigt, damit sich die
Förderung lohnt, rentiert sich die Produktion in
Saudi Arabien bereits ab einem Ölpreis von 35-40
US-Dollar.
Die weltweit größten Vorkommen an Schiefergas werden in China, Argentinien und Algerien
vermutet. Russland, die USA, China, Argentinien und Libyen verfügen nach Schätzungen
des US-Energieministeriums über die größten
Schieferölvorkommen. In China wurde bereits
mit der kommerziellen Ausbeutung der unkonventionellen Vorkommen begonnen. In zahlreichen weiteren Ländern des globalen Südens wie
zum Beispiel Argentinien werden derzeit Erkundungsmaßnahmen durchgeführt, unter anderem von Wintershall, Total und Shell.
Anteile an den technisch förderbaren Ressourcen
Abb. 1 Schiefergas weltweit
Globaler Werbefeldzug für Fracking
US-amerikanische Konzerne wie ExxonMobil,
Chevron, Baker Hughes, Schlumberger oder Halliburton sind weltweit die Platzhirsche im Fracking-Geschäft. Doch auch europäische Öl- und
Gasmultis wie Total, Shell, Wintershall, Statoil, Eni
oder BP mischen kräftig mit. Auf politischer Ebene erhalten die Konzerne dabei Unterstützung
von der US-Regierung. Diese betreibt seit 2010
mit dem „Unconventional Gas Technical Engagement Programme“ (UGTEP, früher: „Global Shale
Gas Initiative“) einen globalen Werbefeldzug für
die Erschließung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen. Ziel der Initiative ist nach Angaben
des US-Innenministeriums, andere Länder bei der
„sicheren und wirtschaftlichen“ Aufsuchung und
Förderung ihrer unkonventionellen Vorkommen
zu unterstützen. In den USA selbst hat die Regierung eigens für die Fracking-Industrie Umweltgesetze gelockert – von einer „sicheren“ Aufsuchung
kann also keine Rede sein. Vielmehr stehen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten beim
Fracking notwendigerweise in einem direkten
Widerspruch. In Österreich zog sich der Ölkonzern OMV im Jahr 2012 von bereits geplanten Projekten zurück nachdem ein neues Gesetz erlassen
wurde, das eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung für jede Fracking-Probebohrung
vorsieht. Doch das ist die Ausnahme: Tatsächlich
haben zahlreiche Länder nach US-amerikanischem Vorbild Umweltgesetze gelockert oder
spezielle Förderprogramme eingerichtet, die Investoren die teure Förderung schmackhaft machen sollen. Von den Ländern, die über die weltweit größten Vorkommen verfügen, hat bislang
Abb. 2 Schieferöl weltweit
Quelle: US Energy Information Administration 2013, eigene Darstellung
allein Brasilien eine strenge Gesetzgebung zur
Regelung von Fracking erlassen.
Versorgungssicherheit, Brückentechno­
logie und Arbeitsplätze? Von wegen!
Auch wenn verschiedene Schätzungen zu ganz
unterschiedlichen Ergebnissen kommen, sind
die in der EU und Deutschland vermuteten unkonventionellen Öl- und Gasvorkommen äußerst
bescheiden. Während in den USA bis zu 32 Billionen Kubikmeter vermutet werden, bewegen
sich die Schätzungen der technisch förderbaren
Ressourcen für Deutschland laut Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nur
zwischen 0,7 und 2,3 Billionen Kubikmeter. Eine
Ausbeutung der unkonventionellen Vorhaben in
Deutschland würde somit weder einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten,
noch würde sie zu fallenden Gaspreisen oder wesentlichen Impulsen auf die Beschäftigung führen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen
„Hinsichtlich der Gewinnung von Schiefergas in
Deutschland ist der SRU der Auffassung, dass diese weder die Gaspreise senkt noch die Versorgungssicherheit erhöht.“
Sachverständigenrat für Umweltfragen 2013
5
ʇʇ Die Einführung verbindlicher menschenrecht­
licher, sozialer und ökologischer Standards
für deutsche bzw. europäische Unternehmen
sowie deren Tochterfirmen im Ausland. Sorgfaltspflichten für Unternehmen müssen auch
Voraussetzung für die Vergabe von Exportkrediten und Exportkreditversicherungen sein.
ʇʇ Keine Forschungsgelder für die Fracking-­
Industrie. Statt die Taschen der mächtigen Ölund Gasindustrie mit öffentlichen Geldern zu
füllen, sollten diese in die Erforschung erneuerbarer Energietechnologien und anderer echter
Alternativen fließen.
© Observatorio Petrolero Sur: „Es gibt keine Entwicklung in einem zerstörten Gebiet“
kommt zu der Einschätzung, dass die Gewinnung
von Schiefergas in Deutschland weder zu niedrigeren Gaspreisen noch zu einer höheren Versorgungssicherheit führen würde.
6
Zum Weiterlesen:
Attac / Blue Planet Project / Corporate Europe Observatory / Friends of the Earth Europe / Power­Shift / Sierra
Club/ Transnational Institute
2014: Fracking auf TTIP komm raus. Wie das
EU-USA-Freihandelsabkommen Klima- und Umweltschutz
untergräbt, Kurzstudie, März 2014:
http://www.tni.org/sites/www.tni.org/files/download/
ttip-isds-fracking-briefingde.pdf
Nichtsdestotrotz wird ein ganzes Heer von Lobby­ PowerShift
2014: Du kommst nicht vorbei! Wie die internationale
isten aus der Öl- und Gasindustrie in Brüssel und
Handelsagenda alternative Klima- und Energiepolitik
ausbremst, Berlin:
Berlin nicht müde, mit diesen Argumenten für
http://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/10/
den Einsatz von Fracking zu werben. Ein weiteres
Du-kommst-nicht-vorbei-Handel-und-Energie.pdf
Lieblingsargument der Industrie lautet, dass die
Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen
einen entscheidenden Beitrag zu einem Übergang Quellen:
in eine klimafreundliche Zukunft leisten kann.
Mit dieser Argumentation ist es der Öl- und Ga- Bundesanstalt für Geowissenschaf ten und Rohstof fe (BGR): Abdes Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schie­
sindustrie bereits gelungen, die Förderung von schätzung
fergas) in Deutschland, Mai 2012, Hannover: http://www.bgr.bund.
unkonventionellen Gasvorkommen auf EU-Ebe- de/DE/Themen/Energie/Downloads/BGR_Schiefergaspotenzial_in_
ne als kohlenstoffarme Technologie zu labeln. Deutschland_2012.pdf?__blob=publicationFile
Carbon Project (2014): Global Carbon Atlas: http://www.gloFinanzstarken Öl- und Gaskonzernen ist es so z.B. Global
balcarbonatlas.org/?q=en/emissions
möglich, sich auf öffentliche Forschungsgelder zu Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) (2014): Sumbewerben, die für den Klimaschutz gedacht sind. mary for Policy Makers - Climate Change 2014. Impacts, Adaptation
and Vulnerability. Working Group II Contribution to the Fif th AsAn diesem Beispiel wird deutlich, dass Fracking in sessment
Report of the IPCC: https://www.ipcc.ch/pdf/assessment-redirekter Konkurrenz zu Erforschung und Ausbau port/ar5/wg2/ar5_wgII_spm_en.pdf
erneuerbarer Energietechnologien steht und kei- International Energy Agency (IEA) (2012): World Energy Outlook
2012, Executive Summary, Paris: http://www.iea.org/publications/
ne Brücke in eine klimafreundliche Zukunft ist.
freepublications/publication/english.pdf
Von der Politik in Deutschland und auf
EU-Ebene fordern wir deshalb:
ʇʇ Die Implementierung eines Fracking-Verbo­
tes zum Schutz von Trinkwasser, Gesundheit,
Klima und Umwelt. Um die Klimaerwärmung
auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, muss ein
Großteil fossiler Energieträger im Boden bleiben.
ʇʇ Den Verzicht auf Importe von Öl und Gas aus
unkonventionellen Vorkommen. In Zeiten des
vorans­chreitenden Klimawandels darf die Erschließung immer neuer fossiler Vorkommen
durch Fracking nicht weiter angetrieben werden.
Friends of the Earth Europe (2014): Fracking Frenzy. How the Fracking Industry is threatening the planet, Dezember 2014, Brüssel:
https://www.foeeurope.org/sites/default/files/publications/fracking_
frenzy_0.pdf
Friends of t he Earth France (2014): Fracking Patagonia, ein Film von
Grégory Lassalle, mehr Informationen unter: http://terresdeschiste.
fr/en/home/
Observatorio Petrolero Sur / Friends of the Earth Netherlands / Friends of the Earth France / Friends of the Earth Europe
(2014): Heading South: The dash for unconventional fossil fuels in
Argentina, Mai 2014: https://www.foeeurope.org/sites/default/files/
publications/shalegas_heading_south_june2014.pdf
Sachverständigenrat für Umweltfragen (2013): Fracking zur
Schiefergasgewinnung. Ein Beitrag zur energie- und umweltpolitischen Bewertung, Stellungnahme, Mai 2013, Berlin: http://
www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2012_2016/2013_05_AS_18_Fracking.pdf
US Energy Information Administration (EIA) (2013): Technically Recoverable Shale Oil and Shale Gas Resources: An Assessment of 137
Shale Formations in 41 Countries Outside the United States, Juni
2013: http://www.eia.gov/analysis/studies/worldshalegas/
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Text: Laura Weis
Layout: Monika Brinkmöller
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