Strategie des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Nachhaltige Mobilität Für Alle Inhaltsverzeichnis Grußwort Minister Winfried Hermann 5 1. Wo wir stehen –Trends und Entwicklungen 6 2. Wo wir hin wollen – Leitbilder für Baden-Württemberg 9 Leitbild: Nachhaltige Mobilität - nutzt die beste Technik und vernetzt alle Verkehrsträger 10 Leitbild: Nachhaltige Mobilität - ist Motor für Beschäftigung und Innovation 10 Leitbild: Nachhaltige Mobilität - steht in Einklang mit Mensch und Umwelt 11 Leitbild: Nachhaltige Mobilität - stärkt die Lebensqualität in unseren Siedlungen 11 3. Wie wir hinkommen – Mit Geist und Technik zur Pionierregion 13 Automobil- und Fahrzeugtechnik 14 Straßenverkehr16 Güterverkehr und Logistik 19 Luftverkehr21 Öffentliche Verkehrsmittel / Bus und Bahn 22 Innovation, Digitalisierung & multimodaler Verkehr 24 Rad- und Fußverkehr 26 Lebenswerte Siedlungen 29 4. Kommen Sie mit – Ausblick 32 Weitere Informationen 34 INHALTSVERZEICHNIS 3 4 Grußwort Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN, LIEBE BÜRGERINNEN UND BÜRGER, Baden-Württemberg wird Pionierland für nachhaltige Mobilität. Diesen hohen Anspruch füllen täglich tausende Menschen mit Leben: ob Beschäftigte im öffentlichen Verkehr, Tüftler an innovativen Technologien, Anbieter neuer Dienstleistungen – oder auch einfach diejenigen, die im Alltag eine der vielen Möglichkeiten zur Fortbewegung ohne Auto nutzen. Soviel ist sicher: Die Mobilität der Zukunft wird anders aussehen als heute. Sie baut auf neue Technik und besseres Management. Wer mit Muskel- statt Motorkraft arbeitet, verbrennt Fett, nicht Öl. Wer sich vernetzt fortbewegt, gewinnt neue Freiheiten. Wer auf Sparsamkeit bei Motoren achtet, spürt es im Geldbeutel. Es ist vieles möglich, und ich bin sicher, in Baden-Württemberg werden die Menschen die Möglichkeiten nutzen. Auch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur trägt täglich seinen Teil bei. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für den Erhalt unserer Straßen, legen Förderprogramme auf, wenden geltendes Recht an und entwickeln es weiter. Das ist nicht immer spektakulär, aber wichtig ist es immer. Für Außenstehende werden oft aber nur Einzelentscheidungen sichtbar. Damit die Herausforderung und die Aufgaben sichtbar werden und um zu verdeutlichen, wie einzelne Maßnahmen in diese Richtung wirken, haben wir die vorliegende Strategie erstellt. Sie steht unter dem Motto „Nachhaltige Mobilität – für alle“. Dies macht klar: Nachhaltige Mobilität ist keine Nische, sondern muss Chancen für alle bieten. Sie kann aber auch nicht von einem Ministerium alleine umgesetzt werden. Schon bisher waren Kommunen, Unternehmen, Verbände, die Wissenschaft und viele weitere im Sinne nachhaltiger Mobilität aktiv. Das ist gut so – und es müssen noch mehr werden. Die Strategie „Nachhaltige Mobilität – für alle“ macht transparent, woran das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur arbeitet. Sie ist gleichzeitig eine Selbstbindung des Ministeriums. Ich hoffe, sie wird von vielen interessiert gelesen, kritisch analysiert und konstruktiv begleitet. Ich hoffe aber auch, dass sie Ihnen manche Anregung bietet, selber weitere Aktivitäten zu entwickeln und uns auf dem Weg zur Pionierregion für nachhaltige Mobilität zu unterstützen und zu begleiten. Mit freundlichen Grüßen Winfried Hermann GRUSSWORT 5 1. Wo wir stehen – Trends und Entwicklungen MENSCHEN UND UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG DIE NUTZUNG UMWELTFREUNDLICHER VERKEHRSMITTEL MACHEN SICH AUF DEN WEG IN RICHTUNG NACHHALTIGE NIMMT ZU. BEREITS 2008 LAG DER ANTEIL DES UMWELT- MOBILITÄT. VERBUNDS AN DER ANZAHL DER WEGE BEI 39 PROZENT. Die Landesregierung unterstützt sie dabei, ebenso wie dies viele Davon verteilen sich acht Prozent auf den öffentlichen Verkehr, Kommunen und Verbände bereits tun. Dabei gilt es eine Viel- acht Prozent auf den Radverkehr und 23 Prozent auf den Fußgän- zahl an Aspekten zu bedenken und in eine sinnvolle Reihenfolge gerverkehr. Neuere Zahlen werden 2016 vorliegen. zu bringen. Wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) dies bereits heute gestaltet und in Zukunft weiter gestal- FAHRRAD UND BAHN EROBERN MARKTANTEILE. ten möchte, davon handelt das vorliegende Dokument. Jedes Besonders rasant steigt die Nachfrage nach Nahverkehrszügen: Jahr1 importiert Baden-Württemberg ca. 5 Mio. Tonnen Erdöl Sie hat sich in Baden-Württemberg seit dem Jahr 2002 bis ins Jahr – allein für den Verkehr. Dies entspricht der Füllung von mehr 2012 mehr als verdoppelt. Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2014 als 200.000 Tanklastern. Dafür überweisen Baden-Württembergs ermittelt für Baden-Württemberg, dass 75 Prozent der Menschen Bürgerinnen und Bürger mindestens 3 Mrd. Euro im Jahr an die den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen. Das ist ölexportierenden Länder. Diese und weitere Herausforderun- der beste Wert eines Flächenlandes, besser sind nur die Stadt- gen wie der Klimaschutz, Lärm- und Luftbelastungen sowie der staaten. Der Radverkehrsanteil in Baden-Württemberg ist 2008 demografische Wandel zeigen: Nachhaltige Mobilität für alle gegenüber 2002 zwar nur um einen Prozentpunkt gestiegen. In braucht neue Lösungen. „Vorradler“-Städten wie beispielsweise Freiburg oder Heidelberg liegt jedoch der Radverkehrsanteil bereits heute bei fast 30 Prozent VIELE MENSCHEN MACHEN SICH BEREITS HEUTE AUF DEN und zieht in den Kernstädten damit mit dem Autoverkehr gleich. WEG IN RICHTUNG EINER NACHHALTIGEN MOBILITÄT. In Karlsruhe stieg der Radverkehrsanteil innerhalb von zehn Jah- Dies zeigt sich dem MVI nicht nur in dem hohen Zuspruch und ren von 16 auf 25 Prozent. den vielen Anregungen und Ideen für verschiedene Projekte und Maßnahmen des Ministeriums. Es zeigt sich auch in den statistischen Zahlen. 1 Schätzung auf Grundlage eines Anteils Baden-Württembergs von 10 Prozent am Bundesverbrauch. 6 KAPITEL 1 DER TREND, IMMER ÖFTER UND WEITER AUTO ZU FAHREN, 11 Prozent der Menschen ausschließlich ihr Auto als Verkehrsmit- SCHEINT GEBROCHEN. tel, in Baden-Württemberg sogar nur acht Prozent. Gleichzeitig So verzeichnen Fahrzeugzählungen auf Straßen in Baden-Würt- nimmt die Altersgruppe der über 60-Jährigen immer weiter zu. temberg seit 2008 zwar Schwankungen, aber keinen vielfachen Damit steigt der Anteil der Menschen mit Mobilitätseinschrän- Anstieg im Pkw-Verkehr mehr. kungen, die auf sichere, attraktive und barrierefreie Fußwege und einen funktionierenden ÖPNV angewiesen sind. DAS AUTO WIRD VOM STATUSSYMBOL ZU EINEM VON MEHREREN VERKEHRSMITTELN. DER WACHSTUMSTREND IM GÜTERVERKEHR IST KEIN Drei von fünf Befragten der unter 30-Jährigen sind, laut einer NATURGESETZ. repräsentativen Befragung durch TNS Infratest im Jahr 2012, das Der Güterverkehrsaufwand verzeichnete in Baden-Württem- Handy und der Computer wichtiger als ein eigenes Auto. Jungen berg im Jahr 2008 das Allzeithoch (Stand 2013). Steigende Han- Menschen ist der Besitz eines eigenen Autos immer weniger wich- delsverflechtungen in Europa müssen nicht zwangsläufig auch tig. Für 55 Prozent der Befragten der sogenannten Prophet-Stu- steigende Warenströme mit sich ziehen. Der Warenwert wird die ist das Auto nur noch ein Werkzeug der Mobilität. Laut einer auch über die Qualität gesteigert und nicht notwendigerweise Forsa-Befragung aus dem Jahr 2014 nutzen in Deutschland nur über die Masse an Produkten. in Kilometer 100 80 60 40 20 0 2000 2001 alle Fahrzeuge 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 nur Schwerverkehr Grafik 1: Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärken auf Autobahnen in Baden-Württemberg 2000-2014, 2008=100, Quelle: Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg KAPITEL 1 7 WER EIN AUTO NUTZEN MÖCHTE, MUSS NICHT ZWANGS- tion tätig. Nimmt man den Kfz-Handel und die Kfz-Reparatur LÄUFIG EINES BESITZEN. hinzu, erhöht sich diese Zahl auf 290.000 Arbeitsplätze. An der Carsharing erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Bereits heute gesamten Wertschöpfung Baden-Württembergs stellt der Fahr- hat fast die Hälfte der Bundesbürger ein Carsharing-Angebot im zeugbau einen Anteil von knapp sieben Prozent (drei Prozent im Lebensumfeld. Dieser Dynamik spielt die fortschreitende Digi- Bundesdurchschnitt). talisierung in die Hände, die das Ausleihen von Autos mit Chipkarten und Smartphones einfacher und bequemer macht. Die DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG VON MOBILITÄT GEHT Hauptstadt des Carsharings in Deutschland ist Karlsruhe. Nir- ÜBER DAS PRODUZIERENDE GEWERBE HINAUS. gendwo sonst in Deutschland gibt es so viel Carsharing-Autos je Sie umfasst auch in immer stärkerem Maße den Dienstleistungs- EinwohnerIn. Im Jahr 2014 waren hier schon rund 500 Autos im bereich (ÖPNV, Logistik, Taxi, Carsharing, Tourismus etc.). Im stationären Carsharing registriert. Sie entlasten Karlsruhes Stra- gesamten Mobilitätssektor sind fast 600.000 Menschen beschäf- ßen um etwa 4.000 Autos. tigt. Neben den Beschäftigten aus der Automobilproduktion sind dies z. B. 110.000 Beschäftigte im Tourismus und Gastge- DIE ZAHL NEUER FÜHRERSCHEINE PRO JAHR IST IN BA- werbe sowie 165.000 im Bereich Logistik, Bahn- und Busverkehr. DEN-WÜRTTEMBERG SEIT 2008 RÜCKLÄUFIG. Dazu kommen weitere im Bereich der Instandhaltung von Ver- Der Führerscheinbesitz ist derzeit im ländlichen Raum signifi- kehrswegen, des Fahrzeugverleihs, der Logistik und von sonsti- kant höher als in den Ballungsräumen. Betrachtet man den Füh- gen mobilitätsbezogenen Dienstleistungen. Durch die weitere rerscheinbesitz altersgruppenspezifisch, dann ist bei der jüngeren Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Mobilität kann diese Be- Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren ein rückläufiger Trend festzu- schäftigtenzahl auch in Zukunft weiter wachsen. stellen, dem eine wachsende Führerscheinverfügbarkeit in den höheren Altersgruppen insbesondere ab 40 Jahren gegenüber steht. 600.000 550.000 500.000 TRANSPORT UND MOBILITÄT SCHAFFEN BESCHÄFTIGUNG 450.000 UND WOHLSTAND IN BADEN-WÜRTTEMBERG. 400.000 Die Zahl der Beschäftigten im Automobilsektor (Kfz-Produktion und Zulieferer) ist in Baden-Württemberg traditionell sehr hoch. Derzeit sind 215.000 Beschäftigte in der Automobilproduk- 2008 2009 2010 2011 2012 Beschäftigte im erweiterten Mobilitätssektor in Baden-Württemberg Grafik 2: Beschäftigte im erweiterten Mobilitätssektor in Baden-Württemberg Quelle: Statistisches Landesamt 8 KAPITEL 1 2013 2. Wo wir hin wollen – Leitbilder für Baden-Württemberg Grundsatz unserer Politik der nachhaltigen Mobilität ist es, Mo- Dabei wechseln im Verkehr Personen oder Güter den Ort, aus bilität für alle Menschen zu gewährleisten. Damit diese nachhal- Mobilitätsperspektive kommen z. B. auch Informationen hin- tig ist, muss sie ohne Einschränkung anderer Menschen und der zu. Durch den Begriff der Mobilität wird deutlich, dass nicht in Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes funktionieren. Zentrales jedem Fall mehr Verkehr zu besser befriedigten Bedürfnissen Ziel ist es, die heutigen Mobilitätsbedürfnisse breiter Bevölke- führt, sondern häufig mehr Bedürfnisse mit dem gleichen Ver- rungsgruppen in Zukunft in einer umweltverträglichen Weise zu kehrsaufwand zufriedengestellt werden können. Zu denken ist gewährleisten. Zusätzlich sind auch die Mobilitätsbedürfnisse der etwa an den Effekt von Fahrgemeinschaften. Mitunter ist sogar im heutigen Verkehrssystem benachteiligten Bevölkerungsgrup- mehr Mobilität bei weniger Verkehr möglich. Hier ist z. B. an eine pen zu erfüllen. So sind z. B. Kinder in Städten oder ältere Men- wohnortnahe Versorgung zu denken, die Einkaufsmöglichkeiten schen im ländlichen Raum zum Teil erheblich in ihrer Mobilität auf kurzen Wegen erreichbar macht. eingeschränkt. Die vorliegende Strategie geht davon aus, dass Mobilität für alle „Nachhaltige Mobilität heißt, die heutigen Mobilitätsbedürfnisse in Zukunft in einer dauerhaft umweltverträglichen Weise zu gewährleisten. Dies gilt für Menschen und Wirtschaft. Zudem müssen die Mobilitätschancen benachteiligter Bevölkerungsgruppen verbessert werden“. in Baden-Württemberg auch innerhalb der durch den Naturhaushalt gesetzten Grenzen erreichbar ist. Auch bei weniger Verkehr sind die Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen zu erfüllen. Nachhaltige Mobilität ist mehr als Verkehrspolitik. Denn Mobilität geht nicht von Verkehrsmitteln, sondern von den Bedürfnissen der Menschen aus, die einen Ortswechsel erforderlich machen. KAPITEL 2 9 Mit dem Ansatz der nachhaltigen Mobilität verbindet das MVI lichkeiten durch die notwendige Infrastruktur gewährleistet sein. vier Leitbilder, die die quantifizierten Ziele der Nachhaltigkeits- Alle Verkehrsmittel sollen dabei technisch optimiert werden, strategie der Landesregierung illustrieren. Diese werden im Maß- vom Fußweg durch Kartennavigation bis zur Elektromobilität in nahmenplan im folgenden Kapitel wieder aufgegriffen und bis Auto, Bahn und Fahrrad. Ein wesentliches Potential bieten dabei ins Jahr 2030 fortgeschrieben. Effizienztechnologien, die etwa beim Pkw mittelfristig die größten Umweltentlastungen versprechen. Leitbild: Nachhaltige Mobilität - nutzt die beste Technik und vernetzt alle Verkehrsmittel Leitbild: Nachhaltige Mobilität - ist Motor für Beschäftigung und Innovation Nachhaltige Mobilität muss alle Verkehrsträger in den Blick nehmen. Ob Bahnen und Busse, Auto oder Fahrrad, jedes Verkehrs- Gerade in einem Industrieland wie Baden-Württemberg gehen mittel hat seine Vorzüge. In Zukunft gilt es, einen Verbund aus Innovationsfähigkeit und Beschäftigung Hand in Hand. In Ba- umweltfreundlichen Verkehrsmitteln aufzubauen, bei dem Men- den-Württemberg wurde das Auto erfunden. In Baden-Würt- schen die Möglichkeit haben, für den jeweils geplanten Weg das temberg wurde auch das Fahrrad erfunden. Wer morgen im beste verfügbare Verkehrsmittel zu wählen. Das Rückgrat dieses Geschäftsfeld Mobilität erfolgreich sein möchte, muss die Umweltverbundes ist der öffentliche Verkehr mit Bus und Bahn. Ideen dazu heute entwickeln. Mobilität ist Voraussetzung für Zum Umweltverbund gehören auch Taxi und Carsharing-Autos wirtschaftliche Entwicklung. Nachhaltige Mobilität sichert in- für Situationen, in denen ein Pkw unverzichtbar ist, etwa bei grö- dustrielle Arbeitsplätze in der Fahrzeugproduktion und schafft ßeren Transporten. In der Nahmobilität gewährleistet der Fuß- zusätzliche Arbeitsplätze im öffentlichen Verkehr, bei neuen Mo- verkehr große Anteile der Wege – auch Wege zu anderen Ver- bilitätsdienstleistungen in Verleih, Service und Kommunikation, kehrsmitteln. Das Fahrrad erlebt in vielen europäischen Städten bei der Erhaltung und Optimierung der Infrastruktur sowie im eine Renaissance, die durch neue Techniken ausgebaut wird. Im Tourismus von Baden-Württemberg. ländlichen Raum wird auch der private Pkw weiter eine tragende Rolle spielen. Unsere Forschung hat höchstes Niveau, auch im Mobilitätssektor. Dies wollen wir für die nachhaltige Mobilität nutzen. Zur 10 Ob Smart-Phone-App oder Bike and Ride-Station: In Zukunft Wirtschaftlichkeit gehört das Kostenbewusstsein, das im Ver- sollen alle Informationen über alle Verkehrsmittel verfügbar sein, kehrssektor durch Berücksichtigung aller Kosten der Verkehr- die Abrechnung leicht von der Hand gehen und Umsteigemög- sträger noch wachsen muss. Zudem muss auch morgen noch der KAPITEL 2 Güteraustausch als Grundlage einer entwickelten Volkswirtschaft Prioritäten auf die wichtigsten Vorhaben. Siedlungs- und Ver- mit einem hohen Spezialisierungsgrad und hoher Produktivität kehrsinfrastrukturen sind so zu gestalten, dass die Innenentwick- gewährleistet sein. Wir brauchen ein effizientes Verkehrssystem, lung gestärkt und der Siedlungsdruck auf die Freiräume reduziert das Anreize setzt, Wegeketten kurz zu halten und Bahn und Schiff wird. Die Verkehrsbelastung der Straßen verringern wir durch zu nutzen. Verlagerung auf Bahn-, Schiffs-, Bus-, Rad- und Fußverkehr. Leitbild: Nachhaltige Mobilität - steht in Einklang mit Mensch und Umwelt Leitbild: Nachhaltige Mobilität - stärkt die Lebensqualität in unseren Siedlungen Baden-Württemberg übernimmt Verantwortung für globalen Unsere Städte sind in den letzten Jahren attraktiver geworden – Klimaschutz, Ressourceneffizienz und den Erhalt seiner vielge- wir sehen eine verstärkte Zuwanderung in die Ballungszentren. staltigen Landschaften. Mit einer nachhaltigen Mobilität leisten Dennoch leiden Lebensqualität und Gesundheit vieler Menschen wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Dabei kann und noch immer unter Lärm, schlechter Luftqualität und fehlender muss Baden-Württemberg von fossilen Kraftstoffen Schritt für Aufenthaltsqualität im Raum. Viele Menschen, gerade in den Schritt unabhängig werden (Dekarbonisierung). Nachhaltige Städten, stellen ihr Mobilitätsverhalten um und nutzen immer Mobilität erfordert Investitionen in Verkehrssicherheit, Barriere- mehr das Fahrrad, Carsharing, Bus und Bahn oder gehen zu Fuß. freiheit, Lärmschutz und Luftreinhaltung sowie in die Wiedervernetzung von Lebensräumen. Dieser Trend ist zu unterstützen, so dass Menschen die Vorteile ihres Verhaltens auch stärker selbst erleben: mehr Platz im öf- Weite Teile unseres Landes gehören zum ländlichen Raum. Um fentlichen Raum zum Verweilen und Spielen, weniger Lärm und die Schönheit der Landschaft und ihren Erholungswert nicht bessere Luft sowie gute Nahversorgung für die Bedürfnisse des preiszugeben, um eine Natur mit hoher Artenvielfalt zu ge- täglichen Bedarfs. Daher muss das Leitbild der autogerechten währleisten und um der Land- und Forstwirtschaft ihren Raum Siedlung auch in der gelebten Wirklichkeit durch die Siedlung zu geben, sind Flächen sparsam zu nutzen. Dazu tragen wir im für alle mit hoher Lebensqualität abgelöst werden. Rahmen der nachhaltigen Mobilität bei, indem wir vorrangig das bestehende Verkehrswegenetz erhalten und gemäß dem Stand der Technik sanieren. Der Aus- und Neubau der Infrastruktur (Bahn, ÖPNV, Straße, Rad, Fuß) konzentriert sich nach klaren KAPITEL 2 11 12 Auf gemeinsame Grundsätze der Stadtentwicklung nach dem ländlichen Raum soll dazu beitragen, dass immer mehr Wege Leitbild der Europäischen Stadt haben sich die zuständigen mit dem Fahrrad und zu Fuß zurückgelegt werden. Zudem sollte Ministerinnen und Minister der EU-Mitgliedsstaaten geeinigt auch dort die nächste Haltestelle für alle gut erreichbar und durch und diese in der Leipzig-Charta festgehalten. Ziel ist es, in Ba- einen regelmäßigen öffentlichen Nahverkehr erschlossen sein. den-Württemberg eine der ersten Metropolregionen in Europa Von drei bis 93 – von klein auf bis ins hohe Alter – soll so die vorzuweisen, die die EU-Ziele für die Luftqualität einhält. Fuß- selbstständige und sichere Mobilität garantiert und der Straßen- gängerinnen und Radfahrer müssen sichere, durchgängige und raum als attraktiver Lebensraum mit hoher Aufenthaltsqualität attraktive Wege vorfinden. Eine gute Nahversorgung auch im gestaltet sein. KAPITEL 2 3. Wie wir hinkommen – Maßnahmenplan 2020 Baden-Württemberg soll Pionierregion für nachhaltige Mobi- Dabei sind grundsätzlich alle Ansätze des Klimaschutzes zu lität werden. Aufbauend auf den vier Leitbildern beschreibt das verfolgen. Erstens sind mögliche Einsparungen bei der Art und folgende Kapitel die quantifizierten Ziele der Nachhaltigkeits- Menge des Verkehrs zu beachten, die z. B. aus kürzeren Wege- strategie der Landesregierung und baut darauf Maßnahmen auf. ketten oder intelligenter Logistik entstehen können. Zweitens Die Ziele und Maßnahmen beziehen sich auf den Horizont bis sind technologische und organisatorische Effizienzsteigerungen 2020, teils sind spürbare Änderungen aber erst bis 2030 zu erwar- in den Blick zu nehmen, die sich z. B. aus intelligenter Verkehrs- ten, so dass auch für diesen Zeitraum Ziele benötigt werden. mittelwahl und verbesserter Technik ergeben können. Drittens ist eine Dekarbonisierung der Antriebstechnologien, also die Mobilität soll für alle in Baden-Württemberg umwelt- und sozi- Umstellung der Kraftstoffe und Energiebasis auf erneuerbare alverträglich möglich sein. Dazu gehört zunächst eine faire Ver- Energien gefragt. teilung von Kosten. Subventionen, also auch einen Verzicht auf die Anlastung von Kosten, soll es künftig grundsätzlich nur noch Die im Folgenden aufgeführten acht Maßnahmenpakete orien- für umweltfreundliche Verkehrsträger und Einrichtungen geben. tieren sich an den verschiedenen Verkehrsträgern und darüber Auch Folgekosten, die erst in der Zukunft anfallen, müssen künf- hinaus an weiteren übergreifenden Handlungsfeldern. tig bei Entscheidungen z. B. zu Investitionen stärker berücksichtigt werden. Die Strategie der Nachhaltigen Mobilität in Baden-Württemberg verfolgt als übergreifendes Ziel, die CO2-Emissionen des Verkehrs bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent und bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent zu vermindern1 . Das MVI hat hierzu ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das Bestandteil des Integrierten Energieund Klimaschutzkonzepts der Landesregierung ist. Alle nachfolgenden Maßnahmen dienen dem Erreichen des genannten Ziels. 1 Bezogen auf die Emissionen des Jahres 1990. KAPITEL 3 13 Automobil- und Fahrzeugtechnik Der Wohlstand mehrerer baden-württembergischer Regionen Forschung und in der Infrastruktur die Schaffung von Anreizen ist von der Automobilproduktion geprägt. Auch weitere Fahr- zur Markteinführung eine entscheidende Rolle einnehmen. zeugproduktionen z. B. von Fahrrad und Bahn tragen dazu bei. Das Auto der Zukunft muss Teil eines klimaverträglichen Ver- Elektrofahrzeuge sind trotz ihrer noch begrenzten Reichwei- kehrskonzepts sein, bei dem andere Fahrzeuge und Verkehrsträ- te alltagstauglich, denn der größte Teil der Alltagswege im ger eine größere Rolle übernehmen. Das Auto der Zukunft kann Pkw-Verkehr findet auf Distanzen unter 30 Kilometern statt. energieeffizienter werden. Sein Antrieb kann in wachsendem Ziel ist es, durch intermodale Netzwerke und mit Hilfe mo- Umfang auf erneuerbaren Energieträgern basieren. Damit das derner Informationstechnologien Nachteile in der Reichweite produzierende Gewerbe unseres Landes verlässliche Rahmen- auszugleichen. Grundlegende Voraussetzung dafür ist ein Netz bedingungen für die Entwicklung innovativer Fahrzeugkonzepte von Elektro-Tankstellen, sogenannten Ladestationen. Deshalb vorfindet, unterstützt die Landesregierung die Europäische Uni- unterstützt und fördert das Land Baden-Württemberg den Auf- on bei der Verankerung ambitionierter CO2-Flottengrenzwer- bau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Mithilfe eines te. Spätestens 2017 sollte daher ein Grenzwert für das Jahr 2025 2000-Ladesäulen-Programms kann ein dichtes Ladesäulennetz feststehen, der sich zwischen 68 und 78 g CO2/km bewegt. Das in Baden-Württemberg geschaffen werden. Dies bietet den Nut- MVI führt dazu den Dialog mit der baden-württembergischen zerinnen und Nutzern von Elektromobilen Sicherheit und ver- Automobil- und Zulieferwirtschaft. größert deren Reichweite. Damit wäre eine öffentliche Ladesäule von jedem Standort in Baden-Württemberg maximal 10 km ent- Dem Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektro- fernt. Rund 300 Ladesäulen für Elektrofahrzeuge stehen bereits autos in Deutschland in Betrieb zu haben, steht das Land positiv heute alleine im Großraum Stuttgart bereit, 400 sind es in ganz gegenüber. Bereits heute fahren 20 Prozent aller deutschen Elek- Baden-Württemberg. Die Parkraumgesellschaft Baden-Würt- tromobile in Baden-Württemberg. Das Ziel der Landesregierung temberg bietet bereits heute an allen ihren Standorten mindes- ist es, die Zahl der Kraftfahrzeuge mit elektrischen Antrieben tens eine Lademöglichkeit. (batterieelektrisch und Plug-In-Hybrid) in Baden-Württemberg bis 2020 auf 200.000 Fahrzeuge zu erhöhen. Zur Förderung der Elektromobilität wird neben weiteren Anstrengungen in der 14 KAPITEL 3 Die Fahrzeugflotte im Geschäftsbereich der Landesregierung hat fahren, wird unterstützt und sollte in Baden-Württemberg nach eine wichtige Vorbildfunktion. Da die meisten Dienst-Pkw über Möglichkeit früher erreicht werden. Das MVI unterstützt auch Leasing-Verträge beschafft werden, kann und muss sie innovati- Bestrebungen, den Boots- und Schiffsverkehr auf dem Boden- ver sein als der baden-württembergische Durchschnitt. Bei Pkw see ganz ohne fossile Treibstoffe zu gestalten und darüber hinaus von Landesbehörden ist ein Durchschnittswert von 95 g CO2/km im Bodenseeraum innovative Modelle zur Elektromobilität zu bereits heute erreichbar. Zudem unterstützt das MVI eine stei- entwickeln. Bei Bahnfahrzeugen können batterieelektrische An- gende Quote an Elektrofahrzeugen. Somit kann das Land den triebe zunächst nur kurze Strecken überwinden. Für nicht elek- Flottengrenzwerten der EU jeweils voraus sein. trifizierte Strecken, also solche ohne Stromversorgung aus einer Oberleitung, können daher Brennstoffzellen-, Biogas- und Hy- Eine wichtige Maßnahme ist es, auf bestehenden Parkflächen pri- bridmotorlösungen erfolgversprechende Ansätze sein. vilegierte Parkplätze für elektrische Fahrzeuge auszuweisen, um besonders in Innenstädten die Luft sauberer zu machen und mehr Nachhaltige Mobilität beinhaltet auch den Aspekt der Verkehrs- Elektroautos auf die Straße zu bringen. Dies gilt für öffentliche sicherheit. Die Landesregierung orientiert sich dabei an seinem und private Stellplätze. Eine Privilegierung kann in der Senkung Verkehrssicherheitskonzept aus dem Jahr 2013. Das Konzept in- von Gebühren wie auch in einem bevorzugten Zugang bestehen. tegriert bauliche Veränderungen an Straßen, Kontrollen und Prä- Dies ist überall dort wirkungsvoll, wo sich eine konsequente vention in eine Gesamtstrategie. Wichtige Bausteine sind etwa Parkraumbewirtschaftung an den Kosten von Erstellung und eine landesweite Verkehrssicherheitsanalyse zur Identifizierung Betrieb der Parkflächen orientiert. Notwendig ist eine schritt- von Unfallschwerpunkten, intensivierte Geschwindigkeitskon- weise Erhöhung der Zahl dieser Parkplätze auf mehrere Zehn- trollen sowie die weitere Verbreitung von Schul- und Radschul- tausend bis 2020. Wer heute einen Pkw kauft, trifft damit eine wegplänen. Begleitend zur Umsetzung des Konzeptes wird in Entscheidung für die durchschnittlich etwa 10-jährige Lebens- einer Kommunikationskampagne für eine neue Fahrkultur der dauer. Das MVI setzt sich für eine Weiterentwicklung der Um- Fairness und des Miteinanders geworben. Auf dem Weg zur „Vi- weltzonen durch die Einführung einer blauen Plakette ein.2 Eine sion Zero“ – einem Straßenverkehr ohne Tote und Schwerver- entsprechende Initiative des Landes Baden-Württemberg (BR- letzte – soll die Zahl der Verkehrstoten in Baden-Württemberg Drs. 710/13) wurde im Bundesrat angenommen. Das Ziel der durch das Verkehrssicherheitskonzept um 40 Prozent bis ins Jahr EU-Kommission, dass in Europas Städten im Jahr 2050 keine 2020 gegenüber dem Jahr 2010 reduziert werden. mit konventionellen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeuge mehr 2 Wir streben an, ab 2020 nur noch solche Dieselfahrzeuge in Luftreinhaltegebiete mit sehr hoher Schadstoffbelastung einfahren zu lassen, die den Standard Euro 6 erfüllen. KAPITEL 3 15 Straßenverkehr Eine gute Straßenverkehrsinfrastruktur ist wesentlicher Bestand- Dennoch wird auch in Zukunft der Pkw- und Lkw-Verkehr auf teil eines funktionierenden Verkehrssystems. Straßen und ihre der Straße einen wichtigen Beitrag leisten. Nebenflächen dienen nicht nur dem Pkw- und Lkw-Verkehr, sondern auch anderen Nutzungen wie Rad- oder Fußverkehr. Die Verkehrsinfrastruktur steht allerorts vor finanziellen Res- Stadt- und Dorfstraßen sind oft gleichzeitig Aufenthaltsort z. B. triktionen. Einer überkommenen Verkehrspolitik immer neuer für die Wohnbevölkerung, Touristen und spielende Kinder. Der Aus- und Neubauversprechen fehlt sowohl die Glaubwürdigkeit nachfolgende Absatz konzentriert sich auf die Funktion von Stra- als auch die Nachhaltigkeit. Dem Prinzip Erhalt und Sanierung ßen für den Kfz-Verkehr. vor Aus- und Neubau stimmen mittlerweile die Verkehrsminister aller Bundesländer und auch die Bundesregierung zu. Das 400 Land möchte mit dieser Neuorientierung auch einen Beitrag zu 300 einem sparsamen Flächenverbrauch leisten. Für Baden-Würt- 200 temberg ist es das Ziel, den Flächenverbrauch für Siedlungen 100 und Verkehrsinfrastruktur bis zum Jahr 2020 auf 3 Hektar je Tag zu reduzieren. Dies entspricht einer Minderung von 55 Prozent Landesstraßen 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 0 Bundesfernstraßen gegenüber 2012. Das wäre der Beitrag des Landes zum Ziel des Bundes, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag im Bundesgebiet zu begrenzen. Grafik 3: Ausgaben für die Straßensanierung in Baden-Württemberg 2001-2014 (in Mio. Euro), Quelle: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg Vorrang hat daher die Sanierung des Straßennetzes. Das Land möchte somit den Anteil der Straßen und Brücken in den zwei Baden-Württemberg ist durch ein gut ausgebautes Straßennetz schlechtesten Zustandsklassen/-noten bis 2020 um 20 Prozent hervorragend erschlossen. Die Zeiten der ständig wachsenden reduzieren3 . Das MVI will zudem die Langlebigkeit von Straßen Verkehrsmengen nähern sich dem Ende. Zukünftig wird der verbessern. Hier gibt es unter anderem Forschungs- bzw. Regu- Umweltverbund aus Bahn, Bus, Fahrrad, Fußverkehr und Taxis lierungsbedarf hinsichtlich stabiler lärmarmer Beläge. größere Anteile des Verkehrsaufkommens übernehmen. 16 KAPITEL 3 3 Das Ziel wird auf die Straßenlänge bzw. Ingenieurbauwerksfläche bezogen. Dabei wird die Reduktion für die Autobahnen auf das Referenzjahr 2009, für Bundesstraßen auf das Jahr 2011 und für Landesstraßen auf das Jahr 2013 bezogen. Der Neu- und Ausbau von Straßen wird auf das Hauptnetz, berücksichtigt werden. Das MVI will diese Form der Prioritä- verkehrsbedeutsame Knoten, Lückenschlüsse sowie die Entlas- tensetzung auch zum Vorbild für andere Verkehrsmaßnahmen tung hochbelasteter Ortsdurchfahrten konzentriert, und zwar machen. mit nachhaltig gesicherter Finanzierung. Zum Neubau einer Ortsumgehung gehört die bauliche Anpassung der entlasteten Straßen, die dem Stand der Technik entsprechen, vermeiden Ortsdurchfahrt. soweit wie möglich die Zerschneidung von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. Dafür stehen Luchs und Wildkatze als wich- Die Landesregierung hat eine Priorisierung aller Bundes- und tige Symbole, nämlich Arten, für die die Verkehrswege in Ba- Landesstraßenbauvorhaben unter Berücksichtigung der Kriteri- den-Württemberg eine Ausbreitungs- und Vernetzungsbarriere en Auslastung der Straßen, Kosten, Verkehrssicherheit und Um- darstellen. Das MVI setzt sichtbare Zeichen durch die verstärkte welt vorgenommen. In der Fachöffentlichkeit und Wirtschaft Umsetzung von Wiedervernetzungsmaßnahmen im bestehen- wird dieses Vorgehen positiv gewürdigt. den Straßennetz und durch die naturverträglichere Anlage und Pflege von Straßenbegleitgrün. Damit zeigt das MVI, in welche Mit dem Maßnahmenplan Landesstraßen des Generalverkehrs- Richtung nachhaltige Verkehrswege entwickelt werden können. plans sowie der Priorisierung der Maßnahmen für den Bundesverkehrswegeplan stellt das MVI die Straßenbaupolitik des Staus kosten Zeit, Nerven, Geld und belasten die Umwelt. Die Landes auf eine nachhaltige und realistische Grundlage. Nach Beseitigung von Engpässen im Straßennetz ist jedoch nicht in einem objektiven Bewertungsverfahren wurden die wichtigsten jedem Fall zwingend mit einem Neu- oder Ausbau verbunden. 123 Maßnahmen an Landesstraßen (davon 31 Neubau- und 73 Durch ein intelligentes Zusammenwirken verschiedener Maß- Ausbaumaßnahmen sowie 19 Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen) nahmen des Verkehrsmanagements wie der temporären Freiga- ausgewählt. In vielen Fällen wird zukünftig an die Stelle früherer be von Seitenstreifen, der Verkehrstelematik sowie der Stärkung Ausbauplanungen eine grundlegende, aber deutlich kostengüns- umweltfreundlicher Verkehrsmittel und dem Angebot von Mo- tigere Sanierung der Straßen treten. Durch eine Veränderung der bilitätsdiensten können auch in Zukunft Straßen leistungsfähiger Standards im Straßenbau wird Baden-Württemberg Vorhaben und Staus vermieden werden. So hat das MVI auf den Bundes- kostengünstiger und effizienter realisieren. So werden derzeit die autobahnen A 8 und A 81 zur Kapazitätserweiterung statt eines Richtlinien für den Bau von Landesstraßen überprüft. In Zu- Neu- bzw. Ausbaus eine Standstreifennutzung ermöglicht. kunft sollen die Folgekosten von Infrastrukturvorhaben stärker KAPITEL 3 17 Ähnliche Effekte sind mit (temporären) Überholverboten für mit Flächen sind die etablierten Standards – etwa bei den Stra- Lkw möglich. Hierdurch wird die Alltagsmobilität vieler Men- ßenquerschnitten – anzupassen. schen verbessert. Tempo 50 verursacht den doppelten Lärm und größere UnfallDie beiden maßgeblichen Finanzierungsressourcen der Verkehrs- gefahren als Tempo 30. An Straßen mit Wohnbebauung sollte infrastruktur in Deutschland sind die öffentlichen Haushalte und Tempo 30 die Regel sein, von der begründete Ausnahmen (z.B. die Nutzerinnen und Nutzer. Eine Nutzerfinanzierung erfolgt wegen des Verkehrsflusses oder der Luftreinhaltung) möglich bisher nur in Form einer Maut für Lkw auf Bundesautobahnen sind. In Ortsdurchfahrten soll in Zukunft durch bauliche Maß- und autobahnähnlichen Bundesstraßen. Ein wichtiges finanzi- nahmen wie Verkehrsinseln die Aufenthaltsqualität steigen und elles Nachhaltigkeitsprinzip besteht im Grundsatz der kosten- die Einhaltung von Tempolimits sichergestellt werden („selbster- deckenden Gebührengestaltung unter Einschluss der externen klärende Straße“). Ausweichverkehre durch Wohnviertel können Kosten. Eine steigende Eigenfinanzierung des Verkehrssystems je nach Lage des Einzelfalls durch bauliche oder verkehrsrechtli- ist der richtige Weg. Im Interesse einer nachhaltigen Verkehrspo- che Maßnahmen verhindert werden. litik sind jedoch zumindest temporäre Ausnahmen bei den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes notwendig. Geschwindigkeitsbegrenzungen führen nicht nur zu geringerem Kraftstoffverbrauch und weniger Unfällen, sondern dienen auch der Luftreinhaltung und dem Lärmschutz. Zuständig hierfür ist der Bund. Die Landesregierung kann nur in Einzelfällen und aus konkreten Gründen, z.B. der Verkehrssicherheit, Tempolimits anordnen. So gab es im Jahr 2014 auf knapp 30 Prozent der Autobahnstrecken in Baden-Württemberg eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Landesregierung wird vor diesem Hintergrund Initiativen auf Bundesebene unterstützen, die eine Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen und eine Absenkung innerörtlicher Regelgeschwindigkeiten vorsehen. Auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des sparsamen Umgangs 18 KAPITEL 3 Güterverkehr und Logistik Der Güterverkehr bildet die Schlagader unserer arbeitsteiligen Umsetzung der Bürgertrasse im Breisgau und Markgräflerland Wirtschaft. Zudem handelt es sich um den am härtesten mit Geld sowie auf die Optimierung der Güterumfahrung Freiburg ver- und Zeit kalkulierenden Verkehrsbereich. Werden bundesweit ständigt. Das Land trägt bis zu 125 Mio. Euro und damit die Hälfte 30 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene und Wasserstraße der Mehrkosten. Ein weiterer Engpass soll durch den Neubau der transportiert, sind es in Baden-Württemberg lediglich 20 Prozent. Strecke Frankfurt-Mannheim beseitigt werden. Baden-Würt- Ziel ist es daher, den Anteil von Bahn und Binnenschiff am Ver- temberg möchte dieses Projekt vorrangig als Teil des Bundesver- kehrsaufwand („Verkehrsleistung“) des Güterverkehrs schrittwei- kehrswegeplans 2015 voranbringen. se um zehn Prozentpunkte bis zum Jahr 2030 zu erhöhen. Aber nicht nur auf den großen Adern, sondern auch in der Auf den bereits bestehenden Schienenverkehrskorridoren ist Feinverteilung fehlt Infrastruktur. Dies betrifft den Schienenan- das größte Verkehrswachstum zu erwarten. Schon heute sind schluss von Industriegebieten und Unternehmen. Zudem bilden jedoch Engpässe zu beobachten, insbesondere auf den Strecken Umschlagterminals zum Umladen zwischen Schiff, Bahn und im unteren Rheintal, an den Knoten Frankfurt und Mannheim Lkw den Schlüssel, um den sogenannten kombinierten Verkehr sowie zwischen Mannheim und Karlsruhe. Angesichts dieser zu ermöglichen. Das Land ist mit den vorhandenen Terminal- Ausgangslage ist ohne Investitionen ein reibungsloser Ablauf kapazitäten bereits gut aufgestellt. Erweiterungen bestehender des Nord-Süd-Schienenverkehrs in Baden-Württemberg in Zu- Anlagen sind jedoch erforderlich, um einen wesentlichen Beitrag kunft nicht zu gewährleisten. Von Seiten des Bundes werden zu zur Erhöhung der Kapazitäten zu leisten. Ergänzend besteht Be- geringe Mittel für den nötigen Ausbau zur Verfügung gestellt. darf für neue Terminals. Die Industrie- und Handelskammern Baden-Württemberg engagiert sich wie kein anderes Bundesland unterstützen dieses Anliegen. Es wurden bereits drei Standorte finanziell für den Ausbau der Schienenstrecken. für neue Umschlagterminals im Raum Stuttgart identifiziert und ihre Entwicklung gemeinsam mit den Kommunen vorangetrie- Die Kapazitäten müssen vor allem auf den Nord-Süd-Achsen ben. Damit Schiff und Bahn ihre Potentiale ausschöpfen können, dem künftigen Bedarf angepasst werden. Deshalb ist der Aus- bedarf es weiterer Innovationen im Bereich des kombinierten bau der Rheintalbahn von großer überregionaler Bedeutung. Verkehrs als auch attraktiverer Angebote an Unternehmen und Für einen beschleunigten und vor allem auch menschen- und mehr Wettbewerb auf der Schiene. umweltfreundlichen Ausbau haben sich Bund und Land auf die KAPITEL 3 19 Die Binnenschifffahrt ist nach der Straße und der Schiene der Da es in der Binnenschifffahrt die Tendenz zu immer größeren dritte Güterverkehrsträger in Deutschland. Die Wasserstraßen Transporteinheiten gibt, werden zunehmend Binnenschiffe, ins- haben noch erhebliche Kapazitätsreserven. Die Landesregierung besondere Containerschiffe, mit einer Länge von 135 Metern ge- stärkt den Verkehrsträger Binnenschiff. Das kann jedoch nur ge- nutzt. Diese Schiffe können den Neckar bisher nicht befahren, da lingen, wenn das Binnenschiff gegenüber den anderen Verkehrs- die Neckarschleusen durchgängig lediglich für 105 Meter lange trägern konkurrenzfähig ist. Hierfür bedarf es einer Modernisie- Schiffe ausgebaut sind. Das Land setzt sich daher nachdrücklich rung der technischen Einrichtungen an den Wasserstraßen, die für die Modernisierung und die Verlängerung der Neckarschleu- den Anforderungen der Transporteure genügt. sen ein und beteiligt sich an den Planungskosten für diese Bundesaufgabe. Der Ausbau der Neckarschleusen soll bis zum Jahr In Baden-Württemberg gibt es zehn Häfen und zahlreiche Lade- 2025 abgeschlossen sein. Damit können moderne Güterschiffe und Löschplätze. Hier wird bundesweit der zweitgrößte Güter- den Neckar von Mannheim bis Plochingen passieren. umschlag in der Binnenschifffahrt erzielt. Die Stärkung der Binnenhäfen als Drehscheibe des Güterverkehrs mit einer besseren Vernetzung der Verkehrsträger Bahn, Schiff und Lkw ist eine wichtige Voraussetzung für eine stärkere Güterverlagerung auf das Binnenschiff. Dies gilt nicht nur für die großen Binnenhäfen im Land, sondern gerade auch für die kleineren Häfen, die als dezentrale Umschlagsplätze von großer Bedeutung sind. 20 KAPITEL 3 Luftverkehr Baden-Württemberg verfügt über eine sehr gute Luftverkehrs- von Stickstoffoxiden und Kohlenwasserstoffen der einzelnen infrastruktur (3 Verkehrsflughäfen und 18 Verkehrslandeplätze). Flugzeuge bezieht. Der Flughafen Stuttgart weitet darüber hin- Weitere Flughäfen in Nachbarländern sind gut erreichbar. Ein aus die Nachtflugbeschränkungen als Maßnahme des Lärmak- weiterer Ausbau ist daher nicht erforderlich. Der Luftverkehr tionsplans aus und arbeitet an einer Nachhaltigkeitsstrategie. ist in der Lage, seine Kosten selbst zu erwirtschaften und bedarf Zur Nachhaltigkeit muss auch ein höherer Anteil der Fluggäste keiner öffentlichen Finanzierung. Die Landesregierung hat daher beitragen, die mit dem öffentlichen Verkehr anreisen. Auch die das Prinzip der Kostendeckung der Flughäfen eingeführt. Die beiden kleineren Verkehrsflughäfen Karlsruhe/Baden-Baden Landesregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für und Friedrichshafen haben ihre Start- und Landeentgeltsysteme die Reduktion der von Flughäfen und vom Flugverkehr ausge- zugunsten leiserer Flugzeuge gespreizt. Damit werden gezielt henden Umweltbelastungen ein. Sie nutzt hierfür ihren bundes- weitere Anreize für die Airlines geschaffen, möglichst geräusch- politischen Handlungsspielraum über den Bundesrat und die und schadstoffarme Flugzeuge einzusetzen. Das MVI setzt sich Verkehrsministerkonferenz. Sie unterstützt die Stärkung des ak- dafür ein, die Landeentgelte künftig kostendeckend für den Flug- tiven und die Verbesserung des passiven Lärmschutzes im Flug- hafenbetrieb zu gestalten. lärmgesetz. Weiterhin setzt sie sich für eine bessere Verzahnung der Planfeststellungsverfahren und der Flugroutenfestsetzung sowie für die Verbesserung des Lärmschutzes bei der Festlegung von Flugrouten ein. Bei den jüngsten Überarbeitungen der Entgeltordnungen der Flughäfen in Baden-Württemberg wurden insbesondere Lärmschutzaspekte berücksichtigt. Die ab 2014 gültige Entgeltordnung des Landesflughafens Stuttgart sieht erstmals eine Spreizung der lärmabhängigen Start- und Landeentgelte in zwölf Lärmklassen in 1,5 dB(A)-Schritten vor. Zudem führt der Flughafen erstmals ein Schadstoffentgelt ein, das sich auf den Ausstoß KAPITEL 3 21 Öffentliche Verkehrsmittel / Bus und Bahn Öffentliche Verkehrsmittel sind heute insbesondere in den Bal- in kleineren Netzen die Chance auf mehr Wettbewerb und damit lungsräumen effiziente, hochleistungsfähige und schnelle Trans- auf mehr Leistungen mit den heutigen Mitteln eröffnen. In den portmittel für einen großen Teil der Bevölkerung. Die Landes- kommenden Jahren werden diese Neuvergaben in allen wichti- regierung verfolgt das Ziel, die Personenkilometer in Bus und gen Verkehrsnetzen durchgeführt. Günstigere Preise sollen hel- Bahn bis 2030 gegenüber dem Jahr 2004 zu verdoppeln. Als Zwi- fen, die verfolgten Ziele umzusetzen: modernes Wagenmaterial, schenschritt soll eine Steigerung bis 2020 um 50 Prozent erreicht 10 bis 15 Prozent mehr Züge sowie die Aufstockung der Fahrgast- werden. kapazitäten schrittweise ab 2016. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs (ÖV) auf der Schiene Um das Angebot insgesamt zu verbessern, soll das Fahrplanange- ist ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Mobilität. Seit bot künftig sowohl auf der Schiene als auch zwischen Schiene und der Bahnreform 1994 ist das Zugangebot im Land um mehr als Bus verlässlich und integriert aufeinander abgestimmt sein. Ne- 50 Prozent gewachsen. Damit liegt Baden-Württemberg bun- ben der Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken in geeigneten desweit in der Spitzengruppe. Eine Fortsetzung dieses Weges ist Fällen sollen künftig auch Expressbusse eine wichtige Funktion auch angesichts der schwierigen finanziellen Rahmenbedingun- zur Schließung von Lücken im Schienennetz übernehmen. gen ein ambitioniertes Ziel. Die vom Bund für diese Aufgabe bereit gestellten Regionalisierungsmittel stiegen mit 1,5 Prozent Um den Nahverkehr als verlässliches Gesamtsystem attraktiver pro Jahr in den letzten Jahren wesentlich langsamer als die Kos- zu gestalten, will die Landesregierung schrittweise das Basisange- ten, insbesondere für die Schieneninfrastruktur (Trassen- und bot eines flächendeckenden Stundentakts im gesamten Land er- Stationsentgelte). Die Reform und Anhebung der Regionali- reichen. Das ist gerade im ländlichen Raum unter anderem durch sierungsmittel ist eine Voraussetzung für ein ausgeweitetes und flexible Angebote zu realisieren (siehe unten). Für eine Stärkung attraktiveres Bahnangebot in Baden-Württemberg. Die Landes- des Nahverkehrs haben Landeshauptstadt, Kreise, Region und regierung kämpft dafür auf Bundesebene. Land in der Region Stuttgart mit dem ÖPNV-Pakt einen Anfangspunkt gesetzt. Eine Reform der ÖPNV-Finanzierung ist 22 Im gegebenen Rahmen nutzt das MVI seine eigenen Möglich- notwendig. Künftig muss es noch stärkere Anreize geben, neue keiten. So werden die Ausschreibungen der Verkehrsleistungen Fahrgäste für das ÖPNV-Angebot zu gewinnen. KAPITEL 3 Daneben soll die Nutzung vereinfacht werden. Dazu wird in Darüber hinaus setzt sich das Land seit vielen Jahren für die Elek- Technik wie elektronisches Ticketing und Fahrgastinformation trifizierung der Strecke Ulm-Lindau-Grenze D/A (Südbahn) in Echtzeit sowie technisch gestützte Anschlusssicherung inves- und den Ausbau der Gäubahn ein. Zudem bieten Fernbusse at- tiert. Ein zentrales Element unserer Strategie dazu ist eine bessere traktive Verbindungen im öffentlichen Fernverkehr an. Um das Verknüpfung von Verkehrsverbünden und die Arbeit an einem Fernbusangebot weiter zu verbessern, wird ein Konzept zu Hal- Landestarif für den öffentlichen Verkehr, der das Prinzip „Eine testellenbedarfen, ihrer Anbindung an den öffentlichen Verkehr Fahrt, eine Fahrkarte“ auch über die Verkehrsverbünde hinaus und Radverkehrsnetze und ihrer Qualität benötigt. wird dies unterstützt. Auch der Schienenfernverkehr muss ausgebaut werden. Dazu ist die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Zusammenhang 2012 2011 2010 geldern bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg 2009 Durch ein 2014 eingerichtetes Kompetenzzentrum aus Landes- 2008 bussysteme gefragt. Bürgerbusse können das Angebot abrunden. 2007 Hier sind außerhalb der Zentren neue Angebotsformen wie Ruf- 2006 flächendeckenden und zuverlässigen System weiterentwickeln. 2005 de auch im ländlichen Raum mit innovativen Ansätzen zu einem 2004 deren Randzonen möchte die Landesregierung den ÖPNV gera- 2003 Neben den großen Potentialen in den Verdichtungsräumen und 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 2002 sicherstellen soll. Mrd. Pkm p.a. Grafik 4: Zahl der von Fahrgästen zurückgelegten Kilometer (Personenkilometer) im Regionalverkehr auf der Schiene 2002-2012, Quelle: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mit Stuttgart 21 ein wichtiges Projekt. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke wird vom Land in einer Höhe von 950 Mio. Euro mitfinanziert. Mit einem schnellen und komfortablen Weg über die Schwäbische Alb sinkt die Reisezeit von München und Ulm nach Stuttgart künftig um 25 Minuten. KAPITEL 3 23 Innovation, Digitalisierung & multimodaler Verkehr Die meisten Menschen nutzen bereits heute verschiedene Ver- Angebote. Carsharing fügt sich dabei mit vielen Vorteilen ein. kehrsmittel, und zwar zu ihrem jeweils besten Zweck. Die Kom- So ersetzt ein für stationäres Carsharing genutztes Auto ca. acht bination verschiedener Verkehrsträger im Nah- wie auch im private Pkw, wodurch weniger Stellplätze in bereits stark ver- Fernverkehr sollte möglichst einfach und unkompliziert sein. dichteten Ballungsräumen benötigt werden. Auch in Städten des ländlichen Raums kann Carsharing Anreize setzen, zum Beispiel Ein gestärkter Fuß- und Radverkehr wie auch die Entwicklung auf das Zweitauto zu verzichten. Damit Carsharing noch attrak- von Carsharing-Systemen stärken den ÖPNV und umgekehrt. tiver wird, müssen mehr Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge Sie zeigen Alternativen zum Autofahren. Dabei sind der Kom- reserviert werden. Dabei unterstützt das Land Kommunen und fort, der Zugang zu den unterschiedlichen Mobilitätsangeboten private Parkflächenanbieter. und die Reisezeit wichtige Schlüsselkriterien. Hierfür müssen die baulichen, technischen und tariflichen Voraussetzungen geschaf- Fahrräder übernehmen eine wichtige Zubringerfunktion zum fen werden. ÖV und machen leistungsfähige ÖV-Angebote in der Fläche besser zugänglich. Durch die zunehmende Verbreitung von Pe- Immer mehr Menschen sind heute flexibel, was die Wahl ihres delecs wird die Kombination Fahrrad-ÖV noch leistungsfähi- Verkehrsmittels betrifft. Unterstützt durch Smartphone und ger. Angebote zur Verknüpfung von Radverkehr und ÖV wie Internet – als Informations-, Reservierungs-, Zugangs- und Ab- Bike and Ride (B+R)-Anlagen, Fahrradverleihsysteme und die rechnungsmedium – sehen sie das Auto weniger als Statussym- Fahrradmitnahmekapazitäten werden dazu gezielt ausgebaut. bol, sondern nutzen es als eines von mehreren Verkehrsmitteln Wetterfeste und diebstahlsichere Fahrradabstellanlagen an allen mit allen seinen Vor- und Nachteilen. Für diesen Trend spricht Bahnhöfen und anderen bedeutenden Bahn- und Bushaltepunk- die explosionsartige Zunahme von Carsharing-Angeboten in ten machen dies attraktiver. Innovative Beispiele hierfür sind das deutschen Städten. Die Grenzen zwischen öffentlichem und voll-automatische Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof Offen- individuellem Verkehr werden fließender. Immer mehr Nutze- burg sowie die sogenannten E-2-Rad-Stationen in der Region rinnen und Nutzer kombinieren Auto, Bahn, Fahrrad etc. und Stuttgart, die das Land fördert. verlangen nach einer optimalen Vernetzung der verschiedenen 24 KAPITEL 3 Echtzeitinformationen für Fahrgäste steigern die Attraktivität Kommunales Mobilitätsmanagement zielt darauf, die Verkehrs- des ÖPNV. Das MVI, der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart mittelwahl der Bürgerinnen und Bürger zu beeinflussen, z.B. (VVS) und die 40 Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart durch Öffentlichkeitsarbeit und Mobilitätsinformationen. Dies sind auf dem Weg, die Fahrgäste nicht nur über die fahrplanmä- ist insbesondere dann erfolgreich, wenn sich für Menschen oh- ßigen Soll-Zeiten, sondern auch über die tatsächlichen Abfahrts- nehin gerade etwas im Leben verändert, also in den sogenannten zeiten der Bahnen und Busse informieren. Weitere Regionen sol- Lebensumbruchssituationen. Die Stadt München erreicht mit len in den kommenden Jahren folgen. einer abgestuften und gezielten Ansprache von neu hinzugezogenen Bürgerinnen und Bürgern eine wesentlich stärkere Nut- Mit dem Mobilitätsmanagement werden deutlich weniger mo- zung von Bus und Bahn. Das MVI möchte, dass die Informati- torisierte Fahrzeugbewegungen notwendig. Dazu muss der Um- on von NeubürgerInnen zu umweltfreundlicher Mobilität in weltverbund im Berufsverkehr stärker genutzt werden. Ein wich- Baden-Württemberg flächendeckend zur Selbstverständlichkeit tiges Instrument dazu ist das betriebliche Mobilitätsmanagement. wird. NeubürgerInnen müssen sich in ihrer noch fremden Um- Einige baden-württembergische Unternehmen sind hier bereits gebung neu orientieren. Mobilität ist dabei ein zentrales Thema. Vorreiter. Mobilitätsmanagement rechnet sich für Unternehmen und Verwaltungen, weil Kosten für Parkplatzflächen wegfallen, Um die Versorgung des ländlichen Raums sicherzustellen, die die Attraktivität als Arbeitgeber steigt und die Ausfallzeiten der Erreichbarkeit von zentralen Einrichtungen zu verbessern, ge- Beschäftigten sinken. Insbesondere in verkehrsaufkommensstar- sellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten und die demografische ken Tageszeiten können Maßnahmen des betrieblichen Mobili- Struktur zu stabilisieren, sind innovative Konzepte des öffentli- tätsmanagements einen wesentlichen Beitrag leisten. Um ihrer ei- chen Verkehrs nötig, die sich vom klassischen Linienverkehr lö- genen Vorbildfunktion und dem Anspruch einer klimaneutralen sen und bedarfsgesteuert disponiert werden. Landesverwaltung näher zu kommen, beabsichtigt die Landesregierung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten Maßnahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements zu verstärken. KAPITEL 3 25 Rad- und Fußverkehr Rad- und Fußverkehr leisten einen wichtigen Beitrag zur Lösung bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent gesteigert werden. Diese Ziele zentraler Zukunftsfragen – von der Gesundheits- und Wirt- sind nur im Zusammenwirken mit den Kommunen zu erreichen. schaftsförderung über Klimaschutz bis hin zur Lösung von Ver- Da sich die allermeisten Fuß- und Radwege in der Baulast der kehrsproblemen und der Steigerung der Lebensqualität in den Städte, Kreise und Gemeinden befinden, sind die Aktivierung, Städten. Baden-Württemberg hat das Ziel, den Radverkehrsan- Unterstützung und Vernetzung der Kommunen Hauptaufgaben teil gemessen an der Zahl der Wege auf 16 Prozent bis 2020 zu einer erfolgreichen Fuß- und Radverkehrsförderung. verdoppeln und bis 2030 weiter auf 20 Prozent zu steigern. Der landesweite Fußverkehrsanteil soll von derzeit etwa 23 Prozent kehrsförderung in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2025 wird programm enthalten, das konkrete Ziele, Maßnahmen und Zuständigkeiten benennt. Neben der Einbindung von Fachleuten wurde zur Erarbeitung ein bundesweit einmaliges Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt, an dem sich 2000 Menschen be- Berlin Bremen Hamburg Saarland Thüringen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Sachsen Nordrhein-Westfalen Bayern Mecklenburg-Vorpommern teiligt haben. Brandenburg Niedersachsen aktuell die RadSTRATEGIE erarbeitet. Sie wird ein Handlungs- Schleswig-Holstein Sachsen-Anhalt in Prozent 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Anteil des Radverkehrs am Modal Split Grafik: Anteil des Radverkehrs am Modal Split, Quelle: Mobilität in Deutschland 2008 - eigene Auswertung 26 Als konzeptionelle und strategische Grundlage der Radver- KAPITEL 3 Das neu geschaffene Förderprogramm für kommunale Radverkehrsinfrastruktur ermöglicht erstmals eine vom Straßenbau unabhängige finanzielle Unterstützung des Ausbaus von Radinfrastruktur durch das Land. Die Förderung ist an Qualitätskriterien gebunden. Finanziert werden nicht nur separate Radwege, sondern auch Schutz- und Radfahrstreifen, Radschnellwege, Fahrradstraßen und Fahrradparkhäuser. Trotz einer Förderquote von nur 50 Prozent stellten die Kommunen allein 2014 über 250 Anträge mit einem Fördervolumen von ca. 60 Mio. Euro. Damit lagen etwa doppelt so viele Förderanträge vor, wie in das Förder- Eine enge Kooperation mit den Kommunen gibt es auch durch programm aufgenommen werden konnten. die vom Land unterstützte Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Baden-Württemberg e.V. (AGFK-BW). Das MVI setzt gemeinsam mit den Städten und Landkreisen Dieses Netzwerk aus fahrradaktiven Kommunen repräsentiert das RadNETZ Baden-Württemberg um. Ziel ist es, Lücken in bereits die Hälfte der Bevölkerung Baden-Württembergs – und der bestehenden Infrastruktur zu schließen und alltagstaugliche wächst stetig. Fahrradverbindungen zwischen den mittleren und großen Kommunen zu schaffen. Das RadNETZ soll künftig nach einheitli- Die eigenen Füße sind zur Bewältigung der Alltagsmobilität chen Qualitätsstandards konsequent ausgebaut und ertüchtigt für einen Großteil der Bevölkerung das wichtigste individuelle werden. Sowohl zur Finanzierung von Radwegen an Bundes- Verkehrsmittel. Zu Fuß gehen ist umwelt- und sozialverträglich, und Landesstraßen als auch für die Förderung kommunaler Rad- flexibel und spontan, gesundheitsfördernd und ohne technischen verkehrsinfrastruktur soll das RadNETZ ein wichtiges Priorisie- Aufwand machbar. rungskriterium darstellen. Für die Ballungsräume strebt das MVI ein System von Radschnellwegen an, das das Pendeln aus dem Aber genau diese Qualität sorgt dafür, dass der Fußverkehr in sei- Umland in die Städte mit dem Fahrrad attraktiv macht. ner Bedeutung verkannt und von Planung und Politik oftmals als „Sowieso-Verkehr“ abgetan wird. Fußgängerinnen und Fußgän- Im Jahr 2012 hat das MVI die Initiative RadKULTUR ins Leben ger haben daher oft zu wenig Platz und sind Gefahren ausgesetzt. gerufen. Gemeinsam mit Modellkommunen wird für die Nut- Gerade mit Blick auf ältere Personen, aber auch auf Menschen zung des Fahrrades im Alltag geworben. Die Ergebnisse einer mit Behinderungen und Kinder ist es Ziel des MVI, Fußwege Evaluation der Initiative RadKULTUR in den Modellkommu- sicher und attraktiv zu machen. Für eine systematische Fußver- nen des Jahres 2013, den Städten Heidelberg und Filderstadt, sind kehrsförderung hat das MVI eine Anlaufstelle für Betroffene und eindeutig: Neben einer beachtlichen Medienresonanz spricht vor zuständige Kommunen geschaffen, die die Belange des Fußver- allem die positive Gesamtbewertung durch die befragten Per- kehrs auf Landesebene koordiniert. Damit nimmt Baden-Würt- sonen für sich. 84 Prozent in Heidelberg und 93 Prozent in Fil- temberg eine Vorreiterrolle unter den Bundesländern ein. derstadt bewerten die Initiative mit gut oder sehr gut – ein Zustimmungswert, den nur wenige politische Aktivitäten erreichen. Zur Förderung des Fußverkehrs hat das Land vier Handlungs- Die Initiative RadKULTUR soll auch künftig als fester Bestand- felder im Blick: landesweite Fußverkehrsmaßnahmen und Mo- teil der Radverkehrsförderung des Landes fortgesetzt werden. dellprojekte in Zusammenarbeit mit den Kommunen, Aufbau KAPITEL 3 27 und Unterstützung von Netzwerkstrukturen, Service für die Leit- und Informationssysteme können helfen, den Fußverkehr Kommunen und die Optimierung des rechtlichen und finan- noch attraktiver zu gestalten, und wirken sich zugleich positiv auf ziellen Rahmens. Beispielsweise sollen Fußverkehrs-Checks in die Attraktivität der Stadt für Gäste, TouristInnen oder KundIn- Kommunen mit Begehungen durch Fachleute gemeinsam mit nen des Einzelhandels aus. Zu Fuß gehen ist eine Verkehrsart, die Bürgerinnen und Bürgern Probleme identifizieren und Lösun- genau wie der Auto- und Radverkehr ein Netz, eine zweckmäßi- gen aufzeigen. ge Infrastruktur und eine Beschilderung erfordert und angemessen gefördert werden muss. Darüber hinaus müssen Maßnahmen für Querungen ergriffen werden, um zum Beispiel Ampelschaltungen zu optimieren oder gleich durch Zebrastreifen zu ersetzen. Ein wichtiges Ziel ist eine größere Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität, z.B. durch Sitzbänke. Maßnahmen sollen sich an den Bedürfnissen von mobilitätseingeschränkten Personen, aber auch an der großen Gruppe älterer Menschen mit Geh-, Seh- und sonstigen Schwächen orientieren. 28 Lebenswerte Siedlungen Einen wesentlichen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität kann die 20 Prozent bis 2020 und um 50 Prozent bis 2030 zu reduzieren4. Siedlungsentwicklung in Baden-Württemberg leisten, wenn Damit löst das MVI den Stillstand beim Lärmschutz auf. Das die Ziele einer flächensparenden und klimagerechten Innenent- MVI hat bundesweite Beachtung für ein Konzept gefunden, wicklung der Städte und Gemeinden mit einer Stärkung der das es ermöglicht, verschiedene Lärmquellen von Straßen und Innenstädte und Ortskerne verfolgt werden. Gleichzeitig kann Schienenwegen beim Lärmschutz gemeinsam zu betrachten. hierdurch die fortschreitende Zersiedelung der Landschaft auf- Menschen, die an Ortsdurchfahrten wohnen, sind mit Verkehrs- gefangen werden. Attraktive, kompakte und nachhaltige Sied- gefahren, Lärm, Luftschadstoffen und Mobilitätshemmnissen lungsstrukturen nach dem Leitbild der europäischen Stadt tra- belastet. Dazu schöpft das Land die gesetzlichen Möglichkeiten gen zu einer kleinräumigen, lebensnahen Mobilität mit kurzen aus, die Geschwindigkeit in Ortsdurchfahrten anzupassen, hat Wegen und somit zur Vermeidung von Verkehr bei. Durch die ein Lärmsanierungsprogramm an Landesstraßen aufgelegt und Nutzungsmischung fallen Wege in der Regel kürzer aus. Damit fördert den Lärmschutz an kommunalen Straßen. kann der bisherige Trend des Anstiegs der Verkehrswegelängen überwunden werden, der auch auf die Stadterweiterungen und Der Bau von Umgehungsstraßen kann in vielen Fällen nicht den Stadtumbau nach dem inzwischen überholten Leitbild der die innerörtlichen Verkehrsprobleme lösen. Dort, wo sie einen Nutzungstrennung zurück geht. wertvollen Beitrag leisten können, sollen sie in Zukunft vorrangig an dem Ziel ausgerichtet werden, die Verkehrssicherheit, den Mit der Landesinitiative „Mittendrin ist Leben. GRÜN in Städ- Lärmschutz und die Luftqualität zu verbessern, und weniger aus ten und Gemeinden in Baden-Württemberg“ aus dem Jahr 2013 Gründen der Zeitersparnis gebaut werden. und dem fortlaufenden Förderprogramm „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ unterstützt das MVI die Innenent- In der Luftreinhaltung wurden in den vergangenen Jahrzehnten wicklung der Gemeinden. große Fortschritte erzielt. Die geltenden Luftqualitätswerte werden in Baden-Württemberg in den meisten Bereichen eingehalten. Für die Gesundheit der Menschen hat sich das MVI das Ziel gesetzt, die Zahl der Personen, die einer verkehrsbedingten gesundheitsschädlichen Lärmbelastung ausgesetzt sind, um 4 Gemessen am Lnight > 55 dB(A) gemäß Lärmkartierung Straßenverkehr gegenüber 2012. KAPITEL 3 29 Das Land strebt an, die Zahl der Grenzwertüberschreitungen Neben privilegierten Parkplätzen für saubere Fahrzeuge sind (NO2-Jahresmittelwert) an Messstellen mit hohem Verkehrsauf- dabei privilegierte Umweltstreifen auf mehrspurigen Straßen zu kommen und schlechter Durchlüftung (sog. „Spotmessstellen“) untersuchen. um 60 Prozent bis 2020 und um 100 Prozent bis 2030 zu reduzieren5 . Das MVI setzt sich für eine Weiterentwicklung der Umweltzonen durch die Einführung einer blauen Plakette ein.6 Eine ent- Um das Ziel einer flächendeckenden Einhaltung der Grenzwerte sprechende Initiative des Landes Baden-Württemberg (BR-Drs. schneller zu erreichen, wurden im Ballungsraum Stuttgart zwei 710/13) wurde im Bundesrat angenommen. regionale Umweltzonen im Bereich Ludwigsburg und im Bereich von Leonberg/Hemmingen eingerichtet. In der Luftreinhaltung Siedlungen, die dem Anspruch nachhaltiger Mobilität entspre- arbeitet das MVI mit den Regierungspräsidien fortlaufend an chen, bringen ganz andere Anreize zur Verkehrsmittelwahl mit intelligenten Maßnahmen zur Schadstoffentlastung. So können sich. Solange das Auto das am schnellsten und bequemsten Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Hauptverkehrsstraßen an verfügbare Verkehrsmittel ist, werden Verhaltensänderungen Steigungsstrecken auf Tempo 30 oder 40 km/h zur Verbesserung von Menschen auf kleine Bevölkerungsteile beschränkt blei- der Luftqualität beitragen. Ein erster Erfolg ist der Modellversuch ben. Wichtig ist es daher, gesellschaftliche Entwicklungen hin an der Hohenheimer Straße in Stuttgart, der zu einem drastischen zu nachhaltiger Mobilität zu unterstützen. Einen Schritt in die- Rückgang der Luftbelastung durch Stickstoffdioxid führte. An se Richtung hat Baden-Württemberg 2014 mit der Novelle der den innerstädtischen Brennpunkten des Straßenverkehrs sind al- Landesbauordnung gemacht. lerdings weitere große Anstrengungen notwendig, um auch hier die Grenzwerte bei Feinstaub und Stickstoffdioxid einhalten zu Darin wird Fahrradparken dem Autoparken weitgehend gleich- können. Die Potentiale der Radverkehrsförderung und des Park- gestellt, indem auch Fahrrad-Stellplätze bei baulichen Anlagen raummanagements wurden bisher noch nicht genutzt. vorgeschrieben werden. Die Novelle ermöglicht es Kommunen, die Stellplatzverpflichtung für Autos zu reduzieren, z.B. um 30 In Bezug hierauf werden stärkere Privilegien für umweltfreund- Wohnraum flächensparender und preisgünstiger erstellen zu las- liche Fahrzeuge und solche, die mit mehreren Personen besetzt sen. Hiermit kann der Flächenverbrauch für Parkplätze reduziert sind, untersucht. und die Aufenthaltsqualität sowie die Erlebbarkeit von Städten 5 Gemessen an allen zwischen 2006 und 2014 betrachteten Spotmessstellen. 6 Wir streben an, ab 2020 nur noch solche Dieselfahrzeuge in Luftreinhaltegebiete mit sehr hoher Schadstoffbelastung einfahren zu lassen, die den Standard Euro 6 erfüllen. KAPITEL 3 und Gemeinden verbessert werden. Die Förderung von Multi- Das Leitbild der autogerechten Stadt gehört längst der Vergan- modalität durch Konzepte wie Carsharing, Mitfahrgelegenhei- genheit an. Planung sollte heute das Ziel haben, den Anteil des ten etc. kann zudem zu einer Steigerung der Mobilität ohne eine Umweltverbundes deutlich über den Durchschnitt vergleichba- verkehrsbedingte Zunahme des Flächenverbrauchs für Verkehrs- rer Siedlungsstrukturen zu steigern. Positive Beispiele existieren infrastruktur führen. zum Beispiel in Freiburg-Vauban und im Tübinger Französischen Viertel. Dem Autoverkehr wurde in Vergangenheit viel städ- Die rechtlichen Grundlagen für eine nachhaltige Mobilitäts- tische Fläche gewidmet. Im Nachhaltigkeitskonflikt um Flächen entwicklung sind bereits heute im Baugesetzbuch (BauGB) im städtischen Verkehrsraum wird es in Zukunft noch stärker um verankert. Danach müssen die Gemeinden, die „Belange des die Flächengerechtigkeit gehen. Personen- und Güterverkehrs, [...] einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs“ bei Mit dem Leitbild „Stadt bzw. Region der kurzen Wege“ und durch der Aufstellung und Änderung der Bauleitpläne berücksichtigen. enge Verknüpfung von Verkehrsplanung und Siedlungsentwick- Grundlage der Bauleitpläne sollten solche Mobilitätskonzepte lung, den Ausbau der Rad- und Fußgängerinfrastruktur und die sein, die auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind. Beispielsweise sollen Verlagerung der Priorität auf Sanierung und Erhalt vor Aus- und sie einen Beitrag zur fußläufigen Erreichbarkeit der Nahversor- Neubau im Bereich Straße will das MVI Verkehr vermeiden. gung und zu einer guten Aufenthaltsqualität rund um Haltestel- Um zugleich hochwertige öffentliche Räume zu erhalten bzw. zu len leisten. schaffen, ist es notwendig, die Gemeinden bei der Integration des Verkehrs unter Berücksichtigung einer guten Gestaltung in den Um die Nachhaltigkeit der Planung zu stärken, sollte der Bauleit- Stadt-, Siedlungs- und Landschaftsraum zu unterstützen. planung ein integrierter Stadtentwicklungsprozess vorausgehen. Die integrierte Stadtentwicklung ist ein wichtiges informelles Planungsinstrument, in die unterschiedliche Interessengruppen und die Öffentlichkeit einbezogen werden können. In den integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepten (ISEK) sollen Mobilitätsstrategien im Interesse der Lebensqualität in den Gemeinden eine wichtige Rolle spielen. KAPITEL 3 31 4. Kommen Sie mit – Ausblick Viele Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württembergs bewe- Aufbauend auf den vier Leitbildern zeigt der Maßnahmenplan gen sich schon heute in Richtung einer nachhaltigen Mobilität. 2020 die Handlungsfelder für den Mobilitätsbereich in Ba- Dies ist in der Regel mit einem Gewinn an Gesundheit und Le- den-Württemberg auf. Die Mobilitätsbedürfnisse aller Men- bensqualität, mit Kosteneinsparungen und mit mehr Mobilitäts- schen und Unternehmen sind dabei ausschlaggebend. chancen verbunden. Die Verkehrspolitik Baden-Württembergs unterstützt diese Trends und lenkt sie mit der vorliegenden Stra- Kommen Sie mit auf den Weg in Richtung einer nachhaltigen tegie in eine zukunftsweisende Richtung. Mobilität für Baden-Württemberg. Das Ziel, Baden-Württemberg zu einer Pionierregion für nachhaltige Mobilität zu machen, Das Konzept der nachhaltigen Mobilität basiert für das MVI auf ist noch lange nicht erreicht. Es erfordert große Anstrengungen, folgenden vier Leitbildern: zu denen die Landesregierung ihren Teil beitragen will. Nachhaltige Mobilität - nutzt die beste Technik und vernetzt alle Verkehrsmittel Städte, Gemeinden und Landkreise, Bundestag und Bundesregierung, Unternehmen, Messen und Verbände, Nachhaltige Mobilität - ist Motor für Beschäftigung und Innovation Europaparlament, EU-Rat und EU-Kommission, Medien und Kreativschaffende, Wissenschaft, Nachhaltige Mobilität - steht in Einklang mit Mensch und Umwelt Vereine und gemeinnützige Organisationen und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger Nachhaltige Mobilität - stärkt die Lebensqualität in unseren Siedlungen tragen ihren Teil hierzu bei. Etwas dauerhaft Neues zu errichten, dauert Jahrzehnte. Das zeigen andere große Reformvorhaben wie die Energiewende. Beteiligung, Kreativität und Fehler- 32 KAPITEL 4 freundlichkeit sind bei einem solchen Prozess wichtig. Immer Richtung. Rückschläge sollen uns nicht entmutigen, sondern wieder gilt es, sich der Ziele und Wege zu vergewissern. Bringen Möglichkeiten für Verbesserungen aufzeigen und uns zusätzlich Sie also Ihre Ideen ein und damit unser Land nachhaltig mobil motivieren. nach vorne. Eines ist sicher: Mit einem Festhalten am Status quo würden wir Mobilität verändert sich nicht abrupt und plötzlich, sondern – den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung nicht gesellschaftlich gesehen – in einem langen Prozess. Dabei stehen gerecht. Wir müssen daher Wege zu einer umweltverträglichen, hinter gesellschaftlichen Veränderungen einzelne Menschen, gerechteren und im weltweiten Maßstab verallgemeinerbaren Unternehmen und Innovationen, die den Alltag in ihrem Wir- und damit wirtschaftlich zukunftsfähigen Mobilität finden. Die kungsbereich verändern. Dies geschieht z.B. aus Anlass eines übergeordneten Leitbilder und Maßnahmen dazu zeigt diese Umzugs, einer ärztlichen Untersuchung oder einer familiären Strategie auf. Wir werden aber auch einige alte Gewohnheiten Veränderung. Nicht alle sind jederzeit bereit oder in der Lage, über Bord werfen müssen, um eine insgesamt beträchtlich bes- ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, nicht immer kann es in die sere Lebensqualität zu gewinnen, die Umwelt und das Klima zu richtige Richtung gehen. Aber der Trend weist in die richtige schützen und unsere Wirtschaft nachhaltig aufzustellen. 6.000,00 € „Nachhaltige Mobilität beginnt im Kopf, aber endet dort noch lange nicht.“ 5.000,00 € 4.000,00 € 3.000,00 € 2.000,00 € 1.000,00 € 0€ 5000 km 10000 km 15000 km Mit Pkw gefahrene Kilometer pro Jahr Kosten Carsharing und Mietwagen Kosten eigenes Auto Grafik: Kosten unterschiedlicher Mobilitätsmuster, Quelle: Wirtschaftswoche 2013 KAPITEL 4 33 Weitere Informationen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur: Fahrplanauskunft: www.mvi.baden-wuerttemberg.de www.efa-bw.de Neue Mobilität: bewegt nachhaltig: Radroutenplaner: www.neue-mobilitaet-bw.de www.radroutenplaner-bw.de Straßenverkehrszentrale: RadKULTUR: www.svz-bw.de www.radkultur-bw.de Baustelleninformationssystem: Portal zur nachhaltigen Stadt- und Gemeindeentwicklung: www.baustellen-bw.de www.innen-bw.de 3-Löwen-Takt: www.nvbw.de 34 KAPITEL 4 Impressum Ministerium für Verkehr und Infrastruktur · Hauptstätter Straße 67 · 70178 Stuttgart www.mvi.baden-wuerttemberg.de Stand: April 2015 Bildnachweise Cover: oben links: © LVDESIGN - Fotolia.com, oben rechts: © VVS, unten links: © SSB AG, unten rechts: © Hafen Stuttgart; Seite 4: © Uwe Miethe; Seite 5: © MVI; Seite 7: © Car2go; Seite 8: © Peter Atkins - Fotolia.com; Seite 9: © VVS; Seite 10: © Glaser - Fotolia.com; Seite 11: © SSB; Seite 12: © AG FREIRAUM, Jochen Dittus und Andreas Böhringer, Freie Landschaftsarchitekten; Dipl.-Ing. Pit Müller, Freier Landschaftsarchitekt BDLA; Seite 13: © Marco2811 - Fotolia.com; Seite 14: © e-mobil BW KD Busch; Seite 15: © KD Busch; Seite 16: © Manfred Grohe; Seite 17: © SVZ; Seite 18: © Manfred Grohe; Seite 19: © Michael Neuhaus Deutsche Bahn AG; Seite 20: © Hafen Stuttgart; Seite 21: © Bildarchiv Flughafen Stuttgart; Seite 22: © SWEG; Seite 23: © SSB AG; Seite 24: © SSB AG; Seite 25: © MVI; Seite 26: © MVI; Seite 27: © connel_design - Fotolia.com; Seite 28: © Cristal Oscuro - Fotolia.com; Seite 29: © MVI; Seite 30: © bluedesign - Fotolia.com; Seite 31: © Ramessos - So-called French Quarter in Tuebingen, Dezember 2007; Seite 32: © connel_design - Fotolia.com; Seite 33: © VVS; Seite 34: © Iakov Kalinin - Fotolia.com Gesamterstellung: 360|Concept Gedruckt auf Circle Silk Premium White, 100% Recyclingpapier – spart Rohstoffe und vermindert die Abgasemissionen, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Euroblume. 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