Gütertransporte über die Donau - Publikationsdatenbank der TU Wien

aktuell
Ausgabe 17 – Mai 2015
Exklusiv für Mitglieder
Güterverkehr zu Wasser und in der Luft – mit
Binnenschiff, Seeschiff und Flugzeug
Liebe Mitglieder der DVWG,
auch die Binnenschifffahrt verfügt über
ein erhebliches Potential und muss
stärker in die Transportkette einbezogen werden. Ein modernes Binnenschiff kann circa 150 Lkw ersetzen und
besonders kosteneffizient Produkte aus
rohstoffintensiver Industrie oder landwirtschaftliche und petrochemische
Güter transportieren. Als leistungsfähige Schnittstellen sind Binnenhäfen
die Knotenpunkte mit der längsten
Tradition im Güterverkehr. Vergleichbare Aussagen treffen auch auf die
Seeschifffahrt zu.
Die Luftfracht hat zwar nur einen Anteil von circa drei Prozent der gesamten
weltweit transportierten Tonnage, aber
es ist der Verkehrsträger mit den höchsten Zuwachsraten, da die Arbeitsteilung in der Weltwirtschaft immer intensiver und die Güter auch im Außenhandel immer hochwertiger werden.
Seien Sie gespannt auf die Vielfalt der
Berichte in dieser Newsletter-Ausgabe.
Ihre Dr. Karin Jäntschi-Haucke
Vizepräsidentin der DVWG
Nach wie vor ist die Straße der Verkehrsträger, der nach Aufkommen und
Verkehrsleistung im binnenländischen
Verkehr den größten Anteil am Modal
Split abbildet. In der Verkehrsleistung
waren das 2013 72,4 Prozent. Auf die
Schiene entfielen 18 Prozent; das Binnenschiff steuerte 9,6 Prozent bei. Ein
ähnliches Bild ergibt sich für das Transportaufkommen der drei Verkehrsträger. Der Straßenverkehr belegte mit
84,9 Prozent unangefochten den ersten Platz, gefolgt von der Eisenbahn
mit 9,4 Prozent und dem Binnenschiff
mit 5,7 Prozent.1
Verkehrsleistung 2013 (in Mrd. tkm)
werden geringfügig Marktanteile des
Straßenverkehrs gewinnen.2
Aufgrund des Modal Split sowie der
Bedeutung und Dominanz eines Verkehrsträgers – der Straße – wird dieser
bevorzugt in den Mittelpunkt von allgemeinen Betrachtungen gestellt. Eine
weitere, wenn auch geringere Rolle
spielt danach die Schiene.
In dieser Ausgabe der DVWG aktuell
setzen wir bewusst den Fokus auf die
Verkehrsaufkommen 2013 (in Mio. t)
Dieser Trend wird sich nach der aktuellen Verkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr und digitale
Infrastruktur (BMVI) bis 2030 fortsetzen. Das Aufkommen wird gegenüber
2010 insgesamt um 18 Prozent, die
Verkehrsleistung in Deutschland um 38
Prozent steigen. Dabei dominiert nach
wie vor der Straßenverkehr den Modal
Split in Aufkommen und Verkehrsleistung. Die Aufkommen der Schiene und
Binnenschifffahrt legen deutlich zu und
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Inhalt dieser Ausgabe:
Leitthema Güterverkehr
zu Wasser und in der Luft Seite 1
Verkehrswissenschaft
Seite 3
Verkehrspolitik
Seite 11
Veranstaltungsberichte Seite 14
Junges Forum
Seite 16
DVWG intern
Seite 17
Ankündigungen
Seite 18
Veranstaltungskalender Seite 19
Impressum Seite 24
VERKEHRSWISSENSCHAFT
Gütertransporte über die Donau
Transportpotenziale und Lösungsansätze zur Stärkung der intermodalen Integration der Wasserstraße
In den meisten Staaten der EU-28 ist
die Wasserstraße im Modal Split des
Güterverkehrs stark unterrepräsentiert
(Jahr 2012: Wasserstraße 7 Prozent,
Schiene 19 Prozent, Straße 74
Prozent; vgl. Eurostat 2015, abrufbar
unter: http://ec.europa.eu/eurostat/
statistics-explained/index.php/Freight_
transport _statistics_-_modal_split
am 15.04.2015). Während einige
europäische Wasserstraßen wie etwa
der Rhein oder die Seine rege für
Gütertransporte (nicht nur klassische
Massen- oder Schüttgüter, sondern
auch Containertransporte, Stückgüter
und/ oder Projektladung) genutzt
werden, ist die Transportkapazität der
Donau als Europas zweitlängstem Fluss
noch nicht ausgeschöpft. Die Partner
des von der Europäischen Kommission
im 7. Rahmenprogramm geförderten
Forschungsprojekts „NEWS“ (www.
news-fp7.eu, Development of a Next
generation European Inland Waterway
Ship and logistics system) haben einige
Ideen, das zu ändern: Durch effizientere,
umweltfreundlichere Schiffe, die
optimal an die Anforderungen des
Transportwesens angepasst sind und
intelligent geplante Transportketten
können Flüsse zur ökologisch und
ökonomisch vielversprechenden
Alternative und Ergänzung zu Schiene
und Straße werden. „NEWS“ kombiniert
technische und logistische Innovationen,
um grenzüberschreitende europäische
Herausforderungen für den Transport in
Binnengewässern zu unterstützen. Die
innovativen Bestandteile sind:
¡Steigerung der Transportleistung
durch Adaptierung und Neukonzep tion des Schiffsrumpfes,
¡Ballasttanks zur Regulierung des
Tiefgangs, wodurch die Anzahl der
schiffbaren Tage erhöht wird,
¡geringerer Energiebedarf durch ein
regulierbares LNG-elektrisches An triebssystem,
¡speziell entwickeltes Logistiksystem
für die Anforderungen der Zielmärkte,
DVWG aktuell · Ausgabe 17 · 5/2015 ¡neue Infra- und Suprastrukturkon zeption für Binnenhäfen.
Besonders für Outboundverkehre aus
der westlichen Donauregion in die
ARA-Häfen (oder die Schwarzmeerhäfen) kann und sollte die Donau für den
Transport zeitunkritischer, containerisierbarer Güter wie Holzprodukte für
die Bauindustrie oder die Papier- und
Verpackungsindustrie, Plastik- oder Metallrohre für die Bauindustrie, Motoren(teile), Qualitätsstahlprodukte, Maschinen oder Rohmaterialien und vieles
mehr stärker genutzt werden. Im Rahmen einer empirischen Analyse im Forschungsprojekt „NEWS“ konnte eine
potenzielle jährliche Transportmenge
von etwa 110.000 TEU für einen wasserseitigen Outbound-Transport über
die Donau allein in Österreich ermittelt werden. Befragt wurden hierzu die
Top40 der größten Exporteure und Importeure in Österreich in einem Einzugsgebiet von 150 Kilometer zu den jeweils
nächstgelegenen Häfen (vgl. Horvath,
J. 2012). Aktuell werden 94 Prozent
dieser Container über die Bahn und 6
Prozent über die Straße hauptsächlich
in die ARA-Häfen oder nach Koper beziehungsweise Triest transportiert. Die
Anzahl potenzieller Inbound-TEU, die
aus den Seehäfen über die Wasserstraße
in den westlichen Donauraum transportiert werden könnten, liegt wiederum
bei etwa 71.000 jährlich.
TEU/Jahr
Wien
27.100
Linz/ Enns
41.000
Krems
39.000
gesamt
107.100
Tabelle 1: Potenzielles Containerexportvolumen
aus österreichischen Binnenhäfen (Quelle: TU
Wien 2015, eigene Abbildung)
Durch einen möglichen Container-Liniendienst „Enns-Nürnberg-RotterdamNürnberg-Enns“ mit dem entwickelten
NEWS-Schiff könnte bei zwei wöchentlichen Abfahrten eine potenzielle Trans-
Anzahl
Unternehmen
TEU/Jahr
Wien
15
15.630
Linz/ Enns
21
49.425
3
6.000
Krems
gesamt
71.055
Tabelle 2: Potenzielles Containerimportvolumen
in österreichische Binnenhäfen (Quelle: TU Wien
2015, eigene Abbildung)
portkapazität von 312 TEU pro Woche in
Import beziehungsweise Export bereitgestellt werden. Dieses ergibt eine theoretische jährliche Kapazität von 16.224
TEU im 24-Stunden-Betrieb. Bei einer
Rundlaufzeit je Schiff von drei Wochen
würden sechs NEWS-Schiffe im Rundlauf benötigt.
Daten zum Schiffskonzept
Länge
110 m
Breite
11,44 m
Kapazität
156 TEU
Ballasttank
(Erhöhung des
Tiefgangs um bis
zu 0,8 m)
800 m3
Max. Tiefgang
3,53 m
Antrieb
(Senkung des
CO2-Ausstoßes
um über 50%)
Ladung
Payload mit vollem Ballasttank
Gas-elektrisch
(LNG)
Container,
Massengut oder
Projektladungen
3.198 t
Quellen: Anzböck, R., und Lindenau, D. 2015
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VERKEHRSWISSENSCHAFT
Gütertransporte über die Donau
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Zusätzliche (beziehungsweise überhaupt stattfindende!) wasserseitige
Umschläge in österreichischen Häfen
bedeuten unter anderem gesteigerten
Umsatz und erhöhte Bedeutung des
Hafens als Logistikknoten in der Region.
Untersuchungen in den Containerterminals im gesamten Donauraum haben gezeigt, dass diese keine beziehungsweise
sehr niedrige Umschlagsvolumen von
oder auf das Binnenschiff haben. Dementsprechend sind die innerbetrieblichen Prozesse und das Umschlagsequipment bei einem Großteil der Terminals
auf bimodale Umschläge Straße/
Schiene ausgelegt und abgestimmt. Im
westlichen Donauraum sind zwar Umschlagskapazitäten an der Kaimauer
in Form von Portalkränen vorhanden,
diese werden jedoch hauptsächlich für
Zugumschläge genutzt. Hier ist es erforderlich, zusätzliche Umschlagskapazitäten an der Kaimauer durch zusätzliches
Equipment und/ oder einer Flächenvergrößerung im Hafen zu schaffen und
die innerbetrieblichen Abläufe auf den
erhöhten Umschlag an der Kaimauer anzupassen. Im östlichen Donauraum sind
nur wenige Containerumschlagsplätze
vorhanden, das Umschlagsequipment
ist veraltet und mit Traglasten von fünf
Tonnen den aktuellen Anforderungen an
den Containerumschlag nicht gewachsenem. Hier ist die Investition in auf Containerumschlag spezialisierte Hafenterminals mit neuem Umschlagsequipment
von Nöten.
Was hindert (produzierende) Unternehmen im Einzugsgebiet der Donau jedoch
daran, diese verstärkt für Gütertransporte zu nutzen? In den meisten Fällen
werden Transportentscheidungen nicht
von den Verladern selbst, sondern von
den beauftragten Logistikdienstleistern
getroffen, die sich für die ihrer Erfahrung
nach preisgünstigsten und verlässlichsten Transportmodi entscheiden. In der
Vielzahl der Interviews mit Logistikverantwortlichen der befragten Unterneh-
DVWG aktuell · Ausgabe 17 · 5/2015 men konnten, neben den bekannten
Schwächen und Hindernissen, Gründe
identifiziert werden, weshalb die Wasserstraße selten genutzt wird:
¡(Mehrfach wöchentlich) Shuttlever kehre aus dem Donauraum in die
Seehäfen, die zuverlässig und spon tan gebucht werden können.
¡Viele Unternehmen nutzen die See häfen Koper und/ oder Triest, die
nicht über die Binnenwasserstraße
erreichbar sind.
¡Es gibt aktuell kein adäquates Con tainerschiff für die Donau. Ein Ver gleich mit dem Rhein ist an dieser
Stelle unzulässig.
¡Wenig Erfahrung im multimodalen
Verkehr mit Hauptlauf Wasserstraße
hält viele Unternehmen von einem
Testlauf ab.
¡Die Abschätzung der potenziellen
Transportmenge ist für Logistik
dienstleister eine Herausforderung,
vor allem was die Identifikation von
Transporten nicht zeitkritischer Gü ter betrifft.
¡Kein Logistikdienstleister würde –
ohne Subventionen – das Risiko ein gehen können, einen Liniendienst
einzusetzen; unter anderem weil
befürchtet wird, dass die notwen
dige Lobby unter den Schiffern nicht
gebildet werden kann. Verlader und
Logistikdienstleister müssen mit der
„nassen Transportkette” vertraut ge macht werden – eine wichtige
Aufgabe der Politik! (vgl. BMVI
2015, abrufbar unter http://www.
bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/
WS/verlagerung-von-guetertrans
porten-von-der-strasse-auf-den wasserweg.html am 16.04.2015).
¡Eine Vielzahl der produzierenden
Unternehmen aus dem Donauraum
kann nicht allein die ausreichende
Menge an Containern aufbringen,
um Bargen zu chartern; somit sind
Shuttleverkehre beziehungsweise
Round Trips notwendig.
¡Subventionierte beziehungsweise
geförderte Projekte waren in der Vergangenheit nur wenig erfolgreich.
Nach Ende der Förderung wurden
die meisten dieser Initiativen gestoppt. Integrierte, intermodale
Konzepte hingegen könnten die
Chance auf eine erfolgreiche Implementierung auch nach einer Förderung erhöhen.
„NEWS” versucht, einige dieser Herausforderungen anzugehen: Die Ergebnisse
sind ein innovatives und technisch überprüftes Schiffskonzept, ein logistisches
Konzept, welches den optimalen Einsatzbereich inklusive Transportkonzepte
definiert sowie ein Finanz- und Businessplan. ¢
Sandra Stein (TU Wien), Jan Kaffka (TU
Dortmund), Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen
(TU Dortmund) und Prof. Dr.-Ing. Wilfried Sihn (TU Wien)
Weitere Informationen
unter http://www.news-fp7.eu/
Die Forschung wird vom 7. Rahmenprogramm der Europäischen
Union unter der Vereinbarung
SCP2-GA-2012-314005 finanziert.
Kontakt
Institut für Managementwissen,
Bereich Betriebstechnik und Systemplanung an der TU Wien,
Dr. Sandra Stein, Konsortialführung des FP7-Projektes NEWS
Tel.: 0043/ 676 888616 27, E-Mail:
[email protected] , Web:
http://www.imw.tuwien.ac.at/bt/
Institut für Transportlogistik (ITL)
an der TU Dortmund, Prof. Dr.-Ing.
Uwe Clausen, Leiter des ITL
Tel.: 0231/ 755-6336, E-Mail:
[email protected]
Web: www.itl.tu-dortmund.de
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IMPRESSUM
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Für die Inhalte der Beiträge sind die Autoren
Hauptgeschäftstelle
Web: www.dvwg.de
verantwortlich.
Weißenburger Str. 16
13595 Berlin
Präsident:
Redaktionsschluss:
Vereinsregister Amtsgericht Berlin-
21. April 2015
Charlottenburg VR 23784 B
Die nächste Ausgabe erscheint Mitte Juni.
USt.-IdNr.: DE 227525122
Redaktionsschluss ist der 05.06.2015.
Prof. Knut Ringat
Bildnachweise: Dr. Karin Jäntschi-Haucke© Egon Lippert (S.1); Verkehrsleistung, -aufkommen 2013©DVWG, nach Verkehr in Zahlen 2014/2015
(S.1); Entwicklung des Güterverkehrs, aus: Verkehrsverflechtungsprognose 2030. Zusammenfassung Schlussbericht Los 3, BMVI, Juni 2014
(S.2); Abbildungen zu „Gütertransporte über die Donau“ s. Quellenangabe unter den Abbildungen (S.4); Abbildungen zu „SECA-Gebiete 2015“
s. Quellenangabe unter den Abbildungen (S.6-8); Abbildungen zu „Luftfracht als Frühindikator“ “ s. Quellenangabe unter den Abbildungen
(S.9,10); Containertransport auf Binnenschiffen©Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), Münster (S.11); Boris Kluge©privat
(S.12); Frank Huster©DSLV (S.13); Luftfrachtabfertigung am Münchner Flughafen©DVWG Südbayern (S.14); Containerterminal bayernhafen
Aschaffenburg©bayernhafen Gruppe (S.15); Ziegeleipark Mildenberg©Nils-Friso Weber (S.16); Cover Internationales Verkehrswesen© Internationales Verkehrswesen (S.17); Cover Programm Baltikum-Exkursion©RDB (S.18).
© DVWG e.V. / Jede Vervielfältigung oder Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Herausgebers. Dies gilt insbesondere auch
für die Aufnahme in elektronische Datenbanken, in das Internet oder Intranet sowie in sonstige elektronische Speichermedien.
DVWG aktuell. Eine Mitgliederinformation der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. ¢
DVWG aktuell · Ausgabe 17 · 5/2015 Seite 24