40. BFLK Jahrestagung vom 13. bis 15. April 2015 Psychiatrische Pflege braucht...! Das Psychiatrische Krankenhaus in Gegenwart und Zukunft – Bettenproblem oder Dienstleistungsherausforderung? Care Management am Beispiel Home Treatment Michael Theune 1.Vorsitzender BAPP e.V. Der Weg zum Thema Die deutsche Psychiatrielandschaft im Umbruch… Megatrends… Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung begrenzte Budgets (Zwang zur Wirtschaftlichkeit > Prädikt der Ökonomie) unmittelbarer Zusammenhang Leistungsportfolio und Stellenschlüssel Stichwort PEPP, Abschaffung Psych PV 2019 Kostenträger und Leistungsabgrenzungen SGB V, SGB XI, SGB IX, SGB XII, etc. (Stichwort „Verschiebebahnhof“) Individualisierung der Gesellschaft (der Staat gibt Verantwortung zurück) Mehr Eigenverantwortung der „mündigen Bürger“ – „informierter Patient“ Übertragung von Versorgungslast auf gemeindenahe Strukturen Postulat „Ambulant vor stationär“ … … Paradigmenwechsel beim Verständnis von „Krankheit“ Pathogenese zu Salutogenese (Positivismus vs. Naturalismus / Konstruktivismus) Ursache Wirkungsansatz vs. multifaktoriellem „Lebenswelt“ - Bezug Akademisierung der Pflegeberufe Ausdifferenzierung bei Kompetenzen und Aufgabenstellungen Öffentlicher Diskurs über Kompetenzübertragung / Professionalisierung der Pflege Multiprofessionelle Behandlungskonzepte Neudefinition der Berufsrolle Pflege … Mündige Patienten und deren Vertretungen Forderung nach Mitsprache bei der Versorgungsplanung Tatsächliche Mitwirkung bei Rahmensetzungen (z.B. GBA oder soz.-politischen Kommissionen Formulierung von Ansprüchen und Systemkritik / Öffentlichkeitsarbeit (Exkurs?) Merkmale Profession (= Beruf mit „besonderem Status“) (Merkmalstheoretische Professionstheorie) 4 Organisation in einem Berufsverband Berufliche Selbstregulation / berufliche Selbstkontrolle Bestimmen über Ausbildungszugang und Ausbildungs-Inhalte (akademische) „besondere Wissensbasis“ / „Wissenskorpus“ = Theoriebasiert- wissenschaftlich Existenz einer Berufsethik / Kodizes (z.B. Hippokratischer Eid) Gemeinwohlorientierung „Asymmetrische Beziehung“ zw. Anbieter und Nutzer Handlungsautonomie Mit „Unsicherheit“ hantierende Arbeit (heilen, trostgebenden, krankenversorgenden, streitenden Inhalten) welche klassische Professionen gibt es ? „Besonderes Verhältnis“ zum Staat vgl. Theune DGPPN 22.11.2014 „Das Problem mit den Betten…“ Die Betten machen das Krankenhaus … An den Betten hängen die Stellen aller Mitarbeiter Der Wettbewerb um Anteile wird auf die Berufsgruppen und Abteilungen übertragen PEPP erhöht den Druck auf die Ressource Bett pauschalierte – entgeltbezogene Diagnose – Behandlungs- (Bett) Zeitkoppelung Die Betten reichen nie aus Die Betten allein machen noch keine „gute“ Behandlung möglich Die Herausforderungen … Die DGPPN zur Versorgungsforschung… Zu den Erfolgen der Psychiatriereformen zählen u.a. der flächendeckende Aufbau von Tageskliniken und Institutsambulanzen sowie der Ausbau des ambulanten Versorgungsangebots, etwa mit sozialpsychiatrischen Diensten, Wohngemeinschaften, Tagesstätten und arbeitsrehabilitativen Maßnahmen. In den Kliniken führte die Psychiatrie Personalverordnung (PsychPV) zu einer erheblichen Verbesserung der qualifizierten Personalausstattung. Die Verkürzung der stationären Aufenthalte von durchschnittlich 65 Tagen 1991 auf 23 Tage 2008 führte zu einer Verringerung der Bettenzahl in den psychiatrischen Krankenhäusern. Trotz dieser positiven Entwicklung in der ambulant komplementären Versorgung ist die Wiederaufnahmerate in den Kliniken deutlich angestiegen. Ebenso wichtig ist eine umfassende Analyse für eine zielgerichtete Bedarfsplanung und Umstrukturierung der psychiatrischen Versorgung. […] Auch betreibt sie [die DGPPN] seit 2008 in Kooperation mit den Ersatzkassen ein von der Bundesärztekammer gefördertes Forschungsprojekt [71 KB; PDF], um eine bundesweite Analyse der Inanspruchnahme von Leistungen bei mehr als 20 Millionen Versicherten im Bereich der psychischen Störungen durchzuführen. (vgl. DGPPN https://www.dgppn.de/schwerpunkte/versorgung.html [30.03.2015] etwas Statistik … … Entwicklung Fallzahlen vollstationär und Entwicklung Leistungsdaten in psychiatrischen Kliniken Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage …durchschnittliche Verweildauern in Tagen… Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage 21 Tage …Entwicklung Facharzt-Zahlen …Verteilung stationär vs. ambulant …(2010) Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage … Entwicklung Fallzahlen bei niedergelassenen Psychiatern… Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage …Entwicklung Anzahl ambulant tätige Fachärzte …Entwicklung Krankenhausfälle psychiatrische Störungen… Cave: keine Zahlen für Pflege Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage „eigentlich alles gut oder ? 01.09.2014 … 2009 …Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeiten… …AU´s durch psychische Erkrankungen … Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage …Hochrechnung WHO Burden (Belastung) of desease 2030… Quelle: Psychiatrie 2020 plus DGPPN (2012) Perspektiven, Chancen und Herausforderungen 2., aktualisierte Auflage Mit 34 farbigen Abbildungen Home Treatment als Lösungsansatz ? Das Konzept Home Treatment (HT) Abgrenzung vom Assertive Community Treatment (ACT) zum Home Treatment (HT) ACT HT Strukturmerkmale: Strukturmerkmale: • Aufsuchende, langfristige und hochfrequente • Aufsuchende, kurzfristige Krisenintervention im Behandlung im Lebensumfeld des Patienten • Behandlung hinsichtlich aller gesundheitlichen und sozialen Aspekte durch das ACT Team • Multiprofessionelles Team • Niedrige Behandler / Patienten-Ration (1:10 bis 1:20) • Team übernimmt Home Treatment (HT) und Lebensumfeld des Patienten • Multiprofessionelles Team • 24 stündige Erreichbarkeit / 365 Tage im Jahr • Beendigung der Intervention nach Ende der Krise Keine weitere ambulante Anschluss Behandlung im HT Case Management (CM) Funktionen [integrativ] • 24 stündige Erreichbarkeit / 365 Tage im Jahr • Sofortige und langfristige Krisenintervention zur Vermeidung und Behandlung von Rückfällen • „No drop-out policy“ (= Abbruch der Behandlung soll vermieden werden) gemeinsam unterschied Finanzierung Home Treatment aber wie ? IV, PIA, PEPP + … ... Finanzierung der Modelprojekte IV ! PEPP ! PIA ! Weitere Optionen Modelprojekte nach § 63 b SGB V z.B. Regionale Budgets (Zentrum für psychosoziale Medizin Itzehoe) Zentrum für psychosoziale Medizin Itzehoe Quelle: http://www.gemeindenahe-psychiatrie-rlp.de/sites/default/files/files/pdf/deister_regionalbudget.pdf Regionales Budget, wie geht das ? Quelle: http://www.gemeindenahe-psychiatrie-rlp.de/sites/default/files/files/pdf/deister_regionalbudget.pdf … was braucht es noch ? … Care und Case Management Case Management (CM) als Koordinator auf der System- und der Fall Ebene Case Management ist eine Verfahrensweise in Humandiensten und ihrer Organisation zu dem Zweck, bedarfsentsprechend im Einzelfall eine nötige Unterstützung, Behandlung, Begleitung, Förderung und Versorgung von Menschen angemessen zu bewerkstelligen. Der Handlungsansatz ist zugleich ein Programm, nach dem Leistungsprozesse in einem System der Versorgung und in einzelnen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens effektiv und effizient gesteuert werden können. (vgl. http://www.dgcc.de/case-management/ ) Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management DGCC Grundsätzlich soll Case Management in einem von Desintegration und Diskontinuität geprägten, hochkomplexen Gesundheitssystem, die Versorgung der Patienten Sektor- und schnittstellenübergreifend organisieren, koordinieren und überwachen. Vernetzung mal bildlich … Niedergel. Arztpraxis Die psychiatrische Klinik als Versorgungs-Dienstleister Home Treatment Team Ambulante Pflege APP PIA´s SPD i IVD etc. Was sagen die Psychiatrieerfahrenen ? Warum uns Hometreatment wichtig ist.. “Der Motor unseres Engagements ist die feste Überzeugung, dass Hometreatment die Behandlungsqualität und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Das ist unsere größte Motivation in dieser Sache“ (Höflacher,R. 2013:26, Jahresbericht). Rainer Höflacher Geschäftsführer Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden Württemberg LVPEBW e.V Was sagt die Forschung ? Reduktion stationärer Aufnahmen während der akuten Krankheitsphase, Reduzierung stationäre Behandlungszeiten Verringerung künftiger stationärer Aufnahmen, Senkung des Risikos eines Behandlungsabbruchs Behandlungszufriedenheit bei Patienten und Angehörigen erhöht, Verringerung des Belastungserlebens bei den Angehörigen Kosteneffektiv im britischen Gesundheitssystem Befürchtungen des Anstiegs der Suizid- und Mortalitätsrate nicht bestätigt Kein Hinweis auf eine stärkere Belastung der Angehörigen Unkooperative Patienten, die sich selbst vernachlässigten bzw. gefährdeten Zeitliches Auftreten der Krise (außerhalb gewöhnlicher Sprechzeiten, verbunden mit Vorstellung in Notfallambulanz) Jüngeren Patienten (ambulante Behandlung muss besonders intensiv und strukturiert durchgeführt werden) Fehlende intensive Vernetzung mit den traditionellen, in die Akutbehandlung einbezogenen Institutionen (psychiatrische Kliniken, Ambulanzen, niedergelassene Psychiater (vgl. Weißflog 2015 zitiert nach Gühne, U. et al. 2011 ) Zurück zur Eingangsfrage … Psychiatrische Pflege braucht...! „Das Psychiatrische Krankenhaus in Gegenwart und Zukunft – Bettenproblem oder Dienstleistungsherausforderung?“ …Ein neues, erweitertes Verständnis psychiatrisch pflegerischen Handelns Pflegerische Kompetenzen reichen über medizinische Behandlungspflege hinaus Eigene Aufgaben im Verständnis des Lebensweltbezuges erschließen, beschreiben, begründen und beforschen Haltungen wie Recovery adaptieren Konzepte wie shared decision making und Empowerment weiterentwickeln …Ausrichtung des Handelns auf systemische Zusammenhänge Die Station ist nicht allein mögliches Zentrum der psychiatrischen Behandlung sondern Kompensationsrahmen einer Ausnahmesituation im Leben des psychisch erkrankten Menschen …Psychiatrische Pflege braucht...! Mehr Verantwortung bei Gestaltung und Behandlung durch Entscheidungs- und Handlungskompetenzen Ein starkes Management Schaffen und Erschließen neuer Aufgabenfelder für die Mitarbeiter (z.B. Home Treatment, Case Management etc.) Klare Aufgabenprofile für ausdifferenzierte Qualifikationen im Berufsfeld Mut und Initiative Pflegekammern und starke Verbände wie die Elias Canetti, Schriftsteller * 25. 07. 1905 - Rustschuk † 14. 08. 1994 - Zürich Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! Michael Theune 1.Vorsitzender BAPP e.V. Klinikum am Weissenhof Weinsberg [email protected]
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