CONSILIUM MITTEILUNGEN DER ÄRZTEKAMMER FÜR NIEDERÖSTERREICH | 70. JAHRGANG NR. 04/15 Vom Kassenarzt zum Wahlarzt – vom Wahlarzt zum Kassenarzt Der BVA-Abschluss 2015 NÖ Impftag 900 ÄrztInnen vertrauen seit 15 Jahren auf y-doc Infotainment. Interessierte ÄrztInnen kontaktieren bitte: Sonja Haböck E-Mail: [email protected] Bürgerstraße 6, A-4020 Linz, Tel.: + 43 - (0)732 - 60 27 28 - 0 Profitieren Sie von möglichen Umsatzsteigerungen und Zeitersparnis durch gezielte Vorinformation Ihrer PatientInnen im Wartezimmer-Fernsehen von y-doc Infotainment. KURZ & SERVICE BÜNDIG Kurz & bündig 28 neue Mitglieder in der NÖ Ärztekammer Seit 2009 werden die Ärzteausweise nicht mehr wie bisher postalisch an die JungmedizinerInnen zugeschickt, sondern im Zuge einer Informationsveranstaltung persönlich übergeben. Seitens der Ärztekammer sind zahlreiche Spitzenfunktionäre bei den monatlich stattfindenden Ärzteausweisverleihungen anwesend. So wird den JungmedizinerInnen die Gelegenheit geboten, unter anderem den Präsidenten der Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, den Vizepräsidenten, Dr. Gerrit Loibl, MSc, den 2. Vizepräsidenten und Kurienobmann, Dr. Ronald Gallob, seinen Stellvertreter, Dr. Stefan Halper, und Dr. Karl Ischovitsch, aber auch Vertreter des Wohlfahrtsfonds und des Kammeramtes persönlich kennenzulernen. Da die Ärzteausweisverleihung monatlich stattfindet, haben die Gruppen eine perfekte Größe, um produktiv und zeitökonomisch zu arbeiten. Aufgrund des großen Interesses und der zahlreichen Anfragen im Laufe des Abends plant die Kurie nun Fortsetzungsveranstaltungen, in denen auf spezifische Themen ausführlich eingegangen werden kann. Bei der Ausweisverleihung am 18. März 2015 wurden MUDr. Eva CHOVANCOVA, MUDr. Jozef CHOVANEC, Dr. Lisa FINGER, Dr. Marina GÄRNER, Dr. Philipp GORIUPP, Dr. Lena HÜBL, Dr. Michael KÄFERBÄCK, Dr. Markus KAINZBAUER, Susanne KÖCHER, MBChB, Dr. Monika KOTOWICZ, Dr. Maximilian KREITNER, Dr. Sabine LEGENSTEIN, Dr. Jörg LEITNER, PhD, Dr. Matthias MACSEK, Dr. Lukas MEYER, Dr. Maximilian MITSCHA-MÄRHEIM, Dr. Terezia NOVOTNA, Dr. Lisa OTT, Dr. Dumitru Lorand POP, Dr. Birgit SCHIEMEL, Dott.ssa Chiara SERNIA, dr.med. dr.med.dent. Jan F. SPRENG, dr.med.dr.med.dent Bernhard STOCKER, Dr. Gregory UGIOMOH, MA, Dr. Maaike VAN HOORNE, Dr. Robert WIEBRINGHAUS, Dr. Stefanie WIENERROITHER und Dr. Daniela Andrea ZARUBA ihre Ausweise verliehen. Wir gratulieren recht herzlich! Gehen uns die Kräfte aus? Mittwoch, 13.5.2015, 9 bis 17 Uhr Cityhotel Design & Classic, Völklplatz 1, 3100 St. Pölten Erfolgreiche Veranstaltung der Kooperation der NÖ Arbeiterkammer und der NÖ Ärztekammer. Zum fünften Mal in Serie werden beide Interessensvertretungen gemeinsam die Lage der Beschäftigten im Gesundheitsbereich beleuchten. Die heurigen Themenschwerpunkte umfassen die optimale Pflege, die Primärversorgung, die Arbeitsbedingungen der Mobilen Pflege sowie Deeskalationsmanagement in praktischen Übungen. Das detaillierte Programm finden Sie rechtzeitig auf www.arztnoe.at. IMPRESSUM: Verleger, Medieninhaber und Herausgeber: Ärztekammer für Niederösterreich, Körperschaft Öffentlichen Rechts; 1010 Wien, Wipplingerstr. 2, Tel. 01/53751-0, FAX: 01/53751-19, www.arztnoe.at; Chefredaktion: Präs. OA Dr. Christoph Reisner, MSc, Dw. 241; Redaktionsleitung: Michael Dihlmann, Dw. 321, Mag. Birgit Jung, Dw. 623; Bildredaktion, Layout, Produktion, Abonnements, Wortanzeigen: Daniela Kotouc, MA, Dw. 633, [email protected]. Die Redaktion behält sich vor, unaufgefordert eingesandte Beiträge teilweise oder gar nicht zu veröffentlichen. Alle mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Einschaltungen. Alle namentlich gezeichneten Beiträge müssen nicht zwingend die Meinung des Herausgebers repräsentieren. 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Diese Ausgabe des NÖ Consilium ging am 8. April 2015 in den Versand. Sollten Sie das Heft nicht zeitgerecht im Briefkasten vorfinden, wenden Sie sich bitte an Ihr zuständiges Postamt. REDAKTIONSSCHLUSS: Ausgabe 06/15: Mittwoch, 20. Mai 2015, 12.00 Uhr; Coverfoto: SSilver 4 CONSILIUM 04/15 Foto: Bernhard Noll PRÄSIDENT OA Dr. Christoph Reisner, MSc www.wahlarzt.at Gedanken aus der Schiedsstelle Arthroskopische Operation – „nur ein kleiner Eingriff“ Eine junge Patientin leidet an Schmerzen im linken Kniegelenk. Sie sucht einen Orthopäden auf. Die klinische Untersuchung ist perfekt dokumentiert, die Beschwerden weisen zunächst auf eine Schädigung des Außenmeniskus im Vorderhornbereich hin. Der Facharzt leitet eine perfekte Abklärung in die Wege, wie sie im Lehrbuch steht: natives Knieröntgen im Stehen mit Belastung, Ganzbeinaufnahme, Tangentialaufnahme der Patella, Ganzbeinaufnahme, Magnetresonanzuntersuchung. Die Ganzbeinaufnahme zeigt weitgehend regelrechte Achsenverhältnisse, das Röntgen keinen Hinweis auf pathologische Veränderungen. In der Patellaaufnahme zeigt sich eine Lateralisierungstendenz beidseits, die sich bei Flexion in 30° nur andeutungsweise zeigt und bei 60° und 90° Flexion beidseits verstärkt. Die Magnetresonanzuntersuchung bestätigt die Lateralisierungstendenz der Kniescheibe und schließt eine Meniskusschädigung aus. Ein Knorpelschaden wird in allen Compartements ausgeschlossen, sämtliche Bandstrukturen des Kniegelenks weisen keine Veränderungen auf. Auch die Aufklärung zur Operation zeigt keinerlei Mängel. Es wird ein standardisierter Aufklärungsbogen verwendet, zahlreiche handschriftliche Bemerkungen sind angefügt. Als Alternative zum arthroskopischen Vorgehen wird auch über ein offenes Vorgehen aufgeklärt, für den Fall, dass die arthroskopische Variante nicht den gewünschten Korrektureffekt erzielt. Die geplante Operation entspricht der Zuweisung, es ist ein laterales Release der Patella geplant, arthroskopisch bei Bedarf auch offen. Die Operation wird durchgeführt. Aus dem Operationsbericht ergibt sich, dass sich nach Durchtrennung des Retinakulums der Lauf der Kniescheibe verändert und die Lateralisierungstendenz intraoperativ unter endoskopischer Kontrolle deutlich verbessert werden kann. Unmittelbar postoperativ wird eine Femoralisparese festgestellt. Grundsätzlich eine mögliche Komplikation bei Oberschenkelblutsperre, im konkreten Fall auch eine aufgeklärte Komplikation, die im Aufklärungsbogen entsprechend erwähnt ist. Die Patientin vermutet einen Behandlungsfehler im Krankenhaus und wendet sich an die Schiedsstelle der Ärztekammer. Die Parese hat sich zwei Jahre nach der Operation mittlerweile völlig zurückgebildet, es bestehen lediglich eine minimale Kraftdifferenz und ein minimaler Unterschied im Oberschenkelumfang. Der niedergelassene Orthopäde führt keine Behandlung durch, sondern stellt eine Überweisung an eine orthopädische Abteilung aus, mit der Bitte um Durchführung einer arthroskopischen Operation mit lateralem Release des Retinakulums der Patella. Es erfolgt die Aufnahme an einer orthopädischen Abteilung, auch hier findet sich in den Unterlagen eine perfekte Dokumentation des Untersuchungsbefundes, der Ergebnisse der radiologischen Abklärung sowie ein expliziter Hinweis, dass bisher keine konservativen Behandlungsversuche unternommen wurden. Im Rahmen der Aussprache bei der Schiedsstelle bestätigen sowohl die Patientin wie auch der Vertreter der behandelnden Abteilung, dass keinerlei konservativer Behandlungsversuch unternommen wurde. Der Vertreter der behandelnden Abteilung legt dar, dass er sämtliche konservativen Behandlungsversuche für sinnlos gehalten habe und nennt dabei Infiltrationen, Hyaluronsäurekur und physikalische Therapie. Die vorliegende gutachterliche Stellungnahme ergibt, dass vor allem ein intensives Muskeltraining möglicherweise zu einer Besserung der Beschwerden geführt hätte, vor allem auch deshalb, da die Lateralisierungstendenz der Kniescheibe radiologisch beidseits vorlag, jedoch nur links Beschwerden vorlagen. CONSILIUM 04/15 5 PRÄSIDENT In der Schiedsstelle erfolgt die Empfehlung für eine Schadensregulierung in der Höhe von 15.000 Euro, da der Patientin zu keiner Zeit Behandlungsalternativen angeboten wurden. Jedenfalls hätte man der Patientin anbieten müssen, vor der Operation ein intensives Quadricepstraining durchzuführen, mit dem Hinweis, dass damit erst nach sechs bis acht Monaten mit einer Besserung der Beschwerden gerechnet werden kann. Ich appelliere daher an Sie, sehr geehrte Frau Kollegin und sehr geehrter Herr Kollege: Besprechen Sie mögliche Behandlungsalternativen mit Ihren Patienten UND dokumentieren Sie diese auch in Ihrer Kartei. Nur Ihre Dokumentation kann Sie (bzw. Ihre Haftpflichtversicherung) im Fall eines Schadens vor einer Schadenersatzpflicht befreien. Ein weiterer Gedanke aus der Schiedsstelle Immer häufiger erreichen uns Beschwerden von Patienten, die einen ärztlichen Behandlungsfehler aufgrund mündlicher Aussagen anderer Ärzte in Bezug auf die durchgeführte Behandlung vermuten. Oft sind es auch nur Gesten, ein Rümpfen der Nase oder ein Kopfschütteln, die Patienten vermuten lassen, dass sie Opfer eines Behandlungsfehlers geworden sind. Ein Arzt aus Niederösterreich musste sich allein in den vergangenen zwei Jahren aus solchen Gründen vier Mal vor der Schiedsstelle verantworten. Hierbei handelt es sich leider allzu oft um Aussagen, die vom Patienten falsch gewertet werden und bei ihm Mystery Shopping bei Ärzten Das zuletzt präsentierte Steuerreform-Papier enthält im Bereich „Kampf gegen Steuerbetrug” unter anderem das „Mystery Shopping bei Ärzten”. Darunter versteht man, dass Prüfer der Krankenkassen als Patienten getarnt Arztpraxen aufsuchen und diese auf etwaigen Missbrauch überprüfen. In Niederösterreich gab es in den letzten sechs Jahren exakt elf (!) nachgewiesene Missbrauchsfälle in Bezug auf die Benützung der e-card. Eine vernachlässigbare Zahl, wenn man bedenkt, dass es in Österreich jährlich über 100 Millionen e-card-Kontakte mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gibt. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass sich bereits vor Einführung der e-card im Gesamtvertrag mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse der Passus fand, dass im Zweifelsfall nach Möglichkeit die Identität der Patientin beziehungsweise des Patienten kontrolliert werden soll. 6 CONSILIUM 04/15 eine Hoffnung wecken, zur Linderung des medizinischen Leids noch eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Ich appelliere daher an alle Kolleginnen und Kollegen, mit Aussagen in Bezug auf die Behandlungsqualität anderer Ärztinnen und Ärzte sehr vorsichtig umzugehen. Sollten sich konkrete Hinweise auf Behandlungsfehler ergeben, dann müssen diese selbstverständlich verfolgt werden. Es ist allerdings unzureichend, dem Patienten diesbezüglich einfach nur mündliche Hinweise zu geben, weil man so etwas „nicht schreiben kann“. Wer einen konkreten Verdacht hat oder sogar überzeugt davon ist, dass ein Behandlungsfehler passiert ist, der kann diesen auch schriftlich äußern und dem Patienten mitgeben. Wer nicht in der Lage ist, diesen Fehler in Worte zu fassen, sollte es auch unterlassen, den Verdacht mündlich zu äußern. Das ist schlecht für den Patienten, der sich unberechtigte Hoffnung macht. Das ist schlecht für die Organisation der Schiedsstelle, da weniger Kapazität für begründete Fälle bleibt. Das ist schlecht für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, weil neben einem sehr unangenehmen zusätzlichen Zeitaufwand auch ein schlechter Nachgeschmack bleibt. Und es ist auch schlecht für den Ruf der Ärzteschaft insgesamt. Zusammenfassend Denken Sie daran, dass im Fall eines vermeintlichen Behandlungsfehlers Ihre Dokumentation ein wichtiger Beweis ist. Nehmen Sie sich daher Zeit für diese Tätigkeit. Wenn Sie bei einem Patienten einen Verdacht auf einen Behandlungsfehler orten oder sogar davon überzeugt sind: Fassen Sie ihn schriftlich ab. Wenn Sie das nicht ausreichen begründen können, dann sollten Sie auch keine mündlichen Hinweise geben, die vom Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit falsch interpretiert werden. Über Rückmeldungen freue ich mich. OA DR. CHRISTOPH REISNER, MSC Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich facebook.com/christoph.reisner Foto: Raimo Rumpler VIZEPRÄSIDENT VP Dr. Gerrit Loibl, MSc [email protected] Geisterleistungen Dir fehlt die Zeit, Dir fehlt die Stärke, zum Schaffen notwendiger Werke! So rate ich: Ruf Dir die Geister, befiel ihnen als ihr Meister zu tun was nötig Dir erscheint! Erfolg ist dann mit Glück vereint. Arbeitszeittechnisch und wohl auch volkswirtschaftlich ist es ja durchaus sinnvoll, wenn die eingangs genannten Untersuchungen nach draußen verlagert werden, um nicht weitere „Geisterstunden“ zu verursachen, doch hier ergibt sich ein neues Problem bzw. wird ein schon bestehendes Problem erheblich verstärkt: Harry Potter hätte vielleicht seine Freude an diesem Gedicht, aber die aktuellen Probleme im Gesundheitswesen können so nicht gelöst werden. Doch der Reihe nach: Nachdem ich aus familiären Gründen Einblicke in eine internistische Kassenordination habe, erfahre ich natürlich einiges aus dem Ordinationsalltag. Und hier zeigt sich in den letzten Monaten eine Häufung an Überweisungen mit der Bitte um Echokardiographien und Holter-EKGs. Diese Überweisungen erfolgen zwar meist durch niedergelassene Allgemeinmediziner, allerdings nicht aus eigenem Antrieb sondern auf Grund von diesbezüglichen dringenden Empfehlungen in Arztbriefen seitens internistischer Krankenhausabteilungen, an denen die betroffenen Patienten zuvor gelegen sind. Fallweise gibt es sogar direkt von kardiologischen Spitalsabteilungen ausgestellte Überweisungen, ebenso von onkologischen Abteilungen mit dem Ersuchen um Echokardiographie vor Durchführung einer Chemotherapie. Echokardiographie und Holter-EKG sind nämlich Untersuchungen, die im Leistungskatalog der Gebietskrankenkasse drastisch limitiert sind, somit ist deren Anwendung im medizinisch notwendigen Ausmaß eigentlich nicht möglich, es sei denn, der niedergelassene Arzt führt sie ohne Bezahlung, also eigentlich auch in seiner Freizeit durch. Auf diese Art und Weise können also aus „Geisterstunden“ ganz einfach „Geisterleistungen“ werden. Ähnliche Beispiele finde sich auch in anderen Fachrichtungen. Augenscheinlich ist es die Exekution des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes, die die Spitäler dazu veranlasst, alle nicht absolut dringlich notwendigen diagnostischen Schritte nicht mehr selbst durchzuführen, sondern – durchaus sinnvoll – in den niedergelassenen Bereich zu verlagern. Das klappt allerdings auch nicht zufriedenstellend, daher erreichen uns in der Kammer immer wieder Berichte von Spitalsärzten, die sich gezwungen sehen (sei es durch ihren medizinischen Ethos, sei es durch inoffizielle Anordnungen), Teile ihrer Aufgaben zu Zeiten durchzuführen, zu denen sie laut offiziellem Dienstplan gar nicht mehr im Spital sind. Im besseren Fall werden diese Stunden irgendwann später im Dienstplan eingetragen und damit auch bezahlt, im schlechteren Fall findet dies nicht statt und die Leistung erfolgt deshalb in der Freizeit ohne Bezahlung. Im Kammer-Jargon werden diese Zeiten seit Jahren als „Geisterstunden“ bezeichnet. Volkswirtschaftlich wären medizinische Leistungen, die von „Geisterhand“ getätigt werden (egal ob in Spitälern oder Ordinationen), sicher gut, da somit weder für die Krankenkassen noch für die Krankenhausträger Kosten anfallen, aber es sind nun einmal keine „Geister“ die diese notwendigen Untersuchungen durchführen, sondern Ärzte aus Fleisch und Blut, die ein Recht auf Entlohnung ihrer Arbeit haben, egal, ob sie angestellt im Spital oder niedergelassen in ihren Ordinationen arbeiten. Daher mein dringender Appell an die Verantwortlichen in der Politik: Die Verlagerung von medizinischen Leistungen aus den Krankenhäusern zu den niedergelassenen Ärzten ist eine brauchbare Möglichkeit, auf die Auswirkungen des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes zu reagieren. Es muss aber dafür gesorgt werden, dass diese ausgelagerten Tätigkeiten dort auch durchgeführt werden können. Anachronistische Deckelungen notwendiger (und seitens der zu entlastenden Spitäler auch angeordneter) Leistungen kontrakarieren aber eine gesundheitspolitisch durchaus sinnvolle Maßnahme und gehören daher unverzüglich abgeschafft, da unsere niedergelassenen Kollegen von der Aussicht auf „Geisterleistungen“ alles andere als „be-geistert“ sind. SAVE THE DATE Toshiba Medical Systems präsentiert am Mittwoch, 29. April 2015 in Linz und am Dienstag, 5. Mai 2015 in Wien von 14.00 bis 20.00 Uhr LIVE die Neuheiten 2015 aus dem Bereich der Ultraschalldiagnostik. Lassen Sie sich überraschen und besuchen Sie uns im Ars Electronica Center, Sky Loft oder im DO&CO, Haas Haus. Mehr Informationen und Anmeldung unter: www.toshiba-medical.at VP DR. GERRIT LOIBL, MSC 29.04.2015 LINZ 05.05.2015 WIEN Foto: Raimo Rumpler BVA Dr. Max Wudy Der BVA-Abschluss 2015 Ein kritischer Kommentar A m 24.2.2015 wurde der BVA-Abschluss von der BVA auch unterschrieben und trat daher mit 1.2.2015 in Kraft. Die Informationspflicht gebot es, die Kollegenschaft sofort von diesem Abschluss zu informieren. Ein Kommentar war auf Grund der komplexen Situation nicht möglich und wird hiermit nachgereicht. Die Vergangenheit Bisher wurde mit der BVA immer im Nachhinein verhandelt. Die Abschlüsse orientierten sich unter anderem an den Beamtenabschlüssen, der Inflationsrate, den allgemeinen wirtschaftlichen Ausblicken, den Abschlüssen mit den §2 Kassen. Der letzte Abschluss betraf 2010! Die Bundeskurie setzte sich zum Ziel, einerseits die Jahre ab 1.1.2011 nach zu verhandeln, als auch zusätzlich für die Zukunft Abschlüsse zu erzielen. Es bestand also der ehrgeizige Plan, einen Abschluss über zumindest fünf Jahre zu erzielen. Der Abschluss Ab 2011 bis einschließlich 31.1.2015 wurde eine Einmalzahlung in der Höhe von zehn Millionen Euro ausverhandelt, die im April 2015 zur Anweisung gelangt. Dies entspricht in etwa 4,8 % der Honorarsumme. Ab 1. Februar 2015 werden der allgemeine Punktewert und die Eurobeträge um 5,88 % tarifwirksam angehoben. Ausgenommen von dieser Erhöhung sind Labor, die therapeutische Aussprache und die Psychosomatik. Gleichzeitig kommt es zu massiven Änderungen im Laborbereich, und hier wird es kompliziert. Um annähernd Klarheit zu erlangen, muss nun in bestehende Verträge und neue Verträge ab. 1. Jänner 2016 getrennt werden. Neue Praxen Hier fällt das Labor, wie wir es bis jetzt kennen, komplett weg und wird durch ein Ordinationslabor und ein 8 CONSILIUM 04/15 Akutlabor mit wenigen exakt definierten Parametern ersetzt. Die Details, die zeitverzögert auch die bereits bestehenden Praxen betreffen, werden später behandelt. Die bestehenden Praxen Hier kommt es, beginnend mit 1.2.2015 zu einer 16 % Senkung im Laborbereich, 8 % linear und 8 % strukturell. Mit linear ist gemeint, dass der Punktewert für alle Laborleistungen um 8 % (von 1,52 auf 1,3984 Euro pro Punkt) gesenkt wird. Strukturell bedeutet, dass die Punkteanzahl für bestimmte Laborleistungen gesenkt wird, beim Blutbild zum Beispiel um 12,5 % von 4 auf 3,5 Punkte oder beim CRP um 16,67 % von 3 auf 2,5 Punkte. Davon wird die Hälfte der eingesparten Summe auf die klinischen Fächer umgeschichtet. Am 1.1.2016, am 1.1.2017 und am 1.1.2018 wird der Punktewert um jeweils weitere 4 % gesenkt, wobei wiederum 50 % in die klinischen Fächer reinvestiert werden. Ab 1.1.2019 ist für alle Vertragsärzte (ausgenommen natürlich die Laborfachärzte) nur mehr das Akutlabor und das Ordinationslabor verrechen- Akutlabor-Parameter (höherer Punktewert in der Vergangenheit 1,90 Euro, ab 1.2.2015 1,7480 - auch nach dem 31.12.2018 abrechenbar) FG AM Derma Kinder Lunge Uro Innere Gyn CRP x x x BZ 3.01 x x x x D-Dimer, 2.09 xx x xxxx BB 1.01 x INR, TPZ, Thrombotest 2.04/2.05 x x x chem. Harnbefund, 5.01 xx x xxxx Streifentest im Harn 5.02 x x x x x x x Harnsediment 5.03 x x x Bilirubinbestimmung, 3.07 x Direkt, indirekt Bilirubin 3.08 x Ordinationslabor (auch nach dem 31.12.2018 abrechenbar) FG BB 1.01 Troponin 4.20 Strept A Test GOT 4.07 GPT 4.08 Harnsediment 5.03 Pro BNP 14.33 Kalium 3.16 AMDermaKinder Lunge Uro Innere Gyn x x x x x x x x x x x x x BVA bar. Zusätzlich muss das Labor „in der eigenen Ordination oder im Rahmen einer räumlich mit der Ordination unmittelbar verbundenen Apparategemeinschaft erbracht werden“. Wörtlich interpretiert, bedeutet dies eigentlich das sofortige Aus aller Laborgemeinschaften im BVA-Vertrag! Über Ausnahmen, Zeitplan oder einen Ausgleich für diesen Wegfall liegen zumindest mir keine Informationen vor, sie sind auch im Vertrag nicht zu finden. Die Kurie der niedergelassenen Ärzte NÖ hat jedenfalls eine Anfrage an die Bundeskurie geschickt. Hier die Antwort: Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundeskurie niedergelassene Arzte der Österreichischen Arztekammer dankt für lhr Schreiben vom 11.3. und führt in Beantwortung lhrer Frage aus: Laborleistungen, die in Apparategemeinschaften erbracht werden, werden auch nachdem 1.2.2015 honoriet. Dies wurde im Abschnitt Vll. (Labor-Roadmap) des Zusatzübereinkommens vom Februar 2015 zwischen den beiden Vertragsparteien vereinbart. Die Bestimmung des Abschnitts Vll. Pkt. 9 dient als zusätzliche Bekräftigung des § 8 Pkt. (1) des Gesamtvertrages, in dem schon bisher festgehalten wurde: „... Diese ärztliche Tätigkeit ist grundsätzlich durch den Vertragsazt selbst auszuüben“. Mit freundlichen Grüßen VP Dr. Johannes Steinhart Dr. Artur Wechselberger ObmannPräsident Für mich stellt sich die Frage, warum diese Bekräftigung nötig ist, die Verwirrung und Unsicherheit unter der Kollegenschaft war jedenfalls mehr als groß. Ob diese Interpretation auch so gelebt wird, wird die Zukunft zeigen. Der Kommentar Auf den ersten Blick schaut der Abschluss ja gar nicht so schlecht aus. 5,88 % Erhöhung in Zeiten wie diesen, da kann man die kleinen Änderungen im Laborbereich durchaus verschmerzen. Ganz anders allerdings sieht es aus, wenn man den Abschluss ab dem Jahr 2011 betrachtet und der Inflationsrate gegenüber stellt. Kumuliert betrug der VPI von 2011 bis 2014 (vernachlässigen wir großzügig den ersten Monat 2015, welcher eigentlich auch noch eingerechnet gehört) 9,7 %. Dem steht eine Einmalzahlung von rund 4,8 % gegenüber. Allerdings ist eine Einmalzahlung, wie schon der Name sagt, nicht tarifwirksam, sodass die Ausgangsbasis für die Honorarerhöhungen 2015 um 8,86 % tiefer liegt als eigentlich inflationsbedingt korrekt wäre. Dieser Verlust ist nie mehr aufzuholen. Dem gegenüber steht eine Honorarerhöhung um 5,88 % bei einem kumulierten VPI von 1,9 % (2015 und 1. Quartal 2016). Diese Betrachtungsweise ist falsch. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Vertragsärzteschaft zu beurteilen, muss das Gesamtpaket betrachtet werden. Hier steht eine Erhöhung um 5,88 % einem laut WIFO et alii errechneten und erwarteten VPI (1.1.2011 bis 31.3.2016) von mindestens 11 % gegenüber. Daran kann die nicht tarifwirksame Einmalzahlung in der Höhe von 4,8 % nichts ändern. Zusätzlich sind die negativen Auswirkungen der Laborvereinbarung ab spätestens 2019 noch gar nicht berücksichtigt. Ich jedenfalls sehe diesen Abschluss als desaströs an. Damit befindet sich die BVA auf dem Weg der Nivellierung nach unten, die Angleichung an das Honorarniveau der Gebietskrankenkassen ist nur mehr eine Frage der kurzen Zeit. Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist, dass möglicherweise über das Jahr 2019 zwar hinausgedacht wurde, sich in den Verträgen darüber nichts findet. Man ist also auf das „Good Will“ der BVA angewiesen. Die Stellung der NÖ Kurie Bei der Bundeskurienversammlung im Spätherbst wurde dieses Verhandlungsergebnis vorgestellt und zur Abstimmung gebracht. Die Vertreter Niederösterreich (Dr. Baumgartner, Dr. Hasenhündl und ich) wollten gegen diesen Vertrag stimmen. Dies ist jedoch nicht vorgesehen. Da die Bundeskurie lediglich im Auftrag der Länderkurien mit der BVA verhandelt, wäre eine Gegenstimme (und auch eine Stimmenthaltung) keine Gegenstimme sondern nichts anderes als der Entzug des Verhandlungsmandates. Dies würde bedeuten, dass der Vertrag mit der BVA auf Länderebene (also für Niederösterreich) am Stand 2011 eingefroren würde, ohne die Möglichkeit, eigene Verhandlungen zu führen. Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung, in der wir uns diese Rechtsmeinung von unserem Kammeramt bestätigen ließen, stimmten wir zähneknirschend zu. Für uns stellt sich nun in Zukunft die Frage, ob die ÖÄK respektive Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte überhaupt befugt ist, mit der BVA gesamtvertragliche Regelungen zu vereinbaren. Nach der allgemeinen Bestimmung des § 341 Abs 1 ASVG sind Gesamtverträge für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. CONSILIUM 04/15 9 BVA Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen. Diese Regelung gilt – unverändert – gemäß § 128 B-KUVG auch im Anwendungsbereich der BVA. Eine Sonderregelung, dass immer die ÖÄK respektive die Bundeskurie zum Abschluss von Gesamtverträgen ermächtigt ist, findet sich im ASVG und im B-KUVG nicht. Wir werden den Sachverhalt juridisch abklären, es kann nicht sein, dass die Länderkurien ohne Änderungsmöglichkeiten JEDEM Abschluss die Zustimmung erteilen müssen. Das allerdings ist ein mehr als komplexes rechtliches Thema, das sicher nicht von heute auf morgen entschieden werden kann. Der Vergleich mit den GKK-Abschlüssen Wegfall des Labors ausverhandelt, etwas, was im BVA-Vertrag zumindest heute gänzlich fehlt. Die Zukunft wird zeigen, ob die NÖ Kurie nicht vorrausschauender, auf die Interessen aller Ärzte bedacht, gehandelt hat, obwohl sie ob dieses Verhandlungsergebnisses massiver und zum Teil bösartiger Kritik ausgesetzt war. Man braucht 2019 nur die Fallwerte der BVA und der GKK mit den Fallwerten 2014 oder 2015 vergleichen, ich bin überzeugt, der Vergleich wird Sie sicher machen, dass Sie zumindest jetzt in NÖ gut vertreten sind. DR. MAX WUDY Obmann-Stv. der Kurie der niedergelassenen Ärzte Exkurs Einmalzahlung Hierzu möchte ich zwei kleine Beispiele bringen: Bekanntlich spielte auch die Laborthematik beim Abschluss mit der NÖGKK eine große Rolle. Bedingt durch die laufenden Berichte des Rechnungshofes in Bezug auf überhöhte und stark unterschiedliche Labortarife stehen eigentlich alle Kassen, aber auch alle Ärztekammern unter Zugzwang. Hier sind Maßnahmen erforderlich, um die Verluste der niedergelassenen Kollegenschaft zu minimieren oder gänzlich aufzufangen. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber, sei es aus Spargründen, sei es, weil die dislozierte Laborlandschaft ELGA konterkariert (die Einspeisung von Labordaten aus dem niedergelassenen Bereich - exklusive Laborfachärzte - ist nicht vorgesehen), sei es aus anderen Gründen wie dem technischen Fortschritt. Gerade diesen sollte man nicht unterschätzen, neuartige Verfahren werden die herkömmliche Labormedizin wie Gaslicht ausschauen lassen, die „Kleinlabors“ und Laborgemeinschaften, wie wir sie jetzt kennen, ad absurdum führen werden. Gerade, weil wir in NÖ bereits vor mehr als zwei Jahren diesen Trend erkannten, konnten wir mit der GKK einen Vertrag ausverhandeln, der Verluste durch die Änderung der Laborsituation ausgleicht. Bereits damals legten wir einen Ausstieg aus der Laborgemeinschaft und dem Praxislabor mit 2021 fest, jedoch ohne nachteilige Bestimmungen für „Neuanfänger“ in Kauf zu nehmen. Auch wurde ein hundertprozentiger Ausgleich für den 10 CONSILIUM 04/15 5 % Einmalzahlung jedes Jahr oder 3 % Honorarerhöhung, ebenfalls jedes Jahr? Was ist besser? Bei einem Ausgangswert von 1.000 Euro pro Jahr (man kann natürlich jede andere Zahl nehmen, die Rechnung ist immer gleich) hat man nach zehn Jahren beim 3 % Modell 293 Euro mehr pro Jahr, nach 20 Jahren 756 Euro und nach 30 Jahren 1.377 Euro. Kumuliert in dreißig Jahren (die durchschnittliche Dauer einer Kassenpraxis) ergibt dies eine Differenz zu Ungunsten der Einmalzahlung von immerhin 17.500 Euro, das 17,5fache des Ausgangswertes, das heißt schlicht und einfach 17,5 Jahreshonorare würden so hergeschenkt. Ein weiteres Beispiel: Wieder 1.000 Euro Ausgangswert, einmal 20 % Einmalzahlung im ersten Jahr und ab dem 2. Jahr 3 % jährliche Honorarsteigerung oder 3 % Honorarsteigerung ab dem ersten Jahr. Nach zehn Jahren liegt man mit der Einmalzahlung um 36 Euro pro Jahr zurück, nach 20 Jahren um 52 Euro und nach dreißig Jahren fast 72 Euro. Kumuliert sind das 2.227 Euro oder das über zweifache Jahreshonorar zu Beginn der Rechnung. Nicht umsonst bieten die Arbeitgeber zuerst gerne Einmalzahlungen, die von der Gewerkschaft ebenso sicher erbost zurückgewiesen werden. Einmalzahlungen haben für den Zahler immense Vorteile. Er kann großzügig eine relativ hohe Steigerung gewähren, wird sie angenommen, gewinnt er zweimal. Erstens verweist er auf ein Plus von vier oder mehr Prozent und kann zweitens im nächsten Jahr unter Verweis auf die hohe vorjährige Zahlung und Vorleistung die Verhandlungen sehr offensiv führen. Foto: Raimo Rumpler EMEDIKATION Dr. Max Wudy e-Medikamentation F rüh morgens, gerade habe ich die Kaffeemaschine angeworfen, klingelte bereits das Telefon: „Morgen Herr Doktor, entschuldigen Sie die frühe Störung, aber es ist ein Notfall. Können Sie bitte dringend Herrn Dr. X auf der Intensivstation im KH Y anrufen, mein Vater liegt dort und ein paar wichtige Fragen sind aufgetaucht.“ Kein Problem, meinte ich, mach ich gerne. Beim Raussuchen der Telefonnummer, ich Depp hatte wieder einmal vergessen einfach zu fragen, ging mir der nun sterbenskranke Patient durch den Kopf. Knapp über sechzig, eigentlich immer relativ gesund, Nichtraucher, eher untergewichtig. Der letzte Kontakt war so vor drei oder vier Wochen, da behandelte ich Herrn L wegen einer ziemlich schmerzhaften Prellung am Steißbein mit Cox2 Hemmern und dann mit Infusionen. So bekamen wir die wildesten Schmerzen in den Griff und Herr L schien sichtlich zufrieden ob seiner Schmerzarmut. Endlich hatte ich die Nummer gefunden, nach kaum sechs Weiterverbindungen hatte ich Kollegen Dr. X am Rohr. „Servus, danke für den Anruf. Herr L liegt seit gestern Abend bei uns mit massiver gastrointestinaler Blutung, wir sind bereits bei der fünfzehnten Konserve. Wir haben ihn wegen generalisiertem Schock mit Polyorganversagen in Tiefschlaf versetzt, beatmen ihn. Schön langsam wird er stabil, als Blutungsquelle haben wir bisher nur eine erosive Gastritis gefunden, allerdings ist die Darmschleimhaut ebenfalls ganz schön beleidigt. Auffallend ist vor allem die extreme Thrombozytopenie. Was nimmt Herr L eigentlich für Teufelszeug, ASS mit Marcoumar und Plavix, unterstützt von NSAR und Cortison für einen inneren Aderlass?“ Ein Blick in die Kartei zeigte mir, dass ich keine einzige gerinnungsaktive Substanz verordnet hatte. Ich versprach aber, den Medikamentengebrauch abzuklären und wünschte etwas hilflos Herrn L alles Gute, sollte er in nächster Zeit wieder ansprechbar sein. Nun begann ich fast detektivisch die Verwandten Herrn Ls telefonisch abzuklappern. Gut, dass es noch so früh und noch eine Stunde bis zum Ordinationsbeginn war, gut dass ich die Familienverhältnisse meiner Patienten ziemlich gut kenne, gut dass ich ziemlich beharrlich bin, Sturschädel nennt es meine Frau. Nach knapp über einer halben Stunde war das Geheimnis weitgehend gelöst. Der schneereiche Februarbeginn und eine Kette unglücklicher Umstände waren schuld an der menschlichen Katastrophe. Eine Woche vor dem Zusammenbruch rutschte Herr L beim Schneeschaufeln neuerlich aus und lädierte seinen angeschlagenen Steiß ein weiteres Mal. Das vom Wochenenddienst verschriebene Medikament war Herrn L etwas zu wirkarm, also suchte er die Apotheke in der Bezirkshauptstadt auf und kaufte sich eine Großpackung Aspirin, was ihm zwar hochwirksam, ob der Rezeptfreiheit aber mehr als harmlos erschien. Drei Gramm zusätzlich zum Cox2 Hemmer brachten schließlich die fast glücklich machende Schmerzarmut und so behielt mein Patient diese Dosis eigenständig die ganze Woche bei. Fast hätte diese Dosis Herrn L sogar selig auf ewig gemacht. Gott sei Dank ging die Geschichte gerade noch einmal gut aus, Herr L ist wieder zu Hause und erholt sich langsam. Erste kurze Spaziergänge werden schon geplant, derzeit verhindern jedoch zwei Stockwerke die Umsetzung. Was ist so besonders an dieser Geschichte, die fast jeder schon so oder ähnlich erlebt hat? Was sagt sie uns im Zusammenhang mit der jetzt in aller Munde befindenden e-Medikamentation, von den Altvorderen auch einmal Arzneimittelgurt genannt? Gerade das nicht mehr verwendete Wort Arzneimittelgurt gefällt mir eigentlich hervorragend. Genauso wie der Sicherheitsgurt im Auto nützt dieser nur, wenn er angelegt ist. Und genau hier fängt die Skurrilität an. Der Patient oder Kunde, wie er von Apothekern gerne bezeichnet wird, muss bei jeder Verschreibung, bei jedem Einkauf eines Arzneimittels zustimmen, ob der Gurt angelegt wird, ob das Medikament gespeichert werden darf. Viagra oder Psychopharmaka werden wahrlich selten in der Zentralkartei des Patienten zu finden sein, so „harmlose“ Pulver wie ASS genauso selten, umso mehr, als die ja auch vom Nachbarn oder von Angehörigen – die schon gar nicht zustimmen können und dürfen, auch wenn diese die e-card des Kunden mithaben, wie Semmeln oder Obst eingekauft werden. Allein bei jeder Verordnung, bei jedem „Einkauf“ die schriftliche Bestätigung des Patienten oder des Kundens zu verlangen, kann nur den schlimmsten Albträumen, Kafka noch übertreffen wollender Gesundheitsbürokraten entsprungen sein. Genau dies nämlich wird dazu führen, dass die Aufzeichnungen lückenhaft bleiben werden, bleiben müssen. Zusätzlich darf der Patient jedes Medikament auch nachträglich ausblenden. Das heißt aber nichts anderes, dass der Arzt weiterhin höchste Sorgfalt bei der Medikamentenanamnese anwenden muss. Wahrscheinlich wird der Aufwand sich vervielfachen, muss man sämtliche elektronisch gespeicherte Verordnungen – so vorhanden – mit der Realität und der Wahrscheinlichkeit vergleichen. Gerade der Patient wird sich darauf verlassen, längst schon die CONSILIUM 04/15 11 FAQ Verweigerungen der Speicherung vergessend und verdrängend: „Steht doch eh alles in Ihrem Kastl, Herr Doktor!“ Haftungsrechtlich kommt sicher einiges auf uns zu, das erste Urteil wird bald nach flächendeckender Einführung das System zumindest rechtlich ad adsurdum führen. Gerade weil die Ärzteschaft über die Einschränkungen und Unzulänglichkeiten des Systems Bescheid weiß, ist eine noch höhere Sorgfalt als bisher anzuwenden. So oder noch deftiger wird es in der Urteilsbegründung zu lesen sein. Was neben dem schalem Geschmack der sinnlosen Geldvernichtung bleibt, ist das Wissen, dass ein Arzneimittelgurt mit zufälligen und absichtlich eingebauten Sollbruchstellen selbst die geringste Belastung nicht überstehen wird, zum Schaden des vermeintlich angegurteten Patienten und der Ärzteschaft. Dass die Betreiber und Initiatoren dies alles trotz Warnungen von allen Seiten nicht zumindest angedacht haben, kann ich mir trotz Kenntnis des „Sachverstandes“ der Politiker und Funktionäre nicht vorstellen. Wozu also dann das Ganze? Werfen wir also einen Blick auf den Hintergrund. Bezahlen werden die Zeche die Patienten und die Ärzteschaft. Erstere dürfen tränenden Auges das woanders viel nötiger gebrauchte Geld, einzig und allein vom Beitrags- und Steuerzahler zu Verfügung gestellt, nachblicken. Letztere dürfen ihre Arbeitszeit gratis zur Verfügung stellen – eine Abgeltung wird es wie immer nicht geben und zusätzlich in die weitere Hard- und Softwareaufrüstung investieren. Auf der Strecke bleibt wieder einmal die Zeit, die man eigentlich dem Patienten widmen sollte. Dieser Patient (passio – das Leiden) beginnt schön langsam die elektronische Kommunikation zwischen Arzt und Bürokratiemoloch zu stören. Die Ärzteschaft und die Patienten scheiden also aus, sie dürfen den fehlenden Nutzen auch noch bezahlen. Bleiben also die Betreiber, Programmierer, Umsetzer und Aushecker im System: große internationale Konzerne, die Softwareausstatter, die sich über einen weiteren zwangsweise verordneten Gewinn freuen dürfen, der Hauptverband, der einen zwar lückenhaften aber doch mächtigen Apparat zur Überwachung der Patienten und Ärzte in die Hand bekommt und die Politik, die an allem partizipiert. Die Liste ist nicht vollständig, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sicher nicht profitieren werden nur zwei Gruppen, die Ärzte und die Patienten. DR. MAX WUDY Obmann-Stv. der Kurie der niedergelassenen Ärzte 12 CONSILIUM 04/15 Beendigung des Dienstverhältnisses Sollte es zur Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Amt der NÖ Landesregierung kommen, gilt es für die Betroffenen bestimmte Punkte zu beachten: Es gibt verschiedene Arten einer möglichen Beendigung, die in der Praxis relevantesten sind die Dienstgeber- und Dienstnehmerkündigung sowie die einvernehmliche Auflösung. Kündigung Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, schriftliche Willenserklärung des Dienstnehmers oder des Dienstgebers, mit der das Ende des Dienstverhältnisses zu einem bestimmten Termin mitgeteilt wird. Geregelt ist diese Form der Beendigung in den §§ 42 bis 44 NÖ SÄG. Je nachdem, wie lange das Dienstverhältnis bereits gedauert hat, sind unterschiedliche Kündigungsfristen einzuhalten. Sobald das Dienstverhältnis länger als ein Jahr besteht, kann der Dienstgeber nur mehr bei Vorliegen bestimmter, im Gesetz taxativ aufgezählter Gründe kündigen. Die Spitalsärzte hingegen müssen für die Kündigung nie einen Grund nennen. BeschäftigungsdauerKündigungsfrist bis 6 Monate 1 Woche länger als 6 Monate 2 Wochen länger als 1 Jahr 1 Monat länger als 2 Jahre 2 Monate länger als 5 Jahre 3 Monate länger als 10 Jahre 4 Monate länger als 15 Jahre 5 Monate Bei Antritt einer Kassenplanstelle in Niederösterreich beträgt die Kündigungsfrist höchstens 1 Monat. Wird die Kündigungsfrist in Wochen berechnet, endet sie mit dem Ablauf einer Woche, wird sie in Monaten gerechnet, endet sie mit dem Ablauf eines Kalendermonats. Einvernehmliche Auflösung Das NÖ SÄG sieht darüber hinaus in § 47 ausdrücklich die Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses vor. Hier legen die Parteien die Beendigungsmodalitäten fest. Die Einhaltung bestimmter Fristen oder Termine ist nicht erforderlich, maßgeblich ist die Einigung zwischen den Parteien. Sowohl die Zustimmung des Dienstgebers als auch der Dienstnehmerin bzw. des Dienstnehmers ist freiwillig. für Spitalsärztinnen und -ärzte der NÖ Landeskliniken-Holding Foto: Marco2811 - Fotolia FAQ Fort- und Weiterbildungskosten Unter gewissen Voraussetzungen können vom Dienstgeber gemäß § 48a NÖ SÄG iVm § 94 NÖ LBG sowohl bei Kündigung als auch bei einvernehmlicher Auflösung die innerhalb der letzten fünf Jahre übernommenen Fort- und Weiterbildungskosten, die den Betrag von 2.500 Euro übersteigen, zurückgefordert werden. Je weiter eine Fortbildung zurückliegt, desto weniger kann der Dienstgeber zurückfordern. Zwingend vorzunehmen ist eine entsprechende Aliquotierung der Kosten im Ausmaß von 1/60 je Monat. Bei Vorliegen gewisser Ausschlussgründe können Fortbildungskosten, auch wenn sie 2.500 Euro innerhalb der letzten fünf Jahre überschreiten, nicht zurückgefordert werden, etwa wenn das Dienstverhältnis innerhalb von sechs Jahren nach der Geburt eines Kindes, Adoption oder Aufnahme eines Pflegekindes durch die Betroffenen freiwillig endet. Im Rahmen der Ausbildung zum/zur AllgemeinmedizinerIn oder zur Fachärztin/zum Facharzt übernommene Aus- und Weiterbildungskosten können nicht zurückgefordert werden, sofern diese durch den gesetzlichen Umfang der Rasterzeugnisse abgedeckt sind. Die Rückzahlungsverpflichtung kann darüber hinaus ganz oder teilweise entfallen, wenn diese die Betroffenen mit unbilliger Härte treffen würde. Ärzte, die das Dienstverhältnis einvernehmlich auflösen, sollten beachten, dass – sobald sie ein Anerkenntnis zur Rückzahlung der Fort- und Weiterbildungskosten unterschreiben – jedenfalls eine Rückzahlungsverpflichtung entsteht, auch wenn ein og. Ausschlussgrund vorliegt. Wurde für das Kalenderjahr, in dem das Dienstverhältnis endet, ein über den zustehenden anteiligen Jahresurlaubsanspruch hinausgehender Erholungsurlaub konsumiert, ist dieser Übergenuss nur zurückzuerstatten, wenn das Dienstverhältnis aufgrund eines unberechtigten vorzeitigen Austritts, wegen einer verschuldeten Entlassung oder Dienstgeberkündigung endet. Der überaliquote Verbrauch ist darüber hinaus auch dann zurückzuerstatten, wenn das Dienstverhältnis aufgelöst wird, weil die Ärztin oder der Arzt für eine Dauer von mindestens fünf Tagen ununterbrochen und ungerechtfertigt vom Dienst abwesend war. Urlaubsabgeltung Hat die Ärztin/der Arzt bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch nicht den gesamten zustehenden Anspruch auf Erholungsurlaub konsumiert, so gebührt gemäß § 93 NÖ LBG für die nicht verbrauchten Urlaubsstunden eine Abgeltung in Höhe des einfachen Stundensatzes, sofern der Anspruch noch nicht verfallen ist. Die Urlaubsabgeltung gebührt bis zum Höchstmaß des Vierfachen der Wochendienstzeit pro Urlaubsjahr bzw. bis zum aliquoten geringeren Ausmaß bei einer nicht das gesamte Urlaubsjahr umfassenden Dienstzeit. Der Anspruch auf Auszahlung einer Urlaubsabgeltung besteht nicht, wenn der/die DienstnehmerIn den Nichtverbrauch des Urlaubs zu vertreten hat. Dies ist der Fall, wenn ein vorzeitiger Austritt ohne wichtigen Grund, eine Dienstgeberkündigung oder Entlassung aufgrund eines Verschuldens eines Dienstnehmers erfolgt. Darüber hinaus besteht kein Abgeltungsanspruch, wenn die Ärztin/der Arzt ungerechtfertigt vom Dienst abwesend ist oder das Dienstverhältnis vor dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters endet und bereits Ansprüche auf Pensionsleistungen bestehen. Grundsätzlich gilt: Jede Nebenbeschäftigung ist dem Dienstgeber schriftlich zu melden. Bei einem geplanten ärztlichen Tätigkeitwerden in Krankenanstalten, die von anderen Rechtsträgern organisiert werden, reicht die schriftliche Bekanntgabe jedoch nicht aus. Dieses bedarf vielmehr der schriftlichen Genehmigung des Landes Niederösterreich als Dienstgeber. Wird die Zustimmung nicht erteilt, setzt die Ärztin bzw. der Arzt einen Entlassungsgrund, sollte der nicht bewilligten Nebenbeschäftigung dennoch nachgegangen werden. Nebenbeschäftigungen Die gesetzlichen Vorgaben zur Ausübung von Nebenbeschäftigungen durch in NÖ Landeskliniken angestellte Ärztinnen und Ärzten werden in § 13 NÖ Spitalsärztegesetz sowie § 39 Abs 2 bis 5 NÖ Landesbedienstetengesetz normiert. Nebenbeschäftigungen sind all jene Tätigkeiten, die Ärztinnen und Ärzte außerhalb ihres Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit (zB weitere Tätigkeiten für das Land Niederösterreich) ausüben. Werden Bedienstete durch eine Nebenbeschäftigung an der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben gehindert oder wird die Vermutung einer Befangenheit hervorgerufen bzw. sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet, ist die Nebenbeschäftigung zu unterlassen. Die ehemals geltende Bestimmung, wonach etwa die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassene Ärztin bzw. niedergelassener Arzt nur gestattet war, sofern der Dienstgeber dies nach Anhörung der Ärztlichen Leitung sowie der zuständigen Abteilungsleitung genehmigt, ist obsolet. CONSILIUM 04/15 13 Foto: Tschank KURIE ANGESTELLTE VP OA Dr. Ronald Gallob Vision Niederösterreich Oder die Kurie der Angestellten in NÖ in permanenten Gesprächen 2 008 standen wir, die Kurie der Angestellten in Niederösterreich, mit einem Konzept in der Tasche in den Startlöchern. Dieses Konzept hatte folgende tragende Themen: 1.Arbeits- und Lebensqualität. 2.Wertschätzung im menschlichen, fachlichen und monetären Sinne. 3.Ausbildung. 4.Struktur der Landeskliniken-Holding - oder einfach ausgedrückt: Strukturreform, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Die entscheidende Frage war, mit welchen Mitteln man diese vier Themen entwickeln kann. Wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte sind - wie wir Ärztinnen und Ärzte überhaupt - keineswegs Freunde der offenen Auseinandersetzung auf der Straße. Abgesehen davon hat uns die Gegenwart gerade in den letzten Wochen gelehrt, dass selbst heftigster Tumult, wie die Geschehnisse in Kärnten und in Wien zeigen, die berechtigten Forderungen der Ärzteschaft NICHT zur wirklichen Umsetzung bringen konnte. Wir haben den weitaus mühsameren Weg eingeschlagen und am grünen Tisch mit Ausdauer und Argumenten für die Anliegen der angestellten Kollegenschaft gearbeitet. Man kann durchaus sagen, dass die Auseinandersetzungen dort nicht von schlechten Eltern waren. Die Grundlage für die Tatsache, dass wir diesen grünen Tisch nicht nur nicht verlassen haben, sondern dass wir permanent in den letzten Wochen und Monaten gerade dort unsere Arbeit geleistet haben, liegt in dem mittlerweile erarbeiteten Vertrauen. Ich weiß schon, dass wir als gelernte Österreicher in den Reflex verfallen und sofort alles Mögliche vermuten ABER: Diese Partnerschaft (Cave: keine Packlerschaft!) hat uns nicht nur den Konflikt auf der Straße erspart, sie hat uns auch wesentliche Entwicklungen ermöglicht. Ad 2) Wertschätzung im menschlichen, fachlichen und monetären Sinne Ad 1) Arbeits- und Lebensqualität Hierbei ist die Schere in den letzten Jahren beträchtlich auseinander gegangen. Die Gehaltsarchitektur hat sich positiv entwickelt und man wird sehen, wie das Lohnniveau in den anderen Bundesländern sich jetzt im Rahmen der diversen Verhandlungen entwickeln wird. Selbstverständlich haben wir mit den Vergleichsberechnungen bereits begonnen. Aber: Bei Verfassen dieses Artikels liegen nur die Gehaltsschemen Vorarlbergs und seit kürzerer Zeit der Steiermark abschließend auf dem Tisch. Wobei die Presse zu berichten wusste, dass der Gehaltsabschluss in der Steiermark wieder wackelt. Kärnten konnte ebenfalls einen Abschluss vermelden, die Umsetzung auf gesetzlicher Basis muss noch abgewartet werden. Dann werden diese Zahlen in unsere Tabellen einfließen. Keines der anderen Bundesländer ist mit seinen Verhandlungen endgültig vergleichbar fertig. Klar ist auf jeden Fall, dass eine relevant bessere Entlohnung nicht unbeantwortet bleiben wird. Kein Zweifel, dass die Reduktion der Arbeitszeit mit Lohnausgleich das Leben in den Landeskliniken besser gemacht hat. Aber: Die Verteilung der Arbeit in den Regionen wurde - wie Die fachliche Wertschätzung im weiteren Sinne ist durch die quantitative Überlastung in vielen Bereichen ohnehin relativiert. In weiten Bereichen der Welt ist die Industrialisierung der Blicken wir auf oben angeführte vier Punkte, dann ist trotz Gehaltsreform im Dezember 2012 sowie gemeinsamer Verhandlung des Niederösterreichischen Spitalsärztegesetzes und trotz der über viele Jahre (vor Inkrafttreten des neuen KA-AZG) etablierten freien Wahl der Arbeitszeitobergrenzen, begleitet von zahlreichen kleineren Anpassungen, ein schaler Geschmack sehr stark wahrzunehmen. 14 schon in den Jahren davor - immer weiter im Sinne einer Arbeitsverdichtung konzentriert. Die anfallende Workload wurde in den einzelnen Gesundheitsregionen nicht den Möglichkeiten und Notwendigkeiten entsprechend verteilt. Die Aufgabenstellungen des sehr flächigen Bundeslandes wurden nicht so aufgearbeitet, dass jede Einheit im Räderwerk der Gesundheitsversorgung seinen Teil leisten konnte. Die Personalentwicklung wurde nicht überall den Bedürfnissen entsprechend weiterentwickelt. Darüber hinaus ist der noch vor einigen Jahren österreichweit geleugnete Ärztemangel wirklich Realität geworden, das Konzept „turnusarztfreie Station“ ist der beste Beweis dafür. Teilweise gibt es den absoluten Mangel, wie im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und teilweise existiert der relative Mangel aufgrund der Verteilung der vorhandenen Arbeitskraft und gegenwärtigen Organisation. Erweitert man dann das Aufgabengebiet bei absolutem Mangel an Ärztinnen und Ärzten, dann muss man von Absurdität sprechen. Fakt ist, dass die Bundespolitik die Zahl der Studenten und damit der Absolventen relevant reduziert hat. Fakt ist, dass ein nennenswerter Anteil der Absolventen der medizinischen Universitäten Österreich verlässt. Fakt ist, dass ein leeres Ruderboot auch mit dem besten Steuermann nicht vorankommen kann! CONSILIUM 04/15 KURIE ANGESTELLTE Medizin schon weit fortgeschritten und die Vermehrung von Administration und Bürokratie torpediert bereits die zwischenmenschliche Komponente der medizinischen Arbeit. Das Diktat der Ökonomie tut dann noch das übrige! Sparen ohne „Wenn und Aber“ kann eine moderne Medizin nicht verkraften! Die Finanzierungsfrage - wohl die zentrale Frage - möchte niemand offen ansprechen! Wartezeiten auf Planoperationen zeigen, dass das Angebot nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht, unterschiedliche Wartezeiten in einzelnen niederösterreichischen Kliniken im selben Fachgebiet zeigen, dass die Verteilung der Ressourcen innerhalb der Landeskliniken-Holding offensichtlich nicht bedarfsorientiert funktioniert. Niederschlag erfahren, der Niederschlag in die Realität ist aber vielerorts zu vermissen. Das verbindende Problem ist das alle Teilaspekte wirklich untrennbar miteinander verbunden sind. Gleich wie die Tatsache, dass alle Berufsgruppen in den Landeskliniken unersetzlich sind und das Nebeneinander bzw. das Auseinander die Arbeitswelt stören. Es müssen alle oben angeführten Elemente rasch und zielgerichtet angepackt werden. Allen Menschen rechts getan ist eine Kunst die niemand kann! JA! Aber wir alle müssen (von Gesetzes wegen) und wollen (basierend auf unserer ärztlichen Ethik) es allen Patientinnen und Patienten recht tun!!! Ad 3) Ausbildung In diesem Sinne sind wir vorausschauend mitten im politischen Handeln! Ohne Kraftvergeudung in den Medien werden wir weiterhin die Entwicklung in Österreich beobachten und für unser Bundesland und die Spitalsärztinnen und Spitalsärzten arbeiten! Wenn ich die Berichte der Turnusärztinnen und Turnusärzte egal ob in Ausbildung zur Allgemeinmedizin oder zu einem Sonderfach - Revue passieren lasse, dann ist die Zahl der Beschwerden, die Qualität der Ausbildung entsprechend weiter gestiegen. Natürlich gibt es ausgezeichnete Abteilungen, trotzdem ist die Dominanz der Systemerhaltung Grund genug, dass junge Kolleginnen und Kollegen sich die weitere Karriere im Krankenhaus wohl überlegen. Wenn sich dann Ausbildungsassistenten selbst um Ausbildungszeiten in anderen Bundesländern kümmern, um fehlende Ausbildungsinhalte erwerben zu können. Und dafür keinen Sonderurlaub bekommen, dann ist dies nur ein kleines Beispiel für ungeschickten Umgang mit diesem Thema. In diesem Zusammenhang darf ich erinnern, dass Ausbildungsassistentinnen und Ausbildungsassistenten, die für das Notarztsystem in Niederösterreich Leistung erbringen, nach wie vor in einer verzerrten Entlohnungssituation sind. Anstatt dieses Angebot dienstgeberseitig wertzuschätzen, führt der Mangel an Notärzten noch zusätzlich zu Druck auf unsere junge Kollegenschaft in Ausbildung. VP OR DR. RONALD GALLOB Obmann der Kurie der angestellten Ärzte DFP-Sprechstunden Beginn jeweils 14.00 Uhr •16.4.2015 – UK Krems – Altstadtsaal, 8.OG •30.4.2015 – LK Mauer – Festsaal •21.5.2015 – UK St. Pölten – Festsaal, Haus A, 8.OG •28.5.2015 – LK Mödling – Konferenzraum 1, Container, 1. Stock rechts •11.6.2015 – LK Wiener Neustadt – Dr. Richard-Korn-Saal Alle 27 Standorte der Landeskliniken-Holding - ich nehme gleich vorweg, dass aus meiner Sicht jeder einzelne Standort ein unersetzliches Element ist - sind im Laufe der Jahre zu einem großen Konzern zusammengewachsen. Man muss kein „Extremspezialist über welchem Bildungsweg auch immer“ sein, um zu wissen, dass diese Häuser den Bedürfnissen der jeweiligen Region entsprechend weiterentwickelt werden müssen! Diese Strukturreform hat schon vor mehr als zwei Jahren in den Medien verbalen Foto: Trueffelpix - Fotolia Ad 4) Strukturreform www.arztnoe.at/DFP2016 CONSILIUM 04/15 15 INTERVIEW Vom Wahlarzt zum Kassenarzt I m Februar hat die NÖ Ärztekammer im Auftrag der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine Kassenstelle für Orthopädie als originäre Gruppenpraxis für Wr. Neustadt ausgeschrieben. Präsident Dr. Christoph Reisner, MSc, hat sich mit einem Team von drei Orthopäden für diese Stelle beworben und am 17. März im Hearing mit der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse den Zuschlag bekommen. Mit Anfang Juli wird die Gruppenpraxis Dr. Baumgartner, Dr. Reisner, Dr. Wagner Orthopädische Gruppenpraxis OG eröffnen. CONSILIUM: Herr Dr. Reisner, Sie haben sich immer für die Interessen der Wahlärzte eingesetzt. Was hat Sie nun dazu bewogen, das Leben als Wahlarzt aufzugeben und künftig als Kassenarzt tätig zu sein? REISNER: Entscheidend war für mich, dass sich bei der originären Gruppenpraxis jeweils das ganze Team um die Kassenstelle bewirbt. Das heißt, man kann sich seine Partner wie auch im wirklichen Leben aussuchen. Der große Nachteil etwa bei der Jobsharing Gruppenpraxis ist ja, dass der bestgeeignete Bewerber, der als Sieger aus einem Hearing hervorgeht, nicht immer der Wunschkandidat sein muss. Aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen geben derzeit keine andere Lösung her. Dazu kommt noch, dass eben die Form der Gruppenpraxis eine Teamarbeit mit zwei hervorragenden, erfahrenen Orthopäden möglich macht. Die Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit macht das Leben zusätzlich leichter. Ich persönlich werde mich in meiner Arbeitsweise nicht ändern, egal ob ich als Wahlarzt oder Kassenarzt tätig bin. CONSILIUM: Wer sind Ihre künftigen Partner in der Gruppenpraxis? Dr. Thomas Wagner kenne ich seit Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit an der Unfallabteilung Neunkirchen, wir haben schon bisher vor allem auf gutachterlicher Ebene eng zusammengearbeitet. Im Krankenhaus sind wir seit 1993 gemeinsam an einer Abteilung tätig. Er verfügt über lange Erfahrung im Bereich der operativen und der konservativen Orthopädie. Dr. Markus Baumgartner ist bereits in Zeiten, als er noch als Famulant an der orthopädischen Abteilung in Wr. Neustadt tätig war, durch seinen Fleiß, seinen Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit aufgefallen. Seit 2005 ist er ebenfalls an der Orthopädie Wr. Neustadt tätig. Jeder von uns hat fachliche Schwerpunkte. Diese Synergien können wir in der neuen Gruppenpraxis sinnvoll nutzen. Komplizierte Fälle können gemeinsam besprochen und entschieden 16 CONSILIUM 04/15 werden. Uns ist bewusst, dass wir die großen Vorteile der Wahlarztordination – nämlich mehr Zeit für den Patienten zu haben – in Zukunft nicht mehr haben werden, da der Faktor Zeit in der Kassenordination nur unzureichend bewertet wird. Ich freue mich aber auf diese neue Aufgabe und bin überzeugt, dass wir mit unserem Ordinationskonzept auch in der Kassenordination Medizin auf hohem Niveau betreiben können. CONSILIUM: Ist es zu schaffen, in nur drei Monaten eine Gruppenpraxis sozusagen aus dem Boden zu stampfen? REISNER: Ohne entsprechende Planung wäre dies völlig unmöglich. Wir haben aber viele unserer Hausaufgaben bereits in der Vorbereitungszeit auf das Hearing erledigt. Die Ordinationsräumlichkeiten bestehen bereits und werden derzeit noch von Dr. Baumgartner als Wahlarzt verwendet. Wir werden ab 1.7.2015 über mehrere Ordinationsräume verfügen, die auch ein paralleles Arbeiten ermöglichen. Wir verfügen über einen Eingriffsraum, in dem wir Hand- und Fußoperationen ambulant anbieten können. Dieser Raum ist bereits als Strahlenanwendungsraum zertifiziert und mit einem Röntgenbildwandler ausgestattet. Es sind lediglich geringe Adaptierungen erforderlich. Eine Struktur mit Eingriffsraum und Ausstattung auf hohem Niveau (Ultraschall, Stoßwelle,…) erhalten zu können erfordert ein Team. CONSILIUM: Sie waren der erste Wahlarzt in Österreich, der zum Präsidenten einer Ärztekammer gewählt wurde. Wie werden Sie die Interessen der Wahlärzte künftig vertreten? REISNER: Ich habe in der Vergangenheit als Wahlarzt genauso die Interessen der Kassenärzte und natürlich Spitalsärzte vertreten und werde in Zukunft ebenfalls die Wahlarztinteressen vertreten, auch wenn ich Kassenarzt bin. An meinem gesundheitspolitischen und standespolitischen Interesse ändert sich ja nichts, nur weil ich künftig mein Honorar nicht mehr direkt von meinen Patienten bekomme, sondern von der Sozialversicherung meiner Patienten. Ich kenne nun aus persönlicher Erfahrung das Leben des Spitalsarztes über mehr als 20 Jahre, das Leben als Wahlarzt über fast 20 Jahre. Ich bin überzeugt, dass es auch aus standespolitischer Sicht für mich gut ist, das Leben eines Kassenarztes aus eigener Erfahrung zu kennen. CONSILIUM: Wie wird ihre weitere berufliche Tätigkeit nun aussehen? REISNER: Mein Wochenablauf wird sich etwas ändern. Derzeit bin ich noch teilzeitbeschäftigt im Landesklinikum Wr. Neu- Foto: Martin Wieland INTERVIEW Mit Anfang Juli wird die Gruppenpraxis Dr. Baumgartner, Dr. Reisner, Dr. Wagner Orthopädische Gruppenpraxis OG in Wr. Neustadt eröffnen stadt. Diese Tätigkeit werde ich mit Ende Juni 2015 beenden. Die Ordination in Neunkirchen wird mit Ende Juni ebenfalls geschlossen. Meine Ordination in Wien, die gutacherliche Tätigkeit, die Weiterentwicklung der Software „Wahlarzt“ werden wie bisher weiterlaufen, auch meinen musikalischen Ambitionen werde ich weiter nachgehen (www.sinus-co.at, www.tastytune.at ). Meine Tätigkeit in der Standespolitik als Präsident der Ärztekammer werde ich mit der gleichen Energie wie bisher fortsetzen. CONSILIUM: Ist eine Gruppenpraxis für Orthopädie in Wr. Neustadt gerechtfertigt? REISNER: Seit dem Jahr 2011 wird in den Stellenplangesprächen mit der NÖGKK regelmäßig über eine dritte Kassenstelle für Orthopädie in Wr. Neustadt diskutiert. Die Entwicklung der Bevölkerung rechtfertigt für 2015 auf alle Fälle eine dritte Stelle. Auch aufgrund der derzeitigen Wartezeiten weiß ich, dass es einen dringenden Bedarf an Orthopäden mit Kassentarifen im Raum Wr. Neustadt gibt! Dazu kommt noch, dass die orthopädische Abteilung in Wr. Neustadt nach Neunkirchen übersiedeln wird. Korrekterweise müsste man sagen: die orthopädische Abteilung Wr. Neustadt wird geschlossen. Damit fällt in Zukunft jede Möglichkeit einer fachärztlichen orthopädischen ambulanten Versorgung im Landesklinikum Wr. Neustadt weg. Diesen Bereich können wir künftig abdecken und so deutlich mehr Menschen helfen als dies in einer Wahlarztordination möglich ist. CONSILIUM: Werden Sie Ihr standespolitisches Engagement weiter betreiben oder wird dafür keine Zeit mehr übrig sein? REISNER: Ich bin ein politisch sehr interessierter Mensch und werde selbstverständlich auch weiterhin in der Ärztekammer als Präsident tätig sein. Ich werde mich auch bei der nächsten Kammerwahl 2017 wieder als Spitzenkandidat der Gruppe „Die Engagierten“ der Wahl stellen. Wir haben große Aufgaben vor uns: Um ELGA ist es zwar im Moment relativ ruhig, das heißt aber nicht, dass nicht fleißig an der Einführung gearbeitet wird. Gleiches gilt für die Gesundheitsreform mit den Primärversorgungszentren. Hier werden wir noch viel Arbeit leisten müssen, um die Interessen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich hier nicht locker lasse, ganz gleich in welchem Vertragsverhältnis ich meine ärztliche Tätigkeit ausübe. CONSILIUM: Danke für das Gespräch! CONSILIUM 04/15 17 DFP-Countdown 2016 Foto: fotolia/trueffelpix Mit 1. September 2016 müssen alle niedergelassenen und angestellten Ärztinnen und Ärzte, die zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt sind, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nachweisen. Das DFP-Diplom ist dafür die beste Bescheinigung alle Informationen hierzu finden Sie auf www.arztnoe.at/DFP2016. INTERVIEW Vom Kassenarzt zum Wahlarzt Dr. Peter Österreicher gehört zu den Ärzten, die den Schritt gewagt haben A ls Dr. Peter Österreicher im Jahr 1989 in Maria Enzersdorf eine Kassenordination für Allgemeinmedizin aufmachte, befand er sich in einer typischen Situation: Er begann mit 400 Scheinen pro Quartal, hatte eine Ordinationshilfe und eine Heilmasseurin angestellt und die finanzielle Situation war alles andere als entspannt. Schulden für den Kauf der Ordinationseinrichtung und die Anfangskosten trieben die Kontostände in den Keller. In den ersten drei Jahren hatte sich die Kassenordination sehr gut entwickelt: Etwa 1.000 Krankenscheine entsprachen einem Umsatz leicht über dem Durchschnitt, dies wurde mit der nach wie vor gleichen Personalausstattung bewältigt. Dem gegenüber standen die ebenfalls typischen Probleme: Eine Arbeitszeit weit über 40 Stunden pro Woche inklusive Visiten und Organisation. Zu viele Patientinnen und Patienten. Und Umsätze, die im Verhältnis zum Einsatz „zweifelhaft gering“ waren. Dr. Österreicher war frustriert, weil er zwar seinen Lebensunterhalt aus der Kassenordination gut bestreiten konnte, aber deutliche Einbußen in der von ihm gewünschten Lebensqualität hinnehmen musste. So begann er auch schon 1992 sich mit der Planung des Umstiegs auf eine wahlärztliche Ordination zu befassen. Sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Dr. Österreicher wurde zum ersten Mal so richtig mit Themen wie Standortwahl, Kalkulation und Marketing konfrontiert. Themen, die damals in einer Kassenordination eine untergeordnete Rolle spielten. Zunächst befasste sich Dr. Österreicher mit dem anzubietenden medizinischen Spektrum. Neben so genannter „Schulmedizin“ wollte er Akupunktur, Homöopathie, physikalische Therapie, Heilmassage und Hypnose anbieten, mit Spezialisierung auf chronische und psychosomatische Erkrankungen. Dr. Österreicher wollte die Anzahl der Angestellten so klein wie möglich halten, weil die „Fixkostenbelastung“ dadurch zu minimieren ist. Stattdessen sollten möglichst viele freie Mitarbeiter zum Erreichen von wertvollen Synergieeffekten an der Ordination partizipieren. Diese sollten nach Persönlichkeit, Teamfähigkeit und methodischen Synergismen ausgewählt werden. Es wurde ein Raumkonzept erstellt, um den Platz in der zur Verfügung stehenden Zeit so gut wie möglich auszulasten. In Bezug auf die Kalkulation überlegte er sich zunächst, was er denn als Wunscheinkommen beziffern wollte. Unter Zurechnen der Steuer und der Ordinationsausgaben konnte der Wunschumsatz errechnet werden, der nur noch durch die gewünschte Stundenzahl geteilt werden musste. So konnte unter Berücksichtigung der notwendigen Zeit und allenfalls des zusätzlich notwenigen Materials ein Preis für jedes einzelne „Produkt“ der Ordination Dr. Österreicher errechnet werden. In die Berechnungen flossen selbstverständlich die Vorlaufkosten mit ein. Dr. Österreicher behielt als Sicherheit eine Teilzeitbeschäftigung als angestellter Arzt, um ein Grundeinkommen zu haben. Eine berufstätige Ehefrau erwies sich in dieser Phase ebenfalls als großer Vorteil. Als Standort wurde mit Traiskirchen ein zentraler Punkt in der Region südliches Wien bis Wiener Neustadt ausgewählt. Neben der dort verfügbaren Kaufkraft erwies sich die Erreichbarkeit als wichtiges Kriterium: Sowohl mit Bus, Bahn und mit dem Auto sollte die Ordination gut erreichbar sein. Dr. Österreicher entschied sich für ein Objekt in einem Einkaufszentrum mit Caféhaus, mit eigenem Stiegenaufgang, Bankomat vor der Tür und einem großen Parkplatz. Zu Beginn der Ordinationstätigkeit gab es eine „Einweihungsparty“, zu der neben Kolleginnen und Kollegen sowie lokalen „Prominenten“ auch „sekundäre Zuweiser“ wie Pfarrer und Gemeinderäte eingeladen waren. Die zu Beginn gedruckten 6.000 Ordinationsfolder konnte so gleich in Umlauf gebracht werden. Neben dem Halten von Kursen und Vorträgen betrieb Dr. Österreicher bereits von Beginn an eine Homepage und ging eine Kooperation mit einem Fitness-Studio ein. Als Kalkulationsbasis wurde damals der Betrag von 800 Schilling Umsatz pro Stunde verwendet. Nach sechs Wochen betrug die Auslastung der Ordination bereits etwa 50 Prozent. Etwas schleppend verlief die Nutzung der freien Kapazität der Räume durch freie Mitarbeiter. Inzwischen hat Dr. Österreicher immer noch nur eine Angestellte, jedoch sechs freie Mitarbeiter als Kooperationspartner: Einen Physiotherapeuten, einen Heilmasseur, einen Psychotherapeuten, zwei Psychologinnen und eine Pädagogin. Die Ordination hat ein reines Bestellsystem, wodurch sich eine maximale Wartezeit von zehn Minuten ergibt. Zu 99 Prozent handelt es sich in seiner Ordination um Barzahler. Inzwischen liegt der Stundensatz bei 140 Euro mit Abstufungen. Beispielsweise 40 Euro pro Viertelstunde. Einige Sonderleistungen werden zusätzlich verrechnet, so dass der Stundensatz von 200 Euro in aller Regel erreicht wird. Dr. Österreicher leitet etwa 1.000 bis 1.200 Stunden pro Kalenderjahr, was knapp 25 Stunden pro Woche bei 45 Arbeitswochen ergibt. CONSILIUM 04/15 19 INTERVIEW Gleiches Einkommen bei halber Arbeitsleistung Dr. Peter-Kurt Österreicher ist Allgemeinmediziner und führt eine Wahlarztordination in Traiskirchen in Niederösterreich. Von 1989 an hatte er eine gut gehende Ordination in Maria Enzersdorf und Verträge mit allen Kassen. Doch bereits nach drei Jahren, 1992, legte er alle Verträge zurück und wurde Wahlarzt. CONSILIUM: Herr Dr. Österreicher, warum haben Sie nach nur drei Jahren als Kassenarzt alle Verträge gekündigt und sich für das Wahlarztleben entschieden? ÖSTERREICHER: Ich war immer öfter mit massiven therapeutischen Einschränkungen durch die Kassen konfrontiert. So wurden bestimmte Therapien und Medikamente nicht bewilligt, aber auch das wichtige ärztliche Gespräch nicht honoriert. Zum Arbeiten brauche ich Zeit, Zeit für den Patienten. Ich arbeite viel mit psychosomatisch und chronisch Kranken und wollte das auch weiterhin tun. Dafür ist eine zeitintensive Betreuung notwendig. Die Kassen hätten nie honoriert, dass ich für einen Patienten einmal eine halbe oder sogar eine Stunde Zeit brauche. Dazu kommt, dass ich zu kalkulieren gelernt habe. Wenn ich also ein gewisses Einkommen haben möchte, muss ich eine bestimmte Summe pro Stunde einnehmen. Das ist wahrscheinlich das größte Manko innerhalb der niedergelassenen Ärzteschaft, dass dieser wirtschaftliche Bereich in der Ausbildung völlig ausgeklammert wird und es nicht einmal eine verpflichtende Information vor der Eröffnung einer Ordination gibt. CONSILIUM: Wie lange haben Sie gebraucht, um sich zu dieser Entscheidung durchzuringen? ÖSTERREICHER: Das ging sehr schnell, von April bis Juni. Ich war sehr frustriert damals, denn so habe ich mir den Beruf nie vorgestellt. Also habe ich der Gebietskrankenkasse einen Brief geschickt mit der Frage, ob sie einen besseren Vertrag für mich hätten, dann könne ich mir vorstellen, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das haben sie natürlich nie gemacht. Ich habe nicht einmal einen Vorsorgeuntersuchungsvertrag. Ich möchte von Politik und Kassen völlig unabhängig sein. 20 CONSILIUM 04/15 CONSILIUM: Sind manche Patienten weiterhin zu Ihnen gekommen oder haben Sie sich alles neu aufgebaut? ÖSTERREICHER: Nachdem ich meine neue Ordination nach Traiskirchen verlegt habe, sind nur sehr wenige Patienten mitgekommen. Die Ordination hat sich aber gut entwickelt: Zum einen hatte ich zur finanziellen Absicherung für die ersten vier Jahre eine Anstellung mit 20 Wochenstunden als Leiter einer Massageschule in einem physikalischen Institut. Damit hatte ich immer ein fixes Einkommen. Zum anderen habe ich mir in meiner Berechnung für die ersten Gewinne in der Ordination ein Jahr Zeit geben. Nach vier bis sechs Wochen wusste ich aufgrund der Anmeldungen, dass es gut gehen würde. Und trotz größerer Investitionen habe ich bereits nach sechs Monaten erste Gewinne geschrieben. CONSILIUM: Sie sagen, Sie können kalkulieren. Wie geht es Ihnen wirtschaftlich als Wahlarzt heute? ÖSTERREICHER: Ich erziele bei halber Arbeitsleistung dennoch das gleiche Einkommen. Dafür arbeite ich 23,5 Wochenstunden im Schnitt, das sind hochgerechnet 1.000 Stunden im Jahr. Mein ärztliches Stundenhonorar liegt bei 140 Euro. Dazu kommen Mieteinnahmen von Psychotherapeuten, Masseur, Physiotherapeuten und Psychologinnen, die die Räumlichkeiten meiner Praxis mitbenützen, sowie Einnahmen aus dem Verkauf einzelner OTC-Produkte. CONSILIUM: Liegt es auch am Standort Traiskirchen, dass es so gut für Sie läuft? ÖSTERREICHER: Viele haben mich vor Traiskirchen gewarnt, aber ich liege im Speckgürtel von Wien, da gibt es ein großes Einzugsgebiet. Traiskirchen hat einen Autobahnanschluss, ich habe eine gute Location mit einem guten Ambiente und eigenen Parkplätzen. Es passt vieles sehr gut zusammen. CONSILIUM: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kassenärzten in Ihrer Umgebung? ÖSTERREICHER: Ich habe mit meinen Kollegen ein gutes Verhältnis. Ich denke, sie sind froh, dass es mich gibt. Sie schicken mir Patienten für spezielle Therapien und nach der Betreuung INTERVIEW schicke ich sie auch wieder zum Hausarzt zurück. Ich leiste kaum Basisversorgung, das übernehmen diese Kollegen. Zu mir kommen die Patienten wegen psychosomatischen Erkrankungen, chronischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, psychischen Traumata oder Sportmedizin. CONSILIUM: Würde jeder niedergelassene Arzt so denken wie Sie und seine Kassenverträge zurückgeben, wie sähe dann unsere soziale Krankenversorgung aus? ÖSTERREICHER: Ich habe für mich ein Segment gefunden, aber das ist kein Modell für die Allgemeinheit. Es ist aber nicht die Aufgabe der Ärzte alleine, so ein Modell zu finden. Politik, Kassen und Ärzte müssen gemeinsam ein Modell zur Krankenversorgung erarbeiten. Die Ärzte legen fest, wie Patienten medizinisch korrekt versorgt werden müssen, die Politik und Kassen müssen die Strukturen zur Verfügung stellen. Wichtig für mich ist, dass jeder Mensch seine Krankenversorgung hat. Bei den Kassen müsste dann allerdings der Patient im Vordergrund stehen, nicht die Ökonomie. CONSILIUM: Angenommen, Sie wären als Berater für die Kurie der niedergelassenen Ärzte tätig und würden gefragt, ob man den Gesamtvertrag kündigen solle? ÖSTERREICHER: Im Grunde bin ich für eine Kündigung, aber es gibt viele begleitende Aspekte, die diesen Schritt schwierig machen. Nicht jeder kann so arbeiten wie ich, dann würde die Basisversorgung zusammenbrechen. Wir bräuchten echte Transparenz. Dazu müsste man den Kassen klar machen, dass eine gut eingerichtete Ordination 200 Euro pro Stunde kostet. Wenn die Finanzierung nicht gegeben ist, werden die Ärzte ins Ausland gehen oder junge Leute werden sich für andere Berufe entscheiden. CONSILIUM: Vielen Dank für das Gespräch! Vom Kassenarzt zum Wahlarzt – vom Wahlarzt zum Kassenarzt In dieser Ausgabe sind zwei Situationsbeschreibungen von Ärzten abgedruckt. Zwei Ärzte, die sich entschieden haben, von einem Verrechnungssystem im niedergelassenen Bereich zum anderen zu wechseln. Beide jedoch in verschiedene Richtungen. Das zeigt ganz deutlich, dass nicht das eine System „besser ist als das andere“. Es zeigt, dass die verschiedenen Systeme für unterschiedliche Lebenssituationen von Ärztinnen und Ärzten eben unterschiedlich geeignet sind. So wie sie auch für Patientinnen und Patienten Unterschiede aufweisen und eben von diesen auch gemischt und abwechselnd genutzt werden. Für alle ist es ein großer Vorteil, beide Systeme zu haben und nutzen zu können. Rund 2.000 Wahlärztinnen und -ärzte stehen etwa 1.300 Kassenärztinnen und -ärzten gegenüber. Schätzungsweise wird etwa ein Drittel der ärztlichen Leistung im niedergelassenen Bereich von der Wahlärzteschaft erbracht. Die Vorteile des Kassensystems sind ein unmittelbarer Zugang zur allgemeinmedizinischen und fachärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich. Patientinnen und Patienten erhalten eine Grundversorgung durch das Sozialversicherungssystem. Ärztinnen und Ärzte können niedrige Tarife anbieten, da sie viele Patientinnen und Patienten behandeln. Die Vorteile des Wahlarztsystems sind die verschiedenen Aspekte der Zeit. Wartezeit auf Termine, Wartezeit in den Ordinationen, Behandlungszeit. Patientinnen und Patienten können sich diese Vorteile als Zusatz zur Grundversorgung „erkaufen“, Wahlärztinnen und Wahlärzte können und müssen ganz anders kalkulieren und entsprechende Tarife verrechnen, die von den Patientinnen und Patienten zum Teil selbst bezahlt werden müssen. Beide Systeme sind in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen und bilden in der Zwischenzeit eine harmonische Einheit. Und so wird der einst prominenteste Verfechter des Wahlarztsystems in ganz Österreich nun in wenigen Monaten selbst Kassenarzt. Präsident Dr. Christoph Reisner hat auch nie das eine System verdammt und das andere hochgelobt. Er hat sich während seiner immer noch andauernden Zeit als Ärztekammerpräsident stets für Ärztinnen und Ärzte in allen Beschäftigungsverhältnissen eingesetzt und wird das auch weiter tun. CONSILIUM 04/15 21 OFFENER BRIEF Ein Blick über die Grenzen U ntenstehenden Offenen Brief erhielt die Österreichische Ärztekammer Ende März. Auch die Antwort der ÖÄK wollen wir Ihnen nicht vorenthalten (siehe nächste Seite). Die Antwort von Präsident Reisner auf diesen Brief wäre wesentlich kürzer und klarer ausgefallen: Sehr geehrte Damen und Herren! Die angespannte Situation der Wiener Spitalsärzte ist eine Folge des Versagens der Politik, die ein seit 2003 bestehendes EU-Gesetz nicht umgesetzt hat. Wien hat meine volle Unterstützung. Mit freundlichen Grüßen, Dr. Christoph Reisner Offener Brief – Verantwortungsvolle Gesundheitspolitik im Interesse der Patientinnen und Patienten Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Wechselberger! Das österreichische Gesundheitssystem zeichnet sich durch eine umfassende Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau aus – mit einer sehr guten Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zu medizinischen Leistungen und hohen Qualitätsstandards. Darauf kann Österreich zu Recht stolz sein. Als Verantwortungsträger sind wir einer nachhaltigen Absicherung unseres solidarischen Gesundheitssystems trotz steigendem Kostendruck verpflichtet. Mit der Gesundheitsreform haben wir daher Schritte gesetzt, um die Leistungen für die Menschen auszubauen und das System finanzierbar zu halten. Beispielsweise seien hier erste Pilotprojekte auf Basis des beschlossenen Konzepts zur Stärkung der Primärversorgung, eine österreichweite Gesundheitsförderungsstrategie inklusive der dafür notwendigen Finanzierung, die Gratiszahnspange für Kinder und Jugendliche bei Behandlungsbedürftigkeit sowie die Vereinbarung zum Ausbau der Kinderrehabilitation genannt. Die gegenwärtigen Aussagen von einigen Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft rund um die aktuellen Auseinandersetzungen zu Arbeitsbedingungen von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten, zu drohenden Leistungseinschränkungen und Versorgungsengpässen tragen dazu bei, den Menschen das Gefühl zu geben, dass dieses sehr gute Gesundheitssystem in Gefahr sei. Das entspricht nicht den Tatsachen. Als Verantwortungsträger in der österreichischen Gesundheitspolitik weisen wir Verhaltensweisen, die geeignet sind, das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in das Gesundheitssystem zu schwächen und den eingeschlagenen Reformkurs zu gefährden, entschieden zurück! Verantwortungsvolle Gesundheitspolitik bedeutet, sich im Sinne der Patientinnen und Patienten für die nachhaltige Absicherung des Gesundheitssystems und den Ausbau der Gesundheitsversorgung einzusetzen. Als Partner der Gesundheitsreform werden wir daher auch weiterhin zum Wohle der Patientinnen und Patienten engagiert an der Umsetzung der Gesundheitsreform arbeiten. Wir appellieren eindringlich an Sie als Präsident aller Ärztinnen und Ärzte Österreichs, die konstruktiven Kräfte zu stärken, gemeinsam mit uns jenseits von Berufs- und Standesinteressen an diesem gesundheitspolitischen Ziel zu arbeiten und die Interessen der Ärzteschaft verantwortungsvoll einzubringen – zum Wohle der Patientinnen und Patienten und auch im Interesse der vielen tausenden Ärztinnen und Ärzte, die täglich um das Wohl und die Gesundheit der Menschen kämpfen. Bundesministerin Dr.in Sabine Oberhauser Bundesminister Dr. Hans-Jörg Schelling Bundesminister Rudolf Hundstorfer Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer Stadträtin Mag.a Sonja Wehsely Landesrat Dr. Christian Bernhard Landesrat Dr. Peter Rezar Mag. Peter McDonald, Vorsitzender HVB Mag.a Ingrid Reischl, Obfrau WGKK 22 CONSILIUM 04/15 OFFENER BRIEF Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Wien, 25.3.2015 Den an mich gerichteten offenen Brief beantworte ich aufgrund der Betroffenheit der gesamten österreichischen Ärzteschaft gemeinsam mit den Präsidenten aller Landesärztekammern und den beiden Bundeskurienobmännern der Österreichischen Ärztekammer. Völlig zu Recht stellen Sie die besondere Qualität der österreichischen Gesundheitsversorgung in den Mittelpunkt lhres Schreibens. Dies ist auch unser höchstes Ziel, waren es doch in erster Linie die Angehörigen der Gesundheitsberufe, insbesondere die Ärztinnen und Ärzte, die in den letzten Jahrzehnten ganz wesentlich am Aufbau und an der Entwicklung dieses international führenden Versorgungssystems mitgearbeitet haben. Wie verletzbar dieses System allerdings mittlerweile geworden ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass bereits die seit mehr als 10 Jahre überfällige Umsetzung von europäischen Standards des Arbeitnehmerlnnenschutzes im Bereich der Spitalsärztinnen und -ärzte in Österreich zu spürbaren Engpässen führt. Lediglich beispielshaft seien eine dünne Personaldecke, reformbedürftige Arbeitsbedingungen, die laufende Arbeitsverdichtung sowie zunehmende Wartezeiten für Patientinnen und Patienten genannt. Gleichzeitig rächt sich jetzt der jahrelang verschleppte Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Die versäumte Anpassung der Kassenarztstellen an die demografischen Verhältnisse bringt es mit sich, dass die niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzte die Betreuung der aus den Ambulanzen ausgelagerten Patientinnen und Patienten nicht zusätzlich übernehmen können. Die Versorgungssituation insgesamt wird dadurch verschärft, dass gleichzeitig zusätzliche Herausforderungen zu bewältigen sind: Die Alterung der Bevölkerung, eine zu erwartende Pensionierungswelle in der Ärzteschaft, die Feminisierung des Arztberufes und die Emigration von Jungärztinnen und -ärzten ins Ausland seien als Beispiele angeführt. Angesichts dieser Aufgabenfülle ist es nicht hilfreich, Ärztinnen und Ärzten, die auf nachweisbare Fakten hinweisen, Verunsicherung der Bevölkerung vorzuwerfen. lnsbesondere dann nicht, wenn es sich um Persönlichkeiten handelt, die sich aus ihrer beruflichen Erfahrung und ihrer Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung zu Wort melden. Wir verwehren uns gegen Ermahnungen und Schuldzuweisungen öffentlicher Verantwortungsträger, die Frustrationen bei den ohnedies bis an die Grenzen des Möglichen arbeitenden Ärztinnen und Ärzten auslösen. Vielmehr sollte es unsere gemeinsame Aufgabe sein, messbare Fakten objektiv zu bewerten und konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Es ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht einer ärztlichen Standesvertretung, auf drohende Leistungseinschränkungen und auf eine potentielle Verschlechterung in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung rechtzeitig hinzuweisen. Für diesen Weg stand und steht die österreichische Ärzteschaft. Das setzt aber voraus, der Realität ins Auge zu sehen, kritikfähig zu sein und offen liegende Probleme nicht schön zu reden. Wir sehen uns im Einklang mit der österreichischen Bevölkerung und wollen in deren Interesse auch in Zukunft an der Sicherung des hohen Standards der Versorgung konstruktiv mitarbeiten. Hochachtungsvoll Präsident Dr. Karl Forstner, Ärztekammer Salzburg Präsident Dr. Josef Huber, Ärztekammer Kärnten Präsident Dr. Michael Jonas, Ärztekammer Vorarlberg Präsident Dr. Michael Lang, Ärztekammer Burgenland Präsident Dr. Herwig Lindner, Ärztekammer Steiermark Präsident Dr. Peter Niedermoser, Ärztekammer OÖ Präsident Dr. Christoph Reisner, MSc, Ärztekammer NÖ Präsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Ärztekammer Wien Dr. Harald Mayer, BKO der angestellten Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK Dr. Johannes Steinhart, BKO der niedergelassenen Arzte und Vizepräsident der ÖÄK Dr. Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer Tirol und der ÖÄK CONSILIUM 04/15 23 WELTFRAUENTAG TEXT 46 Prozent Ärztinnen – und täglich werden es mehr Eine Analyse anlässlich des Weltfrauentages am Sonntag, 8. März 2015 D ie Statistik belegt, dass die Medizin in den vergangenen Jahren immer „weiblicher“ geworden ist. Und diese Entwicklung wird noch weiter fortschreiten. In den kommenden Jahren werden fast alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit mit mindestens 50 Prozent Frauen besetzt sein. Dies erfordert ein Umdenken in Bezug auf die ärztlichen Arbeitsbedingungen. Im Vordergrund steht jedenfalls eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Wenn dies nicht gelingt, wird der bereits existierende „strukturelle Ärztemangel“ eine noch größere Dimension erreichen. Derzeit liegt die Verteilung aller Ärztinnen und Ärzte in Niederösterreich bei 46 Prozent Ärztinnen zu 54 Prozent Ärzten. Im niedergelassenen Bereich beträgt der Frauenanteil 41 Prozent. Die Aufteilung innerhalb der verschiedenen Ärztegruppen ist jedoch höchst unterschiedlich. Kassenärztliche Ordinationen nur zu einem Drittel von Ärztinnen geführt 24 Dr.in Martina Hasenhündl, Dr.in Eva Raunig, Dr.in Irene Nemeth (v.l.n.r) Bei den Ärztinnen und Ärzten mit Kassenvertrag in Niederösterreich liegt der Frauenanteil bei jeweils rund einem Drittel Fachärztinnen (31 Prozent) und Hausärztinnen (34 Prozent). In der Altersgruppe 60 plus finden sich unter den allgemeinmedizinischen Kassenärztinnen und -ärzten allerdings nur mehr 15 Prozent Frauen, bei den unter 40 Jährigen gibt es hingegen bereits 54 Prozent Ärztinnen. Im Wahlärztebereich ist das Verhältnis im Bereich der „reinen“ Wahlärztinnen und -ärzte, also jenen ohne Neben- oder Hauptbeschäftigung, mit 49 Prozent Frauenanteil nahezu ausgeglichen. Die allgemeinmedizinischen Wahlarztordinationen werden allerdings zu 69 Prozent von Frauen geführt. Spitalsbereich wird hingegen von Ärztinnen dominiert Dr.in Martina Hasenhündl, Kurienobmann-Stellvertreterin der NÖ Ärztekammer, meinte dazu bei einer Pressekonferenz anlässlich des Weltfrauentages: „Offensichtlich ist es für viele Frauen attraktiver als Wahlärztin zu arbeiten, obwohl die Einkommensmöglichkeiten weit unter denen einer Ordination mit Kassenvertrag liegen.“ Eine Umfrage der NÖ Ärztekammer aus dem Jahr 2013 bestätigt, dass der Beruf als Wahlärztin zu fast 90 Prozent bewusst gewählt wird. „Eben deshalb, weil man sich nur als Wahlärztin seine Arbeitsbedingungen selbst gestalten kann. In dieser Problemstellung wird eine der großen Herausforderungen liegen, künftig gerade im Bereich der Landmedizin eine flächendeckende Versorgung aufrechterhalten zu können.“ Die ärztlichen Arbeitszeiten in den Spitälern betragen laut der IFES-Spitalsärztestudie aus dem Jahr 2013 im Durchschnitt 54 Stunden pro Woche, wobei Männer etwa 56 Stunden und Frauen etwa 52 Stunden im Schnitt pro Woche tätig sind. Dr.in Irene Nemeth leitet das Genderreferat in der NÖ Ärztekammer. Sie meinte dazu: „Das sind Arbeitszeiten, die auch für Männer familienfeindlich und für Frauen mit Kindern eher schwer zu vereinbaren sind. Dieser Spagat ist oft nicht machbar. Ärztinnen verzichten daher entweder auf Kinder oder sie verlassen das Krankenhaus und schaffen sich eine „Nische“, in der sie ärztlich tätig sind. Arbeitsmedizin, Schulärztin, Ärztin für Gutachten oder eben Wahlärztin, wie die Statistik beweist.“ CONSILIUM 04/15 Bei den ausschließlich angestellten Ärztinnen und Ärzten liegt der Frauenanteil in Summe bei 57 Prozent. Doch auch hier sind große Unterschiede in den Teilgruppen zu erkennen. „Den fachärztlichen Bereich dominieren die Männer mit 55 Prozent, während die Frauen im Bereich der Allgemeinmedizin 72 Prozent ausmachen. Bei den Turnusärztinnen und -ärzten liegt der Frauenanteil aktuell bei 59 Prozent. Bezeichnend für unser öffentliches Gesundheitssystem ist, dass nur 13 Prozent der Primariate mit Frauen besetzt sind“, betonte Dr.in Hasenhündl. WELTFRAUENTAG Zwei Drittel der Ärztinnen unter 40 Jahren sind kinderlos Fragt man junge Frauen am Beginn des Erwachsenenlebens nach ihrer Familienplanung, stellt man fest, dass in aller Regel in der Lebensplanung Kinder vorgesehen sind. So auch bei Ärztinnen. Dr.in Nemeth berichtet von einer Untersuchung aus Oberösterreich, deren Ergebnisse sicherlich in großem Ausmaß auf andere Bundesländer übertragbar sind: „Obwohl die Hälfte aller Ärztinnen Kinder hat, sind rund zwei Drittel der Ärztinnen unter 40 Jahren kinderlos. 60 Prozent der kinderlosen Ärztinnen wollen noch Kinder bekommen. Und mehr als die Hälfte der kinderlosen Ärztinnen meinen, dass sie in einem anderen Beruf Kinder bekommen hätten. Für mich ist dies ein klares Zeichen, dass mit dem veralteten Muster der ärztlichen Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitssystem eine schlechte Möglichkeit der Vereinbarung von Beruf und Familie besteht“, kritisierte Dr.in Nemeth. 2025 werden Frauen die Medizin dominieren In den kommenden zehn Jahren wird der Frauenanteil auf etwa 55 Prozent ansteigen. Dr.in Nemeth: „Einer immer noch gering vorhandenen Männerdomäne in den älteren Jahrgängen wird ein eklatanter Überhang von Frauen in jüngeren Generationen gegenüberstehen. In zehn Jahren wird die Gruppe der Hausärztinnen von derzeit 34 Prozent auf voraussichtlich 42 Prozent anwachsen, bei den Fachärztinnen mit Kassenvertrag von 31 Prozent auf 38 Prozent.“ Situation der Medizinerinnen in Wien In der Großstadt Wien ist der leichte Überhang an Ärztinnen (51 Prozent) bereits vollzogen und wird sich künftig ebenfalls noch verstärken, denn bereits 62 Prozent der in Ausbildung stehenden Ärztinnen und Ärzte sind Frauen. Im Bereich der Primarärztinnen liegt Wien bei 17 Prozent, Hausärztinnen machen 45 Prozent aus und Fachärztinnen mit Kassenvertrag 37 Prozent. Im Bereich der angestellten Ärztinnen besteht im Fach Allgemeinmedizin mit 75 Prozent der stärkste weibliche Überhang, die angestellten Fachärztinnen stellen 51 Prozent. Dr.in Eva Raunig, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien, stellte dazu fest: „Bei den ärztlichen Berufen wird bei gleicher Arbeit die Leistung von Frauen und Männern auch gleich bezahlt. Die besser bezahlten Jobs, sowohl im angestellten als auch im niedergelassenen Bereich, sind aber bis jetzt überwie- gend von Männer besetzt. Sie können offenbar leichter Arbeitsbedingungen akzeptieren, die für Ärztinnen mit Familie oder für Alleinerzieherinnen mit Kindern unzumutbar sind.“ Forderungen der Ärztinnen anlässlich des Weltfrauentages Dem drohenden Ärztemangel kann man nur entgegenwirken, indem man die Arbeitsbedingungen auf Frauen abstimmt. Dazu brauchen Ärztinnen aber auch eine starke Vertretung beispielsweise in ihrer Standesvertretung, der Ärzteklammer. Dr.in Raunig forderte: „Wir brauchen eine Repräsentanz von 50 Prozent Frauen in allen Verhandlungsteams auf Kammerebene. Immerhin haben Frauen noch immer vermehrt Erziehungs- und Betreuungsarbeit für ihre Kinder zu leisten, von alleinerziehenden Ärztinnen ganz zu schweigen.“ Obwohl es genügend fertige Medizinerinnen in Österreich gibt, sind viele nicht bereit, unter den herrschenden Bedingungen als Ärztinnen zu arbeiten und weichen in Berufe aus, die ihren Lebensvorstellungen besser entgegenkommen. Oder sie wandern als praktizierende Ärztinnen ins Ausland ab, wo sie bessere Möglichkeiten vorfinden. „Unsere bis jetzt sehr gute Gesundheitsversorgung in Österreich wird aus diesen Gründen in Zukunft nicht mehr aufrecht zu erhalten sein, wenn nicht gegengesteuert wird“, betonte Dr.in Raunig. Es bedeutet eine Vergeudung von Ressourcen, wenn Ärztinnen nach ihrem Studium ihren Beruf nicht ausüben können oder wollen, weil er nicht mit einem Familienleben vereinbar ist. Der drohende Ärztemangel wird daher sowohl im niedergelassenen als auch im angestellten Bereich täglich konkreter. Um auf diese hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen nicht verzichten zu müssen, forderten die Vertreterinnen der niederösterreichischen und Wiener Ärztekammer: „Wir brauchen familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Wir brauchen Teilzeitmodelle, auch in der ärztlichen Ausbildung. Wir brauchen die Möglichkeit einer Kinderbetreuung mit genügend Plätzen und den Arbeitszeiten angepassten Öffnungszeiten. Auch die Einbeziehung der Väter muss verbessert werden, beispielsweise durch eine gesellschaftliche Aufwertung der Väterpflichten und flexibler Väterkarenz. Im Bereich der Kassenverträge brauchen wir flexible Kooperationsmöglichkeiten, die ein paralleles Arbeiten mehrerer Ärztinnen im Rahmen eines Kassenvertrages leicht ermöglichen.“ Presseinformation vom 5. März 2015 CONSILIUM 04/15 25 KURZ & BÜNDIG Kurz & bündig Die Ombudsstelle für Patientenbeschwerden informiert Patientendokumentation Einsichtsrecht der Patienten Im Rahmen des sog. Auskunftsrechts sind Ärztinnen und Ärzte gemäß § 51 (1) ÄrzteDr.in Regina gesetz „verpflichtet, den Patienten Einsicht Lindlbauer in ihre Dokumentation zu gewähren oder gegen Kostenersatz (Kopieraufwand) die Herstellung von Abschriften zu ermöglichen“. Dieses Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankengeschichte bezieht sich auf sämtliche Aufzeichnungen und Befunde, die in der Dokumentation enthalten sind. Allerdings hat der Patient nur das Recht auf Ausfolgung von Kopien, nicht auf Herausgabe der OriginalDokumentation. Einschränkungen dieses Einsichtsrechts können nur in einem sehr engen Rahmen vorgenommen werden, etwa im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapeutischen Medizin, wenn die Einsichtnahme oder Herstellung von Abschriften zu einer erheblichen Gefährdung des Wohls des betreffenden Patienten führen würde. In jenen Fällen, in denen die Patientendokumentation nicht an eine/n Ordinations- bzw. Kassenstellennachfolger/in übergeben wird oder übergeben werden kann, hat der oder die zur Aufbewahrung Verpflichtete dafür zu sorgen, dass die Ausübung des Patienteneinsichtsrechts möglich ist. Zuständig in der Ärztekammer für NÖ: Dr.in Regina Lindlbauer, Referatsleiterin Mag. Andreas Wieser [email protected] Aktuelles aus der Akademie für Sexuelle Gesundheit (März 2015) Übernahme ÖÄK-Zertifikatskurse der AfSG durch die Akademie der Ärzte Die Akademie der Ärzte freut sich, den ÖÄK-Zertifikatslehrgang Sexualmedizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Elia Bragagna ab Herbst 2016 veranstalten zu können. Nähere Informationen zum Lehrgang sowie die Möglichkeit zur Vormerkung finden Sie online auf der Seite der Arztakademie: www.arztakademie.at Sexualmedizinische Telefon-Hotline Als Serviceleistung für Ihre PatientInnen gibt es seit dem 22. Oktober 2014 eine sexualmedizinische Telefon-Hotline. Betroffene und Interessierte haben die Möglichkeit mit sexualmedizinisch geschulten ÄrztInnen diverser Fachrichtungen (ÖÄK-Zertifikat oder Diplom Sexualmedizin) ein Beratungsgespräch zu führen. Die Nummer der sexualmedizinische Hotline lautet: 0900 88 80 80 (das ärztliche Beratungsgespräch kostet 1,80 Euro/Min). Die genauen Beratungszeiten sind unter www.sexmed.at zu finden. Frauengesundheitszentrum Wels feiert 10jähriges Bestehen Das Welser Frauengesundheitszentrum feiert den 10. Geburtstag mit einem spannenden Programm, Vorträgen und einem lustigen Kabarett. Feiern Sie mit uns! 3. Juli 2015: Welser Frauengesundheitstag Ort: Frauengesundheitszentrum Wels Kaiser-Josef-Platz 52/1, 4600 Wels Eintritt frei, Anmeldung erforderlich unter 07242/35 16 86-19 oder [email protected], www.pga.at Sexualmedizin – DFP-Fortbildung in Graz In der Sexualmedizinischen Praxis Graz, Münzgrabenstraße 7, findet am 26. Juni 2015 die Fortbildung „Sexuelle Gesundheit des Mannes - Prävention und Therapie“ von Dr. Elia Bragagna statt. Für die Veranstaltung werden 2 DFP-Punkte vergeben. Beschränkte Teilnehmerzahl, Anmeldung unter [email protected] oder 0316 722 100 100. AfSG Akademie für Sexuelle Gesundheit GmbH Heiligenstädter Str. 50-52 / Stiege 1 / 2. OG / Top 6, 1190 Wien Tel.: 0699/181 402 93, Fax: 01/368 04 19 [email protected], www.afsg.at 26 CONSILIUM 04/15 NÖ IMPFTAG NÖ Impftag: Reisemedizin & Reiseimpfungen Gemeinsame Fortbildung für Ärzte und Apotheker „W Foto: NLK, Apothekerkammer enn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“, wusste schon Matthias Claudius. Das muss leider nicht immer etwas Positives sein. Jeder zweite Fernreisende erkrankt während oder nach seinem Urlaub. Doch nicht nur weite Reisen bergen gesundheitliche Risiken. Auch beim Wanderurlaub in Österreich sind eine richtige Reiseapotheke und die rechtzeitige Reisevorbereitung unverzichtbar. Am 21. März fand in Wiener Neustadt der sechste Niederösterreichische Impftag statt, an dem sich Ärzte und Apotheker zum wichtigen Thema „Reisemedizin“ fortbilden konnten. Ziel des sechsten Niederösterreichischen Impftages 2015 war es, Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern exzellente, hochqualitative Information mit nationalen und internationalen Referenten zu bieten, sodass sie die medizinischen Inhalte in ihre V.l.n.r.: MR Dr. Dietmar Baumgartner, Vizepräsident, Kurienobmann und Impfreferent der Ärztekammer Praxis umsetzen können und Fragestellungen aus dem Niederösterreich, HR Dr. Irmgard Lechner, Landessanitätsdirektorin Niederösterreich, Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Leiter der Kinder & Jugendabteilung Landesklinikum St. Pölten; Initiator des Bereich der Reiseimpfungen sicher beantworten könNÖ Impftages, Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und nen. „Ganz speziell wird ein Ausblick auf neue ImpfTropenmedizin und der Spezielambulanz für Impfungen der Medizinischen Universität Wien und Mag. pharm. Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich stoffe, die wir in der nächsten Zeit erwarten dürfen und die neue präventivmedizinische Möglichkeiten beginnen – in der Regel sollte man vier Wochen vor Abreise und Herausforderungen bringen, gegeben“, informiert Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Abteilungsvorstand Kinder- zum Arzt gehen, da viele Impfungen aus mehreren Teilimpfunund Jugendheilkunde des Landesklinikums St. Pölten und Ini- gen bestehen. Besonders bei Personen mit Grunderkrankungen tiator des NÖ Impftages, im Vorfeld. „Impfen ist die einfachste muss genügend Zeit für eine ausführliche Reisevorbereitung und kostengünstige Vorsorgemaßnahme, die wir in der Medizin und Beratung sein“, rät die Infektiologin Wiedermann-Schmidt. kennen. Die modernen Impfstoffe sind zudem gut verträglich Zusätzlich sind die Apotheken mit einem speziellen EDV-Sysund weisen eine sehr hohe Schutzrate auf. Eine zentrale Auf- tem ausgestattet, das für jedes Urlaubsland und den jeweiligen gabe beim Impfen ist eine adäquate Aufklärung über die Nutzen- Reisetypus die empfohlenen Reiseimpfungen und die richtige Risikorelation von Impfungen um potentiellen Ängsten ent- Reiseapotheke vorschlägt. Dieses Service der Apotheken kann sprechend entgegenzuwirken. Gesunde Menschen können die jederzeit in Anspruch genommen werden. empfohlenen Impfungen bedenkenlos erhalten – bei Personen mit Grundkrankheiten muss jedoch individuell vorgegangen Grundsätzlich anders als bei den „alten Impfungen“ ist die Situawerden“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, tion im Bereich Reisemedizin: „Hier wird das Gefahrenpotential Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropen- von Infektionserkrankungen deutlich höher eingeschätzt und als medizin und der Spezialambulanz für Impfungen der MedUni Folge davon ist die Bereitschaft, Reiseimpfungen anzunehmen, größer“, so Zwiauer. Dies, obwohl Reiseimpfungen nicht vom Wien. öffentlichen Gesundheitssystem finanziert werden. Der Bogen der reisemedizinischen Impfthemen spannt sich von den „hot topics“ wie Ebola, Malaria und Chikungunyafie- Mobilität und Reisen haben in der heutigen Zeit einen sehr ber über die allgemein empfohlenen Reiseimpfungen bis hin hohen Stellenwert. Auch ältere Menschen entdecken immer zu speziellen Reiseimpfungen, wie Japan B Encephalitis, Cho- mehr die Vorzüge der Mobilität und des Reisens, sei es im Zuge lera, Typhus oder Tollwut. „Wichtig ist vor jeder Reise rechtzeitig beruflicher Auslandsaufenthalte oder auch um fremde Länder mit den Vorbereitungen, dazu gehören auch die Impfungen, zu und Kulturen kennenzulernen. „Impfungen sind erwiesener CONSILIUM 04/15 27 NÖ IMPFTAG TEXT Maßen der einzige sichere Schutz vor schwerwiegenden Infektionserkrankungen für das einzelne Individuum als auch für sein Umfeld“, so Sanitätsdirektorin HR Dr. Irmgard Lechner des Landes Niederösterreich. Reiseimpfungen im Kindesalter Das österreichische Gratisimpfprogramm für Säuglinge und Kinder beinhaltet für Reisen in Europa bereits die wichtigsten Impfungen auch für Auslandsreisen. Voraussetzung ist allerdings eine korrekte und komplette Befolgung dieser Impfempfehlungen. Neben Diphterie, Tetanus, Kinderlähmung, Keuchhusten, Hepatitis B und Hämophilus influenzae ist vor allem die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln zu erwähnen. Für Reisen in den Süden empfiehlt sich außerdem die Hepatitis A Impfung, die ab dem vollendeten 1. Lebensjahr entsprechend dem österreichischen Impfplan vorgesehen ist. Natürlich können auch andere Impfungen wie Typhus verabreicht werden. Für Reisen nach Österreich sollte auch für Kinder ein aufrechter Impfschutz gegen FSME vorhanden sein. Bei langen Auslandaufenthalten im Zuge von Schüleraustauschprogrammen ist es sinnvoll abzuklären, ob Impfungen vom Schulbetrieb vorgeschrieben sind. die ungeimpften Kinder unbedingt einen Impfschutz. Eltern, die ihrem Kind diesen Schutz verweigern, müssen damit rechnen, dass ihr Kind vom Schulbesuch ausgeschlossen wird“, so Lechner. In diesem Zusammenhang nimmt Baumgartner auch die Medien in die Verpflichtung: „Wenn Personen eine Plattform geboten wird, die ernsthaft die Existenz von Viren und Bakterien als Erkrankungsverursacher bestreiten und Masern als eine harmlose Erkältungserkrankung bezeichnen, wird die Bevölkerung immer mehr verunsichert werden und die Wirksamkeit „Aufgrund der Aktualität der Masernerkrankungen in Deutschland mit einem akut daran verstorbenen Kind in Berlin, aber auch aufgrund der zahlreichen Masernfälle speziell in Niederösterreich, möchte ich auf die Wichtigkeit dieser Impfung eingehen. Masern sind dermaßen infektiös, dass ein Schutz dagegen ausschließlich durch eine SchutzEinschätzung von Krankheitsrisiken - Emotion und Realität RELEVANT (Beispiele): impfung gewährleistet werden kann“, warnt GEFÜRCHTET (Beispiele): • Hepatitis A • Ebola Vizepräsident und Kurienobmann der NÖ Ärz• Hepatitis B • Vogelgrippe tekammer MR Dr. Dietmar Baumgartner. „Für • Reisediarrhoe • Pest 97 von 100 ungeschützten Personen bedeutet ein • Typhus • Milzbrand Kontakt mit dem Masernvirus, auch daran zu • Denguefieber • SARS erkranken.“ Niederösterreich ist aktuell besonders stark betroffen. Mehr als die Hälfte aller in Österreich gemeldeten Masernfälle kommen aus diesem Bundesland. Eine Ausbreitung kann nur eingedämmt werden, wenn die ungeschützten Kinder von den Erkrankten strikt getrennt werden. „Ist ein Masernfall in einer Schule bekannt, brauchen 28 CONSILIUM 04/15 • Lepra • Schlafkrankheit • Tuberkulose Im Tourismus (mit Ausnahme von TB) NIEMALS BEOBACHTET! • Malaria • Tollwut • Influenza • FSME Teilweise extrem häufig: Reisediarrhoe: 40 % der Reisenden Foto: bilderbox Aktuelle Masernausbrüche in Niederösterreich NÖ IMPFTAG von Impfungen in Frage stellen.“ Der österreichische Impfplan ist als medizinische Leitlinie zu betrachten, an die sich alle Ärztinnen und Ärzte zu halten haben, wenn sie der Vorschrift nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu handeln nachkommen. Apotheken-Impfaktion gegen Hepatitis A/B „Wir Apotheker sehen es als unsere Aufgabe, das Impfbewusstsein der Bevölkerung zu stärken. Aus diesem Grund rufen wir auch gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, der Industrie und den Sozialversicherungen Jahr für Jahr zahlreiche Impfaktionen ins Leben“, so Mag. pharm. Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich. Die fundierte und seriöse Information und Beratung an der Tara tragen zur Schaffung des Impfbewusstseins der Patienten bei. Häufig wird die Impfung gegen Hepatitis als wichtige Reiseimpfung empfohlen, weshalb die Apotheken rechtzeitig vor der Reisezeit eine entsprechende Impfaktion anbieten. Von 1. April bis 31. Mai sind die Impfstoffe gegen Hepatitis A und der Kombinationsimpfstoff gegen Hepatitis A/B in den Apotheken um rund 30 Prozent verbilligt. (Hep A/B Erwachsene: 59,90 Euro statt 74,90 Euro; Kinder: 37,90 Euro statt 46,90 Euro. Hep A Erwachsene: 38,90, Kinder 28,75 Euro). Elektronischer Impfpass auf der Apo-App Die kostenlose Apo-App der Österreichischen Apothekerkammer informiert neben allen am Markt befindlichen Medikamenten auch über sämtliche Impfstoffe, empfohlene Impfungen und alle durch Impfungen vermeidbaren Erkrankungen. Die neuen Funktionalitäten ermöglichen die Nutzung der App als elektronischen Impfpass. Impfstoffe können aus einer Liste ausgewählt, eingescannt oder selber eingegeben werden. Die offiziellen Impfempfehlungen für alle Altersgruppen des Gesundheitsministeriums kann man ebenfalls mit der App abrufen. Neben den Informationen zu allen Impfungen können auch persönliche Erinnerungen für die nächste Auffrischungsimpfung in der App erstellt werden. Somit wird keine Impfung mehr vergessen und der Impfschutz ist dokumentiert. Für Eltern besonders praktisch: Es können mehrere Impfpläne erstellt und Impferinnerungen für die ganze Familie gespeichert werden. Selbstverständlich ist der Datenschutz gewährleistet, denn die persönlichen Daten bleiben ausschließlich im eigenen Smartphone gespeichert. Was gehört in eine gut sortierte Reiseapotheke? Wer sich auf seine Reise gut vorbereitet, nimmt eine vollständige Reiseapotheke gleich auf Urlaub mit. Es ist davon abzuraten, sich im Bedarfsfall im Ausland mit unbekannten Präparaten einzudecken. „Die Medikamente sind in ihrer Dosierung und Zusammensetzung von Land zu Land unterschiedlich. Außerdem ist die Arzneimittelsicherheit nicht überall so hoch wie in Österreich“, warnt Haberfeld. Alle Medikamente, die auch zu Hause eingenommen oder häufig gebraucht werden, sollen in ausreichender Menge für die Dauer des Urlaubs mitgenommen werden. Zusätzlich benötigt jeder Reisende Medikamente, die speziell auf den Urlaubsort abgestimmt sind, wie beispielsweise eine Malaria-Vorsorge. Auch das Mitführen von medizinischen Dokumenten, wie Impf-, Diabetiker- oder Das Informationsproblem Allergiepass ist ratsam. Mediales Interesse hat nur das Außergewöhnliche. Je drastischer desto Bei Flugreisen gehören die Medikamente, die besser: Hohe Letalität der Ebolaerkrankung ist weit interessanter als z.B. ständig gebraucht werden, ins Handgepäck. NorMasern malerweise dürfen Flüssigkeiten nur in einem Dadurch entsteht eine völlig falsche Risikoperzeption: Behälter mit maximal 100 Milliliter an Bord • Ebola hat in 40 Jahren genommen werden. Flüssige Medikamente sind 3.567 Erkrankungen hervorgerufen und von dieser Bestimmung ausgenommen! Bei der 2.250 Menschen getötet Sicherheitskontrolle am Flughafen sollte jedoch • An Masern erkrankten allein 2007 (lt. WHO, 2009) auf die Medikamente hingewiesen werden. Um 279.006 Menschen und Schwierigkeiten zu vermeiden, hilft ein Zertifikat 197.000 Todesfälle wurden gemeldet (die durch Impfung großteils verdes behandelnden Arztes, das die Erkrankung hinderbar gewesen wären) und die benötigten Medikation bescheinigt. (WHO 2013: 194.139 Fälle; 2012: 122.000 geschätzte Todesfälle) CONSILIUM 04/15 29 WFF Dr. Josef Sattler Krankenversicherung-Aktion 2015 I m Rahmen des Wohlfahrtsfonds können ÄrztInnen der Ärztekammer Niederösterreich und deren Angehörige eine attraktive Grundversicherung oder Zusatzversicherung für die Sonderklasse beantragen. Dies mit dem Vorteil, dass die gesetzlichen Pflichtbeiträge steuerlich verwertbar sind. Welche Versicherungsleistungen sind in der Sonderklasseversicherung plus Einbettzimmer gedeckt? • Volle Kostendeckung bei stationärer Heilbehandlung in der Sonderklasse/Mehrbettzimmer oder Einbettzimmer in allen Vertragskrankenhäusern – österreichweit, ohne Selbstbehalt • Freie Wahl eines Vertragskrankenhauses und Direktverrechnung der Versicherungsleistungen • Freie Arztwahl in den Privatkliniken – österreichweit • Kostendeckung Begleitperson • Hauspflegepauschale nach ambulanten Operationen • Kranken-/Totenrücktransport aus dem Ausland • Leistungen für Hubschraubertransport nach Unfall • Krankenhaustransportkosten, Krankentransportkosten nach Unfall und bei Erkrankung • Kostenersatz für ambulante Operationen • Kostenerstattung für ambulante Behandlungen im Ausland • Aufnahme ohne Beantwortung von Gesundheitsfragen bis zum 65. Lebensjahr möglich • Abschließbar auch für die nahen Angehörigen (Ehepartner/ Lebensgefährte sowie Kinder bis zum vollendeten 27. Lebensjahr) zu gleichen Konditionen Grundversicherung zu wechseln. Beispiele für die monatlichen Kosten der Grundversicherung: Mann/Frau 30 Jahre 125,18 € Mann/Frau 40 Jahre 138,60 € Mann/Frau 50 Jahre 163,63 € Kinder (bis vollendetes 18. Lebensjahr) 52,99 € Information und Beratung Nachstehende Partner werden Sie persönlich beraten. Nutzen Sie die Möglichkeit eines individuellen Gesprächs! • Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich, Tel. 01/53751-7000 • Merkur Versicherung AG, Landesdirektion Niederösterreich, Tel. 02742/36 86 42 • Versicherungskanzlei ILK & Partner, Tel. 02732/833 600, www.ilk.at Mit diesem Angebot für die Krankenversicherung bietet die Ärztekammer NÖ in Zusammenarbeit mit der Merkur Versicherungs-AG ein einzigartiges Angebot zum Nutzen und Vorteil der niederösterreichischen Ärztinnen und Ärzte. OA DR. JOSEF SATTLER Vorsitzender des WFF der Ärztekammer NÖ Beispiele für die monatlichen Kosten der Sonderklasseversicherung: Mann/Frau 30 Jahre 76,66 € Mann/Frau 40 Jahre 105,78 € Mann/Frau 50 Jahre 155,70 € Kinder (bis vollendetes 18. Lebensjahr) 26,75 € Gilt nur für den Aktionszeitraum 1.4. – 30.6.2015 • Verzicht auf alle Wartefristen bei der Sonderklasseversicherung • Angebot eines speziellen ambulanten Tarifes ohne Gesundheitsfragen von der Merkur Versicherung Grundversicherung Opting Out aus der gesetzlichen Sozialversicherung Niedergelassene Kollegen haben in vielen Fällen zusätzlich die Möglichkeit, aus der gesetzlichen Krankenversicherung mittels Opting Out in die ebenfalls über die Kammer angebotene 30 CONSILIUM 04/15 Das PPP-Referat der NÖ Ärztekammer ist zuständig für die fächerübergreifende Aus-, Weiterund Fortbildung in Psychosozialer, Psychosomatischer und Psychotherapeutischer Medizin und steht allen Kolleginnen und Kollegen bei persönlichen und beruflichen Problemstellungen als Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung ([email protected]). GENDERREFERAT Ärztinnen und Führungsposition in Österreich Spitzenmedizin & Management: Erfolgsfaktoren, Aufstiegsstrategien und Führungsqualitäten österreichischer TopmedizinerInnen aus geschlechtsspezifischer Sicht. I nteressante Verhältnisse kennt man in den medizinischen Rängen unsere Landes: Nachweislich waren im Jahr 2013 gute 60 Prozent der TurnusärztInnen und mehr als die Hälfte des gesamten ärztlichen Krankenhauspersonales weiblich. Ärztinnen in führenden Positionen fanden sich hingegen nur mit 13,7 Prozent. Die Hintergründe für diese Fakten zeigt eine Masterthese, in der führende ÄrztInnen unseres Landes ihre persönlichen Angaben für diese medizin-soziologischen Arbeit zur Auswertung zur Verfügung stellten. Im Zentrum des Interesses standen Erfolgsfaktoren und erfolgversprechende Strategien für den Berufseinund Aufstieg, wobei Führungsqualitäten und deren spezifische männliche und weibliche Unterschiede besonders in den Blick genommen wurden. Neben dem bekannten herausragenden Stellenwert, den trotz der Öffnung unseres Bildungssystemes die soziale Abstammung für die Karrierewahrscheinlichkeit hat, zeigten sich in dieser Studie vor allem die vor dem Berufseinstieg erworbenen spezifischen, vorklinischen oder im Ausland erworbenen Spezialkenntnisse von entscheidender Wichtigkeit. Weiters sind MentorInnen ein unerlässlicher Faktor für den Aufstieg: Wussten Sie, dass es als Frau deutlich schwieriger ist, eine(n) MentorIn zu finden, weil Rekrutierende KanditatInnen bevorzugen, zu denen sie Ähnlichkeit zu sich selber empfinden, was sie ähnliche Verhaltensweisen erwarten läßt und damit das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen gibt (Hartmann, 2001)? Ist dies ein möglicher Grund, warum Männer weniger gern Frauen rekrutieren, besonders in der Medizin, wo doch die überwiegende Anzahl der Personen in leitender Position nach wie vor Männer sind? Als besondere Eigenschaft, die erfolgreiche MedizinerInnen – männlich wie weiblich- alle zu haben scheinen, zeichnet sich die enorme Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft ab, wobei Männer ihren Erfolg als selbstverständlich erwarten, was man in der Wissenschaft die „Instrumentalität im Selbstkonzept“ bezeichnet und die als wichtiger Prognosefaktor für beruflichen Erfolg gilt. Für Frauen ist offenbar das „Sich- Hocharbeiten“ über Jahre sogar die Erfolgsstrategie schlechthin, die kombiniert mit „Realismus und Flexibilität in der Zielauswahl und Zielerreichung“ erfolgsgenerierend zu sein scheint. Gesellschaftlich etablierte, stereotypgestützte, geschlechtsspezifische Unterschiede im Selbstverständnis, Selbstmarketing, Umgang mit Mißerfolgen sowie die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Wettbewerbs- und Konkurrenzverhalten erschweren den Ärztin- nen den Weg nach oben noch zusätzlich und mindern offenbar den Appetit auf ein Führungsposition. Berufliches Selbstvertrauen von Ärztinnen und Ärzten im Vergleich (Börchers et al., 2006, S.103) Hinzukommen noch die wirkmächtigen Karriererestriktionen der sogenannten „Gläsernen Decke“ auch in der Medizin, die subtil und kaum messbar den Weg von Frauen nach oben verhindern können. Zugrunde liegen ihr zumeist Grundhaltungen und Prinzipien, die die spezifische, organisationsinterne Atmosphäre und den Umgang mit der Gender- oder Mann-Frau-Thematik kreieren und mit dem Begriff Unternehmens- oder Organisationskultur zusammengefasst werden können. Sie kann mit einer Benachteiligung von Frauen bei der Personalrekrutierung beginnen, über die strukturelle Einordnung von Mitarbeiterinnen weiter über die mindere Leistungsbeurteilung und -förderung bis hin zu schlechterem Zugang zu Fort- und Weiterbildung für qualitative höhere Bereiche und Positionen führen , was der so genannten vertikalen Segregation entspricht. Für Führungspositionen in der Medizin ergibt sich ein ganzes Portfolio an nötigen Kompetenzen, die man beherrschen sollte, um hier reüssieren zu können: Die nicht diskutierbare, medizinische Hochqualifikation ist die Basis, deren Erwerb allerdings in die weibliche Reproduktionsphase fällt. Zusätzlich werden ökonomische, hohe kommunikative Konflikt- und Personalführungskompetenzen ebenso notwendig, wie Rollenkonfliktkompetenz (authentisch weiblich wahrnehmbare Ausstrahlung trotz Führungsposition) und der hohe Flexibilität verlangende Umgang mit den gerade in der Medizin hierzulande bisher spezifischen Arbeits-(zeit-)bedingungen, die die Vereinbarkeit mit Partnerschaft und Kind(ern) schwierig machen. Die, die es dennoch zu führenden Positionen in der Medizin gebracht haben, weisen ein sehr hohes Maß an intrinsischer Motivation auf, die sie vorrangig als Gestaltungsmacht nützen. Aber auch das Bedürfnis nach Leistung und Macht ist in hohem Ausmaß vorfindbar. Insbesondere zeigt sich, dass die stark intrinsisch motivierten ärztlichen Persönlichkeiten eine CONSILIUM 04/15 31 LESERBRIEF Leserbrief Neigung zum hocheffizienten transformationalen Führungsstil (= in hohem Maße delegierender, mit hoher Mitarbeiterautonomie und hoher prosozialer Dimension) haben. Consilium 01+02/15, S. 30 Einkommensbericht Neu Sehr geehrte Frau Dr. Nemeth! Zusammenfassend stellen sich in dieser wissenschaftlichen Studie weibliche und männliche Führungsstile sowie die Führungseffizienz als gleichwertig dar. Was den beruflichen Karriereweg in eine Führungsposition angeht, wird den Frauen eine vergleichsweise beträchtlich geminderte Aufstiegseffizienz zugeschrieben: Auf Grund der beschriebenen sozialisationsbedingten und strukturellen Hemmnisse und der in unserer Gesellschaft überwiegend weiblich vergeschlechtlichten Familien- und Sorgeverpflichtungen, die auch bei gleicher Qualifikation der Partner den Großteil der reproduktiven Haushalts- und Familienverpflichtungen den Frauen überantwortet (Heidelberger Institut für interdisziplinäre Frauenforschung 2013), schließen offenbar viele Medizinerinnen die Einnahme einer Führungsposition von vornherein aus. DR. EVA MARIA HOCHSTÖGER, MSC Notfallausrüstung Die rege Nachfrage nach unseren Notarztkursen und Refreshern zeigt uns, dass ein großer Prozentsatz der Ärztinnen und Ärzte unseres Bundeslandes über eine hochwertige notfallmedizinische Ausbildung verfügt. Doch der beste Notarzt/die beste Notärztin kann nur dann tätig werden, wenn auch die notwendige Notfallausrüstung vorhanden ist, sei es in der Ordination, sei es im PKW. Aus diesem Grund finden Sie in dieser Ausgabe zwei diesbezügliche Set-Angebote, von denen ich vor allem die „Notfalltasche Rescue Bag gefüllt“ empfehlen möchte, hier finden sich alle notwendigen Utensilien zur ärztlichen Hilfeleistung auf hohem Niveau. In der Grundausstattung sind unter anderem Absaugpumpe, Magillzange und Larynxtuben vorhanden, allen KollegInnen, die über Kenntnisse der endotrachealen Intubation verfügen, würde ich zur zusätzlichen Bestellung eines Laryngoskops und einiger Endotrachealtuben raten. Die notwendige medikamentöse Ausstattung ist nicht enthalten und muss selbst zusammengestellt werden. Als Standesvertreter und langjähriger Notarzt freue ich mich über alle Kolleginnen und Kollegen, die die in den Kursen erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten auch in der Praxis anwenden können und rate daher allen, sich auch mit der notwendigen Ausrüstung zu versorgen. VP DR. GERRIT LOIBL, MSC 32 CONSILIUM 04/15 Die Einkommenssituation von Ärztinnen und Ärzten ist meines Erachtens einfach fassbar. 30 - 40 % weniger Lohn bzw. Einnahmen bedeuten, dass Ärztinnen im Beobachtungszeitraum 30 - 40 % weniger Arbeit geleistet haben: •Weniger Patienten und Patientinnen wurden untersucht bzw. behandelt •Schwierige Untersuchungen wurden nicht durchgeführt •weniger Nachtdienste, Wochenenddienste, Operationen •Und Überstunden wurden gemacht. •Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Dies ist deswegen relativ einfach, da in Österreich Ärztinnen und Ärzte pro Leistung am Patienten die exakt idente Vergütung bekommen und natürlich auch Zusatzdienste und Überstunden unterschiedslos abgegolten werde. Das heißt in der Medizin besteht kein „gender pay gap“, sondern eher ein „gender work gap“! Leider glaubt die überwiegende Mehrzahl meiner Patientinnen und Patienten, dass Ärztinnen für die gleiche geleistete Arbeit 30 - 40 % weniger Gehalt bekommen! Hier scheint die seit Jahren stattfindende Desinformation der Bevölkerung schon reichlich Früchte getragen zu haben. DR. WOLFGANG FRANK Sehr geehrter Herr Dr. Frank! Vielen Dank für Ihren pointierten Kommentar! Sie sprechen aus, was in diesem Artikel mitschwingen sollte. Natürlich gehe ich davon aus, dass Ärztinnen und Ärzte für dieselbe Arbeit gleich bezahlt werden. Aber diesbezüglich lässt uns der Einkommensbericht leider im Stich. Für eine solide Aufarbeitung dieses Themas müssen die Hintergründe aufgezeigt werden, ansonsten führt es zur - wie Sie schon sagten - Desinformation. Vielleicht ist es aus dem Artikel nicht klar genug herausgekommen. Mit „gender work gap“ haben Sie in Analogie einen ausdrucksstarken Begriff geschaffen. DR. IRENE NEMETH STEUER & RECHT SERVICE Steuerreform 2016 M it Beschluss der Bundesregierung am 17.3.2015 wurden die Eckpunkte zur Steuerreform 2015 bekannt gegeben. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die geplanten Änderungen, die auch den ärztlichen Bereich betreffen und wie diese Maßnahmen gegenfinanziert werden sollen. einen Vergleichsrechner der den bisherigen Tarif mit dem neuen Tarifmodell vergleicht (siehe www.bmf.gv.at Berechnungsprogramme Brutto-Netto-Rechner). Weitere Änderungen im Bereich Einkommensteuer •Erhöhung Arbeitnehmerabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, Negativsteuer Kernstück der geplanten Neuerungen (auch für Pensionisten), Pendlerzustellt die Tarifreform dar. Das neue Tarifschlag modell soll mit nunmehr sieben Steuer- •Verdoppelung des Kinderfreibetrages stufen eine durchschnittliche Entlastung von 220 auf 440 Euro von 1.000,00 Euro pro Jahr für jeden • Streichung der Bildungsprämie von 6 % Steuerzahler bringen. der Aufwendung und des Bildungsfreibetrages iHv 20 % der AufwenTarifmodell NEU Bisheriger Tarif dungen für Ihre Mitarbeiter Änderungen im Bereich Einkommensteuer Stufe bis Steuersatz Stufe bis Steuersatz 11.000 18.000 31.000 60.000 90.000 1.000.000 über 1 Mio. 11.000 25.000 60.000 darüber 0 % 25 % 35 % 42 % 48 % 50 % 55 % Kapitalertragsteuer Im Bereich der Kapitalertragsteuer sieht die Regierung eine Gegenfinanzierungsmöglichkeit und will die Kapitalertragsteuer von 25 % auf 27,5 % anheben. Die KESt-Erhöhung wird vermutlich Dividenden, Kapitalgewinne, Zuwendungen von Stiftungen etc. betreffen. Lediglich Zinsen auf Sparbücher und Girokonten sollen nicht betroffen sein. Durch vorgezogene Gewinnausschüttungen einer GmbH könnte im Jahr 2015 – wenn auch letztmalig – dieser Maßnahme entgegengewirkt werden. 0% 36,50 % 43,21 % 50 % Zusammengefasst: • Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 % • Erweiterung auf sieben Tarifstufen • Steuersatz von 50 % ab einem Einkommen von 90.000,00 Euro • Steuersatz von 55 % ab einem Einkommen von 1.000.000,00 Euro Die Änderung soll ab dem Veranlagungsjahr 2016 gelten und wirkt sich auf angestellte Ärzte, Einzelunternehmer (zB Allgemeinmediziner, Facharzt) ebenso wie auf Personalgesellschaften und deren natürlichen Personen als Gesellschafter (Ärzte OG) aus. Auf der Homepage des Finanzamtes finden Sie bereits vorab Änderungen im Bereich der Immobilien Grunderwerbsteuer Die Grunderwerbsteuer für die unentgeltliche Übertragung (Schenkung oder Erbschaft) von Liegenschaften im Familienverband soll künftig vom Verkehrswert berechnet werden und nicht mehr vom dreifachen Einheitswert (Ausnahme bleiben weiterhin Land- und Forstwirtschaft sowie Umgründungen). Verkehrswert EUR Steuersatz 0 bis 250.000 250.001 bis 400.000 über 400.000 0,5 % 2,0 % 3,5 % Vor allem bei anstehenden Ordinationsübergaben oder schon geplanten Schenkungen sollte die bevorstehende Grunderwerbsteuererhöhung in die Steuerplanung 2015 miteinbezogen werden. Abzuraten ist von vorgezogenen Übertragungen nur aus steuerlichen Gründen. Es sollten primär wirtschaftliche Überlegungen für eine endgültige Entscheidung maßgebend sein. Erhöhung Immobilienertragsteuer Auch die entgeltliche Übertragung von Liegenschaften (Veräußerung) soll künftig höher besteuert werden. Dazu soll die Immobilienertragsteuer von 25 % auf 30 % angehoben werden. Aufgrund der gesetzlichen Regelung wirkt sich diese Erhöhung auch auf die effektive Steuerbelastung von Altfällen (Erwerb vor 1.4.2002) aus, wodurch der bisherige Steuersatz 3,5 % auf 4,2 % erhöht wird. Liegenschaften (Ordination) im Betriebsvermögen Für Liegenschaften, die im Betriebsvermögen gehalten werden, soll eine Vereinheitlichung des Abschreibungssatzes auf 2,5 % erfolgen. Da die gesetzliche Abschreibungsdauer der Ordinationsräumlichkeiten bisher 50 Jahre (somit 2 %) betrug, wäre eine Vereinheitlichung und die dadurch entstehende Entlastung durchaus zu begrüßen. Weniger erfreulich ist die Änderung der Richtlinienmeinung zur Aufteilung von Liegenschaften in einen nicht abnutzbaCONSILIUM 04/15 35 Foto: bilderbox STEUER & RECHT TEXT ren Grundanteil und einen Gebäudeanteil. Geplant ist eine Erhöhung des Grundanteils von bisher 20 % auf 30 % des gesamten Wertes. Ein gegenteiliger Nachweis wird nur durch die Erstellung eines kostspieligen Gutachtens zu erbringen sein. Änderungen im Bereich Umsatzsteuer Foto: bilderbox WAHLARZTBERATUNG (eine gemeinsame Veranstaltung der Wahlärztereferate der Ärztekammer NÖ und Wien) 27. Mai 2015, 13.00 Uhr, in der Ärztekammer für NÖ Die geplante Erhöhung der Umsatzsteuersätze von 10 % auf 13 % soll folgende Waren und Dienstleistungen betreffen: •Lebende Tiere, Tierfutter, Saatgut, Pflanzen, Holz •Jugendbetreuung • Museen, kulturelle Dienstleistungen, Filmvorführungen • Inländischer Luftverkehr, Hotelnächtigungen •Schwimmbäder Wipplingerstraße 2, 1010 Wien • Wichtige Überlegungen zur Niederlassung als Wahlarzt •Vorsorgeuntersuchung NEU • Die Bedeutung des Wohlfahrtsfonds für den Wahlarzt • Betriebswirtschaftliche Aspekte • Aus der Sicht des Steuerberaters •Versicherungen Info & Anmeldung: Ärztekammer für NÖ: Fr. Graner, Fr. Eisenbarth, Wahlarztreferat Tel. 01/53751-246 bzw. 225, Fax: 01/53751-279 E-Mail: [email protected] Ärztekammer für Wien: Fr. Neumeister, Wahlarztreferat Tel. 01/51501-1272, Fax: 01/51501-1450 E-Mail: [email protected] Für die Veranstaltung besteht Anmeldepflicht! Teilnahmegebühr: 20,- Euro 36 CONSILIUM 04/15 Eine unmittelbare Auswirkung auf die Steuerbefreiung von ärztlichen Leistungen ist hier im Moment nicht geplant. die überwiegend Barumsätze machen, erfolgt ab einem Nettoumsatz von 15.000,00 Euro pro Jahr die Einzelaufzeichnung verpflichtend per Registrierkasse.“ Im Ärztebereich werden durch diese Änderung vor allem eher Wahlärzte, die überwiegend Barumsätze tätigen, betroffen sein. Ob es tatsächlich dazu kommt, dass für die Wahlarztordination eine Registrierkasse anzuschaffen ist oder die Umsätze möglicherweise auch in Honorarverwaltungsprogrammen dargestellt werden können bleib vorerst noch unbeantwortet. Darüber hinaus sollen Ärzte als Unternehmer generell einer Belegerteilungsverpflichtung unterliegen. Betrugsbekämpfung Gerade im Ärztebereich kommt es aufgrund der gängigen Praxis häufig zu Barzahlungen durch die Patienten. Nach der bisher gültigen Barbewegungsverordnung blieb es dem Arzt überlassen, Bareinnahmen händisch einzeln aufzuzeichnen. In der Praxis wurde die Vorschrift durch Führung eines Einnahmenheftes, in dem jede einzelne Einnahme aufzuzeichnen war oder durch das Ausstellen von Honorarnoten erfüllt. Mit dem Vortrag an den Ministerrat wurde die Forderung nach einer generellen Registrierkassenpflicht eingebracht. Im genauen Wortlaut: „In Betrieben, Als letzte Maßnahme sei noch der Entfall des Bankgeheimnisses für Unternehmer erwähnt. Betriebsprüfer sollen dann bestehende Kontoverbindungen über ein zentrales Bankkontenregister abfragen können. Fraglich ist, ob die propagierte Steuerentlastung durch die Tarifsenkung tatsächlich die deutlichen Verschärfungen in den verschieden Bereichen kompensieren kann. MAG. HANS-GEORG GOERTZ MAG. MARKUS SEIDL ECOVIS Scholler & Partner Wirtschaftstreuhand GmbH Schmalzhofgasse 4, 1060 Wien
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