Die Partychristen - News...rich - tagesanzeiger.ch

3/13/2015
Die Partychristen - News Zürich: Stadt Zürich - tagesanzeiger.ch
Die Partychristen
Eine neue Freikirche will Clubber zu Gott bringen. Dahinter steckt ein bekannter Partyveranstalter,
der bis vor wenigen Jahren noch nichts mit Religion zu tun hatte.
Von Martin Sturzenegger
Redaktor Zürich
@Marsjournal 01.12.2014
Stichworte
Religion
Nachtleben
Artikel zum Thema
Darum sind Freikirchen
erfolgreich
1 | 4
Hier wird gefeiert und gepredigt: Die Club-­Church in Oerlikon. (Fotos: zvg) (4
Bilder)
- .
Dass sich Festen und Beten nicht ausschliessen, beweist beispielsweise das
International Christian Fellowship (ICF). Jeden Sonntag öffnet die Freikirche ihre
Türen, um vor gut 1000 Menschen sogenannte Celebrations abzuhalten. Mit
Rockkonzerten und Videoprojektionen erhalten die Predigten einen popkulturellen
Einschlag, der sich in erster Linie an ein jüngeres Publikum richtet.
Freikirchen haben gemäss einer Studie
250'000 Mitglieder. Religionsexperten
bezweifeln das. Und sagen, warum diese
Gruppen im Unterschied zu den
Landeskirchen ihre Anhänger halten können.
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Von Raphaela Birrer 10.11.2014
Nun erhält das ICF Konkurrenz. Gemäss «20 Minuten» betreibt die Freikirche
Metropolis seit Anfang November in Oerlikon die Club-Church, die jeweils am letzten
Abend der Woche eine Atmosphäre bietet, in der «junge Menschen Gott begegnen
können», wie die Betreiber schreiben. «Wir wollten eine Kirche gründen, die auch
Partygänger anspricht», sagt Mitgründer Claude Hunkeler gegenüber
Tagesanzeiger.ch/Newsnet.
Bekannter Mitgründer
Hunkeler ist im Zürcher Nachtleben ein bekanntes Gesicht. Seit 19 Jahren
veranstaltet der 40-Jährige Events und Partys. So konzipierte Hunkeler bis
vergangenen Februar mehr als vier Jahre das Programm des Hiltl-Clubs. Mascotte,
Plaza oder Nordportal sind weitere Lokale, in denen Hunkeler erfolgreich Hip-HopPartys durchführt.
Die Freikirchen boomen
Von 37'000 auf 250'000: Die Zahl der
Evangelikalen ist in den letzten 40 Jahren
stark angestiegen. Eine neue Studie zeigt,
welches die Gründe für diesen Boom sein
könnten. Mehr...
09.11.2014
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Im Jahr 2009 erlitt der ansonsten erfolgreiche Hunkeler einen herben Rückschlag
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet berichtete). Sein damaliges Prestigeprojekt «Der Klub»
sollte das Nachtleben an der Langstrasse revolutionieren. Doch statt Partymillionen
zu generieren, fiel Hunkeler in ein Schuldenloch. Das Projekt musste nach nur
eineinhalb Jahren Konkurs anmelden. «Für einmal sollte etwas nicht funktionieren»,
sagt Hunkeler.
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Die-Partychristen-/story/29714373?track
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3/13/2015
Die Partychristen - News Zürich: Stadt Zürich - tagesanzeiger.ch
sagt Hunkeler.
In der Krise zu Gott
Der Unternehmer steckte Kritik von allen Seiten ein und musste den Gürtel enger
schnallen: kleinere Wohnung, Auto weg, höhere Lohnauszahlung und damit höhere
Steuern. «Das hat richtig wehgetan», sagt Hunkeler. In dieser Krisenzeit fand er
seinen Glauben an Gott, über Jahre zahlte er seine Schulden ab. Mehrere 100'000
Franken überwies er allein an Getränkelieferanten.
Die Club-Church steht gemäss Hunkeler auf soliden Beinen. Obwohl die Metropolis
keine Mitgliedschaften anbiete, werde ein Grossteil des Geldes durch Spenden
generiert. Unter anderem von Kirchen aus Amerika. Nun will Hunkeler die
Partygänger näher zu Gott bringen. Zwischen ausschweifendem Partyleben und
Gläubigkeit sieht er keinen Widerspruch. Im Gegenteil: «An beiden Orten kommen
Menschen zusammen, die bereit sind, ihre Herzen zu öffnen.» Im Unterschied zu
einer Hip-Hop-Party geschehe das in der Kirche weniger exzessiv, «vielleicht etwas
andächtiger», sagt Hunkeler.
Treffpunkt ausserhalb der Kirche
Das Konzept scheint zu funktionieren. Die bisherigen Partys seien erfolgreicher
gewesen als erhofft. Das Konzept folge dem, «was Christen schon früher gemacht
hatten», sagt Hunkeler. Sie seien nicht nur ins Gotteshaus gegangen, sondern hätten
sich auch in ihren Häusern getroffen. Heute ist dies gemäss Hunkeler wichtiger denn
je: «Du hast 2000 Facebook-Freunde und bist trotzdem allein.»
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
(Erstellt: 01.12.2014, 14:58 Uhr)
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3/18/2015
Gottes Clubbetreiber - Zürich - tagesanzeiger.ch
Gottes Clubbetreiber
Porträt Nach einer brutalen Pleite war der Partyorganisator Claude Hunkeler am Boden. Dann wurde
er gläubig – und fand zurück zum Erfolg. Nun baut er seine eigene Kirche auf.
Von Beat Metzler
Redaktor Hintergrund & Recherche
@tagesanzeiger 23.01.2015
Stichworte
Religion
Gastronomie
Artikel zum Thema
Was wir schon immer
schreiben wollten, uns aber
nie getrauten
Trotz Redefreiheit bleiben auf unserer
Redaktion immer wieder Artikelideen
unverwirklicht – aus Angst, Scham,
Selbstzensur, Geldmangel, «Mafiagründen»
oder Faulheit. Ein Best-of der gescheiterten
Artikel. Mehr...
21.01.2015
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Liest täglich in der Bibel: Claude Hunkeler, hier am Hönggerberg. Foto: Sophie Stieger
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/dossier/wahlen-und-abstimmungen-im-kanton-zuerich/Gottes-Clubbetreiber/story/26744406
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3/18/2015
Gottes Clubbetreiber - Zürich - tagesanzeiger.ch
Vom Techno hat er sich 1996 wieder abgewandt. «Zu viele Drogen.» Stattdessen setzt
er auf Hip-Hop. Das liegt ihm näher. Ende der 80er-Jahre gehörte Hunkeler zu den
B-Boys, die auf der Pestalozziwiese Rap hörten und breakdancten. «Hip-Hop ist
mehr als nur Partymachen. Er bietet eine ganze Kultur: Texteschreiben, Tanzen,
Sprayen.»
Hunkeler erwischt den richtigen Zeitpunkt. Ende der 90er wächst Hip-Hop zur
Massenbewegung, Hunkeler entwirft ständig neue Partyformate, die in
verschiedenen Clubs laufen. Parallel baut er ein kleines Hip-Hop-Imperium auf.
Dazu gehören Website, Bookingagentur, Breakdance-Schulen, Magazin,
Musikvertrieb. Seinen Breakdance-Anlass BC One verkauft er an einen
Energydrinkhersteller, der ihn zum internationalen Event ausbaut. Die Medien
feiern Hunkeler als «Zürcher Hip-Hop-Papst».
«Zu pompös angerichtet»
2007 scheint die Zeit für einen eigenen Club gekommen. Hunkelers Bruder, ein
Unternehmer, bringt die Idee: Ein Konglomerat aus Jeansladen, Café und Club,
direkt an der Langstrasse gelegen. Hunkeler steigt ein. Und macht schon am Anfang
einen Fehler. «Ich richtete das Ganze zu pompös an.»
Die Quittung kommt schnell. Zu wenig Gäste wollen feiern im neuen Club. Nach
eineinhalb Jahren schweigt die teure Soundanlage; die Türen zum Untergeschoss,
das Hunkeler komplett neu hat ausbauen lassen, bleiben verriegelt. Der Vermieter,
Lieferanten, Handwerker fordern Geld, das es nicht mehr gibt.
Das Scheitern lag an der extrem hohen Miete, sagt Hunkeler heute. Und an der
Ungeduld der Beteiligten, die bald zum Streit führte. Das Konzept seines Bruders
hätte funktioniert, ist Hunkeler bis heute überzeugt. Man hätte nur daran glauben
und ihm ein halbes Jahr mehr Zeit gewähren müssen.
Während seiner Zeit als Geschäftsführer sei er zudem abgedriftet, sagt Hunkeler.
Freunde warnen ihn vor dem Niedergang. Er hört nicht auf sie. «Ich war auf einem
Egotrip, wurde kalt.»
Die Rettung heisst Tim Lindsay. Der schweizerisch-irische Pastor missioniert damals
an der Langstrasse. Kurz vor Hunkelers Zusammenbruch tritt er in dessen Büro,
fragt, ob er und seine christlichen Freunde den Club putzen könnten. «Schräge Idee,
dachte ich. Sollen sie putzen, wenn es ihnen gefällt», sagt Hunkeler. Von nun an
kommt Lindsay jede Woche. Zum Reden. Er merkt, dass Hunkeler auf Empfang
gestellt hat.
Ohne Gott aufgewachsen
Aufgewachsen war Hunkeler ohne Gott. Die Eltern gingen kaum in die Kirche,
Hunkeler schwänzte die Sonntagsschule. Später, Anfang 20, als sein bester Freund
starb, las er unter Einfluss seines Bruders in der Bibel. Er wurde «halb-religiös» und
half 2004 mit, die Street Church zu gründen, ein Jugend-Angebot der reformierten
Kirche. Der Einsatz blieb eine Episode. «Ich hätte ganz einstigen können. Doch ich
wollte das Partyleben nicht aufgeben.»
Erst in der «Langstrassenkrise» habe er richtig zu Gott gefunden, sagt Hunkeler, sich
voll zu ihm bekannt. Die Neugeburt im Moment, als alles über ihm zusammenkrachte, beschreibt Hunkeler als ungeheure Entlastung. Schuldner,
Kritiker, die düstere Zukunft – alles wurde unwichtig. «Ich wusste, dass ich es
durchstehen würde.» Als Zeichen der neuen Entspanntheit spendet Hunkeler Geld.
Dazu nimmt er alle Schulden auf sich. «Gott wollte nicht, dass ich vor meinen
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/dossier/wahlen-und-abstimmungen-im-kanton-zuerich/Gottes-Clubbetreiber/story/26744406
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3/18/2015
Gottes Clubbetreiber - Zürich - tagesanzeiger.ch
Dazu nimmt er alle Schulden auf sich. «Gott wollte nicht, dass ich vor meinen
Fehlern wegrannte.»
Rasch rappelt er sich auf. Die finanzielle Rettung heisst Hiltl. Ende 2009 übernimmt
Hunkeler mit seinem Partner Argjent Baftiri die Leitung des neuen Clubs im
vegetarischen Restaurant. Bald stehen die Partygänger wieder Schlange bei Claude
Hunkeler. 2012 holt das Hiltl die Nominierung zu einem der drei besten Nachtclubs
der Schweiz.
«Keine Sexbeziehungen»
Nachdem er sich vom Absturz erholt hat, beschliesst Hunkeler, zusammen mit Tim
Lindsay eine eigene Kirche aufzubauen. In Zürich fehlt ihm ein Ort, wo er sich
wohlfühlt. «Ich besuchte viele Angebote. Die Musik passte mir nirgends.» Anregung
holt sich Hunkeler in den USA, wo er verschiedene junge Freikirchen besucht. Eine
davon unterstützt die beiden bei der Gründung.
Man merkt Metropolis an, dass Hunkeler Eventerfahrung mitbringt. Der Auftritt
wirkt durchgestylt, die Feiern laufen professionell ab. Lichtshow, Chor, DJs, Predigt,
Barbetrieb; alles fügt sich ineinander. Seine Gastgeberfähigkeiten kann Hunkeler vor
und nach den Gottesdiensten ausspielen. Er plaudert mit allen, vergisst niemanden.
Grimmige Türsteher gibt es hier keine. Jeder soll sich erwünscht fühlen.
Momentan wirft die Kirche kein Geld ab, sagt Hunkeler. Die Spenden reichten knapp
für die Saalmiete und das Material. Alle Helfer machten ehrenamtlich mit. Dieser
uneigennützige Charakter spreche viele Junge an, sagt Hunkeler. «Heute ist jeder
Lebensaspekt durchkommerzialisiert. Die Jungen schätzen Orte, die anders
funktionieren.»
Metropolis soll wachsen
Hunkeler wäre nicht «dä Clod», wenn er sich schon zufrieden gäbe. Metropolis soll
wachsen. Ausserdem will er den Musikstil «Electronic Worship», christlichen Techno
also, weiterentwickeln und besser machen. Dazu habe er schon mehrere begabte
Leute gefunden.
Metropolis hebt sich auch durch die Haltung von anderen Kirchen ab. «Wir sind
liberal, sagen niemanden, wie er zu leben hat.» Wobei er selber, fügt Hunkeler an, an
christliche Werte glaube. Von Sexbeziehungen halte er zum Beispiel gar nichts. «Da
geht oft auf beiden Seiten viel kaputt», sagt er. Langjährige Partnerschaften bekämen
den Menschen besser. Hunkeler selber hat mehrere Zweijahresbeziehungen geführt.
Das fand er unbefriedigend. Drei Jahre lang suchte er nach etwas Stabilem, gerade
habe er sich frisch verliebt.
Hunkeler lässt sich ins Sofa zurückfallen. Die Playlist mit christlichem Hip-Hop läuft
weiter. Er wirkt zufrieden mit sich und seinem Leben. Sein Glauben entspanne ihn,
heute mache er Dinge allein, weil sie zu ihm passten; und nicht mehr, um der «geilste
Siech» zu sein. Obwohl er jetzt der wäre, der die «geilste Zürcher Kirche» hat.
(Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 22.01.2015, 20:39 Uhr)
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/dossier/wahlen-und-abstimmungen-im-kanton-zuerich/Gottes-Clubbetreiber/story/26744406
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Unerwartete Verwandtschaft - News Zürich: Region - tagesanzeiger.ch
Unerwartete Verwandtschaft
Analyse Bekehrung: Wie Partymenschen zu überzeugten Christen werden können.
Von
Beat Metzler
Redaktor Hintergrund & Recherche
@tagesanzeiger 22.02.2015
Stichworte
Religion
Halt im Glauben: Der ehemalige «Hip-­Hop-­Papst» Claude Hunkeler. Foto: Sophie Stieger
Nachtleben und Religion, das sind Welten, so unvereinbar wie Whiskey und
Himbeersirup.
Die Nacht gehört den Lauten, Schönen und Beliebten. Man nimmt Drogen, wechselt
Partner. Alles geht, solange der Spass stimmt. Das Leben dreht sich um den
perfekten Moment.
Das Christentum schätzt die Leisen, Demütigen und Verstossenen.
Bewusstseinserweiternd wirken höchstens die Gebete – den Partner behält man bis
zum Tod. Richtig ist, was in alten Büchern steht. Aussicht auf Ewigkeit prägt den
Alltag.
Logisch, dass die zwei Welten einander mit Spott und Ablehnung begegnen.
Das muss nicht sein. Der «Tages-Anzeiger» hat kürzlich zwei Partymenschen
porträtiert, die das Christentum zu ihrer neuen Heimat erklärt haben. Claude
Hunkeler, einst als Zürcher «Hip-Hop-Papst» gefeiert, hat eine eigene Freikirche
gegründet. Tina Weiss, ehemalige Stylistin, «Szene-Girl» und Partymacherin, schöpft
heute in Pfarrer Siebers «Sunestube» Essen an Obdachlose aus.
Beide haben ihre tiefsten Überzeugungen gedreht, das Leben neu ausgerichtet. Beide
nennen eine Krise als Auslöser ihrer Bekehrung. Weiss hatte sich ihrem Alltag
entfremdet, sah keinen Sinn mehr darin. Hunkeler scheiterte als Clubbetreiber.
Beide fanden Halt im Glauben, erzählen, dass Gott sie «gerettet» habe.
Tina Weiss
Die Redaktion auf Twitter
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@tagesanzeiger
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Die Krise als Propaganda?
Die zwei Geschichten folgen der klassischen Krisenrhetorik christlicher
Bekehrungen. Schon im 4. Jahrhundert beschrieb der berühmte Theologe Augustin
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Unerwartete-Verwandtschaft/story/11255358
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3/18/2015
Unerwartete Verwandtschaft - News Zürich: Region - tagesanzeiger.ch
Bekehrungen. Schon im 4. Jahrhundert beschrieb der berühmte Theologe Augustin
eine solche Erfahrung: «Ich war krank und marterte mich mit Selbstanklagen, weit
grimmiger als je zuvor», schrieb er. Gott brachte Augustin das «Licht der
Gewissheit» – bis zu seinem Tod verzichtete er auf alle irdischen Genüsse.
Seither sind Millionen ähnlicher Geschichten verkündet worden. Skeptiker zweifeln
an ihrer Echtheit. Zu offensichtlich folgten sie einem Muster, das es dem
Christentum erlaube, sich als Retter in der Not darzustellen. Gläubige zwängten die
eigenen Erlebnisse in diese Schablone.
Trotz Propagandaverdacht können die Krisenberichte wahr sein. Psychologen haben
Tausende von Bekehrungsbiografien untersucht. Bei Bekehrten besteht demnach
eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie eine unglückliche Kindheit erlebten, an
psychischen Problemen litten oder zu viele Drogen nahmen. Viele schilderten
Schuldgefühle und haderten mit Empfindungen der eigenen Wertlosigkeit.
Gottesdienste ohne Gott
Vielleicht also lockt das Nachtleben teilweise die gleichen Menschen an, die auch zu
einer religiösen Bekehrung neigen – Zweifler, auf denen eine schwere Vergangenheit
lastet. Das ständige Feiern macht die Sorgen vergessen, aber bringt sie nicht zum
Verschwinden. Später soll dies der Glauben erledigen.
Vielleicht liegen Christentum und Partyszene auch gar nicht so weit auseinander.
Beide versprechen Nestwärme, bieten Zugehörigkeit zu Gemeinschaften, die jedes
Wochenende die gleichen Rituale durchführen. Man kann Partys als Gottesdienste
ohne Gott ansehen, Gottesdienste als Partys ohne Drogen.
Vielleicht aber macht erst das ewige Festen anfällig für den Weltüberdruss, den viele
Bekehrungsbereite plagt. Auf die Jahre des Rausches und des Exzesses folgt die
Sehnsucht nach Läuterung, der Wunsch nach Tiefgründigem. Der Schriftsteller
Oscar Wilde schrieb: «Der einzige Unterschied zwischen dem Heiligen und dem
Sünder ist, dass jeder Heilige eine Vergangenheit hat und jeder Sünder eine
Zukunft.» Nicht umsonst missionieren Freikirchen mit Vorliebe an der Langstrasse.
Wer ein beschauliches Leben führt, benötigt keine Bekehrung.
Vielleicht bleiben zahlreiche Bekehrungen auch nur Episoden, die bald wieder enden.
Man wird es kaum erfahren, die Zeitungen werden nicht darüber schreiben. Berichte
vom Glaubensverlust klingen weit weniger spektakulär als Geständnisse einer
radikalen Hinwendung zu Gott.
(Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 22.02.2015, 23:50 Uhr)
MARKTPLATZ
Arud Zentren für Suchtmedizin
www.arud.ch
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Unerwartete-Verwandtschaft/story/11255358
Schulthess AG
schulthess-schuhe.ch
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