Diagnostischer Wert der 64-Zeilen-Mehrschichtspiral-Computertomographie des Herzens bei symptomatischen Patienten

Diagnostischer Wert der 64-Zeilen-Mehrschichtspiral-Computertomographie
des Herzens bei symptomatischen Patienten
Von der Medizinischen Fakultät
der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktors der Medizin
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Michael Roland Au
aus
Hamm
Berichter:
Herr Professor
Dr.med. Andreas Horst Mahnken
Herr Universitätsprofessor
Dr.med. Dipl.-Ing. Thomas Schmitz-Rode
Tag der mündlichen Prüfung: 4. Mai 2010
Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ............................................................................................ 1
1.1 Entstehung und Ursachen der koronaren Herzkrankheit ................................... 3
1.2 Mehrschicht-Spiral-Computertomographie ........................................................ 9
1.2.1 Von der Entwicklung der Computertomographie bis hin zur
Mehrschicht-Spiral-CT-Technik ................................................................ 9
1.2.2 Kalkbestimmung der Koronararterien mittels
Computertomographie............................................................................ 16
1.2.3 Weiterentwicklung und Beschreibung der Diagnostik durch die
CT-Koronarangiographie ........................................................................ 17
1.2.4 Hinweise auf zusätzliche diagnostische Möglichkeiten der
Computertomographie am Herzen ......................................................... 19
1.3 Fragestellung ................................................................................................... 21
2
Methodik............................................................................................ 22
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
3
Untersuchtes Patientenkollektiv....................................................................... 22
Kriterien des Patientenkollektives .................................................................... 22
CT-Angiographie.............................................................................................. 23
Datenrekonstruktion......................................................................................... 24
Datenanalyse................................................................................................... 25
Konventionelle Koronarangiographie ............................................................... 28
Statistik ............................................................................................................ 29
2.7.1 Datenaufbereitung .................................................................................. 29
2.7.2 Untersuchungen zur Reliabilität der Methoden....................................... 31
Ergebnisse ........................................................................................ 32
3.1 Reliabilität der patientenbasierten Ergebnisse der klinischen Befunde............ 35
3.1.1 Bewertung der patientenbasierten Reliabilitätsanalyse .......................... 36
3.2 Reliabilität der koronarsegmentbasierten Ergebnisse bzgl. klinischer
Befunde ........................................................................................................... 37
3.2.1 Bewertung der segmentbasierten Reliabilitätsanalyse ........................... 38
3.3 Analyse koronarsegmentbasierter Ergebnisse bzgl. der Befunde die
zum Ausschluss der betroffenen Segmente führen ......................................... 42
nur in der CCA oder der CTA sichtbar, daher nicht beurteilbar........................ 42
3.3.1 Bewegungsartefakte............................................................................... 43
3.3.2 Verkalkung der Koronargefäße............................................................... 43
3.3.3 Segmentverschluss proximal.................................................................. 44
3.3.4 Koronargefäß nicht angelegt .................................................................. 45
3.3.5 Segmente, die nur in der CCA oder der CTA sichtbar waren ................. 45
3.4 Betrachtung der diagnostischen Güte der Methoden....................................... 46
Inhaltsverzeichnis
4
II
Diskussion ........................................................................................ 50
4.1 Diskussion der Ergebnisse .............................................................................. 50
4.2 Limitationen ..................................................................................................... 59
5
Zusammenfassung und Ausblick .................................................... 61
6
Abbildungsverzeichnis..................................................................... 62
7
Tabellenverzeichnis.......................................................................... 63
8
Abkürzungsverzeichnis.................................................................... 64
9
Literaturverzeichnis.......................................................................... 67
10 Danksagung ...................................................................................... 81
11 Erklärung zur Datenaufbewahrung.................................................. 82
1. Einleitung
1
1 Einleitung
In der modernen Medizin rückt die Prävention von Krankheiten zunehmend in den
Vordergrund.
Aus heutiger sozio-ökomomischer Sicht gilt es, den Fokus bereits auf das Erkennen
der Entstehung von häufigen Krankheitsbildern zu richten, um so den einzelnen
Patienten an sich zu schützen als auch das Gesundheitssystem vor enormen
Folgekosten zu bewahren.
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist in den westlichen Industrieländern mit Abstand
die häufigste Erkrankung mit Todesfolge. Im Jahr 2006 starben in Deutschland ca.
360.000 Menschen an Krankheiten des Kreislaufsystems, was einem Gesamtanteil
von 44% aller Todesfälle entspricht1. In der internistischen und radiologischen
Fachliteratur nimmt die KHK daher naturgemäß einen bedeutenden Platz ein.
Durch seinen berühmten Selbstversuch bereitete Werner Forßmann 1929 den Weg
für die moderne Herzkatheterdiagnostik. Forßmann führte sich einen Katheter in die
Vena basilica ein und schob ihn bis in den rechten Vorhof seines Herzens vor.
Anschließend dokumentierte er sein Experiment mit einem Röntgenbild2.
Mit der Weiterentwicklung dieser Technik durch André Cournand und Dickinson
Richards kam es 1941 erstmalig zum Einsatz einer Herzkatheteruntersuchung in der
Klinik3.
Dem Kardiologen Mason Sones gelang 1958 die erste Darstellung der Koronargefäße mittels Kontrastmittel, wobei er den Katheter über die Brachialarterie des
Patienten einführte4.
Diese o.g. diagnostischen Vorraussetzungen ebneten den Weg für die moderne
Koronarangiographie, die bis heute den Goldstandard in der radiologischen
KHK-Diagnostik darstellt. Gleichzeitig bilden sie aber auch die Grundlage für die
perkutane transluminale koronare Angioplastie (PTCA).
Die PTCA erlaubt eine Aufdehnung von koronaren Stenosen vom Gefäßlumen aus,
ohne eine Thoraxoperation durchführen zu müssen.
1. Einleitung
2
Die erste erfolgreiche Angioplastie wurde 1977 von Andreas Grüntzig in Deutschland
durchgeführt5. Hierbei war vor allem seine Idee der Aufdehnung von signifikanten
Stenosen mittels Ballondilatation wegweisend.
In den darauf folgenden Jahren ist die Zahl der invasiven koronaren Katheterisierungen enorm gestiegen. Hierbei erfolgt der Eingriff in den meisten Fällen nicht aus
therapeutischen, sondern aus diagnostischen Gründen6.
Allerdings resultiert aus der konventionellen Katheterangiographie (CCA) eine Reihe
von Nachteilen, wobei die Strahlenexposition, die Invasivität und die Kontrastmittel7,8
applikation als bedeutendste zu nennen sind .
Abgesehen von dem immanenten Risiko einer invasiven Behandlung ist die
konventionelle
Katheterisierung,
bedingt
durch
die
zumindest
teil-stationäre
Aufnahme, auch eine sozio-ökonomische Herausforderung9. Die Mehrschicht-SpiralComputertomographie (MSCT)-Untersuchungen des Herzens und die dadurch
ermöglichte koronare Kalziumauswertung haben sich seit ihrer Einführung als NativMSCT im Jahre 1998 ständig weiterentwickelt und zeigten besonders als SpiralKontrast-MSCT bereits
Thoraxschmerzen
in der Vergangenheit bei Patienten mit atypischen
bezüglich
der
Diagnostik
der
stenosierenden
koronaren
Herzkrankheit viel versprechende Ergebnisse10-14.
So könnten Patienten, die einem hohen Risiko für die Entwicklung einer symptomatischen koronaren Erkrankung unterliegen, frühzeitig behandelt werden.
In Anbetracht der hohen Inzidenz der koronaren Herzkrankheit in der Bevölkerung in
den westlichen Industrieländern könnte dies zur Einsparung hoher Folgekosten
führen.
Es ist für die Diagnose und Prognose der KHK von grosser Bedeutung, eine
Untersuchungsmethode zur Hand zu haben, mit der sowohl die genaue Lokalisation
als auch das genaue Ausmaß der Koronarplaques erkannt werden können.
Im Rahmen der hier vorliegenden Studie ist der Stellenwert der neuesten ScannerGeneration mit 64-Zeilen in einem symptomatischen Patientenkollektiv untersucht
worden.
1. Einleitung
1.1
3
Entstehung und Ursachen der koronaren Herzkrankheit
Der KHK liegen verschiedene Ursachen zugrunde, die alle zu einer Myokardischämie
führen. Für dieses Missverhältnis sind neben Zunahme der Blutviskosität, Tachykardie, Koronarspasmen und Minderdurchblutung, bedingt durch Linksherzhypertrophie,
hauptsächlich Erkrankungen bzw. sklerotische Veränderungen der Koronargefäße
verantwortlich (s. Abbildung 1).
Abbildung 1: Histologisches Präparat einer konzentrischen Koronarsklerose:
(a) Atrophie der Media. (b) Massive Verbreiterung der Intima mit zusätzlicher
Einwanderung inflammatorischer Zellen. (c) Partiell organisierte Thrombose. (d)
Einengung der Gefäßlumens.
(Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. med. Perez-Bouza, Institut für
Pathologie der RWTH Aachen. Kontakt: [email protected]).
1. Einleitung
4
Über die Pathogenese der Koronarsklerose, die durch Obstruktion des koronaren
Blutflusses zu den klinischen Erscheinungen führt, existieren einige Theorien, wobei
sich die „response-to-injury-Hypothese“ von R. Ross15 in den letzten Jahren
durchgesetzt hat:
Durch die sich an die Verletzung der Arterienwand anschließende arteriosklerotische
Einengung des Lumens kommt es bei progredientem Verlauf zu einer akuten
Hypoxidose. Hierbei sinkt der ATP-Spiegel in den Myokardzellen drastisch ab, und
das Laktat steigt merklich an. Durch diese Verschiebung im Stoffwechsel kann es zu
typischen EKG-Veränderungen kommen. Bei stark ischämischen Ereignissen
entwickeln sich zudem selektiv Herzmuskelzellnekrosen im linken Ventrikel. Diese
Nekrosen manifestieren sich dann in Myokardfibrosen, die abhängig von den
betroffenen Gefäßästen, entlang des Koronarbaumes (s. Abbildung 2) in der
Muskulatur des linken Ventrikels lokalisiert sind.
Abbildung 2: Herzschema der Koronar-Topographie: Einstellung des Herzens in
deskriptiv-anatomischer Einstellung mit Blick auf die linke Herzkammer16.
1. Einleitung
5
Die konventionelle Koronarangiographie ist zurzeit die zuverlässigste Methode, um
pathologische Veränderungen in Koronararterien darzustellen. Allerdings kann die
CCA ausschließlich Kaliberschwankungen im Gefäßlumen erkennen. Erkenntnisse
über den anatomischen Aufbau der verengenden Läsionen kann man durch diese
Untersuchung nicht gewinnen.
In mehreren Studien wurde jedoch gezeigt, dass die Vulnerabilität einer Plaque
insbesondere von ihrer Zusammensetzung abhängt. Es hat sich gezeigt, dass den
meisten Fällen des akuten Koronarsyndroms eine Ruptur einer Plaque mit einem
großen nekrotischen Lipidkern und einer dünnen fibrösen Kappe voraus geht.
Zusätzlich sind die Plaques meist stark durch Makrophagen infiltriert, sodass eine
hohe inflammatorische Aktivität von ihnen ausgeht17-20.
Einige Arbeitsgruppen liefern Hinweise darauf, dass nicht stenosierende, exzentrisch
wachsende Plaques an Gefäßabschnitten mit „Positive Remodeling“ unstabiler sind
als stenosierende oder konzentrisch wachsende Plaques21-23. Glagov et al. belegten,
dass sich das Lumen arteriosklerotisch veränderter Koronararterien durch kompensatorisches Wachstum nicht verkleinert, solange die Plaqueoberfläche nicht 40% der
Lumenoberfläche überschreitet24.
Aus den o.g. Tatsachen leitet sich die Notwendigkeit ab, neue bildgebende Verfahren
zu entwickeln, die neben der Darstellung der Koronararterien auch eine Beurteilbarkeit der Gefäßwände sowie eine Differenzierung der Plaques erlaubt.
So wurden in den letzten Jahren mehrere Studien hinsichtlich des Potentials zur
Erfassung
von
Gefäßwandveränderungen
durch
die
Mehrschicht-Spiral-
Computertomographie durchgeführt. Becker et al. verglichen in ihrer Studie jeweils
erhobene Befunde einer 4-Zeilen-MSCT und einer histologischen Untersuchung. Die
Autoren gaben eine Sensitivität von ca. 70% für die Diagnostik von nicht-verkalkten
Plaques an. Außerdem ermittelten sie eine Sensitivität von 86% bis 100% für die
Erkennung von verkalkten Plaques25. Komatsu et al. führten im Rahmen der
Detektion und Bestimmung von koronaren Wandveränderungen eine Vergleichsstudie
zwischen
einer
8-Zeilen-Mehrschicht-Computertomographie
und
einer
intravaskulären Ultraschall-Untersuchung durch. Dabei fanden sich für die
Diagnosestellung von soften (hypoendogenen), intermediären (hyperendogenen) und
verkalkten Plaques Sensitivitäten von 92%, 87% und 89%26. In einer Studie von
1. Einleitung
6
Achenbach et al. zur Erkennung von nicht verkalkten Plaques wurde bei Vergleichsuntersuchungen zwischen einer 16-Zeilen-MSCT und intravaskulären Ultraschall
eine Sensitivität von 53% bestimmt. Bei einer Beschränkung auf die proximalen
Koronarsegmente konnte man eine Steigerung der Sensitivität auf 92% erreichen.
Für verkalkte Plaques wurden sowohl für Sensitivität als auch für Spezifität 94%
ermittelt27. Estes et al. konnten in ihrer Studie erstmalig belegen, dass es möglich ist,
mittels MSCT eine signifikante Unterscheidung der nicht-verkalkten arteriosklerotischen Plaques in lipidreiche bzw. in fibröse Plaques zu treffen28.
Große prospektive Studien, wie die „Framingham Study“, haben gezeigt, dass eine
Risikoabschätzung der koronaren Herzkrankheit nicht anhand singulärer Befunde
vorgenommen werden kann. Vielmehr sollten hierbei multiple Faktoren berücksichtigt
werden29. Die lange Liste der möglichen Risikofaktoren, die zum Auftreten einer
koronaren Arteriosklerose beitragen können, spiegelt die komplexen pathophysiologischen Zusammenhänge dieses Krankheitsbildes wider (s. Tabelle 1):
Arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Rauchen und Diabetes mellitus sind
koronare Risikofaktoren erster Ordnung für beide Geschlechter30.
Aber auch Adipositas, Lipidstoffwechselstörungen, Hypothyreose, Hyperurikämie,
Glucoseintoleranz und Thromboseneigung begünstigen die Entstehung einer
KHK31,32.
Für einige der erst genannten Risikofaktoren wie die arterielle Hypertonie, die
Hypercholesterinämie oder das Rauchen konnte auch die Wirksamkeit einer
therapeutischen Beeinflussung belegt werden31,33,34.
Die o.g. Faktoren ermöglichen es, mit Hilfe von Scoring-Systemen, wie etwa dem
PROCAM-Score, das Risiko eines Patienten einzuschätzen30. Die Behandlung der
genannten Risikofaktoren, wie etwa die medikamentöse Senkung hoher Blutcholesterin- oder Blutdruckwerte, führt zu einer beachtlichen Senkung des bestehenden
Risikos35,36. Die Inzidenz der KHK steigt parallel zu ihren Risikofaktoren mit
zunehmendem Alter an37.
1. Einleitung
7
Tabelle 1: Risikofaktoren für die Arteriosklerose (adaptiert nach Meyer): Genetische
Disposition,
vorbestehende
Grunderkrankungen
und
bestimmte
schädigende
Verhaltensweisen erhöhen das Risiko der Krankheitsentstehung38.
Beeinflussbarkeit
Nicht beeinflussbar
Partiell beeinflussbar
Beeinflussbar
Risikofaktoren
Alter
Genetische Disposition
(positive Familienanamnese)
Hyperlipidämie (Hypercholesterinämie
und/oder Hypertriglyzeridämie)
Hyperglykämie und Diabetes mellitus
Niedriges HDL-Cholesterin
Zigarettenrauchen
Übergewicht
Arterielle Hypertonie
Die Annahme, die koronare Herzkrankheit (KHK) sei eine Erkrankung, die überwiegend Männer betrifft, hat sich in den letzten Jahren nicht bestätigt39. Man nahm
bisher an, dass Frauen aufgrund ihres hormonellen Status’ vor einer koronaren
Herzkrankheit geschützt seien. Diese These wurde aber in den letzten Jahren in
mehreren epidemiologischen Studien widerlegt. Aktuelle Arbeiten belegen, dass die
koronare Herzkrankheit nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen die führende
Todesursache ist39,40.
Abbildung 3 stellt, nach Geschlechtern getrennt, die fünf häufigsten Todesursachen
dar.
1. Einleitung
8
Männer
8,8%
Chronische ischämische Herzkrankheit
8,4%
Akuter Myokardinfarkt
7,5%
Bronchialkarzinom
3,8%
Herzinsuffizienz
3,2%
Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen
0%
2%
4%
6%
8%
10%
Prozentualer Anteil %
Frauen
10,1%
Chronische ischämische Herzkrankheit
7,4%
Herzinsuffizienz
6,3%
Akuter Myokardinfarkt
4,4%
Apoplex
4%
Mammakarzinom
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
Prozentualer Anteil %
Abbildung 3: Prozentualer Anteil der fünf häufigsten Todesursachen bei Männern
und Frauen (modifiziert nach WHO) 1.
1. Einleitung
9
Aus sozio-ökonomischer Sicht ist die koronare Herzkrankheit eines der wichtigsten
medizinischen Probleme unserer Zeit. Im Jahr 2006 wurden allein in den USA 148,1
Milliarden US-Dollar für die Diagnostik und Therapie kardio-vaskulärer Erkrankungen
ausgegeben41. Pro Jahr werden allein in Deutschland ca. 800.000 Herzkatheteruntersuchungen durchgeführt. Hierbei kostet eine CCA, ohne zusätzliche sich
anschließende interventionsradiologische Eingriffe, im Durchschnitt 2.500 Euro42.
Um in Zukunft eine Reduktion des KHK-Risikos zu gewährleisten, ist sowohl eine
Lifestyle-Modifikation als auch eine adäquate medikamentöse Einstellung der
Patienten sowie auch eine Medizintechnik der neuesten Generation notwendig.
Auch eine bessere Ressourcenallokation durch Identifikation der Risikopatienten
bietet ein großes, noch nicht ausgeschöpftes Potential bei der Minimierung der KHKInzidenz.
1.2
Mehrschicht-Spiral-Computertomographie
1.2.1 Von der Entwicklung der Computertomographie bis hin zur MehrschichtSpiral-CT-Technik
Die Computertomographie stellte die erste Möglichkeit der überlagerungsfreien
Schnittbilddiagnostik des menschlichen Körpers dar. Die erste klinische Anwendung
erfolgte bereits 1972 durch Hounsfield und Ambrose43-45.
Schon in den 90’er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es diverse Versuche
von Radiologen und Technikern, verbesserte Darstellungsmöglichkeiten der
Koronararterien zu entwickeln, um eine valide, nicht-invasive KoronararterienDiagnostik klinisch zu etablieren. So gab es 1995 erste Versuche, die Computertomographie in Form der Elektronenstrahl-Computertomographie (EBCT) in die
koronare Diagnostik einzuführen46. Der grosse Vorteil der EBCT gegenüber der
konventionellen
Projektionsradiographie
Darstellung von Strukturen.
war
die
erstmals
überlagerungsfreie
1. Einleitung
10
Aufgrund eingeschränkter Bildqualität und Schichtdicke blieb die klinische Anwendung jedoch primär auf nicht-kontrastangehobene Herz-CT-Untersuchung zur
Quantifizierung der koronaren Kalkmenge beschränkt.
Erst mit der Entwicklung der Mehrschicht-Spiral-Computertomographie (MSCT)
begann der Einzug der Computertomographie in die kardiale Koronardiagnostik47.
Diese Technik erlaubte erstmals die simultane Erfassung von bis zu 64 Schichten
pro Rotation (s. Abbildung 4).
Abbildung
4: Aufnahmeprinzip
der
Einzeilenspiralcomputertomographie:
Die
Datenakquisition erfolgt durch eine stetige Rotation der Röhre während einer
kontinuierlichen Bewegung des Patiententisches48.
Gegenüber der konventionellen Computertomographie, bei der der Tischvorschub
nach erfolgter 360°-Abtastung erfolgt und anschließ end eine erneute Abtastung
stattfindet (Translations-Rotations-Technik), wird bei der Spiral-Computertomographie neben einer fortlaufenden Röhrenrotation auch der Untersuchungstisch mit
einer konstanten Geschwindigkeit durch die Scanebene gefahren. Erst mithilfe der
Schleifringtechnologie wurden die Vorraussetzungen für eine kontinuierliche
1. Einleitung
11
Gantry-Röhrenrotation und somit eine nicht planare Volumenabtastung geschaffen.
Gleichzeitig konnten mittels des Schleifringes die Rotationszeiten auf Zeitintervalle
im Subsekundenbereich reduziert werden.
Der grösste Vorteil der Spiral-CT gegenüber der konventionellen CT liegt in der
wesentlich reduzierten Scanzeit. Durch die schnellere Datenerfassung können
größere Volumina in kürzeren Zeitintervallen gescannt werden. Zudem führt die
Volumenakquisition zu einer Unterdrückung von Bildartefakten. Diese größere
Volumenabdeckung wird im Wesentlichen durch einen breiten, mehrzeiligen Detektor
möglich. Allerdings resultiert aus einer größeren Detektorbreite (ab 4-Schicht-CTGeräten), dass die Röntgenstrahlen der äußeren Detektorzeilen nicht senkrecht zur
z-Achse verlaufen, sondern gegen eine auf der z- Achse senkrecht stehende Ebene
gerichtet sind. Diese sog. Kegelstrahlgeometrie führt zu typischen Kegelstrahlartefakten mit Verschlechterung der Bildqualität, so dass die angegebene Schichtdicke nur
von den inneren Detektorschichten erfüllt wird. Um dennoch eine aussagekräftige
Bildqualität zu erreichen, werden speziell entwickelte Rekonstruktionsalgorithmen
eingesetzt wie z.B. die 3D-Rückprojektion49-51.
Mit steigender Anzahl der Detektorzeilen und der hieraus resultierenden Zunahme
der Volumenerfassung musste gleichzeitig die Leistung der Röntgenröhren
gesteigert werden. Durch eine Verbesserung der Röhrentechnologie und effizientere
Kühlsysteme in den modernen CT-Geräten gelang es, auch dieses Problem zu
lösen52.
Die wichtigsten zu definierenden Parameter wie Schichtdicke, Rotationszeit,
Röhrenspannung und Röhrenstrom können analog der konventionellen CT-Technik
gewählt werden. Allerdings muss bei der Spiral-Computertomographie zusätzlich die
Tischvorschubgeschwindigkeit, der Pitch, berücksichtigt werden. Dieser Parameter
beschreibt das Verhältnis von Tischvorschub in mm pro 360° zu der gewählten
Schichtdicke und der Anzahl der simultan erfassbaren Schichten.
Aufgrund des fortlaufenden Tischvorschubs, der parallelen spiralförmigen Abtastung
und auch der Kegelstrahlgeometrie der Strahlenbündel können die erhobenen
Rohdaten nicht direkt für die Bildberechnung genutzt werden. Speziell hierfür
entwickelte
Interpolationsalgorithmen
erzeugen
planare
Schichten
die
eine
artefaktfreie Bildberechnung ermöglichen53-55. Um planare Schichten aus Rohdaten
1. Einleitung
12
zu berechnen, wird eine Interpolation in z-Richtung (Körperlängsachse) vorgenommen, wobei die Daten nach ihrer Entfernung gewichtet werden. Die Rekonstruktion
mittels z-Interpolation arbeitet unabhängig von der Detektoranzahl. Man kann aber
durch eine sogenannte z-Filterung die effektive Schichtdicke retrospektiv verändern.
Diese kann jedoch lediglich erhöht, nicht aber reduziert werden.
Grundsätzlich haben sich zwei Methoden der Interpolation durchgesetzt. Das erste
Verfahren ist die 360° Lineare Interpolation, bei d ieser Methode werden der
Bildebene am nächsten liegenden Projektionen verwendet, die im selben Projektionswinkel und in aufeinanderfolgenden Umläufen aufgenommen wurden. Das zweite
Verfahren entstand aus der Überlegung, dass während eines Röhrenumlaufes ein
bestimmter Punkt zweimal aus entgegengesetzter Richtung abgetastet wird. Daher
wird diese z-Interpolation als 180° Lineare Interpo lation bzw. z-Interpolation mit
Rebinning bezeichnet.
In der hier vorliegenden Studie kam das „SOMATOM Sensation 64“ der Firma
Siemens mit einer Kollimation von 2×32×0,6 (32 Zeilen mit einer Schichtdicke von
0,6 mm) und einer Rotationszeit von 330 ms zum Einsatz (Abbildung 6). Durch seine
Aufnahmetechnik mit der so genannten Double-z-Sampling-Technologie, mit der
während nur einer Rotation doppelt so viele Schichten gemessen werden können, ist
das „SOMATOM Sensation 64“
in der Lage, bei zwei aufeinander folgenden
Aufnahmen (mit eigentlich 32 Schichten) durch den „Flying-Fokus“ tatsächlich 64
Schichten, und das alle 0,3 mm, aufzuzeichnen. Die Fokusbewegung wird hierbei
zwischen zwei Positionen auf der Z-Achse jeweils um die Hälfte einer Schichtdicke,
also um 0,3 mm, verschoben56. Zusätzlich werden durch die z-sharp-Technologie die
Spiralartefakte minimiert, und so die Auflösung entlang der z-Achse deutlich
verbessert.
Die Entwicklung der Mehrschichtspiral-Computertomographie-Technik begann 1998
mit der Neuentwicklung der nicht-invasiven Herzbild-Darstellung. Die damals
eingeführten 4-Schicht-Spiral-CT-Geräte besaßen eine Auflösung im Millimeterbereich, und es wurde mit Atemanhaltephasen von ca. 40 Sekunden gearbeitet. Das
ermöglichte zum ersten Mal die EKG-synchronisierte Darstellung des gesamten
koronaren Gefäßsystems. Es zeigte sich jedoch, dass diese Technik für viele
Bereiche, insbesondere der koronaren Diagnostik, noch nicht ausreichend war. Auch
die weiter entwickelte 16-Schicht-Computertomographie erwies sich im klinischen
1. Einleitung
13
Routinebetrieb trotz verbesserter zeitlicher und örtlicher Auflösung nicht als
adäquater Ersatz für die konventionelle Katheterangiographie. Die wesentliche
Ursache hierfür war, dass nur Patienten mit einer relativ niedrigen Herzfrequenz von
< 65 bpm eine annehmbare Bildqualität aufwiesen und sinnvoll untersucht werden
konnten. Dies führte dazu, dass bis zu 30% der Koronarsegmente nicht beurteilbar57
waren. Allerdings erlaubten EKG-synchronisierte Spiral-CT-Untersuchungen schon
damals eine relativ stabile Diagnostik wesentlicher perikardialer und auch myokardialer Pathologien 58 (s. Abb. 5).
Die Weiterentwicklung der CT-Technologie wurde maßgeblich durch die Einführung
der 64-Schicht-CT vorangetrieben. Die rasante Entwicklung und die anhaltende
Erhöhung der Anzahl der Scanner bei kontinuierlicher Steigerung des Tischvorschubes sowie die Reduktion der Röhrenrotationszeiten auf 330 ms/Rotation waren
wesentliche und entscheidende Voraussetzungen für eine optimale Koronardarstellung. Die neueren Geräte erlaubten eine höhere örtliche Auflösung von bis zu
0.4 mm³, und auch die zeitliche Auflösung verbesserte sich bedeutend56.
1. Einleitung
14
Abbildung 5: Retrospektives EKG-Gating: Hierzu wird das EKG parallel zu dem
Spiral-CT-Datensatz aufgenommen. Die Synchronisation der beiden Datensätze
erfolgt erst nach Abschluss der Untersuchung (retrospektiv), wobei nur der Teil der
CT-Daten (dunkelgrau), der einem zuvor bestimmten Abschnitt des Herzzyklus
entstammt (hellgrau), für die Bildberechnung verwendet wird. Das endgültige CT-Bild
besteht dann aus Daten, die unterschiedlichen Herzschlägen entstammen69.
Durch die kontinuierliche Herzaktion kommt es zu einer Ortsveränderung der
Koronarien während des Kontraktionszyklus’. Deshalb ist bei der angiographischen
Diagnostik eine Anpassung der Bilddaten an die kardiale Bewegung zwingend
erforderlich. Hierfür ist ein synchron abgeleitetes Elektrokardiogramm am besten
geeignet.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der EKG-Synchronisation. Zum einen die prospektive, EKG-gesteuerte Scanauslösung („EKG-Triggerung“), zum anderen die
retrospektive, EKG-korrelierte Bilddatenberechnung ( „EKG-Gating“).
1. Einleitung
15
Die Methode der prospektiven EKG-Triggerung wird sowohl in der Elektronenstrahltomographie als auch bei der Einzelcomputertomographie angewendet. Dabei wird
vor dem Untersuchungsbeginn ein relativer, aus dem mittleren R-R-Abstand
abgeleiteter oder aber ein absoluter Abstand zum vorangegangenen QRS-Komplex
bestimmt. Während der Untersuchung wird dann jeweils ein Einzelscan ausgelöst.
Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer relativ einfachen technischen Umsetzung.
Allerdings ist diese Methode jedoch anfällig gegenüber vorzeitig einsetzenden
Herzerregungen und Frequenzschwankungen während der Untersuchung59.
In der vorliegenden Studie kam das zweite Verfahren, die der retrospektiven EKGSynchronisation, zur Anwendung. Bei dem retrospektiven EKG-Gating ist es
notwendig, dass eine Anpassung des Pitchfaktors an die Herzfrequenz stattfindet. So
werden an jeder beliebigen z-Position Daten aus dem gesamten Herzzyklus
erhoben, so dass keine Datenlücken entstehen. Die Probleme der Variation der
Herzfrequenz bei prospektiver Triggerung werden mit dieser Ableitungsmethode
vermindert. Hier erfolgt eine Parallel-Aufzeichnung des EKG, womit eine spätere
Zuordnung der jeweils vorliegenden Herzphase zum Rohdatensatz erfolgen kann.
Bei dieser Art der EKG-Synchronisation kann dann im Nachhinein die Position der
Bildberechnung im RR-Intervall frei platziert werden60.
Erst vor kurzem kam es zu einer weiteren technischen Entwicklung in Form der
sogenannten Dual-Source-Computertomographie (DSCT)61. Bei dieser bereits
klinisch eingeführten Technik kommen in einem 64-Schicht-CT-System zwei RöhrenDetektorsysteme parallel zum Einsatz. Mit dieser Technik wird eine stabile zeitliche
Auflösung von 83 ms erreicht.
Unter optimalen Bedingungen ist es sogar möglich, eine zeitliche Auflösung von
42 ms zu erreichen62. Damit wird erstmals eine zeitliche Auflösung erzielt, die für fast
alle klinischen Belange ausreichend erscheint. Diese Methode wird der CTKoronarangiographie wahrscheinlich den Weg zur klinischen Routine-Diagnostik
eröffnen63.
1. Einleitung
16
1.2.2 Kalkbestimmung der Koronararterien mittels Computertomographie
Die derzeit am besten untersuchte kardiale CT-Technik beruht auf der Auffindung
und mengenmäßigen Einordnung von Kalkeinlagerungen in den Koronararterien.
Um die einzelnen Plaque-Typen untersuchen zu können, ist es entscheidend,
Kenntnis definierter Dichtewerte einzelner Komponenten der Plaques zu gewinnen.
Zudem muss eine ausreichende räumliche und zeitliche Auflösung gewährleistet
sein, damit auch kleinere Gefäßwandveränderungen erkannt und beurteilt werden
können.
Es ist eine Tatsache, dass koronare Kalkablagerungen ein fester Bestandteil der
Arteriosklerose sind. Studien, die mit EBCT durchgeführt wurden, haben gezeigt,
dass das Risiko des Auftretens von kardialen Ereignissen mit der Anzahl der mittels
CT gemessenen Verkalkungen steigt64.
Typischerweise wird für die Quantifizierung von koronaren Kalzifikationen der
Agatston Score eingesetzt65,66. Agatston et al. haben einen Kalkscore entwickelt,
dessen diagnostische Wertigkeit so ausgelegt ist, dass einige Autoren bei einem
Agatston Score > 400 diesen Befund in der Risikoabschätzung der Präsenz einer
manifesten Angina pectoris nahezu gleichsetzen67. Bei Patienten mit atypischen
Thoraxschmerzen erlaubt diese Technik in Kombination mit einer Risikoabschätzung
den Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung (KHK) in bis zu 98,8% aller Fälle68.
Diese Technik wird daher in der Stratifizierung von Patienten angewendet, die nach
konventioneller Risikobewertung (z.B. nach dem Framingham-Algorithmus) ein
intermediäres koronares Risiko besitzen, was ein 10-Jahres-Risiko für ein kardiales
Ereignis zwischen 10 und 20% bedeutet69.
Eine
wesentliche
Auswirkung
auf
die
Beurteilbarkeit
einer
MSCT-
Koronarangiographie hat die Anzahl und Ausdehnung koronarer Kalkplaques70,71.
Wenn der Kalziumscore stark erhöht ist (z.B. Agatston Score > 600-800), dann sollte
auf eine derartige diagnostische Untersuchung verzichtet werden. Denn zum einen
ist diesen Patienten von vornherein ein erhöhtes kardiales Risiko zuzuordnen, und
damit primär eine Therapie der Risikofaktoren zu diskutieren. Zum andern sollten
gegebenenfalls weitere diagnostische Untersuchungen in Zusammenhang mit einer
Risikoanalyse durchgeführt werden. Darüber hinaus ist bei ausgeprägten koronaren
1. Einleitung
17
Verkalkungen eine ausreichende diagnostische Güte der MSCT-Angiographie nicht
unbedingt gewährleistet70.
1.2.3 Weiterentwicklung und Beschreibung der Diagnostik durch die CTKoronarangiographie
Die Detektion und die mengenmäßige Bestimmung von Koronarplaques ohne
Kontrastmittel erfolgt üblicherweise anhand von 3 mm dicken Schichten. Die
Darstellung der Koronararterien dagegen macht eine Ortsauflösung im Submillimeterbereich und zudem eine intravenöse Kontrastmittelgabe erforderlich.
Die nicht-invasive Koronar-MSCT zeigte bereits in der Vergangenheit bezüglich des
Nachweises und der Quantifizierung von koronaren Stenosen viel versprechende
Ergebnisse72-74.
Dennoch ist die Technik, trotz der ständigen Steigerung der zeitlichen Auflösung,
störanfällig in Bezug auf Bewegungsartefakte75,76. Diese treten besonders bei
höheren Herzfrequenzen auf. Daher sollte zum einen auf eine möglichst geringe
Herzfrequenz (von < 65 bpm) des Patienten geachtet werden. Gegebenenfalls sollte
die Gabe von Beta-Blockern (z.B. Metoprolol: 100 mg per os 30-60 Minuten vor
Untersuchungsbeginn) in Betracht gezogen werden77,78.
Zum anderen ist es unbedingt erforderlich, Bilddaten aus verschiedenen Abschnitten
des gesamten Herzzyklus’ zu erstellen um den Zeitpunkt der geringstmöglichen
Bewegung der Koronararterien für eine optimale Befundung auswählen zu können79.
Durch den Einsatz des DSCT verbesserte sich die zeitliche Auflösung, und die
Bewegungsartefakte wurden seltener. Es werden, abhängig von der Herzfrequenz,
zunehmend nur noch Bilder aus einem zeitlich eng begrenzten Bereich der Diastole
zur Auswertung herangezogen69.
Durch zahlreiche Untersuchungen wurde ein großes Maß an Übereinstimmung
zwischen
der
nicht-invasiven
MSCT-Angiographie
und
Herzkatheteruntersuchung der Koronarien festgestellt69,80-82.
der
konventionellen
1. Einleitung
18
Schon die 4-Schicht-Spiral-CT erreichte in der Diagnostik eine vergleichsfähige
Aussagekraft wie die der Magnetresonanztomographie (MRT)83. Allerdings mussten
bis zu 30 % der einzelnen Koronarsegmente von einer Analyse ausgeschlossen
werden, weil Bewegungsartefakte oder eine unzureichende örtliche Auflösung eine
optimale Auswertung unmöglich machten.
Es ist jedoch bekannt, dass ca. 90% aller relevanten Stenosen der Koronararterien in
den proximalen Segmenten auftreten. Von daher war es bereits mit dieser diagnostischen Technik möglich, eine KHK mit einem relativ guten negativen Vorhersagewert
auszuschließen. Mit Verbesserung der Technik und der Einführung der 16-SchichtCT in die Klinik verbesserten sich in der Folgezeit auch diese Ergebnisse69.
In der einzigen zur Zeit verfügbaren multizentrischen MSCT-Studie mithilfe eines
16-Zeilen-Spiral-CT mussten aber dennoch 29% der koronaren Segmente von der
Auswertung ausgeschlossen werden. Die Studie zeigte einen relativ schlechten
positiven Vorhersagewert von 13% für die Erkennung 50-prozentiger Koronarstenosen. Allerdings konnte ein negativer Vorhersagewert von 99% für den Ausschluss
einer KHK erreicht werden57.
Diese noch unbefriedigende Situation von doch zum Teil auffälligen Unterschieden in
den einzelnen Studien ist vor allem darauf zurückzuführen, dass keine einheitlichen
Ziele in der Analyse verfolgt wurden. Ebenso verhielt es sich mit den Einschlusskriterien der einzelnen Studien. Daher sollten in Zukunft einheitliche Berichtsstandards angestrebt werden. Um diese Vereinheitlichung der Berichtsstandards
herbei zu führen, erscheint es sinnvoll, das von der AHA (American Heart Association) vorgeschlagene 15-Segment-Modell der Koronararterien zu verwenden84.
Die Aussagekraft der Mehrschicht-Computertomographie-Angiographie wird durch
fehlende Informationen über den koronaren Blutfluß und auch der fehlenden
Beurteilbarkeit von hämodynamischen Prozessen in den Kollateralgefäßen stark
beeinträchtigt. Daher verleitet eine eingeschränkte Ortsauflösung in der MSCT oft zu
einer Überbewertung hinsichtlich des Auftretens von Koronargefäßverengungen69.
Umfassende Daten zu größeren Patientenkollektiven mit einem intermediären KHKRisiko existieren bislang nicht; die vorliegenden Studien beschränken sich auf
kleinere Patientenkollektive mit einer mittleren bis hohen Wahrscheinlichkeit für
1. Einleitung
19
kardiovaskuläre Risiken. Außerdem wurden diese Studien nur von wenigen
spezialisierten Zentren erstellt.
Ein großer Vorteil der Computertomographie ist, dass man einzelne Muskelbrücken
im myokardialen Gewebe direkt erkennen kann; außerdem werden angrenzende
Strukturen wie z.B. Lunge, Aorta und Wirbelsäule im Untersuchungsbereich mit
dargestellt. So kann die CT auch wichtige extrakardiale Diagnosen liefern85.
Entscheidend aber für eine optimale Aussagefähigkeit einer ComputertomographieAngiographie (CTA) ist die unbedingt notwendige optimale Patientenvorbereitung.
Um eine hinreichend lange kardiale Ruhephase zu gewährleisten, müssen für die
MSCT-Untersuchung Patienten mit einer ausreichend niedrigen Herzfrequenz
(von < 65 bpm) ausgewählt werden. Falls die Herzfrequenz des Patienten höher ist,
sollte sie durch die Gabe von Beta-Blockern (s.o.) abgesenkt werden77,78.
Ein weiterer wichtiger Punkt der kardialen MSCT ist die nicht zu vernachlässigende
applizierte Strahlendosis. Bei fahrlässiger Anwendung kann diese im Bereich von
15-21 mSv liegen86,87. Um das Strahlenrisiko zu mindern, sollte insbesondere auf
dosisreduzierende Techniken wie die EKG-gesteuerte Dosismodulation und auf
gewichtsadaptive Untersuchungsprotokolle Wert gelegt werden. Wenn diese
Kombination eingesetzt wird, kann das Risiko der Strahlungsschäden bedeutsam
reduziert werden. Die applizierte Strahlendosis kann so bei nicht dosisoptimierten
Techniken um bis zu 45% und nach Gewichtsadaption nochmals um etwa 22%
reduziert werden88,89. Die Dosiswerte für frequenzabhängige, kardiale DSCTUntersuchungen liegen sogar noch niedriger (zw. 5,85 mSv und 7,45 mSv) als bei
vergleichbaren Untersuchungen mit einem konventionellen 64-Schicht-CT90.
1.2.4 Hinweise auf zusätzliche diagnostische Möglichkeiten der Computertomographie am Herzen
Eine weitere wichtige kardiologische Fragestellung ist die Beurteilung von koronaren
Stents und Bypässen. Die vorliegende Arbeit befasst sich nicht mit dieser Problematik, da die zur Zeit vorliegenden Ergebnisse für die klinische Routine, insbesondere
bei der Beurteilung von Stents, noch nicht optimal sind91-92. Es sollte aber nicht
1. Einleitung
20
unerwähnt bleiben, dass die MSCT für die Beurteilung nach der Offenheit von Stents
zwar grundsätzlich möglich, aber zurzeit in ihrer Aussagekraft für die klinische
Diagnostik noch nicht ausreichend ist93.
Das liegt zum einen an der für diese Fragestellung zu niedrigen Ortsauflösung, zum
anderen aber vor allem an Aufhärtungsartefakten, bedingt durch die metallhaltigen
Stentstreben94.
Im Gegensatz zu der Darstellung koronarer Stents ist die EKG-synchronisierte MSCT
des Herzens für die Untersuchung koronarer Bypässe und ihrer Anastomosen
durchaus geeignet (z.B. Beurteilung der Offenheit von Bypässen)95.
Einige Kliniken beziehen bei der Planung von Bypassoperationen neben der
Herzkatheteruntersuchung auch schon die MSCT des Herzens als ergänzende
Information in die Voruntersuchung mit ein. Insbesondere trifft das für die minimalinvasive Bypasschirurgie zu.
Ergänzend und abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die MSCT nicht nur
ein geeignetes Werkzeug zur Koronarbeurteilung darstellt, sondern auch noch
andere diagnostische Möglichkeiten im Rahmen der kardialen Abklärung bietet, wie
z.B. die Beurteilung der Herzvenen von myokardialen Tumoren sowie von kardialen
Thromben96
Auch die Beurteilung der myokardialen Vitalität oder der myokardialen Minderperfusion ist mittels der kardialen MSCT möglich97
Andere Aussagen wie die über die Volumetrie und die Beurteilung der regionalen
Herzwandbewegungen unter Ruhebedingungen sind mit Hilfe der MSCT ebenfalls
möglich95.
1. Einleitung
1.3
21
Fragestellung
Die MSCT hat sich seit ihrer klinischen Einführung im Jahre 1998 enorm entwickelt.
Die heutige Generation von CT-Scannern ist bereits sehr leistungsstark und stellt
somit ein wichtiges diagnostisches Instrument in der klinischen Routine dar.
Mit einer sich ständig verbessernden zeitlichen und räumlichen Auflösung durch
multiple Detektorreihen, schnellere Rotationszeiten und verbesserten Rekonstruktionsalgorithmen wurden sowohl die Sensitivität als auch die Spezifität der CTAngiographie deutlich erhöht10,98-101.
Frühere Arbeiten an 4- und 16-Zeilen-MSCT-Geräten haben bereits gezeigt, dass die
Mehrschicht-Spiralcomputertomographie Potential für die Erkennung und Differenzierung atherosklerotischer Veränderungen in den Koronararterien birgt.
Häufig wurden aber in den vorangegangenen 4- und 16-Zeilen-MSCT-Studien
aufgrund der geringeren zeitlichen und räumlichen Auflösung nur die proximalen und
mittleren Segmente der Koronararterien und die Gesamtsensitivität wie auch die
Gesamtspezifität beurteilt102-104. Mit Einführung der 64-Zeilen-MSCT scheint eine
detailliertere Analyse aller 15 Koronarsegmente (Klassifikation nach AHA) möglich105107
. Im Rahmen der vorliegenden Studie soll der Leistungsstand der 64-Zeilen-
Mehrschicht-Spiralcomputertomographie hinsichtlich der Detektion von stenotischen
Veränderungen der Koronarien am symptomatischen Kollektiv untersucht werden.
2. Methodik
22
2 Methodik
2.1
Untersuchtes Patientenkollektiv
Es wurden 68 symptomatische Patienten mit Hilfe einer kontrastangehobenen EKGsynchronisierten 64-Schicht-MSCT des Herzens untersucht (51 männliche und 17
weibliche Patienten; durchschnittliches Alter 58, 5 ± 7, 9 Jahre). Außerdem wurden
alle Patienten auch einer konventionellen invasiven Koronarangiographie unterzogen. Es erfolgte in beiden Untersuchungsgängen sowohl eine patienten- als auch
eine segmentbasierte Auswertung bezüglich der Detektion von Stenosen mit ≥70%
Lumeneinengung der Koronargefäße.
2.2
Kriterien des Patientenkollektives
Zu Beginn wurden die Patienten in einer medizinischen Untersuchung hinsichtlich
der Anforderungen der Studie selektiert. Diese Untersuchung umfasste einen
Belastungstest, eine Risikoabschätzung nach Framingham und ein großes Blutbild.
Die Entscheidung über die Aufnahme in die Studie wurde anhand des erhobenen
Befundes sowie der individuellen Patientengeschichte getroffen. Im Verlauf der
Erhebung wurden 18 Patienten wegen Vorliegens mindestens eines der folgenden
Ausschlusskriterien aus der Studie ausgeschlossen: Koronarstent (n=9), Koronarbypass (n=5), Tachyarrhythmien/Vorhofflimmern und andere Herzrhythmusstörungen
(n=4), bekannte Niereninsuffizienz (Serumkreatinin >130 mmol/L) (n=3), Unfähigkeit,
den Atem für mindestens 15 Sekunden anzuhalten (n=2) sowie bekannte allergische
Reaktion auf iodhaltiges Kontrastmittel (n=1).
Alle teilnehmenden Patienten gaben nach der vollständigen und eingehenden
Erklärung des Studienaufbaus ihr Einverständnis zur Verwendung ihrer Daten im
Rahmen dieser Arbeit.
2. Methodik
2.3
23
CT-Angiographie
Die CT-Angiographie wurde an einem 64-Schicht-MSCT („SOMATOM Sensation 64
Cardiac“; Siemens, Forchheim) in kranio-kaudaler Untersuchungsrichtung durchgeführt. Patienten, bei denen ein Ruhepuls von >70 Schlägen pro Minute und keine
Kontraindikationen vorlagen, wurde eine Stunde vor der CT-Angiographie gewichtsadaptiert 50-100 mg Metoprolol per os verabreicht.
Abbildung 6: Der SOMATOM Sensation 64 Cardiac: Er rotiert mit einer GantryRotationsgeschwindigkeit von 0,33 Sekunden einmal um den Patienten. So erreicht
das System eine zeitliche Auflösung von 83 Millisekunden108.
Bei allen Patienten wurden direkt vor der Bildgebung Blutdruck und Puls gemessen.
Die Patienten befanden sich während der Untersuchung in Rückenlage und waren
2. Methodik
24
an ein Mehrkanal-EKG angeschlossen, damit die rekonstruierten Bilddaten der
jeweiligen Herzaktion retrospektiv zugeordnet werden konnten (retrospektives EKGGating). Alle Bilder wurden in Atemanhaltephasen erhoben, um Bewegungsartefakte
soweit wie möglich zu minimieren. Alle in der Studie berücksichtigten Patienten
zeigten während der CT-Untersuchung einen Sinusrhythmus.
Für die MSCT wurde ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll mit 120 kV,
750 mAseff, in der z-sharp-Technologie von Siemens verwendet56. Die Kollimation
von 64 x 0,6 mm, die Rotationsgeschwindigkeit von 330 ms und ein Tischvorschub
von 3,8 mm/Rotation resultierten in einem Pitch von 0,2.
Das Kontrastmittel wurde über eine 18G-Venenverweilkanüle in eine Cubitalvene
appliziert. Die Verzögerung des Scans wurde mit Hilfe der Bolus-Tracking-Technik
bestimmt: Nach Erreichen eines Grenzwertes von 120 Hounsfield-Einheiten (HU) in
der Aorta ascendens auf Höhe des Abgangs der Koronararterien wurde nach einer
Verzögerung von 5 Sekunden die eigentliche CT-Untersuchung gestartet.
Das
verwendete Kontrastmittel-Injektionsprotokoll beinhaltete eine Injektion von
80 ml nicht-ionisierendem Kontrastmaterial („Iopromid“, Schering, Berlin) mit einer
Flußrate von 4 ml/Sek. Anschließend wurde ein Bolus (50 ml) physiologischer
0,9%iger NaCl-Lösung mit derselben Flußrate appliziert.
Die applizierte Strahlendosis wurde mit dem Softwareprogramm „CT-Expo“, Version
1.4 ermittelt109.
2.4
Datenrekonstruktion
Von den Ausgangsdaten jedes Scans wurden axiale Bildstapel mit einer effektiven
Schichtdicke von 0,75 mm und einer Überlappung von 0,5 mm rekonstruiert. Die
Rekonstruktion erfolgte zum Zeitpunkt von 60% des RR-Intervalls. In einigen Fällen
bestanden zu diesen Zeitpunkten Bewegungsartefakte. In diesen Fällen wurden
zusätzlich Rekonstruktionen zu anderen Zeitpunkten des Herzzyklus’ angefertigt.
Das individuell adaptierte Bildfeld entsprach 164 mm² ± 22 mm². Es wurden eine
Matrix von 512 x 512 und ein mittelweicher Faltungskern (B30f) verwendet. Hieraus
resultierte eine örtliche Auflösung von 0.4x0.4x0.4 mm³ 56.
2. Methodik
2.5
25
Datenanalyse
Alle CT-Aufnahmen wurden von einem qualifizierten Radiologen mit 5-jähriger
Erfahrung im Bereich der koronaren CTA-Bildgebung ausgewertet. Bei der
Auswertung wurde eine Kombination aus axialen und multiplanaren Rekonstruktionen herangezogen. Die Befundung erfolgte ohne vorherige Sichtung der CCABefunde. Die Analyse erfolgte mittels eines interaktiven 3D-Programms („Leonardo“,
Siemens).
Gemäß der Klassifikation der American Heart Association (AHA) wurden die
Koronararterien für die Bewertung in fünfzehn Segmente eingeteilt. Die Segmente 1
bis 4 entsprechen der rechten Koronararterie (RCA), das Segment 5 dem Hauptstamm der linken Koronararterie (LCA), die Segmente 6 bis 10 dem Ramus
interventrikularis anterior (RIVA) und seinen Diagonalästen sowie die Segmente 11
bis 15 dem Ramus circumflexus (RCX) und seinen Marginalästen84. Die Einteilung
ist in Abbildung 7 graphisch illustriert und in Tabelle 2 wiedergegeben.
2. Methodik
26
Abbildung 7: Klassifikation der Koronarabschnitte nach AHA84: Die koronare
Segmenteinteilung wird auf der folgenden Seite in Tabelle 2 erklärt.
2. Methodik
27
Tabelle 2: Koronare Segmenteinteilung: Die Klassifikation basiert auf dem 15Segment-Modell nach AHA.
Segmentnummer
1
Anatomische Bezeichnung der Gefäße
A. coronaria dextra (RCA)
2
Proximales
Segment
Mittleres Segment
3
Distales Segment
Ramus interventricularis post.
4
5
A. coronaria sinistra (LCA)
6
Ramus interventricularis anterior (RIVA/ Proximales
LAD)
Segment
7
Mittleres Segment
8
Distales Segment
9
1. Diagonalast
10
11
12
13
14
15
Hauptstamm
2. Diagonalast
Ramus circumflexus (RCX)
Proximales
Segment
Mittleres/Distales
Segment
1. Marginalast
2. Marginalast
3. Marginalast
2. Methodik
28
Jedes der o.g. Segmente wurde wie folgt visuell klassifiziert:
Tabelle 3: Befundungskriterien für die koronaren Segmente: Die Kriterien zur
Befundung der Segmente wurden in beiden untersuchten Methoden unabhängig
voneinander angelegt.
Bewertung Kriterien
0
Glatte, abgrenzbare Gefäßwand
1
abnorme Wandveränderungen und Stenosen < 70%
2
≥70% gegenüber dem vor- und nachstenotischen
Gefäßlumen
Segmente, die entweder nicht angelegt, wegen eines proximalen Verschlusses nicht
mit Kontrastmittel gefüllt oder aufgrund schlechter Bildqualität bzw. hochgradig
verkalkter Segmente nicht beurteilbar waren, wurden von der Analyse ausgeschlossen.
2.6
Konventionelle Koronarangiographie
Die konventionelle Linksherz-Koronarangiographie wurde unter Verwendung einer
digitalen Durchleuchtungseinheit („Axiom Artis dFC“, Siemens) über die Vena
femoralis mit ca. 80 ml nichtionisierendem Kontrastmittel („Iopromid“, Schering,
Berlin) durchgeführt. Jede Untersuchung resultierte in mindestens sechs orthogonalen Ansichten.
Bei allen Patienten wurden sowohl die Computertomographie-Angiographie (CTA)
als auch die konventionelle Katheterangiographie (CCA) in einem sehr kleinen
Zeitrahmen (2,4 ± 3,2 Tage) durchgeführt. Die CCA wurde von einem kardiologischen Facharzt ohne vorherige Kenntnis über die Befunde der CTA beurteilt.
2. Methodik
29
Die Abschätzung der Stenosen erfolgte durch visuelle Beurteilung, wobei eine
Verengung von ≥70% als signifikant bewertet wurde.
Auch in der Analyse der konventionellen Koronarangiographie wurde die Klassifizierung der koronaren Gefäße durch die American Heart Association herangezogen.
2.7
Statistik
2.7.1 Datenaufbereitung
Die Analyse und Auswertung des Datensatzes erfolgte von der Erhebung bis zur
Abschlusskontrolle unter der freundlichen Betreuung und Anleitung von Frau Dr. rer.
medic. Heussen, Institut für medizinische Statistik der RWTH Aachen.
Um die Übereinstimmung zwischen CCA und CTA bezüglich der Beurteilung von
Wandveränderungen und Koronarstenosierungen zu quantifizieren, wurden die
möglichen Bewertungen zunächst dichotomisiert. Der Grad der Übereinstimmung
wurde segmentweise jeweils durch κ (Kappa-Koeffizienten) beschrieben und in
Kontingenztafeln dargestellt. Zusätzlich wurde der Median der Koeffizienten über alle
Segmente berechnet und zusammen mit dem minimal bzw. maximal erreichten Wert
angegeben.
Die Werte von κ kann man nur in Relation zu anderen Untersuchungen im gleichen
Anwendungsgebiet bewerten110.
2. Methodik
Tabelle 4:
30
Bewertung von κ: Kappa beschreibt den Grad der Übereinstimmung
von verschiedenen Untersuchungsmethoden.
κ
Grad der Übereinstimmung
<0,1
keine
0,11 - 0,4
schwache
0,41 - 0,6
deutliche
0,61 – 0,8
starke
0,81 – 1,0
fast vollständige
Zur Beurteilung der Konsistenz beider Verfahren wurde der McNemar-Test
herangezogen. Im Falle eines signifikanten Unterschiedes ist von unterschiedlichen
Bewertungsmaßstäben (unterschiedliche Entscheidungsgrenzen) auszugehen. Alle
Tests wurden zu einem Signifikanzniveau von 5% durchgeführt. Aufgrund des
explorativen Studienansatzes erfolgte keine Adjustierung des Signifikanzniveaus.
Zur Beurteilung der Güte der CTA als diagnostisches Verfahren wurde wiederum
segmentweise die Sensitivität und Spezifität mit korrespondierenden exakten
Konfidenzintervallen ermittelt, wobei die Bewertung durch die CCA als Goldstandard
verwendet wurde. Auch hier erfolgte eine Beurteilung über alle Segmente durch
Bildung des Medians und der Angabe der minimal bzw. maximal erreichten Werte für
Sensitivität bzw. Spezifität.
Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Programm „SPSS for Windows®“
Version 15.0 (Kontingenztafeln, kappa, Sensitivität, Spezifität) bzw. dem angegebenen Excel-Tool (Konfidenz-Intervall).
Die Daten lagen codiert in „MS Excel“ vor. Die Daten wurden anschließend in „SPSS“
importiert. Hierbei wurden die Befunde 0, 1, 2 dergestalt dichotomisiert, dass 0 und 1
zu 0 (keine bzw. geringe Perfusionseinschränkung) sowie 2 zu 1 (Perfusionseinschränkung) kodiert wurden. Da eine Reihe von Befunden dieser Dichotomisierung nicht zuordnungsbar war, wurde für die Auswertung der diagnostischen Güte
eine zusätzliche Datenbasis erzeugt, in der diese Befunde gelöscht wurden.
2. Methodik
31
Innerhalb der SPSS-Daten wurden die Variablen mit vollständigen Namen versehen
(Label). Die Kodierungstabelle wurde durch Einträge in die Spalte „Werte“ des
Variablen-Blattes übernommen.
2.7.2 Untersuchungen zur Reliabilität der Methoden
Um die Konsistenz des Gesamtergebnisses bezüglich der Detektion von Stenosen ≥
70% der jeweiligen Methode, d.h. der konventionellen Katheterangiographie (CCA)
und der computertomographisch gestützten Angiographie (CTA) zu bestimmen,
wurde eine patientenbasierte Analyse vorgenommen.
Um die Konsistenz der segmentbezogenen Befundung zwischen der Detektion von
Stenosen ≥ 70% zwischen der CCA und der CTA nachzuweisen, wurde nach
dichitomisierter Skalierung (0 - 1, im Sinne von negativem Befund - positivem
Befund) eine koronarsegmentbezogene Analyse durchgeführt. Hierbei wurden nur
die Fälle untersucht, bei denen jeweils beide Methoden die Werte 0, 1 und 2
aufwiesen.
Zusätzlich zu den oben beschriebenen Auswertungen wurde eine koronarsegmentbezogene Analyse bezüglich von Ausschlusskriterien wie Bewegungsartefakten,
Verkalkungen von Segmenten, proximaler Verschlüsse und nicht angelegter
Gefäßabschnitte vorgenommen.
3. Ergebnisse
32
3 Ergebnisse
Die Computertomographie-Angiographie (CTA) verlief bei allen Patienten komplikationslos. Die durchschnittliche Herzfrequenz während des Scans betrug 61 bpm
(Reichweite von 49 bpm bis 78 bpm). Die durchschnittliche Dauer des Scans betrug
11, 2 ± 1, 2 Sek. Die durchschnittlichen Scanlänge betrug 133, 9 ± 11, 0 (128, 9 ±
12, 5) mm für Männer (Frauen). Die Untersuchungen resultierten in einem CTDIw von
12, 1 mGy, das Dosis-Längenprodukt betrug 837 ± 88 (819 ± 101) mGy*cm und die
Effektivdosis
wurde mit 13, 6 ± 3, 2 (17, 3 ± 2, 6) mSv für Männer (Frauen)
bestimmt. Von den 750 untersuchten Segmenten (15 Segmente pro Patient bei 50
Patienten) wurden 43 (5,7%) von den anschließenden Untersuchungen ausgeschlossen. Gründe für den Ausschluss waren: Bewegungsartefakte, die eine
zuverlässige Beurteilung nicht erlaubten (n=2); starke Kalzifikation in Segmenten, die
eine verlässliche Beurteilung durch die CTA unmöglich machten (n=13); wegen
Verschlusses nicht mit Kontrastmittel gefüllte Segmente (n=9); Segmente, die nicht
angelegt waren (n=12); Segmente, die zwar in der CTA erfasst, aber in der
konventionellen Katheterangiographie (CCA) nicht sichtbar waren (n=4); Segmente,
die zwar in der CCA erfasst, aber in der CTA nicht sichtbar waren (n=3).
Beispiele eines stark kalzifizierten Segments bzw. eines Gefäßverschlusses, die eine
verlässliche Beurteilung der stenosierenden Gefäße unmöglich macht, zeigen
Abbildung 8 und 9.
3. Ergebnisse
33
Abbildung 8: 54-jähriger männlicher Patient mit symptomatischer KHK: Starke
Kalzifikationen des proximalen Abschnitts der rechten koronaren Arterie (Pfeile)
machen eine Beurteilung der Lumeneinengung des Gefäßes unmöglich.
3. Ergebnisse
34
Abbildung 9: 58-jähriger Patient mit kompletten Verschluss des distalen Segments
des RCX: Die Segmente distal des Verschlusses können nicht mit Kontrastmittel
angereichert werden. Somit ist eine Beurteilung der Segmente distal des Verschlusses unmöglich.
3. Ergebnisse
3.1
35
Reliabilität der patientenbasierten Ergebnisse der klinischen Befunde
In der Kontingenztafel ist der Vergleich der Methoden dargestellt. Die Maße für
Übereinstimmung (κ) und Konsistenz (McNemar-Test) sind ebenfalls der Tabelle 5
zu entnehmen.
Tabelle 5: Kontingenztafel zur Untersuchung der Reliabilität für summarische Befund
über alle Segmente: CTA vs. CCA mit Angabe des Zusammenhangsmaßes κ sowie
des Ergebnisses des McNemar-Tests (p-Wert).
κ=0,558
CCA, sum. Befund
McNemar-Test: p=0,625
CTA, sum.
1
Befund
2
Summe
1
Summe
2
n
3
1
4
%
50.0%
2.3%
8.0%
n
3
43
46
%
50.0%
97.7%
92.0%
n
6
44
50
%
100.0%
100.0%
100.0%
3. Ergebnisse
36
3.1.1 Bewertung der patientenbasierten Reliabilitätsanalyse
Von 44 Patienten mit einer signifikanten KHK (Stenose ≥ 70% des Gefäßlumens in
mindestens einem koronaren Segment in der CCA) wurden 43 von der CTA richtig
erkannt. Drei Befunde wurden in der CTA als signifikante Stenosen klassifiziert,
welche sich in der CCA hingegen als nur geringgradige Stenosen darstellten. Drei
weitere Patienten mit geringgradiger Stenose (< 70% des Gefäßlumens) wurden
sowohl in der CCA als auch in der CTA korrekt erkannt.
Die o.g. Befunde resultieren in einer Patienten-basierten Sensitivität von 97,7%,
einer Spezifität von 50,0%, einem positiven Vorhersagewert von 93,5% und einem
negativen Vorhersagewert von 75,0%. Der McNemar-Test zeigte einen Wahrscheinlichkeitskoeffizienten von p=0,625, und der Korrelationskoeffizient kappa zeigte einen
Wert von 0,558.
3. Ergebnisse
3.2
37
Reliabilität der koronarsegmentbasierten Ergebnisse bzgl. klinischer
Befunde
Segment CT
A=0 A=1
kappa/N
1 CT=0
36
1 κ
0,726
CT=1
3
7 N
47
2 CT=0
36
0 κ
0,862
CT=1
2
8 N
46
3 CT=0
41
1 κ
0,776
CT=1
1
4 N
47
4 CT=0
42
2 κ
0,646
CT=1
0
2 N
46
5 CT=0
47
0 κ
-
CT=1
3
0 N
50
6 CT=0
25
0 κ
0,877
CT=1
3
21 N
49
7 CT=0
19
2 κ
0,613
CT=1
7
18 N
46
8 CT=0
39
2 κ
0,763
CT=1
1
6 N
48
9 CT=0
42
0 κ
0,378
CT=1
3
1 N
46
10 CT=0
41
1 κ
0,643
CT=1
1
2 N
45
11 CT=0
45
0 κ
0,73
CT=1
2
3 N
50
12 CT=0
43
0 κ
0,789
CT=1
1
2 N
46
13 CT=0
33
3 κ
0,757
weisen Ergebnisse für die Reliabilitätsuntersu-
CT=1
2
12 N
50
chung CTA vs. CCA: Die Tabelle enthält in
14 CT=0
41
1 κ
0,845
Spalten 3 und 4 die segmentweisen 4-Felder-
CT=1
0
3 N
45
Tafeln. In Spalte 6 ist das segmentbezogene κ
15 CT=0
40
1 κ
0,911
sowie die zugrunde liegende Fallzahl angege-
CT=1
0
6 N
47
Tabelle 6:
ben.
Zusammenstellung der segment-
3. Ergebnisse
Tabelle 7:
38
Median der κ-Werte aus der vorhergehenden Tabelle: Der Median der
Kappa-Werte inkl. Angabe des Minimums und des Maximums zur Beschreibung des
Bereiches der κ-Werte.
κ
Med
0,757
Min
0,378
Max
0,911
3.2.1 Bewertung der segmentbasierten Reliabilitätsanalyse
Insgesamt wurden in der konventionellen Katheterangiographie (CCA) 109
signifikante Stenosen (≥ 70%) erkannt. Die Verteilung der Stenosen betreffend der
einzelnen koronaren Gefäße ist in Tabelle 8 dargestellt. Im Stamm der linken
Koronararterie wurden keine signifikanten Stenosen diagnostiziert.
Tabelle 8: Gefäßbezogene Verteilung der signifikanten Stenosen: In der konventionellen Katheterangiographie wurden109 signifikante Stenosen erkannt.
Anzahl der
Arterielles Gefäß
Stenosen
LAD
25 (22.9%)
RCX
53 (48.6%)
RCA
31 (28.5%)
Von diesen 109 durch die CCA befundeten Stenosen ≥ 70% wurden 95 korrekt durch
die CTA erkannt (Bsp. Abbildung 10, a-e).
3. Ergebnisse
39
a
b
c
e
d
Abbildung 10: 63-jähriger Patient mit Dyspnoebeschwerden bei Exazerbation:
Individuell angepasste multiplanare Darstellungen in verschiedenen Ebenen (MPR)
zeigen eine softe Plaque in der LAD. Hieraus resultiert eine hochgradige Einengung
des Lumens (a+b: longitudinale Ebene, c+d: orthogonale Ebene, e: gekrümmte
multiplanare Rekonstruktion [MPR]). Der Befund wurde durch die konventionelle
Katheterangiographie bestätigt. Anschließend wurde eine Angioplastik mit StentEinsatz durchgeführt (s. Abbildung 11).
3. Ergebnisse
40
Abbildung 11: Angioplastik mit Stent-Einsatz: Hierbei werden stenosierte Koronarsegmente mit Hilfe eines Ballonkatheters aufgedehnt und anschießend mit einem
Stent stabilisiert.
Die 14 verbleibenden Segmente wurden in der Computertomographie-Angiographie
(CTA) als Stenosen <70% des Gefäßlumens klassifiziert. 29 Segmente wurden in der
CTA als hämodynamisch relevante Stenosen überbewertet. Diese Segmente zeigten
sich in der CCA jedoch als nicht-signifikante Stenosen. 394 Segmente wurden in der
CTA korrekt als nichtsignifikante Stenose oder abnorme Wandveränderung
beschrieben. In 114 Segmenten wurden keine Anzeichen einer Wandveränderung im
Rahmen einer KHK gefunden (Tabelle 9). Die segment-basierte Analyse zeigte eine
Sensitivität von 86,6%, eine Spezifität von 95,7%, einen positiven Vorhersagewert
3. Ergebnisse
41
von 76,6% und einen negativen Vorhersagewert von 97,8%. Der Korrelationskoeffizient kappa zeigte einen Wert von 0,757.
Tabelle 9: Vergleich der Beurteilung der Koronarsegmente: In dieser Tabelle werden
die unabhängig voneinander erhobenen Befunde von CCA und CTA gegenübergestellt.
keine Stenose
Stenose <70%
Stenose ≥70%
Total
keine Stenose
114
28
0
142
Stenose <70%
33
394
14
441
Stenose ≥70%
0
29
95
124
Total
147
451
109
707
CTA
CCA
Segmentweise Übereinstimmung (kappa)
1
0,9
0,8
0,7
kappa
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
S1
S2
S3
S4
S5
S6
S7
S8
S9
S10 S11
S12 S13 S14 S15
Segment
kappa (CTA vs. CCA)
Abbildung 12: Übersichtsdarstellung der segmentweisen κ-Werte für die Reliabilitätsanalyse CTA vs. CCA.
3. Ergebnisse
3.3
42
Analyse koronarsegmentbasierter Ergebnisse bzgl. der Befunde die zum
Ausschluss der betroffenen Segmente führen
Hierfür wurden die Daten so aufbereitet, dass eine Tabelle mit 4 Spalten (Patient,
Methode, Segment, Befund) entstand.
Per Filter wurden dann die Befunde zusammengestellt. Folgende Kriterien führten
zum Ausschluss von insgesamt 43 Segmenten:
Tabelle 10: Limitationen, die zum Ausschluss von Segmenten führen: Bewegungsartefakte, starke Kalzifikation, proximale Verschlüsse oder nichtangelegte Gefäße
machen eine valide Beurteilung der betroffenen Segmente unmöglich.
Abk.
Erläuterung
b
Bewegungsartefakte, daher nicht beurteilbar
k
viel Kalk, daher nicht beurteilbar
v
weiter proximal verschlossen, daher nicht
nachweisbar
x
nicht angelegt, daher nicht beurteilbar
o
nur in der CCA oder der CTA sichtbar, daher nicht
beurteilbar
3. Ergebnisse
43
3.3.1 Bewegungsartefakte
Bewegungsartefakte betrafen einen Patienten (Nr. 33) und wurden in 2 Segmenten
im CT gefunden.
Tabelle 11: Befunde für Bewegungsartefakte: Eine bekannte Limitation der CTgestützten koronaren Angiographie stellen Bewegungsartefakte dar. Durch die Gabe
von Beta-Blockern kann diese Limitation minimiert werden.
Patient
Methode
Segment
33
CTA
2
33
CTA
3
3.3.2 Verkalkung der Koronargefäße
Starke Verkalkungen von Koronarsegmenten ergaben sich insgesamt 13-mal. Es
sind häufig benachbarte Segmente betroffen, wobei sich diese Befunde wie folgt auf
die Segmente verteilen.
Tabelle 12: Verteilung von Kalzifikationen bzgl. der Segmente und der Methoden:
Starke Kalzifikationen lassen keine valide Aussage über das betroffene Segment zu.
Segment
CTA
1
2
2
2
6
1
7
4
9
2
12
1
15
1
3. Ergebnisse
44
3.3.3 Segmentverschluss proximal
Dieser Befund betraf 2 Patienten (24 und 38). Es sind jeweils nachgeschaltete
Segmente betroffen.
Tabelle 13: Einzelbefunde für einen proximalen Verschluss eines Koronarsegmentes: Ein wegen proximalen Verschlusses nicht mit Kontrastmittel gefülltes Segment
macht eine Befundung unmöglich.
Patient
Methode
Segment
24 CTA
6
24 CTA
7
24 CTA
8
24 CTA
9
24 CTA
10
48 CTA
14
48 CCA
14
48 CTA
15
48 CCA
15
3. Ergebnisse
45
3.3.4 Koronargefäß nicht angelegt
Es gab 12 Befunde „Gefäß nicht angelegt“, die sich wie folgt auf die Segmente und
Methoden verteilten.
Tabelle 14: Befunde für nicht angelegte Gefäße: Diese Segmente wurden
übereinstimmend weder in der CCA noch in der CTA gefunden.
Segment
CCA /CTA
4
3
9
1
10
1
12
2
14
2
15
3
3.3.5 Segmente, die nur in der CCA oder der CTA sichtbar waren
Es wurden 7 Segmente gefunden, die jeweils nur in einer der Untersuchungsmethoden sichtbar waren und somit keinen Vergleich zuließen.
4 Segmente wurden zwar in der CT–Koronarangiographie erfasst, waren aber in der
konventionellen Katheterangiographie nicht sichtbar. Weitere 3 Segmente, wurden
zwar in der CCA erfasst, waren aber in der CTA nicht sichtbar.
3. Ergebnisse
3.4
46
Betrachtung der diagnostischen Güte der Methoden
Die diagnostische Güte wird durch Sensitivität und Spezifität beschrieben. Hierbei
wird patientenweise jedes Ergebnis der CT dem entsprechenden Ergebnis für die
Angiographie (Goldstandard) gegenübergestellt.
Es können sich die in der folgenden Tabelle angegebenen Kombinationen ergeben,
die für jeden Befund berechnet werden. Hieraus ergeben sich 5 Bewertungen:
Richtig positiv (TP), falsch positiv (FP), richtig negativ (TN), falsch negativ (FN) und
nicht definiert (ND). Aus TP, FP, TN und FN werden Sensitivität und Spezifität sowie
die Konfidenzintervalle (KI) berechnet. Die Befunde, die keinen Rückschluss auf die
diagnostische Zielstellung zulassen („Buchstabe“), gehen nicht in die Bewertung ein
(Angabe als ND: nicht definiert).
3. Ergebnisse
47
Tabelle 15: Betrachtung der diagnostischen Güte: Vorgehen zur Ermittlung der
richtig positiven (TP), richtig negativen (TN), falsch positiven (FP) und falsch
negativen (FN) Befunde. ND – nicht definiert.
Zu untersuchende
Goldstandard
Wertung
0
0
TN
0
1
TN
0
2
FN
0
alle Buchstaben oder
ND
Methode
fehlend
1
0
TN
1
1
TN
1
2
FN
1
alle Buchstaben oder
ND
fehlend
2
0
FP
2
1
FP
2
2
TP
2
alle Buchstaben oder
ND
fehlend
alle Buchstaben oder
0
ND
1
ND
2
ND
alle Buchstaben oder
alle Buchstaben oder
ND
fehlend
fehlend
fehlend
alle Buchstaben oder
fehlend
alle Buchstaben oder
fehlend
3. Ergebnisse
48
Es lassen sich somit methodenweise für jedes Segment Sensitivität und Spezifität
berechnen.
Außerdem werden die Summationen über alle Segmente (Verknüpfung über
„nichtausschließliches
ODER“, das ist die bisherige Art der Untersuchung) in
gleicher Weise untersucht. Dabei wird nicht zwischen positiven Befunden bei
demselben bzw. unterschiedlichen Patienten unterschieden.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 16 zusammengestellt. Für eine bessere Übersichtlichkeit werden außerdem noch die Mediane über alle Segmente innerhalb einer
Methode, zzgl. Minimum und Maximum, berechnet.
Durch diese Betrachtung ist z.T. die Fallzahl je Segment < als 50, da alle NDBefunde bei Berechnung von TP, FP, FN, TN und damit in die Berechnung von
Sensitivität und Spezifität nicht einbezogen werden.
In Tabelle 16 wurde die Abkürzung „alle“ für die Summation der Patientenbefunde
gewählt. Dieses trifft zu, wenn „positiver Befund in mindestens einem der Segmente“
vorliegt.
3. Ergebnisse
49
Tabelle 16: Ergebnistabelle für die Sensitivität und Spezifität der CTA -Ergebnisse:
Außerdem Angabe der Mediane sowie Minima und Maxima, berechnet über die
Segmente mit Angabe der unteren (u) und oberen (o) Grenzen der 95%Konfidenzintervalle (KI).
CCA
95%-Gr. KI (o)
95%-Gr. KI (u)
Spezifität
95%-Gr. KI (o)
95%-Gr. KI (u)
Sensitivität
Segment
1
87,5
47,3
99,7
92,3
79,1
98,4
2
100,0
63,1
100,0
94,7
82,3
99,4
3
80,0
28,4
99,5
97,6
87,4
99,9
4
50,0
6,8
93,2
100,0
91,6
100,0
94,0
83,5
98,7
5
6
100,0
83,9
100,0
89,3
71,8
97,7
7
90,0
68,3
98,8
73,1
52,2
88,4
8
75,0
34,9
96,8
97,5
86,8
99,9
9
100,0
2,5
100,0
93,3
81,7
98,6
10
66,7
9,4
99,2
97,6
87,4
99,9
11
100,0
29,2
100,0
95,7
85,5
99,5
12
100,0
15,8
100,0
97,7
88,0
99,9
13
80,0
51,9
95,7
94,3
80,8
99,3
14
75,0
19,4
99,4
100,0
91,4
100,0
15
85,7
42,1
99,6
100,0
91,2
100,0
97,7
88,0
99,9
50,0
11,8
88,2
alle
Sensitivität
Spezifität
Median
86,6
Median
95,7
Minimum
50,0
Minimum
73,1
Maximum
100,0
Maximum
100,0
4. Diskussion
50
4 Diskussion
4.1
Diskussion der Ergebnisse
Frühere Studien durch 4- bzw. 16-Schicht-CT-Geräte ließen bereits deutliche
Verbesserungen bei der Detektion von signifikanten Stenosen in den Koronargefäßen erkennen. Während die 4-Zeilen-Computertomographie noch stark durch eine
geringe zeitliche und räumliche Auflösung limitiert wurde111,112, zeigte bereits die 16Zeilen-Computertomographie eine deutliche Steigerung in der diagnostischen
Präzision bei der Beurteilung der koronaren Stenosen. Die Sensitivität lag zwischen
72% und 95% und die Spezifität zwischen 86% und 98%14, 72-74, 102-104, 113.
Die vorliegende Studie zeigt, dass die Anzahl an stenosierenden Segmenten in den
koronaren Gefäßen, die man mittels der weiterentwickelten MSCT-Technologie
eruieren kann, im Vergleich zu den oben genannten Studien, nochmals stark
zugenommen hat. Dies ist das Resultat aus den immer schneller werdenden
Rotationszeiten und der Fähigkeit zur Schichterfassung im Submillimeter-Bereich der
neuesten 64-Schicht-Computertomographie. Alle 15 nach AHA klassifizierten,
koronaren Segmente konnten in unserer Studie untersucht werden.
Trotzdem machen starke Kalzifikationen der Segmente, die zu Kalziumverschleierung und Unschärfe führen, eine valide Aussage über die Einengung des Gefäßlumens unmöglich und stellen nach wie vor eine bekannte Limitation der CTA dar70.
Diese Tatsache führte zum Ausschluss von 2% der in dieser Studie untersuchten
koronaren Segmente.
Auch Bewegungsartefakte stellen eine Einschränkung in der Beurteilung der
Gefäßabschnitte dar und resultieren in einem Ausschluss der betroffenen Segmente.
In der hier vorliegenden Studie mussten allerdings nur zwei Segmente aufgrund von
Bewegungsartefakten in der CTA ausgeschlossen werden.
Gründe für diesen Umstand liegen zum einen sicherlich in der strikten Patientenselektion unter Ausschluss aller Patienten mit jeglicher Form von Arrhythmie, zum
anderen in der Gabe von Beta-Blockern an Patienten mit einer initialen Herzfrequenz
über 70 Schlägen pro Minute. Zusätzlich sorgte eine durchschnittlich relativ niedrige
4. Diskussion
51
Herzfrequenz von 61 Schlägen pro Minute und die Verwendung der neuesten
Technik im Bereich der Mehrschicht-Computertomographie für eine relevante
Reduktion von Bewegungsartefakten.
Wie eingangs der Diskussion erwähnt, wurde in den vergangen Jahren die
verbesserte diagnostische Präzision der MSCT in der Erkennung von signifikanten
koronaren Stenosen bereits von verschiedenen Forschungsgruppen beschrieben. Mit
den ersten 16-Zeilen-MSCT-Geräten waren Ropers et al. sowie Nieman et al.14,113 in
der Lage, relativ hohe Werte für Sensitivität (92% und 95%) als auch für Spezifität
(93% und 86%) zu erreichen. Allerdings wurden von ihnen nur Segmente mit einem
Durchmesser von > 2 mm (Nieman et al.) und > 1.5 mm (Ropers et al.) untersucht.
Neuere Untersuchungen (Kuettner et al.) mit 16-Schicht-CT-Scannern mussten
aufgrund der kürzeren Rotationzeit und somit verbesserten zeitlichen Auflösung nur
7% der meist distalen Segmente oder kleinere Äste ausschliessen104. In aktuellen
Studien von Leschka et al. sowie Mollet et al. wurden unter Verwendung eines 64Schicht-CT-Scanners alle koronaren Segmente in die Analyse mit eingeschlossen87,114. Eine beeinträchtigte Bildqualität resultierte hier hauptsächlich durch etwaige
kalzifizierte Plaques und durch Bewegungsartefakte.
In unserer Studie an 50 Patienten, die auf dem Boden ihrer symptomatischen
Erkrankung eine sehr hohe Prävalenz einer signifikanten KHK hatten, zeigte die
Patienten-basierte Analyse eine hohe Sensitivität (98%) mit einer geringen Spezifität
(50%) sowie einen sehr hohen positiven Vorhersagewert (94%) und einem nur
moderaten negativen Vorhersagewert (75%). Der Patienten-basierte Wahrscheinlichkeitskoeffizient kappa war mit 0.558 ebenfalls als mäßig anzusehen.
Zusätzlich wurde bei allen Patienten, im Anschluss an die computertomographisch
gestützte Angiographie eine konventionelle Katheterangiographie mit potentieller,
sich anschließender Angioplastik und Stent-Implantation durchgeführt; bei klinisch
indizierter weiterer Abklärung durch eine invasive Herzkatheteruntersuchung wies
das Patientenkollektiv eine sehr hohe Vor-Test-Wahrscheinlichkeit für das Bestehen
einer KHK auf. Aufgrund der sehr niedrigen Anzahl an Patienten ohne signifikante
KHK (n=4) sollten die Ergebnisse für die Spezifität und den negativen Vorhersagewert nicht überschätzt werden.
4. Diskussion
52
Die Ergebnisse der Patienten-basierten Analyse ähneln einer schon veröffentlichten
Studie über ein 16-Schichten-CT115. Diese Arbeit von Hofmann et al. ist als
besonders relevant einzustufen, da es die einzige 16-Schichten-CT-Studie ist, in der
alle koronaren Segmente untersucht wurden, ohne die distalen Segmente oder ihre
Marginaläste auszuklammern. Bei Betrachtung der segmentbasierten Sensitivität mit
87% (Hofmann et al. 63%) ist eine relevante Verbesserung der Präzision in der hier
vorliegenden Studie festzustellen.
Unsere segment-basierte Analyse enthält 707 beurteilbare Segmente und spiegelt
mit einer bereits o. g. hohen Sensitivität (87%) und ebenfalls einer hohen Spezifität
(96%), sowie einem moderaten positiven Vorhersagewert (77%) und einem sehr
hohen negativen Vorhersagewert (98%) ähnliche Ergebnisse von schon vorangegangenen Segment-basierten MSCT-Studien wider86,87,105-107. Diese Arbeiten weisen
mit einer Sensitivität von 77%-99% und einer Spezifität von 95%-97% sowie einem
negativen Vorhersagewert von 98%-99% ebenfalls vergleichbare Werte auf. Der
segment-basierte kappa-Wert von 0,757 korreliert ebenfalls mit den Wahrscheinlichkeitskoeffizienten der o.g. Studien.
4. Diskussion
53
Tabelle 17: Vergleich von 64-Zeilen-CTA Untersuchungen: In der dieser Tabelle sind
die Ergebnisse einzelner Studien, welche die 64-Zeilen-CTA mit der konventionellen
Katheterangiographie vergleichen, dargestellt (∗15-Segmente-Modell,•17-SegmenteModell,° 14-Segmente-Modell).
64-Zeilen-CTAStudien
Leber et al.105∗
Patienten
ausg.
Segmente
(%)
Sensitivität
Spezifität
PPV NPV
(%)
(%)
(%)
(%)
59
10
77
97
97
99
70
12
86
95
66
98
67
-
94
97
87
99
52
18
99
95
76
99
35
16
99
96
78
99
84
4
93
97
56
100
72
14
82
94
68
98
66
-
72
99
91
97
69
8
98
86
98
86
JACC ‘05
Raff et al.106∗
JACC ‘05
Leschka et al. 107∗
Eur Heart J ‘05
Mollet et al.86•
Circulation ‘05
Pugliese et al.87 •
Eur Radiol ‘05
Ropers et al.116 •
JACC ‘06
Nikolaou et al. 81 ∗
Am J Roentg ‘06
Ghostine et al.117 ∗
JACC ‘06
Ehara et al. 80 °
JACC ‘06
4. Diskussion
54
Allerdings muss angemerkt werden, dass die differierenden Patientenkollektive und
Untersuchungsprotokolle keinen direkten Vergleich der Ergebnisse zulassen.
Besonders die große Differenz zwischen der durchschnittlichen Herzrate (61-80
Schläge pro Minute), aber auch die schwankenden Rate an Patienten, die vor
Untersuchungsbeginn einen Beta-Blocker appliziert bekamen, machen einen
Direktvergleich der Studien schwierig. Auch der Anteil der von vornherein ausgeschlossenen Patienten sowie der Patienten oder Gefäßsegmente, die während den
Studien als nicht beurteilbar ausgeschlossen werden, variiert je nach Protokoll und
Patientenvorbereitung unterschiedlich stark.
An dieser Stelle muss besonders die Arbeit von Raff et al. hervorgehoben werden,
da sie die einzige 64-Schicht-CT-Studie ist, die ohne den Einsatz von Beta-Blockern
durchgeführt wurde. Raff et al. konnten beeindruckend zeigen, dass auch ohne
Einsatz von Beta-Blockern der erfolgreiche Einsatz der 64-Schichten-CT für die
koronare Diagnostik möglich ist. Allerdings traten hierbei in Abwesenheit eines BetaBlockers vermehrt Bewegungsartefakte auf, die nur eine Beurteilbarkeit von 88% der
koronaren Segmente zuließ. Hieraus lässt sich besonders deutlich die negative
Korrelation zwischen Herzfrequenz und der erreichbaren Bildqualität ableiten. Dieser
Zusammenhang wurde bereits in früheren Publikationen beschrieben10,73,118.
Gleichzeitig wurde eine niedrige Herzfrequenz (von 59 ± 8 Schlägen/min) als
entscheidende Grundvoraussetzung für eine artefaktarme und klinisch verwertbare
CTA genannt.
In der vorliegenden Studie konnten alle nach AHA klassifizierten 15 koronaren
Segmente des Koronarbaumes beurteilt werden und, obwohl weitere Fortschritte in
Bezug auf die diagnostische Präzision zu erkennen sind, muss festgestellt werden,
dass die jüngste Generation von MSCT mit 64-Schichten-Scannern mit einer
Röhrenrotationszeit von 330 ms noch nicht in der Lage sind, die diagnostische CCA
in dieser speziellen Patientenpopulation mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für das
Bestehen einer KHK zu ersetzen.
Die Tatsache, dass von 109 signifikanten Stenosen (≥ 70%) 54 in den proximalen
und medialen Segmenten des RCA bzw. des RIVA erkannt wurden (s. Abbildung 13
und 14), deutet darauf hin, dass sowohl die räumliche Auflösung als auch vor allem
die zeitliche Auflösung der neuesten MSCT-Generation noch nicht ausreichend ist,
um auch Stenosen in den distalen Segmenten adäquat zu identifizieren. Die
4. Diskussion
55
Schwierigkeit der Befundung von peripheren Koronarabschnitten liegt in der
Problematik begründet, dass sie einerseits einen geringeren Durchmesser als die
proximalen Segmente aufweisen, andererseits eine höhere Beweglichkeit gegenüber
den proximalen Koronarästen an der Herzbasis haben, wodurch die Gefäße der
Herzspitze anfälliger für Bewegungsartefakte sind.
Der Wert der Erkennung von stenosierten peripheren Segmenten ist allerdings
fraglich, denn nur in den seltensten Fällen sind diese Stenosen Ausgangspunkt einer
therapeutischen Intervention.
4. Diskussion
56
a
b
c
d
Abbildung 13:
61-jähriger Patient mit
Angina pectoris-Beschwerden: Individuell
adaptierte
multiplanare
Darstellungen
(MPR) (a-d) in verschiedenen Ebenen als
auch in der Katheterangiographie (e)
zeigen eine hochgradige Stenose mit
Einengung des Lumens im proximalen
Abschnitt des RCA.
e
4. Diskussion
57
a
b
c
d
Abbildung 14: 62-jährige Patientin mit KHK-Symptomatik: In den multiplanaren
Darstellungen (MPR) (a-c) in verschiedenen Ebenen lässt sich im proximalen
Segment des RIVA eine intermediäre Plaque darstellen. Im Vergleich dazu die CCA
(d). Hier lässt sich lediglich die Lumeneinengung abgrenzen, nicht aber ihre
Zusammensetzung.
Die Tabelle 5 zeigt, dass
bei einem Patienten mit der CTA die Diagnose einer
relevanten KHK nicht gestellt wurde, bei drei weiteren Patienten führte die CTA zu
einer Überschätzung des Grades der KHK.
Jedoch zeigt ein konstant hoher negativer Vorhersagewert, der auch in anderen
Studien hervorgehoben wurde, die Stärke dieser Untersuchungsmethode auf,
4. Diskussion
58
nämlich den Ausschluss einer stenosierenden KHK in einem definierten Patientenkollektiv14,86,104,113. Wie schon zuvor erwähnt, war die Vor-Test-Wahrscheinlichkeit
unserer Patienten in Bezug auf eine bestehende KHK durch vorherige Selektion
groß. Dies limitiert in der Patienten-basierten Analyse die Aussage über die
Genauigkeit der CTA im Vergleich zu der CCA.
Trotz möglicher ethischer Bedenken werden in Zukunft größere Patientenpopulationen mit einer geringeren Prävalenz in Bezug auf die KHK (z.B. Patienten mit
atypischer Angina pectoris) nötig sein, um die Möglichkeiten der koronaren 64Schicht-CTA in der Erkennung bzw. Risikostratifizierung der KHK und die daraus
resultierende klinische Relevanz dieser Technik aufzuzeigen.
Ferner werden neue Entwicklungen im Bereich der CT-Technik (z.B. Dual-SourceScanner) die zeitliche und räumliche Auflösung in der Herzbildgebung, aber auch in
der Bildnachbearbeitung in Form von MPR- und MIP-Darstellungen, entscheidend
verbessern61.
Für die aktuelle Studie wurde eine örtliche Auflösung von 0.4x0.4x0.4 mm³
verwendet.
Dabei konnte schon jetzt eine signifikante Verbesserung in der
Darstellung der Koronargefäße sowie ihrer Seitenäste im Vergleich zu früheren 16Schicht-CT-Studien festgestellt werden.
Im Vergleich zu anderen Studien konnte in der vorliegenden Arbeit zusätzlich die
Untersuchungsdauer auf 11 Sekunden verringert werden. Das erlaubte eine kurze
Atemanhaltephase und eine Reduktion der injizierten Kontrastmittelmenge. Diese
Reduktion birgt sowohl ökonomischen Nutzen als auch eine Minderung des Risikos
einer reduzierten Nierenfunktion des Patienten durch das nephrotoxische, iodhaltige
Kontrastmittel.
Der aktuelle Stellenwert der MSCT ist zum einen in der KHK-Diagnostik bei
Hochrisiko-Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten, erhöhten Cholesterinwerten oder
Diabetes, bei denen eine konventionelle Katheterangiographie ein hohes Risiko
darstellt, zu suchen. Zum anderen bietet die Mehrschicht-Computertomographie
schon jetzt einen Vorteil gegenüber der CCA bei der Erkennung von nicht stenosierenden, exzentrisch wachsenden Plaques, die ein hohes Rupturrisiko bergen.
4. Diskussion
4.2
59
Limitationen
Durch das retrospektive Studiendesign sowie das symptomatische und relativ kleine
Patientenkollektiv ist der Einfluss eines gewissen Selektionsbias auf das Ergebnis
nicht auszuschließen.
Patienten mit koronaren Stents wurden aus der Studie ausgeschlossen, da bislang
keine gesicherten klinischen Studiendaten bezüglich der Validität der Beurteilung von
Instentstenosen mittels der CTA vorliegen.
Die grösste Limitation der CCA bei der Beurteilung des Schweregrades einer
Stenose liegt in ihrer zwei-dimensionalen Darstellung. Hierbei kann der tatsächliche
Grad der Stenose potentiell unterschätzt werden.
Die Limitationen der MSCT resultieren vor allem aus der systemimmanenten
Strahlenexposition des Patienten und aus der direkten Abhängigkeit der Bildqualität
von der Herzrate. Ein weiterer Nachteil ist die Notwendigkeit einer i.v. Kontrastmittelgabe bei einer CTA. Das Risiko einer durch Kontrastmittel verursachten anaphylaktischen Reaktion bis hin zum Herz-Kreislaufversagen ist heutzutage dank niedrigmolekularer und nichtionisierender Kontrastmittel sehr gering, sollte aber nicht
unterschätzt werden.
Sowohl bei der invasiven Katheterangiographie als auch bei der CT-Koronarangiographie kommt es zu einer Strahlenexposition des Patienten. Allerdings liegt
die Strahlendosis in der CTA, auch mithilfe neuester Techniken zur Dosisreduktion
wie z.B. der EKG-gesteuerte Dosismodulation oder gewichtsadaptiver Untersuchungsprotokolle, über der Strahlenbelastung einer CCA. Während bei einer
konventionellen Katheterangiographie im
Regelfall Expositionen von 2–5 mSV
vorkommen, tritt bei der CT-Koronarangiographie mittels 64-Zeilen-Computertomographie, abhängig von der Röhrenspannung, eine deutlich höhere Strahlenexposition für den Patienten auf119,120.
Hausleiter et al. gaben in ihrer Studie über die Strahlenexposition von Patienten in
koronaren MSCT-Untersuchungen einen Wert zwischen 2–5 mSV für eine
diagnostische Herzkatheteruntersuchung an. In einem direkten Vergleich mit den 16bzw. 64-Zeilen-MSCT-Untersuchungen ermittelten sie bei einer durchschnittlichen
Scanlänge von 125 mm effektive Dosiswerte zwischen 6–14 mSV120 (s. Tabelle 18).
4. Diskussion
60
In einer Studie zur Bestimmung der effektiven Dosis einer diagnostischen Koronarangiographie von Broadhead et al. wurden abhängig von der Art der Intervention
Werte bis zu 9,4 mSv ermittelt 121.
Zusammenfassend lässt sich für die o.g. Studien feststellen, dass die jeweiligen
Ergebnisse sich zwar deutlich voneinander unterscheiden, aber dennoch in allen
genannten Studien die mittlere effektive Dosis einer interventionellen Koronarangiographie unter der Dosis für eine computertomographisch gestützte Angiographie der
Koronarien lag.
Tabelle 18: Strahlenexposition in der Angiographie: Vergleich zwischen der
Strahlenbelastung der konventionellen Koronarangiographie und der koronaren
MSCT (in Abhängigkeit von der Detektoranzahl) [adaptiert nach Hausleiter et al.]120.
Modalität der Untersuchung
Effektive Ganzkörperdosis (mSv)
Konventionelle diagnostische
Koronarangiographie
16-Zeilen-MSCT
16-Zeilen-MSCT
mit Dosismodulation
64-Zeilen-MSCT
2–5 mSv
8–13 mSv
4–6 mSv
6–14 mSv
Eine weitere wesentliche Limitation für die MSCT stellen die schon bereits oben
erwähnten Bewegungsartefakte dar. Bewegungsartefakte resultieren im Wesentlichen aus der rhythmischen Kontraktion des Herzens, sie entstehen aber auch durch
Atembewegungen oder Unruhe des Patienten. Diese Parameter werden allerdings
durch Steigerung des Tischvorschubes sowie einer Erhöhung der GantryRotationsgeschwindigkeit und verbesserten Rekonstruktionsverfahren minimiert.
Die Quantifizierung der Gefäßverengungen sowohl in der CTA als auch in der CCA
erfolgte in Form einer visuellen Abschätzung mit individuell eingestellten Aufnahmen.
Eine quantitative Koronaranalyse kam nicht zum Einsatz.
5. Zusammenfassung und Ausblick
61
5 Zusammenfassung und Ausblick
Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit war es, zu untersuchen, ob mittels minimalinvasiver 64-Schicht-CT-Angiographie koronare Stenosen erkannt und sowohl
qualitativ als auch quantitativ bewertet werden können.
Zusammenfassend konnten wir in unserer Studie zeigen, dass die koronare 64Zeilen-Mehrschichtspiral-Computertomographie eine nicht-invasive Beurteilung aller
koronaren Segmente zulässt und dabei in einem segment-basierten Zusammenhang
in einer Hochrisikogruppe ein großes Maß an Genauigkeit aufweist.
Denoch ist die 64-Zeilen-MSCT in diesem speziellen Patientenkollektiv mit einer
hohen Prävalenz für das Bestehen einer KHK noch nicht in der Lage, die konventionelle invasive Katheterangiographie zu ersetzen. Trotz der signifikanten Verbesserung in der Beurteilung der kardialen Gefäße beeinträchtigen insbesondere
Bewegungsartefakte
und
ausgeprägte
Kalzifikationen
der
Gefäßwände
die
computertomographische Auswertung von Stenosen in den Koronararterien,
besonders in den distalen Segmenten, noch immer sehr stark70.
Zukünftige prospektive Studien sollten darauf abzielen, Patientenpopulationen mit
einer geringen Vor-Test-Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer KHK zu
untersuchen. Hier könnte die CTA eine nützliche Alternative zur invasiven diagnostischen Katheterisation darstellen.
Bei weiterer technischer Entwicklung der Mehrschicht-Spiral-Computertomographie,
mit einer Verbesserung der räumlichen und zeitlichen Auflösung und gleichzeitiger
Verringerung von Strahlenexposition und Kontrastmittemenge darf erwartet werden,
dass die MSCT in Zukunft zusätzlich eine wichtige Rolle bei der diagnostischen
Risikostratifizierung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit spielen wird.
6. Abbildungsverzeichnis
62
6 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Histologisches Präparat einer konzentrischen Koronarsklerose .....3
Abbildung 2:
Herzschema der Koronar-Topographie...........................................4
Abbildung 3:
Prozentualer Anteil der fünf häufigsten Todesursachen bei Männern
und Frauen (modifiziert nach WHO) ...............................................8
Abbildung 4:
Aufnahmeprinzip der Einzeilenspiralcomputertomographie ..........10
Abbildung 5:
Retrospektives EKG-Gating..........................................................14
Abbildung 6:
Der SOMATOM Sensation 64 Cardiac. ........................................23
Abbildung 7:
Klassifikation der Koronarabschnitte nach AHA............................26
Abbildung 8:
54-jähriger männlicher Patient mit symptomatischer KHK. ...........19
Abbildung 9:
58-jähriger Patient mit kompletten Verschluss des distalen
Segments des RCX ......................................................................34
Abbildung 10:
63-jähriger Patient mit Dyspnoebeschwerden bei Exazerbation ...39
Abbildung 11:
Angioplastik mit Stent-Einsatz.......................................................40
Abbildung 12:
Übersichtsdarstellung der segmentweisen κ-Werte für die
Reliabilitätsanalyse CTA vs. CCA .................................................41
Abbildung 13:
61-jähriger Patient mit Angina pectoris-Beschwerden ..................56
Abbildung 14:
62-jährige Patientin mit KHK-Symptomatik. ..................................57
7. Tabellenverzeichnis
63
7 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Risikofaktoren für die Arteriosklerose (adaptiert nach Meyer) ........7
Tabelle 2:
Koronare Segmenteinteilung ........................................................27
Tabelle 3:
Befundungskriterien für die koronaren Segmente.........................28
Tabelle 4:
Bewertung von κ. ..........................................................................30
Tabelle 5:
Kontingenztafel zur Untersuchung der Reliabilität für summarische
Befund über alle Segmente ..........................................................35
Tabelle 6:
Zusammenstellung der segmentweisen Ergebnisse für die
Reliabilitätsuntersuchung CTA vs. CCA........................................37
Tabelle 7:
Median der κ-Werte aus der vorhergehenden Tabelle..................38
Tabelle 8:
Gefäßbezogene Verteilung der signifikanten Stenosen ................38
Tabelle 9:
Vergleich der Beurteilung der Koronarsegmente ..........................41
Tabelle 10:
Limitationen, die zum Ausschluss von Segmenten führen............42
Tabelle 11:
Befunde für Bewegungsartefakte..................................................43
Tabelle 12:
Verteilung von Kalzifikationen bzgl. der Segmente und der
Methoden......................................................................................43
Tabelle 13:
Einzelbefunde für einen proximalen Verschluss eines
Koronarsegmentes........................................................................44
Tabelle 14:
Befunde für nicht angelegte Gefäße .............................................45
Tabelle 15:
Betrachtung der diagnostischen Güte...........................................47
Tabelle 16:
Ergebnistabelle für die Sensitivität und Spezifität der CTA Ergebnisse ....................................................................................49
Tabelle 17:
Vergleich von 64-Zeilen-CTA Untersuchungen.............................53
Tabelle 18:
Strahlenexposition in der Angiographie ........................................60
8. Abkürzungsverzeichnis
8 Abkürzungsverzeichnis
3D
Dreidimensional
A
(Konventionelle Koronar-) Angiographie
AHA
American Heart Association
ATP
Adenosintriphosphat
bpm
beats per minute
Bsp.
Beispiel
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CCA
Konventionelle Katheterangiographie
CT
Computertomographie
CTA
Computertomographische Angiographie
CTDIw
Gewichteter CT-Dosis-Index
DSCT
Dual-Source-Computertomographie
EBCT
Elektronenstrahl-Computertomographie
EKG
Elektrokardiogramm
et al.
und andere
FN
False Negative
FP
False Positive
G
Größe (der Kanüle)
HDL
High density lipoprotein
HU
Hounsfield-Einheiten
inkl.
inklusiv
KHK
Koronare Herzkrankheit
KI
Konfidenzintervall
64
8. Abkürzungsverzeichnis
kV
Kilovolt
LCA
A. coronaria sinistra
mAseff
Milli-Ampere-Sekunde (Stromstärke-Zeit-Produkt)
mg
Milligramm
mGy
Milligray
MIP
Maximum Intensitäts Projektionen
ml
Milliliter
mm
Millimeter
mm²
Quadratmillimeter
mm³
Kubikmillimeter
mmol/l
Millimol / Liter
MPR
Multiplanare Rekonstruktionen
MRT
Magnetresonanztomographie
ms
Millisekunde
MSCT
Mehrschicht-Spiral-Computertomographie
mSv
Millisievert
n
Numerus
ND
Non Defined
NPV
Negativer Vorhersagewert
o.g.
oben genannt
PPV
Positiver Vorhersagewert
PROCAM
Prospective Cardiovascular Münster Study
PTCA
Perkutane transluminale koronare Angioplastie
RCA
A. coronaria dextra
RCX
Ramus circumflexus
RIVA/ LAD
Ramus interventricularis anterior
RR
Riva-Rocci
S
Segment
65
8. Abkürzungsverzeichnis
s.o.
siehe oben
sog.
sogenannt
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
TN
True Negative
TP
True Positive
URL
Uniform Resource Locator
USA
United States of America
vs.
versus
WHO
World Health Organisation
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
z-Achse
Körperlängsachse
zzgl.
zuzüglich
κ
Kappa-Koeffizient
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10. Danksagung
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10 Danksagung
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. med. Rolf W. Günther für die Möglichkeit, diese Arbeit
an seinem Institut anzufertigen.
Herrn Prof. Dr. med. Andreas H. Mahnken möchte ich für die Überlassung des
Themas und die hervorragende Betreuung während der gesamten Zeit bis zur
Fertigstellung dieser Arbeit danken.
Ich danke auch Herrn PD Dr. med. Georg Mühlenbruch, der ein kompetenter, immer
ansprechbarer, hilfsbereiter und sehr freundlicher Betreuer meiner Arbeit war und mir
mit viel Leidenschaft und Engagement die Materie näher gebracht hat.
Danken möchte ich auch den Mitarbeitern des Institutes für Klinische Radiologie des
Universitätsklinikums Aachen für die gute Zusammenarbeit und die stets kompetente
Unterstützung.
Ich bedanke mich ebenfalls bei Frau Dr. rer. medic. Nicole Heussen für die
Betreuung der statistischen Ausarbeitung der Daten.
Herrn Dr. med. Alberto Perez-Bouza danke ich für die freundliche Überlassung der
Abbildung 1: Histologisches Präparat einer konzentrischen Koronarsklerose.
Ganz besonders möchte ich meinen Eltern dafür danken, dass sie mir das Studium
der Humanmedizin ermöglicht und mich immer mit viel Liebe und Verständnis
unterstützt haben.
Schließlich danke ich meiner Frau Antonina und unserer Tochter Helena, die mich
mit ihrer Liebe stets begleitet und motiviert haben.
11. Erklärung zur Datenaufbewahrung
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11 Erklärung zur Datenaufbewahrung
Hiermit erkläre ich, dass die dieser Dissertation zu Grunde liegenden Originaldaten
bei mir,
Michael Au, Roderbruchstr. 16, 30655 Hannover
hinterlegt sind.