Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage

Aktuelle Berichte
Einschätzung des IAB zur
wirtschaftlichen Lage
Die volkswirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
Im ersten Quartal 2015 wuchs die deutsche
Real­
wirtschaft saisonbereinigt um 0,3 Prozent, spürbar schwächer als im Vorquartal. Dabei überdeckten die Entwicklung der Exporte relativ zu den Importen sowie der Lagerabbau die
an sich starke Inlandsnachfrage. Für das zweite Quartal ist angesichts der ersten Meldungen
zu Auftragseingängen und Industrieproduk­tion
eine leicht verbesserte Wachstumsrate wahrscheinlich. Mit Blick auf das zweite Halbjahr haben sich die Konjunkturerwartungen jedoch etwas eingetrübt. Der Arbeitsmarkt entwickelt
sich weiter gut, wenn auch etwas langsamer als
im ersten Quartal.
Das preis-, saison- und kalenderbereinigte Brutto­
inlandsprodukt lag im ersten Quartal 2015 um
0,3 Prozent höher als im Vorquartal. Der Zuwachs
fiel deutlich schwächer aus als im vierten Quartal
2014 (+0,7 %), weil die an sich starke Inlandsnachfrage vom Abbau von Lagerbeständen und von
einem negativen Außenbeitrag überdeckt wurde.
Für das zweite Quartal 2015 deuten die betrieblichen Einschätzungen zur Geschäftslage sowie die
ersten Angaben zu Auftragseingängen und Industrieproduktion auf ein etwas besseres BIP-Wachstum hin. Darüber hinaus haben sich die Konjunkturerwartungen jedoch etwas abgeschwächt.
Alles in allem entwickelt sich die Wirtschaft
zurzeit verhalten positiv; Grundlage dafür sind der
starke Arbeitsmarkt und Konsum hierzulande wie
auch die gute bzw. solide Konjunktur in den großen Volkswirtschaften Großbritannien und USA.
Eine sehr gute Entwicklung wird indes nach wie
vor von den weltwirtschaftlichen Unwägbarkeiten
(z.B. bezüglich Russland, China oder der Eurozone) verhindert. Falls sich vor allem die aktuell auf
der Stimmung lastende Nachrichtenlage bezüglich Griechenlands verbessert, wäre durchaus mit
einem guten gesamtwirtschaftlichen Ergebnis für
Deutschland zu rechnen; die meisten Prognosen
bewegen sich zurzeit um 2 Prozent Wirtschaftswachstum für 2015 und 2016.
Das außenwirtschaftliche Umfeld ist heterogen. Innerhalb der Eurozone wuchs die Wirtschaft
im ersten Quartal 2015 z.B. in Spanien und Frankreich überdurchschnittlich, in Deutschland hingegen nur unterdurchschnittlich, und in Griechenland schrumpfte das BIP. Alles in allem deutet das
Wirtschaftsklima für Europa auf eine leicht aufwärtsgerichtete Entwicklung. In den USA wurde
das BIP im ersten Quartal 2015 nach unten korrigiert (-0,2 %), aber erneut scheinen dafür Sonderfaktoren verantwortlich zu sein und die jüngsten Einschätzungen zur aktuellen Lage lassen auf
eine solide Entwicklung schließen. In den Schwel-
Juni 2015
lenländern ist die Situation ungünstig: In China
sinkt die Wachstumsrate zusehends, in Brasilien
und Russland ist kein Ende der wirtschaftlichen
Schwäche abzusehen.
In dieser Gemengelage wuchsen die deutschen
Exporte im ersten Quartal 2015 um 0,8 Prozent.
Bei der moderat günstigen Entwicklung dürfte es
bleiben. Die Exporterwartungen verändern sich
kaum, und auch wenn die Abwertung des Euro
vorerst zum Ende gekommen ist, begünstigt der
niedrige Wechselkurs die Ausfuhren. Die gute Situation hierzulande sorgt indes auch für kräftige
Importe; sie nahmen im ersten Quartal 2015 um
1,5 Prozent zu. In der Summe beeinträchtigte der
sogenannte Außenbeitrag rechnerisch also die
BIP-Entwicklung.
Bei den Investitionen gab es relativ deutliche
Zuwächse sowohl in Ausrüstungen als auch Bauten (+1,5 bzw. +1,7 %), die aber rechnerisch durch
einen kräftigen Abbau der Lagerhaltung aufgewogen wurden. Die Baukonjunktur floriert seit längerem, und auch für die nähere Zukunft sind die
Erwartungen gut. Bezüglich der Ausrüstungsinvestitionen bleiben Umsätze und Aufträge schwach
aufwärtsgerichtet. Eine Verbesserung des internationalen Wirtschaftsklimas würde hier für einen
merklichen Sogeffekt sorgen, der für den industrie- und technologiestarken Wirtschaftsstandort
Deutschland wichtig wäre.
Der private Konsum zeigte bei hohem und weiter steigendem Beschäftigungsniveau, wachsenden Reallöhnen und niedrigen Zinsen für Geldanlagen eine kräftige Entwicklung (+0,6 %). Seit
zwei Jahren ist er damit der wichtigste Stabilisator der Konjunktur. Der Konsumklima-Index liegt
weiter auf sehr hohem Niveau; zuletzt wurden
vergleichbare Werte im Jahr 2001 erzielt. Auch
die Staatsausgaben wirkten deutlich positiv
(+0,7 %). Der Handlungsspielraum entsteht durch
steigende Steuereinnahmen und geringere Ausgaben für den Schuldendienst.
Der Arbeitsmarkt ist in einer guten Verfassung, auch wenn sich die Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zuletzt etwas
verlangsamt hat. Die sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung behält ihre stabile Aufwärtsbewegung bei. Mit der Einführung des Mindestlohns
ging allerdings die geringfügige Beschäftigung
deutlich zurück; infolgedessen verringerte sich
der Anstieg der gesamten Erwerbstätigkeit. Die
saisonbereinigte Arbeitslosigkeit nimmt nur leicht
ab, auch weil die begünstigenden Effekte des milden Winterwetters nun aufgewogen werden. Das
IAB-Arbeitsmarktbarometer liegt mit 100,6 Punkten im positiven Bereich, allerdings nicht weit
über der Marke, die eine gleichbleibende saisonbereinigte Arbeitslosigkeit signalisiert.
Autoren
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Juni 2015
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Dr. Sabine Klinger
E-Mail: [email protected]
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Prof. Dr. Enzo Weber
E-Mail: [email protected]