REBECCA HORN GLOWING CORE REBECCA HORN hat seit Beginn der 1970er Jahre ein Werk geschaffen, das Performances, Filme, Zeichnungen, Texte, Skulpturen und Rauminstallationen umfasst und dessen Ausgangspunkt und Kraftzentrum im menschlichen Körper liegt. Ihre ersten bedeutenden Performances zeigte sie bei der documenta 5 in Kassel (1972) und bald waren ihre Arbeiten in zahlreichen Einzelausstellungen in führenden internationalen Institutionen zu sehen, u.a. bei großen Werkschauen im Guggenheim Museum in New York (1993), der Tate Gallery London (1994), der Nationalgalerie Berlin (1994), dem Martin-Gropius-Bau Berlin (2006) sowie zuletzt dem Museum of Contemporary Art Tokyo (2009) und dem Centro Cultural Banco do Brasil in Rio de Janeiro und São Paulo (2010). Für ihr Werk erhielt Rebecca Horn zahlreiche Würdigungen und Preise. Darunter den Barnett and Annalee Newman Award (2004), den Praemium Imperiale, Tokio (2010) und den Hessischen Kulturpreis (2010). Im Jahre 2010 gründete die Künstlerin die Moontower Foundation als Ausstellungsort ihrer Arbeiten. Rebecca Horn lebt in Berlin und Paris. www.glowingcore-rebeccahorn.com · http://rebeccahorn.iebalearics.org SITE-SPECIFIC INSTALLATION Music by Hayden Chisholm 28.03 - 01.10.2015 LA LLOTJA PELAIRES CENTRE CULTURAL CONTEMPORANI Plaça de la Llotja, 5 · Palma de Mallorca · Spain Rebecca Horn, 2015 Glutkern Glowing core Corazón en brasas Cor en brases Im drehenden Blau des Trichters das Spiralauge geöffnet trägt die Füchsin ihr Glühen im Innern. Flügelflammen nehmen dem Tod das Schwarz. In the rotating blue of the funnel her spiral eye open the vixen carries her glow within. Winged flames take the blackness from death. En el azul rotatorio del embudo el ojo espiral abierto carga la zorra su ardor por dentro. Llamas aladas se llevan el negror de la muerte. Al blau rotatori de l’embut obert l’ull espiral carrega la rabosa la seua cremor per dins. Flames alades se’n duen la negror de la mort. Die Wunden reinigen im Feuer der Sternasche hilft die Kaktusschuhe anzuschnallen hüpfend Wolkenstufen zu erklimmen. Cleansing the wounds in the stars fiery ashes to help fasten the cactus shoes jumping up the stairs of clouds. La ceniza astral depura heridas ayuda a ceñir los zapatos de cacto ascendiendo a saltos los escalones de nubes. La cendra astral depura ferides mentre ajuda a cenyir les sabates de cactus pujant a bots les escales dels núvols. Nach Sonnen Untergang der Sturz zurück ins Gestein dem goldenen Glutkern entgegen. After sun set falling back into stone towards the golden glowing core. Después del sol derrumbe la caída de vuelta a la roca hacia el áureo corazón en brasas. Després del sol que ensorra la caiguda retorna a la roca cap al cor auri en les brases. AUS BRUNNENTIEFE DEN HIMMEL VERMESSEN Übersetzung ins Englische: Jacqueline Todd / ins Spanische: José F.a. Oliver / ins Katalanische: Begonya Pozo Joachim Sartorius Rebecca Horn gibt uns mit ihrer Kunst immer wieder neue verstörende Gleichnisse der menschlichen Existenz. Eine der vielseitigsten Künstlerinnen unserer Zeit, die in den unterschiedlichsten Medien arbeitet – Skulptur, Installation, Performance, Malerei, Film und Dichtung -, hat sie über Jahrzehnte ein hochkomplexes Werk geschaffen, das von metaphysischen Fragen und einer heftigen existenziellen Sehnsucht grundiert und zusammen gehalten wird. Es ist die Sehnsucht, dem Menschen, seiner Wahrnehmungsfähigkeit, seiner Leidensfähigkeit, seinem Umgang mit Schönheit, Trauer und Tod auf den Grund zu gehen. Indem sie unsere Sinne schärft, sagt sie uns, wer wir sind. Es gibt diese Menschensehnsucht, und es gibt, von ihren frühesten Werken an, eine Weltsehnsucht, ein Sehnen, an die Grenzen der Erfahrung zu stoßen, das eigene Sein, den eigenen Körper so zu spannen, dass sie an Welt und Kosmos streifen. Die zentrale Installation in La Llotja fasst diese Grenzerfahrungen in einer Skulptur von berückender Schönheit zusammen. Wenn der Besucher in die rotierenden Spiegel auf dem Grund schaut, fällt er fast 20 Meter in die Tiefe eines Brunnenschachts. Richtet er den Blick nach oben, so steigt er in einem Lichtwirbel in die Höhe in ein blaues Licht. Der Mensch, eingespannt zwischen Himmel und Erde. Hier der Fall, der bodenlose Sturz, dort – im Aufwind des Lichts – die Himmelfahrt. Diese vertikale Skulptur, vom Inneren der Erde aufsteigend zum goldenen Blau des Firmaments, ist von sechzehn Skulpturen umgeben, die eine horizontale Ebene schaffen, welche den Menschen aufnimmt und den vertikalen Gegensatz weiterführt und abwandelt: Verletzlichkeit und Harmonie, Bedrohung und Auferstehung. Hinter flachen, mit Wasser gefüllten goldenen Schalen stehen skulpturale Zeichen, die in ihren menschlichen Maßen die eigene Person im Spiegel zeigen und wandernde Seelenlichter in den hohen Raum werfen. Diese Skulpturen sind von einem Totenkopf gekrönt. Er ist der eiserne Abguss einer ‚capuzzelle‘, eines Totenschädels, den Rebecca Horn bei den Recherchen für ihre Installation „Spiriti di Madreperla“ in den Katakomben von San Gaudioso in Neapel fand. 333 dieser Totenköpfe brachen sich am Jahresende 2002 ihren Weg aus dem Pflaster der Piazza Plebiscito und verbanden die Welt der Toten und ihrer Verehrungsrituale mit den 77 über dem Platz schwebenden perlmuttschimmernden Aureolen in nachtblauer Himmelshöhe. Diese ‚capuzzelle‘ haben Rebecca Horn über Jahre und auf vielen Stationen – Berlin, Neu Delhi, Maribor und Moskau – begleitet. La Llotja ist nun der krönende Abschluss dieses langen Weges, auf dem sie zu Wesen geworden sind und nicht nur als Zeichen der Selbstkonfrontation mit dem Tod, sondern auch als Zeichen der Lebensverlängerung, als Schutzgeister wie ein Wall um den Glutkern der Erde stehen. Dieser Eindruck eines Schutzwalls wird verstärkt durch die Attribute der Skulpturen, die goldenen Antennen und die Feigenkakteen, die im Gewand ihrer Stacheln eine beispielhafte Widerständigkeit ausstrahlen. Wenn drei Merkmale für die Kunst von Rebecca Horn in besonderem Maße charakteristisch sind – die Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem sie stattfindet, der im Dialog mit dem Besucher erzeugte auratische Raum und die Wiederverwendung von Objekten in einem fast schon alchimistischen Prozess -, so sind sie hier, in La Llotja in Palma, alle drei in einer künstlerischen Sprache von unverwechselbarer Prägnanz verwirklicht. Was sind wir, die uns von großen Geheimnissen nähren, ohne die Toten? Die Kreuzung von Vertikale und Horizontalen, und die weitere Kreuzung der rotierenden Spiegel im Zentrum mit den sich drehenden Spiegeln vor den Totenköpfen erzeugen einen magischen Raum von sakraler Schönheit, der den Erlösungsgedanken in ein vielschichtiges irrlichterndes Bild fasst.
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