Tiere und Natur Text: Barbara Mühlich; Fotos: Animal Press (7), DPA (2), IGB, Mauritius, Minden Pictures Die Reportage Ganz n ö h c s mutig TIERF REUN D mach t sich auf die Suche nach Tiere n mit Löwe nmut . 6 Und findet jede Menge großer und kleiner Helden Hier kommt Whizz geflogen Keine Angst, Hilfe naht! Mit einem Riesensatz springt der Hund von Bord, einem Rettungsschwimmer hinterher, der gerade hinter seiner roten Boje untergetaucht ist. Gemeinsam schwimmen sie auf den Ertrinkenden zu und schleppen ihn ins Boot. Diesmal ist es nur eine Übung, doch der 82 Kilo schwere Neufundländer Whizz ist in England der Star unter den Rettungsschwimmern. Über 100 Menschen und einen Hund hat er gerettet. Neufundländer können bis zu zwölf Menschen gleichzeitig durchs Wasser ziehen, mehr als der stärkste Mensch. 7 Wie cool ist das denn? Tiere und Natur Als die Klappe aufging, konnte sich das Fröschlein auf die Nasenspitze des Gavials – ein asiatisches Krokodil – retten. Ob der Kleine die Aussicht genießt oder vor Angst in die Hosen macht, ist unbekannt. Die Chance zu überleben ist jedenfalls hoch Die Reportage W Sie ermutigen die Jungtiere mit Rufen, schlagen mit den Flügeln und schreien hinauf: „Krah, krah!“ Spring, spring! Und das Küken springt. Und fliegt und fliegt ... nicht wie ein Vogel, denn es kann ja noch nicht fliegen, sondern wie ein Stofftier in die Tiefe, schlägt an einem Felsvorsprung auf, stürzt weiter und weiter hinab, überschlägt sich, landet hart, aber nah bei den Eltern und – wiwiwi – hat überlebt! Drei von fünf Küken gelingt dieses Wunder und sie überleben solch einen Sturz. Wie mutig müssen diese Gänschen sein? „Sie müssen gar nicht mutig sein“, meint der Berliner Verhaltensforscher David Bierbach. „Denn alle Weißwangengänseküken springen.“ Die Frage, spring ich oder nicht, stellt sich dem Gänseküken nicht. Dem Ruf der Eltern zu folgen, ist ihm angeboren. Es hat keine Wahl. Würde es im Nest bleiben, müsste es verhungern. Nur wenn es seinem Instinkt folgt und springt, hat es eine Chance, sagt der Biologe. Das klingt hart. Wer ist dann „richtig“ mutig? iwiwi ... wispert das Gänseküken und macht einen unbeholfenen Schritt nach vorne. Es ist gerade zwei Tage alt und könnte auf deine Hand passen. Doch du würdest sein Nest niemals erreichen. Es sei denn, du kletterst wie ein Freeclimber die fast senkrechte und 120 Meter hohe Wand hinauf. Denn Weißwangengänse bauen ihre Nester so hoch in den Klippen. Das tun sie, damit Fressfeinde, vor allem Füchse, das Nest nicht erreichen. Doch die Eltern schaffen es nicht, die Küken zu füttern und ausreiSturzflug chend viel Gras ins Nest Sie können noch nicht fliegen, müssen hinaufzufliegen. Die Küaber springen: junge ken müssen den Eltern zur Weißwangengänse Futtersuche folgen, sonst verhungern sie. Auch wenn das bedeutet, von der Klippe in die schier bodenlose Tiefe zu springen. Das Gänsekind streckt das Köpfchen über die Klippe. Was für ein Abgrund! Schroffe Felsen, fiese Vorsprünge und tief unten das tosende Meer. Dort warten kein Strand mit weichem Sand, sondern harte Steine und – die Eltern. Ein Tier hat es aufgrund seiner Furchtlosigkeit zur Berühmtheit gebracht: der Honigdachs. Dieser pummelige, kleine Kerl, der in Afrika und Asien lebt, nimmt es mit jedem auf. Er brettert – dank niedrigem Schwerpunkt – wie ein tiefer gelegter Rennwagen in stabiler Seitenlage Im Internet kannst du den spektakulären Sprung des Gänsekindes sehen: www.20min.ch/videotv/?vid=389488 Löwenmut ... Mini-Rambo beweist der Honigdachs und zeigt dem großen Gegner die Zähne Bloß nicht aufgeben 8 Kleiner Krieger Selbst mit fünf Löwen, jeder zehn mal so groß wie er, nimmt es der kleine Krieger auf Huch, der kämpft ja toller als ein Löwe! Vor Schreck lässt die Löwin die Beute fallen und bleibt zurück mit eingezogenem Schwanz 9 Fische mit Persönlichkeit Tiere und Natur Die Reportage über Sandpisten und Geröll. Packt beim Laufen rechts und links des Wegs Insekten, Vögel, Mäuse und Schlangen, die er bis in Baumkronen verfolgt. Ja, sogar Bienenstöcke plündert er. Wer kann, sucht das Weite, wenn der Honigdachs inmitten einer Staubwolke aufkreuzt. Einer Giftschlange klaut er gar die Maus aus dem Maul. Doch diesmal hat sie ihn erwischt. Ihr Gift haut den Dachs glatt um. Hat ihn sein Mut das Leben gekos tet? Aber nein! Der Mini-Rambo verträgt mehr Schlangengift als alle Tiere Afrikas, rappelt sich auf und frisst – vom Gift total benebelt – die Schlange. Doch David Bierbach muss wieder enttäuschen. Alle Honigdachse sind Draufgänger. Sie können das sein, weil sie viel einstecken können. Wenn alle das Gleiche tun, spricht der Verhaltens forscher nicht von „Mut“. Dieses Benehmen ist halt „typisch“ Honigdachs. Cool findet aber auch ein Verhaltensforscher diese Mini-Rambos. Schüchterne Löwen, mutige Meisen Der „König der Tiere“ zeigt Löwenmut, heißt es. In Wahrheit sind es die Weibchen. Denn sie jagen und müssen Löwenmut beweisen. Gegen Elefanten (siehe Seite 13) und Giraffen haben sie jedoch keine Chance. Und auch im Kampf gegen den Honigdachs ziehen sie manchmal den Kürzeren. Dem Feind ganz nah Der Hamster ist mit der Mieze aufgewachsen und muss sie nicht fürchten 10 Wer jagt wen? Von Nemo wissen wir, dass Clownfische ängstlich sind, manche mehr, manche weniger. Biologen forschen mit einem „Roboterfisch” und beweisen: Auch unter Fischen gibt es „Anführer” und „Mitschwimmer” Erfahrene Löwen wägen ab: Lohnt sich der Kampf? Riskiere ich vielleicht eine Verletzung? Für so eine kleine Beute? Raubtiere sind mutig, aber sie setzen nicht leichtsinnig ihr Leben aufs Spiel. Wer Angst hat, ist kein Weichei! Angst ist ein guter Ratgeber. Angst schärft den Blick auf die Welt. Und Abhauen mit „eingezogenem Schwanz“ kann manchmal die bessere Wahl sein. „Nicht alle Tiere einer Art sind genau gleich“, sagt David Bierbach und findet doch noch richtig Mutige unter den Tieren. Keine Maus ist wie die andere. Sogar Kohlmeisen, Tintenfische und selbst Spinnen, Ameisen und Bachflohkrebse werden als „mutig“, „schüchtern“, „neugierig“ oder „durchsetzungsfähig“ beschrieben. Auch bei Fischen gebe es mutige und schüchterne, sagt Bierbach. Unter seinen Guppys, mit denen er forscht, entdeckt er „Anführer“ und Fische, die lieber hinterherschwimmen. Biologen vermuten, dass Tiere, die in Gruppen leben, höhere Überlebenschancen haben, wenn es unterschiedliche Charaktere gibt: Vorsichtige UND Draufgänger. Wenn manche Tiere beim kleinsten Geräusch erschrocken reagieren, andere aber nicht, kann es sein, dass die Gruppe tatsächlich erst dann panisch flüchtet, wenn wirklich ein Fressfeind auftaucht, und nicht schon, wenn der Wind die Büsche bewegt. Schüchterne Spinnen, mutige Meisen: Das stand früher in keinem Biologiebuch. Wissenschaftler dachten lange, diese Eigenschaften besitzen nur Menschen. Doch wer zu Hause ein Tier hat, weiß es schon längst: Tiere haben eine „Persönlichkeit“. Da zeigt die eine Mieze bei Gewitter Löwenmut, während die andere unter dem Sofa zittert. Und beide mögen wir, so unterschiedlich sie auch sind. ■ Dieser Jagdhund hat wohl Tomaten auf den Augen. Nein, hier hat eine furchtlose Füchsin die Rollen vertauscht. Um ihre Jungen zu schützen, verjagt sie den Jagdhund. Tiermütter zeigen Löwenmut Weißt du ..., dass uns Terriern Löwenmut nachgesagt wird? Wir wurden gezüchtet, um Dachse aus dem Bau zu jagen. Gefährlicher Honigraub Um Honig zu naschen, dringt der Totenkopfschwärmer (der Falter im Bild links) in den Bienenstock ein. Sein Geruch benebelt die Bienen – aber nicht lange ... Vorsicht, Krokodile! Todesmutig ... wagt das erste Gnu den lebensgefährlichen Sprung in den Fluss. Hundertausende folgen. Die Gnu-Herde suchte mehrere Stunden nach der besten Stelle, um den Fluss im Masai-MaraNationalpark in Afrika zu überqueren. Denn im Wasser lauern jede Menge Krokodile. Alle Gnus sind mutig und springen, doch die Tiere, die ganz vorne laufen, haben besonders viel Mumm. 11
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