Masdar City erfordert ein Umdenken.« - Mercedes

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»Masdar City erfordert ein
Umdenken.«
Masdar City ist ein außergewöhnliches Stadtentwicklungsprojekt in den Vereinigten
Arabischen Emiraten. Ein Interview mit Projektmanager Jürgen Häpp.
HERR HÄPP, WAS STEHT HINTER DER SOZIALEN UTOPIE VON MASDAR CITY?
Masdar City ist keine unerreichbare „Utopie“, sondern eine Rückbesinnung auf die nachhaltigsten Prinzipien jahrhundertealter, organisch gewachsener Städte: hohe städtebauliche Dichte und kurze fußläufige Entfernungen. Die Stadt
versucht, historisches Wissen mit den neuesten Technologien zu verbinden – eine eher bodenständige als utopische
Entwicklung. Masdar City ist ein reales Projekt für reale Menschen.
In diesem Sinne versucht Masdar City, für alle gesellschaftlichen Schichten eine lebenswerte Stadt zu schaffen. Weitere
Ziele sind die Integration in das Entwicklungsumfeld und die Metropolregion Abu Dhabi. Daher legen wir Erholungsflächen so an, dass sie von Masdar City aus genauso gut erreichbar sind wie von Abu Dhabi aus, vor allem aus den
benachbarten Bezirken.
WERDEN IN MASDAR CITY BAUTECHNOLOGIEN ENTWICKELT, DIE BEREITS WOANDERS UMGESETZT WERDEN
KÖNNEN?
Wir sollten uns natürlich nicht nur auf Technologien konzentrieren, sondern auch auf passive Maßnahmen zur Senkung
des Energieverbrauchs und zur Ressourcenschonung. Daher ist eine integrierte Entwicklung der Gebäude erforderlich,
die das lokale Klima und die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt. Durch die richtige Ausrichtung, Materialmenge und
Dämmung können wir den Energiebedarf gegenüber „standardmäßigen“ Gebäuden in der Region drastisch reduzieren.
Eine weitere Senkung des Energiebedarfs oder eine höhere Energieeffizienz erreichen wir dann über Technologien wie
Wärmerückgewinnung, effiziente Kühlsysteme und Gebäudetechnik. Diese Technologien, die wir in unseren ersten
Häusern oder in unserem Pilotprojekt – „Intelligente Stromnetze mit intelligenten Geräten“ – genutzt haben, sind auch
für andere Städte interessant.
WARUM WAR UND IST DIE PLANUNG VON MASDAR CITY ETWAS BESONDERES?
Wir können bei Masdar City mit einem neuen Ansatz an die Stadtplanung oder die städtebauliche Gestaltung herangehen. Durch dieses Umdenken ist Masdar City etwas Besonderes. Im 20. Jahrhundert ging es bei der Stadtplanung in
erster Linie um Konstruktion und Technik und weniger um die Schaffung eines lebenswerten Umfelds für alle Bürger.
Für eine leichtere Planung waren die Straßen und die gesamte Infrastruktur bei diesem Ansatz oft weit auseinandergezogen, denn so mussten sich die Planer nicht untereinander abstimmen. In Masdar City hatten wir die Aufgabe, mit
einem neuen städteplanerischen Ansatz für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Wichtig sind dabei die Integration und die
Verbindung zwischen all den verschiedenen Bestandteilen einer Stadt. Infrastruktur, Verkehr, Gebäude und öffentlicher
Raum: Alles wird als eine Einheit geplant. Im Grunde geht es darum, die Entwicklung der städtischen Außenbezirke seit
Ende der 1930er-Jahre zu verstehen, als zur Gewährleistung der individuellen Mobilität eine großzügig angelegte und
daher energieintensive Straßen- und Verkehrsinfrastruktur geplant wurde. Im Gegensatz dazu ist Masdar City kompakt.
Die hohe städtebauliche Dichte verkürzt die Entfernungen zwischen den Gebäuden, Sehenswürdigkeiten etc. Mit den
engen Straßen schaffen wir ein Mikroklima, in dem die Leute trotz der extremen Temperaturen in Abu Dhabi gerne
zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Außerdem möchten wir den öffentlichen Nahverkehr oder emissionsfreien
Individualverkehr fördern.
FÜR DEN ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHR GIBT ES IN MASDAR CITY EINIGE NEUE ANSÄTZE. WELCHE IDEE STEHT
ZUM BEISPIEL HINTER DER STADTBAHN?
Das Verkehrsministerium von Abu Dhabi entwickelt gerade das „Light Rail Transit”-System (LRT). Dieses Stadtbahnsystem hat Ähnlichkeiten mit einer Straßenbahn. Die nächste Ebene ist die U-Bahn, die Masdar City mit der Innenstadt
von Abu Dhabi verbindet. Für eine bessere Erreichbarkeit befindet sich die U-Bahn-Station in zentraler Lage. Die U-Bahn
und die Stadtbahn spielen eine entscheidende Rolle innerhalb des nachhaltigen Mobilitätskonzepts, das sowohl bei den
Bürgern von Masdar City als auch bei den Pendlern auf eine Reduzierung der Abhängigkeit von privaten Pkw abzielt.
EIN WEITERES VERKEHRSMITTEL IN MASDAR CITY IST DER PERSONAL RAPID TRANSIT (PRT). WIE FUNKTIONIERT DAS?
PRT ist ein vollautomatisches, führerloses, spurgeführtes Personentransportsystem. Die Fahrzeuge folgen kleinen, in
den Boden eingelassenen Magneten und werden zentral gesteuert. Außerdem ist jedes Fahrzeug vorn und hinten mit
Sensoren ausgestattet, die Hindernisse auf der Fahrspur erkennen und es gegebenenfalls automatisch stoppen können.
Die Technik ist sehr sicher und funktioniert wie ein waagerecht fahrender Aufzug. Der Fahrgast wählt das Ziel, und das
Fahrzeug findet die beste und schnellste Route. Ein zentrales Steuerungssystem ist dafür viel effizienter als die Steuerung über Fahrer.
WORUM GEHT ES BEI EINEM ANDEREN PILOTPROJEKT MIT NORMALEN ELEKTROAUTOS?
Wir prüfen, wie wir diese Elektroautos in der Stadt einführen können und welche Art von Service wir anbieten können:
Autoclubs, Carsharing-Konzepte oder Elektrotaxis. Wir beschäftigen uns auch mit der Ladetechnologie und mit der
Reichweite einer Batterie­ladung. Bei extremen klimatischen Bedingungen ist das besonders wichtig, vor allem im Sommer, denn dann ist die Reichweite durch den hohen Energieverbrauch der Klima­anlage geringer.
GLAUBEN SIE, DASS EINE MODERNE STADT IM INDIVIDUALVERKEHR OHNE FOSSILE KRAFTSTOFFE AUSKOMMEN KANN?
Auf jeden Fall. Es ist heute schon klar, dass Elektromobilität auf jeden Fall ein ganz großes Zukunftsthema ist. Wir kommen diesem Ziel immer näher. Doch das hängt auch davon ab, wie viel Individualverkehr aufrechterhalten werden kann
und ob die Stadt- und Infrastrukturplanung den Leuten alltagstaugliche Alternativangebote für den öffentlichen Nahverkehr machen kann. Damit die Gesamtnachfrage nach erneuerbarer Energie sinkt, brauchen wir nicht nur energie­
effiziente Gebäude, sondern auch energieeffiziente Verkehrskonzepte. Wie Sie sehen, müssen wir das System als
Ganzes betrachten, denn Elektroautos, die mit konventionellem Strom geladen werden, sind noch nicht nachhaltiger.
LASSEN SICH „PRINZIPIEN AUS MASDAR CITY“ AUF BEREITS EXISTIERENDE STÄDTE ÜBERTRAGEN?
Ja, das Kernprinzip der effizienten Energie- und Ressourcennutzung muss in allen Städten umgesetzt werden. Der große
Unterschied ist jedoch der Zeitfaktor. In einer neuen Stadt wie Masdar City kann man die Infrastruktur und Gebäude direkt mit der modernsten Technologie so nachhaltig wie möglich planen. In bestehenden Städten wird es etwas
länger dauern, Gebäude und Infrastruktur mit dem modernsten Standard nachzurüsten. Dort ist es wichtig, zunächst zu
analysieren, wo der meiste Energiebedarf besteht und wie man die Energieeffizienz in den energieintensivsten Bereichen erhöhen kann. Dabei könnten die Städte herausfinden, dass eine energie­effizientere Infrastruktur durch langfristig
sinkende Betriebskosten auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
MASDAR & CO. – AKTUELLE PROJEKTE DER STARARCHITEKTEN VON FOSTER + PARTNERS
Neben dem städtebaulichen Konzept für Masdar City, der ersten CO2-neutralen Stadt der Welt, sind die Stararchitekten
von Foster + Partners weltweit an zahlreichen weiteren Projekte beteiligt. Diese Übersicht zeigt lediglich eine Auswahl
ihrer spannendsten und aktuellsten Projekte:
Camp Nou Stadium (Barcelona, Spanien)
Das Stadion Camp Nou des FC Barcelona gehört bereits zu den größten Fußballstadien der Welt. Foster & Partners wird
das Stadium vergrößern und weitgehend neu modellieren, damit es in Zukunft bis zu 106.000 Zuschauer fassen kann.
Neben einer neuen Dachkonstruktion soll eine spektakuläre, farbige Mosaikumhüllung des gesamten Stadions errichtet
werden. Die durchsichtigen Farbplatten sind in den Farben des FC Barcelona getönt und färben tagsüber das Sonnenlicht nach innen. Am Abend leuchtet dann das Stadion auch von außen in den Vereinsfarben.
Spaceport America (New Mexico, USA)
Der New Mexico Spaceport ist das erste private Raumfahrtzentrum der Welt. Die gewundene Form des Gebäudes und
dessen Interieur sollen Mystik und Dramatik der Raumfahrt zum Ausdruck bringen und den Adrenalinschub, der sich bei
der Reise für die ersten Weltraumtouristen mit Sicherheit einstellen wird, unterstreichen.
New Holland Island (Sankt Petersburg, Russland)
Die bauliche Neugestaltung der New Holland Island in Sankt Petersburg sieht eine dreieckig geformte, sich selbst erhaltende Insel vor, die auf insgesamt 7,6 Hektar ein vielseitig nutzbares Kulturzentrum bildet. Die Planungen beinhalten
ein überdachtes Theater, Konferenzräume, Galerien, Hotels, Läden, Wohneinheiten, Restaurants sowie einen flexibel
nutzbaren Bereich unter freiem Himmel im Herzen der Insel. Ziel ist eine weitgehend autonome Infrastruktur der Insel.
Queen Alia International Airport (Amman, Jordanien)
Der Queen Alia International Airport in Amman ist die Vision des Flughafens des 21. Jahrhunderts und stellt zugleich
den Anspruch einer Architektur dar, die sich perfekt in ihre Umwelt einpasst. Der Bauplan berücksichtigt einen graduellen Anstieg des Passagieraufkommens im Laufe der Jahre. So könnten Flugfeld und Flughafen von der geplanten
Fertigstellung im Jahre 2012 bis 2033 einen Anstieg zwischen drei und zwölf Millionen Passagieren pro Jahr bewältigen.
Der Einsatz von Solarenergie, sowie die Nutzung von Licht und Wärme, sollen die natürlichen Ressourcen im Umfeld
des Flughafens optimal zur Geltung bringen.
200 Greenwich Street, World Trade Center (New York City, USA)
Der Wolkenkratzer mit 78 Stockwerken ist Teil des Wiederaufbaus des World-Trade-Center-Komplexes in New York City
und stellt große Herausforderungen aus architektonischer wie städtebaulicher Sicht dar. Von den historischen Ereignissen geprägt, soll der Wiederaufbau auch im Sinne einer Neugeburt der vorherigen Gebäude stehen und das neue
Hochhaus mit seiner glänzenden Glasfassade und der kristallinen Bauform für ein neues Erscheinungsbild der Skyline
von New York City sorgen. Seit Planungsbeginn im Jahre 2006 steht besonders der Energiehaushalt des Büroturms im
Fokus der Architekten. Bei Fertigstellung soll das Gebäude einmal das dritthöchste in der gesamten Ostküstenmetropole sein.
Text: NATHALIE GILLET
Fotografie: MARTIN VON DEN DRIESCH
Schlagworte: MOBILITÄTSKONZEPTE
Erscheinungsdatum: 3. MAI 2011