„Orgelmusik zur Marktzeit“: Matthias Querbach eröffnete die Reihe in der Stiftskirche mit drei anspruchsvollen Toccaten Mit vollem Einsatz in Dienst der Komposition gestellt Der gebürtige Wertheimer Matthias Querbach lobte die dreimanualige Rensch-Orgel und die Atmosphäre in der Wertheimer Stiftskirche: Die Begeisterung hörte man sei- nem Spiel an. So faszinierten Johann Sebastian Bach, Nicolas de Grigny und Matthias Querbach gemeinsam ein nicht nur zahlreiches, sondern auch zutiefst beeindrucktes Publikum. © Lange Wertheim. Die "Orgelmusik zur Marktzeit" am Samstag in der Stiftskirche stand als erstes von vier Konzerten, die vorwiegend von gebürtigen Wertheimern gestaltet werden, unter dem Motto "Die Toccata". Berühmte Orgelwerke sollen im Mittelpunkt der kompakten, 40-minütigen Konzerte stehen und, so die Intention von Bezirkskantorin Katharina Wulzinger, ein breites Publikum ansprechen. Den Anfang machte Matthias Querbach am Samstag. Der ehemalige Schüler von Bezirkskantor i. R. Manfred Lutz ist seit 2003 Kantor der Laurentiuskirche in Neuendettelsau. Er wird als Nachfolger von Christian Kabitz im Oktober die Kirchenmusikerstelle in St. Johannis in Würzburg und ab dem Jahr 2016 die künstlerische Leitung der renommierten Bachtage übernehmen. Drei hochkarätige Kompositionen hatte Querbach ausgesucht: Die nicht nur in Fachkreisen berühmte "Dorische Toccata" mit Fuge, die durch ihre prägnanten Pedalsoli bekannte Toccata und Fuge F-Dur von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) sowie als Repräsentant französischer Kathedralmusik den Pfingsthymnus "Veni Creator Spiritus" von Nicolas de Grigny (1671 bis 1703). Die Toccaten Johann Sebastian Bachs, ursprünglich gedacht als Erprobungs- und Einweihungsstücke für neue Orgeln, sind gekennzeichnet von schnellen Läufen über die gesamte Tastatur und mächtigen, vollgriffigen Akkorden für den Belastungstest von Mechanik und Blasbalg. Bei Bach stehen zudem die Anforderungen des Pedalspiels in keiner Weise denen der Hände nach. Deshalb zählen seine Toccaten und Fugen zu den anspruchsvollsten Orgelwerken der Musikkulturgeschichte. Querbach meisterte alle Anforderungen mit Bravour. Souverän und mit faszinierender Musikalität begeisterte er sein Publikum von der ersten filigranen Tonfolge bis zum letzten mächtigen Schlussakkord. Die kunstvoll ineinander verwobene Stimmführung der Fugen wurde durch Querbachs klare und konsequente Artikulation in allen Lagen gut nachvollziehbar. Der Abdruck der Themen im Programmblatt erleichterte den Zuhörern das Mitverfolgen der komprimierten Tonsatzkunst. Sechzehntel-Pedalsoli mit kunstvollen Modulationen, eine chromatisch angelegte F-Dur-Doppelfuge, angereichert mit rhythmischen und harmonischen Raffinessen - Matthias Querbach verstand es, höchste Orgelkunst nicht nur handwerklich hervorragend, sondern auch mit allerhöchster Souveränität und faszinierender Musikalität auf dem Silber-, oder noch treffender gesagt, auf dem goldenen Tablett genussvoll zu präsentieren. Wer die Plätze auf der Orgelempore genutzt hatte, konnte sich auch optisch von Querbachs unglaublicher Sicherheit beim passgenauen Umblättern und Registrieren in den Bann ziehen lassen. Wenn er ein Fugenthema einstimmig begann, schien er mit der freien Hand sich selbst zu dirigieren und sich mit vollem Einsatz in den Dienst der Komposition zu stellen. Bei dem Pfingsthymnus "Veni Creator Spiritus" ("Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist") von Nicolas de Grigny, Kathedralorganist in Reims, nutzte Matthias Querbach die Gelegenheit, die schönen Zungenstimmen der Rensch-Orgel ausführlich zu demonstrieren. Der feierliche fünfstimmige Anfangschoral und das typisch französische Schlussstück "Dialogue sur les grands jeux" versetzte die aufmerksamen Zuhörer in die ehrfurchtvolle Atmosphäre der großen französischen Kathedralen. Klanglich apart wirkten im dritten Satz "Duo" die "spuckenden" Holzpfeifen des Rückpositivs. Die Interpretation des alten gregorianischen (einstimmigen) Gesangs auf der "Königin der Instrumente" war im 17. Jahrhundert sicherlich eine klangliche Revolution, ähnlich wie die Musik Bachs, von dem bekannt ist, dass er seine Zeitgenossen und Vorgesetzten mit "gar wunderlichen Variationes" ge- und auch überfordert hatte. Jahrhunderte alte hochstehende Orgelbaukunst und letztendlich zeitlose Kompositionstechnik großer Meister zum Leben erweckt von Händen und Füßen eines begnadeten Musikers - dieses tief beeindruckende Erlebnis durfte das Publikum in der Stiftskirche genießen. Auf die nächsten Folgen der Reihe "Die Toccata" sind die Zuhörer gespannt, wie nach dem langen Applaus am Ende der Toccata F-Dur unisono zu hören war. rl © Fränkische Nachrichten, Montag, 20.04.2015
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