Ausbruch von KPC-2 produzierenden

Ausbruch von KPC-2-produzierenden
multiresistenten Enterobacteriaceae
im Kreis Groß-Gerau
Dr. med. Angela Carstens
BVÖGD-Kongress
Rostock, 23. April 2015
Kreis Groß-Gerau
Beginn des Ausbruchs
• Sporadische Infektionen mit
multiresistenten gramnegativen
Bakterien verschiedener Spezies seit
Ende 2013 in Klinik mit 550 Betten
• Zunächst kein Zusammenhang
vermutet
• Nachweis von Citrobacter freundii
Multiresistente
gramnegative Erreger
• Carbapenemasen= Enzyme, die von
Bakterien produziert werden
• inaktivieren Antibiotika
• Carbapenem-Resistenz
• Nachweis von KPC2 und Typisierung
durch NRZ in Bochum
Plasmid vermittelte
Resistenz
• Plasmid: DNA-Molekül; in Bakterien
• Horizontaler Gentransfer
•
modifiziert nach Matthias M. Wikipedia
Vorkommen KPC in
Europa
ECDC, 2013
Ausbruch im Klinikum
• KRINKO-Empfehlung zum
Ausbruchsmanagement
• Ausbruch an der Uni-Klinik Leipzig:
Dauer 2 Jahre
Ausbruchsmanagement
Fragen zum
Ausbruchsmanagement
• Waren die einleitenden
Sofortmaßnahmen richtig und
notwendig?
• Sind trotz der eingeleiteten Maßnahmen
weitere Erkrankungen aufgetreten?
• Gelang eine ursächliche Klärung der
Infektionsquellen und Infektionsketten?
• Welche Präventionsstrategien müssen
modifiziert werden?
Rolle des
Gesundheitsamtes
• In § 6 Abs.3 des Infektionsschutzgesetzes :
 Dem Gesundheitsamt ist unverzüglich das
gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen,
bei denen ein epidemischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als
Ausbruch nicht namentlich zu melden.
• §23 IfSG: Surveillance nosokomialer
Infektionen
Gesundheitsamt als beratende Behörde
Rolle des
Gesundheitsamtes
 § 16 Allgemeine Maßnahmen der zuständigen
Behörde
• (1) Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten
einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist
anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so
trifft die zuständige Behörde die notwendigen
Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder
der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren.
Vernetzung und
Kooperation
• Ausbruchsmanagement-Team wurde im
Mai 2014 etabliert
• Zusammensetzung: Vertreter der Klinik,
Gesundheitsamt und HLPUG
• Telefonkonferenzen unter Leitung des
Hess. Sozialministeriums (HMSI)
Weitere beteiligte
Institutionen
•
•
•
•
Universität Gießen, Mikrobiologie
NRZ Bochum
RKI
Lebensmittelüberwachungsbehörden:
Veterinäramt, Task Force des RP,
LHL Gießen, HMUKLV
Krisenkommunikation
• Pressemitteilung
• Information der umliegenden
Krankenhäuser und Gesundheitsämter:
Südhessen wird als „Region erhöhter
Prävalenz“ angesehen
• Bereitstellung von Informationsmaterial
für Patienten, Reha-Kliniken,
Pflegedienste
Surveillance-Maßnahmen
• Flächendeckendes Screening aller
Patienten; zunächst einmal, später 2x
wöchentlich
• Aufnahmescreening ab 10.6.
(Klinikvoraufenthalt > 3 Tage)
• Flagging aller positiven Patienten mit
Isolierung und Screening bei
Wiederaufnahme
• Line-List
Isolierung und
Barrieremaßnahmen
• Kohortierung und Isolierung besiedelter
Patienten, bis Ende Mai 29 Fälle
• Zunächst auf mehreren Stationen
• Ab 23.6. nur auf Station 22b
Empfehlungen
Intensiviertes HygieneRegime
• EZ-Unterbringung mit Nasszelle
• Langärmeliger Kittel, Handschuhe,
Haube vor Betreten des Zimmers
• Hände-Desinfektion vor Verlassen
• Zuordnung von unkritischen
Instrumenten zum Patienten
• Schlussdesinfektion mit chlorhaltigem
Mittel
Weitere Maßnahmen des
Gesundheitsamtes
• Begehungen von Stationen und
Funktionsbereichen
• Schulungsprotokolle eingesehen
• Optimierung von Abläufen bei der
Reinigung und Desinfektion der
Patientenzimmer
Weitere Maßnahmen
• Beratendes Hygiene-Institut wird stärker
eingebunden
• Zusätzliche Fachkraft für
Krankenhaushygiene wird ausgebildet
• Informationsmaterial an Patienten über
hygienisches Verhalten weitergeleitet
• Intensivierte Hygieneschulungen für das
Pflegepersonal
Externe Experten
• HLPUG und HMSI von Beginn des
Ausbruchs
• RKI ab 23.6.
• Herr Prof. Exner ab 4.7. zugezogen
Einschätzung Prof. Exner
4.7.2014
• Infektionsreservoir abhängig vom
jeweils angetroffenen Erregerspektrum
• Auffallende Häufung von Citrobacter
freundii und braakii sowie Enterobacter
aerogenes, Klebsiella oxytoca
• Mikroorganismen, die unter der
Bezeichnung ‚Coliforme’ in Wasser als
auch in Abwasser angetroffen werden
Arbeitshypothese
• neben einer Übertragung von Person
zu Person auch
• Übertragungsvehikel wie Wasser oder
Abwasser berücksichtigen
• Wasser und Abwasser als mögliche
Reservoire bzw. Überträgermedien
Überprüfung Hypothese
• Trotz strikter Isolierung
• Intensivierung der Hygienemaßnahmen
• Schulung und Sensibilisierung von
Pflegepersonal und Ärzten
•
am 8.7.: 17 neue Besiedelungen über
fast alle Stationen verteilt!!
Epidemische Kurve
Quelle: Prof. Wendt, Labor Limbach
Schlussfolgerung
• Personal scheidet als einziger
Überträger aus
• Es muss eine zentrale Infektionsquelle
geben, die eine Verbreitung der Erreger
auf alle Stationen ermöglicht
Umgebungsuntersuchungen
vom 10.7. und 15.7.
Entnahme von Proben aus
• Küche
• Patientenzimmern
• Gemeinschaftsräumen
• Kontaktpunkten
• Wäscherei
• Funktionsbereich (EKG)
• Sanitärbereichen
• Brunnenwasser
Umgebungsuntersuchungen
• Abstriche aus Siphons und
Abwasserproben
• Waschmaschine für die Wischmopps
• Abklatschuntersuchungen vor und
nach Reinigung zur Überprüfung der
Flächendesinfektion im
Kohortierungsbereich
• Trinkwasserschankanlagen
Ergebnis
Umgebungsuntersuchungen
• Brunnenwasser, Trinkwasser, Flächen und
Kontaktpunkte an Trinkwasserspendern
und Kaffeeautomaten ergaben keinen
Nachweis
• Sanitärbereich in verschiedenen Zimmern
(Siphon Waschbecken und Dusche, WCRand), Nachweis von KPC 2-bildenden
Enterobacteriaceae
Ergebnis Untersuchungen
• Im Küchenbereich wurden KPC-2
Enterobacteriaceae nachgewiesen:
• In der Salatküche im Bereich der
Bodenrinne, einer Pfütze und im
Syphon
• In der Kochgruppe im Bereich der
Ablaufgitter
• Bodenrinne Spülküche
• In Speisen der kalten Küche
Erkenntnis
Küche wird als Epizentrum des
Ausbruchs identifiziert
Abflussrinne Kochfeld
Abfluss mit
Nachweis
von KPC2 bildenden
Enterobacteriaceen
Foto: Prof. Exner
Abwasserrinne und Abfluss im
Bereich der Geschirrspülmaschine
mit Nachweis von KPC 2
Foto: Prof. Exner
Nachweise in der Küche
Quelle: Prof. Wendt, Labor Limbach
Nachweis AusbruchsPlasmid
Nudelsalat
Mokkapudding
C. freundii KPC2
K. oxytoca KPC2
Übertragungsweg
• Keime, die sich in Abflüssen oder auf
dem Boden der Küche befinden,
werden beim Abspritzen aufgewirbelt
und gelangen auf Nahrungsmittel
• Lebensmittel werden durch
aufspritzendes Wasser aus der
Abflussrinne kontaminiert
Weitere PlasmidNachweise
• Wasserschlauch zur Befüllung der
Reinigungsmaschine
• Gerät mit Reinigungsspirale
• Keimverschleppung in den
Küchenbereich
Fazit aus
Umgebungsuntersuchungen
Abwasserbereich
• in Patientenzimmern
• in Küche
• im zentralen Abwassersystem
mit KPC 2 Plasmid tragenden
Enterobacteriaceen kontaminiert
Maßnahmen in der Küche
• Desinfizierende Reinigung der Küche
und aller Behältnisse vor Benutzung
• Kein Abspritzen der Böden mehr
• Arbeitsmaterialien aus Bodennähe
entfernt
• Reinigung des Fettabscheiders
Maßnahmen in der Küche
• Derzeit vollständige Aufgabe der kalten
Küche (Desserts werden zugekauft, in
Einzelportionen, verschlossen)
• Desinfizierende Reinigung des
Lüftungssystems (soweit möglich)
• Personalscreening
• Beauftragung einer Fachfirma
• Erstellung eines Maßnahmeplans
Beweis Hypothese
Keine Neu-Infektionen mehr nach
• Umstellung Reinigungskonzept in der
Küche
• Desinfektionsmaßnahmen
• Aufgabe der kalten Küche
Fakten in Kürze
• KPC-2 bildende Enterobacteriaceae
• Plasmid-vermittelter Ausbruch mit
breiter Speziesverteilung
• Citrobacter freundii überwiegen
• 135 Fälle, meist Besiedelungen
• Lebensmittelbedingte Verbreitung
• Abwasserbereich als Erregerreservoir
KRINKO Fragen zum
Ausbruchmanagement
• War eine rechtzeitige Erkennung des
Ausbruchs gewährleistet?
• Haben das Ausbruchmanagement-Team
und die Kommunikationsketten effizient
gearbeitet?
• Waren die einleitenden Sofortmaßnahmen
richtig und notwendig?
• Sind trotz der eingeleiteten Maßnahmen
weitere Erkrankungen aufgetreten?
• Gelang eine ursächliche Klärung der
Infektionsquellen und Infektionsketten?
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Infektionsquelle und
Infektionskette
• Durch mikrobiologische und
epidemiologische Untersuchungen
gelang ursächliche Klärung
• der Infektionsquelle
(Abwassersystem der Klinik in
Patientenbereich und Küche )
• der Infektionskette ( Kaltspeisen)
Präventionsstrategie
….. damit multiresistente Erreger
frühzeitig bekämpft werden !!!
Präventionsstrategien
• Bei Gram-negativen Erregern Screening
und Händehygiene alleine nicht
ausreichend
• Bedeutung des Abwassersystems als
Infektionsreservoir für KPC-bildende
Enterobacteriaceen neu erkannt
Ziel: Arbeitsvorgänge so gestalten,
dass Kontamination aus
Abwasserbereich unmöglich
Fazit
• Umgebungsuntersuchungen in
Ausbruchssituationen wesentlich zur
Detektion von Infektionsquellen und
Unterbrechung von Infektionsketten
• Epidemiologische Untersuchungen
• Implementierung eines „antibiotic
stewardship“
• Gesundheitsamt: Beratung,Moderation
Koordination
Vielen Dank an …
• Frau Kepper; Herrn Prof. Exner
• Herrn Dr. Schulze; Herrn Dr.
Schiffmann (Lebensmittelüberwachung)
• Ausbruchsteam; Frau Prof. Wendt
• Klinikpersonal
• Externe Experten: Frau Dr. Hauri und
Herr Dr. Frowein(HLPUG),Frau Dr.
Wirtz (HMSI), RKI-Team; Herr Dr.
Kaase (NRZ)
Kontaktdaten
Dr. med. Angela Carstens
Fachbereich Gesundheit und
Verbraucherschutz
Wilhelm-Seipp-Str. 4
64521 Groß-Gerau
+49 6152 989210
[email protected]
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!