9/2006 DAS MITARBEITERMAGAZIN DER RAG MitarbeiterBefragung Die ersten Ergebnisse SEITE 22 600 Jahre nach Gutenberg: Für eine neue High-Tech-Welt liefert Degussa die Tinte Gedruckte Elektronik 01_Titel_09_06.indd 1 Interview Dr. Tacke Ölsuche Österreich Machen Sie mit! Vorreiter mit jeder Menge Energie Von Schallplatten und Erdplatten Gewinnen Sie eine Reise nach Mailand SEITE 18 SEITE 28 SEITE 38 23.08.2006 12:59:50 Uhr 4 I nhalt Interview Dr. Tacke „Die STEAG ist national wie international hervorragend aufgestellt. Das bescheinigt uns auch der Kapitalmarkt“ – so STEAG-Chef Dr. Alfred Tacke. Im „Folio“-Interview spricht er über die Perspektiven der STEAG im In- und Ausland Seite 18 Mitarbeiterbefragung Eine erste Auswertung zeigt: Trotz der vielen Veränderungen fühlen sich die Mitarbeiter dem Konzern stark verbunden Seite 22 Ölsuche in Österreich Topfschlagen in den Alpen: Mit Hilfe von Erschütterungen erkunden DMTExperten den Untergrund – und hören genau hin, wie die Erde reagiert Seite 28 Folio 9 | 2006 S04_RAGMitarbeiter09_K00 4 23.08.2006 19:29:08 Uhr 3 Kolumne Die Meinungen der Mitarbeiter 6 Ein Bild und seine Geschichte Brände löschen mit Firesorb 8 Magazin RuhrTriennale, Chemie live, World Chess Challenge, Vorbescheid Walsum, DBT gut im Geschäft 12 Titelstory In Zukunft kann man Elektronik drucken – und Degussa liefert die Tinte dafür 18 Interview Dr. Alfred Tacke über Kraftwerksprojekte und die Perspektiven der STEAG im In- und Ausland 21 Kapitalmarkt Wie Chartisten 26 Zusammenwachsen Die Business Academy soll Mitarbeiter vernetzen und den Konzern mit neuen Ideen nach vorn bringen 28 Rohstoffe In Oberösterreich suchen DMT-Mitarbeiter per Schallwellen nach fossilen Brennstoffen 31 Meinung Ansichten zum Thema Versorgungssicherheit 32 Leute Dr. Engel im Gespräch, Azubi kocht im Sterne-Restaurant, RAG-Kinderprogramm in Dortmund 34 Fairplay-Pokal Viel Spaß beim vierten RAG-Fußballturnier 35 Aktion Spielen Sie mit: Kurse prognostizieren 22 Analyse Die Mitarbeiterbefragung – ein detailliertes Stimmungsbild aus 59.000 Einzelmeinungen 25 Verantwortliches Handeln 3x2 Karten für den BVB 36 Stellenmarkt 38 Quiz Auf nach Mailand! Mit den Multiplikatorentreffen bietet der Konzern eine Gelegenheit zum Dialog Das Titelbild von Kirsten Neumann zeigt Dr. Frank-Martin Petrat, Senior R&D Manager der Creavis Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, rufen Sie uns an. Sie erreichen die Redaktion unter: 0201/177-3340 oder per Mail: [email protected] Fairplay-Pokal Vollen Einsatz, begeisternde Spiele und viel Spaß abseits des Rasens – das alles gab es beim vierten RAG-Fußballturnier mit Teams aus allen Konzernbereichen Seite 34 Die Tinte der Zukunft wird die Elektronik revolutionieren, denn mit ihr lassen sich Tastaturen, Speicherchips oder auch Lautsprecher drucken: 600 Jahre nach Gutenberg steht die Drucktechnik vor neuen Umwälzungen – nicht zuletzt dank Degussa Seite 12 Folio 9 | 2006 S05_RAGMitarbeiter09_K00 5 23.08.2006 19:29:13 Uhr FOTOS: MARTIN BÜTTNER Aus Nanomaterialien und Polymeren produzieren die Wissenschaftler der Degussa neuartige Hybridmaterialien … Die Tinte der Folio 9 | 2006 S012_RAGMitarbeiter09_K00 12 23.08.2006 13:32:06 Uhr Tite l s t or y 13 Die Drucktechnik hat schon einmal die Welt verändert. 600 Jahre nach Gutenberg macht sich das traditionsreiche Handwerk auf, auch die Elektronik zu revolutionieren. Die Tinte für diese neue High-Tech-Welt kommt von der Degussa B Zukunft … mit deren Hilfe Druckmaschinen sogar elektronische Komponenten auf fast jeden Untergrund drucken können ei der Creavis in Marl steht der vermutlich ungewöhnlichste Tintenstrahldrucker des Konzerns. Er ist so groß wie ein Schreibtisch, hat nicht einmal einen Einzelblatteinzug, kein Mensch kann lesen, was er zu Papier bringt, und die Tinte für diesen Drucker verkauft kein Geschäft. Und trotzdem sind die Mitarbeiter in Marl sehr stolz auf ihre Errungenschaft. Mit dem Spezialgerät, das sogar einzelne Tröpfchen auf dem Weg zum Papier fotografieren kann, haben sie Unglaubliches vor: „Tastaturen, Speicherchips, elektronische Preisschilder und sogar Lautsprecher sollen in Zukunft einfach aus dem Drucker kommen“, sagt Dr. Frank Martin Petrat. Das klingt fantastisch, aber Fantasie gehört zu Petrats Job dazu. Der 42-Jährige arbeitet schließlich für die Creavis, die Innovationsschmiede der RAG-Chemietochter. Dort entwickelt der promovierte Physiker für die attraktiven Märkte der Zukunft die Produkte von morgen. Das Team der Creavis sucht neue, stark wachsende Geschäftsfelder und betreibt die konkrete Markteinführung der Entwicklungen. Der Geschäftsbereich ist auch schon mit ersten Produkten am Markt, denn der Aufbau neuer Geschäfte hat für die Creavis oberste Priorität. Petrat arbeitet gemeinsam mit Physikern, Chemikern, Ingenieuren und Verfahrenstechnikern im Science to Business Center Nanotronics. Ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen „Nano“ und „Electronics“ zusammensetzt. In diesem Zentrum konzentriert Degussa Aktivitäten zur Entwicklung von Materialien und Technologien, die den Aufbau neuer Märkte in elektronischen Anwendungen ermöglichen. Im Fokus stehen Partikel von der Größe eines Atoms bis hin zu 100 Nanometern. Das entspricht nicht einmal einem millionstel Meter. Das Ziel ist es, mit diesen kleinsten Teilchen Großes zu bewegen. Deshalb hat die Degussa viel Know-how rund um das Thema „Nano“ in Marl gebündelt. Petrat und sein Team entwickeln zurzeit die „Tinte“, mit der > Folio 9 | 2006 S013_RAGMitarbeiter09_K00 13 23.08.2006 13:32:20 Uhr 14 Ti telsto ry „Oberste Priorität bei Creavis hat der Aufbau neuer Geschäfte“ ins Spiel. Mit ihrer Hilfe drehen sie in Marl an den Stellschrauben der Mikrowelt, um dem Polymer Eigenschaften zu verleihen, die es eigentlich gar nicht hat. Das Material wird „getunt“, und neuartige Hybridmaterialien entstehen: eine Wanderung auf Messers Schneide, denn gleichzeitig sollen die gewünschten Eigenschaften des Produkts nicht verändert werden. Gezielt werden dem Basismaterial die Funktionen durch kleinste Teilchen hinzugefügt. So entstehen Materialverbünde, die eingesetzt werden können als Halbleiter, Leiter oder Isolatoren – die Grundbausteine der Elektronik. Die Stadt der Drucker Aber wer die Tinte für die Zukunft entwickelt, kann damit noch lange nicht drucken und sein Produkt in der Praxis testen. Denn nicht nur die Tinte muss speziell für die neuen Anwendungen designt sein, vor allem auch die Hardware, also die Druckmaschine, muss komplett neu konfiguriert werden. Das Team der Crea- N an o un d Po ly m er > die Degussa-Kunden ihre Elektronik künftig auf Papier, Folien oder jedes andere bedruckbare Material bringen sollen. Denn wer Transistoren drucken will, kann das natürlich nicht mit gewöhnlicher Farbe. Die besondere Anforderung an das künftige Produkt: Es soll nicht nur unter Laborbedingungen funktionieren, sondern vor allem in der Produktion im großen Maßstab. Die Basis für diesen Wunderstoff ist eine Kernkompetenz der Degussa: Polymere. Diese sind perfekt für den Einsatz in großen Druckmaschinen geeignet. Viele von ihnen lassen sich abfüllen wie Farbe, sind über Jahre beständig und nicht giftig, trocknen schnell und sind, für so ein hochwertiges Produkt, ausgesprochen günstig. „Im besten Sinne attraktiv“, nennt Petrat diese Kombination von Eigenschaften. Ein wunderbares Material, das nur einen eklatanten Nachteil hat: Gewöhnliche Polymere leiten keinen Strom. Für Elektronik ein echtes K.-o.-Kriterium. An dieser Stelle kommt eine weitere Kernkompetenz der Degussa, die Nanotechnologie, Herstellung von halbleitenden Nanopartikeln am Plasmareaktor: Dr. André Mecklenburg und Jörg Zöllner Hybridmaterialien vereinen die Eigenschaften von unterschiedlichen Materialklassen. Bei Nanotronics in Marl werden Nanomaterialien mit Polymeren kombiniert. Nanomaterialien haben zum Beispiel optische und elektrische Eigenschaften, welche auf Grund ihrer Größe (nanos = Zwerg) mit üblichen Materialien nicht erreicht werden. So können durch gezielte Veränderung der Größe oder der Ober- flächenzusammensetzung des Materials Eigenschaften „eingestellt“ werden. Dies erlaubt die Herstellung von neuen maßgeschneiderten Materialsystemen. Polymere sind große Moleküle, die aus Ketten von Untereinheiten (Monomeren) bestehen. Kleinste Abweichungen in der Zusammensetzung auf atomarer Ebene können schon große unterschiedliche Eigenschaften bewirken. Das Wissen über den Zusammenhang zwischen Struktur und der Eigenschaft eines Polymers ist von enormer Bedeutung für die Produktion von Stoffen mit maßgeschneiderten Eigenschaften. FOTOS: MARTIN BÜTTNER, KIRSTEN NEUMANN, KARSTEN BOOTMANN Dr. Frank-Martin Petrat, Senior R&D Manager der Creavis Die Degussa-Mitarbeiterin Carola Sakreida bei der vis brauchte also einen Partner, der beim Thema Drucken kein unbeschriebenes Blatt ist. In Chemnitz wurde es fündig. Dort gelang Prof. Dr. Arved Hübler am Lehrstuhl Printmedientechnik der Technischen Universität vor zwei Jahren der entscheidende Durchbruch: Der Physiker war der erste, der einen elektrischen Schaltkreis komplett drucken konnte. Drucken hat in Chemnitz Tradition: Ein eigener Lehrstuhl forscht an der Technischen Universität seit vielen Jahrzehnten rund um das Thema Printtechnik, und die TU war auch die erste, die sich der Aufgabe Massendruck und Elektronik stellte. Die Stadt in Ostdeutschland bietet den High-Tech-Druckern noch andere Vorteile: Chemnitz bündelt Kompetenz rund um das Thema. Von der Forschung in der Uni über verschiedene Unternehmen, die sich Folio 9 | 2006 S014_RAGMitarbeiter09_K00 14 23.08.2006 13:32:28 Uhr S r Synthese von Polymeren mit der Thematik befassen, bis hin zum Fraunhofer-Institut, das in der Stadt Systeme entwickelt, um die Qualität der im Massendruck hergestellten Elektronik zu überprüfen. Erfolg am Markt Hübler und die Degussa passen auch aus anderen Gründen gut zusammen: Beiden genügt der rein wissenschaftliche Durchbruch nicht. Dem Erfolg unter Laborbedingungen soll schnell der Durchbruch in der Produktion und am Markt folgen. Dafür muss das an der Universität entwickelte Verfahren auf entsprechend eingestellten, handelsüblichen Druckmaschinen wiederholbar sein. Auch anderswo in der Welt ist man aufmerksam geworden und forscht an dem lukrativen Thema. Vor allem in den USA und Asien. „Aber noch haben wir in Deutschland einen Vor- Harry Becker überprüft die Qualität der gedruckten Elektronikkomponenten sprung“, weiß Hübler. Und den will er gemeinsam mit der Degussa nutzen. Der Wissenschaftler möchte seine gedruckte Elektronik zügig am Markt etablieren. Im Jahr 2003 gründete er dazu mit zwei Kollegen von der Universität Printed Systems. Das Unternehmen mit zurzeit 25 Mitarbeitern ist weltweit das erste, das elektronische Strukturen vollständig im Massendruckverfahren herstellen kann. Seit über einem halben Jahr ist die Degussa als Partner mit dabei. Low-TechElektronik ist Hüblers Erfolgsformel: Mit seiner gedruckten Elektronik will er den Alltag erobern. Der klassischen Elektronik, wie Computer und Handys, wird keine Konkurrenz gemacht. Bei deren hochkomplexen Anwendungen kann die Elektronik auf dem Papier noch nicht mithalten. Vielmehr wird sich die gedruckte Elektronik ihren eigenen, ganz neuen Markt schaffen, da- von sind der Wissenschaftler und Creavis überzeugt. Und der entscheidende Faktor für diesen Erfolg sind die geringen Kosten. Denn so komplex die Polymere und die Maschinen auch sind, das Erfolgsrezept der gedruckten Elektronik liegt in ihrer Einfachheit: Schicht für Schicht können Leiter, Isolator und Halbleiter aufgebaut und beliebig häufig gedruckt werden. Auflagen von Milliarden Speicherchips wären zum Beispiel kein Problem. Der große Aufwand für die klassische Silizium-Elektronik ist teuer. Eine neue Chipfabrik kostet zwischen 2 und 4 Milliarden Euro. Eine Tiefdruckfabrik ist schon für 50 Millionen Euro zu haben. „Die klassische Elektronikindustrie läuft in eine Krise“, vermutet Hübler. Schon im Jahr 2015 wird deshalb die gedruckte Elektronik rund zehn Prozent des gesamten Endgerätemarkts der > Folio 9 | 2006 S015_RAGMitarbeiter09_K00 15 23.08.2006 17:54:51 Uhr „Beim Thema gedruckte Elektronik haben wir in Deutschland einen Vorsprung“ Prof. Dr. Arved Hübler, Technische Universität Chemnitz > Elektroindustrie übernehmen, davon sind die Experten weltweit überzeugt. Zehn Prozent von geschätzt 275 Milliarden Euro weltweit – da lohnt es sich, wenn man von Anfang an vorn mit dabei ist. Die Elektronik wird sich in Zukunft in zwei Sparten teilen, prognostiziert Hübler. Der High-End-Bereich wird die klassischen Anwendungen, wie Prozessoren, Handys und Computer, abdecken. Wo die Elektronik nicht besonders leistungsfähig sein muss, gleichzeitig aber niedrige Kosten, eine einfache Integrierbarkeit und vor allem sehr hohe Stückzahlen gefordert sind, wird die Low Tech ihren Siegeszug antreten. Und genau dort setzen Printed Systems und Creavis an. Die Unternehmen suchen sich Märkte, in denen große Mengen erforderlich sind. Und geht dabei auch neue Wege: Einer sind Sammelkarten, wie sie besonders in Asien Printed Systems produziert Sammelkarten, mit denen man auch auf dem PC spielen kann und den USA ein absoluter Verkaufsschlager sind. In ihrem neuen Spiel rund um den Fußball haben die Chemnitzer die klassischen Sammelkarten um digitale Informationen aufgepeppt. Die Spieler können ihre Karten weiterhin an jedem Kiosk kaufen, überall tauschen, zusätzlich aber mit Lesegeräten, die in jede Hosentasche passen, die weiteren abgespeicherten Informationen lesen und auch am PC sowie im Internet damit spielen. Andere Anwendungen sind bei Printed Systems bereits in der Vorbereitung: Keypads, die etwa in der Werbung eingesetzt werden können. Die bunten Papptafeln werden wie Einwurfsendungen in den Briefkasten geworfen. Der Empfänger schließt sie an ein Lesegerät oder seinen Computer an und kann dann per Knopfdruck auf das gewünschte Produkt zusätzliche Informationen erhalten oder sogar direkt bestellen. Auch für diese Anwendungen gibt es bereits Interessenten. „Wer Elektronik konsumieren will, wie er es heute mit der Tageszeitung macht, wird das aber nur tun, wenn ihn das auch nicht mehr kostet“, so Hübler. Und genau das kann Printed Systems leisten. Elektronik wird sich deshalb in Zukunft auch in Bereichen lohnen, in denen bislang noch niemand ernsthaft über den Einsatz nachgedacht hat. Joghurt mit Message Ein Beispiel für einen solchen Zukunftsmarkt sind die so genannten RFID-Tags. RFID steht für Radio-Frequency-Identification-Tag. Übersetzt bedeutet das, dass diese Bauteile Informationen nicht nur speichern können, sondern mittels Radiowellen auch senden. Auf Paletten und Großkartons ist RFID heute schon in der Logistik üblich. Für den Einsatz auf dem einzelnen Produkt sind sie aber noch viel zu teuer. Ein solches Funketikett könnte in Zukunft alle relevanten Informationen rund um ein Produkt, wie einen Joghurtbecher, enthalten. Handelsketten überlegen schon heute sehr konkret, wie sie mit Hilfe dieser Technik den Einkauf der Zukunft gestalten. So könnte zum Beispiel der Einkaufswagen seinen Inhalt scannen und Vorschläge machen, was dem Kunden noch fehlt: der trockene, französische Rotwein etwa zum kräftigen Bergkäse aus der Schweiz. Elektronische Einkaufslisten, die sich praktisch von allein aktualisieren, bis hin zu Kühlschränken, die sich melden, wenn die Milch ausgeht. Alle für ei- In Marl arbeitet der Gastwissenschaftler Wie Xie an bedruckten Folien, die als flexible Beleuchtungselemente eingesetzt werden können Folio 9 | 2006 S16_RAGMitarbeiter09_K00 16 24.08.2006 11:07:57 Uhr Tite l s t or y Folio 9 | 2006 S17_RAGMitarbeiter09_K00 17 Magische Silbertinte Das Modell Nanotronics ist Vorreiter in der deutschen Chemielandschaft. Doch die Chemie wird künftig immer häufiger vor der Aufgabe stehen, gemeinsam mit ihren Kunden Produkte zu entwickeln, die zu neuen Einsatzgebieten führen. Vom spannenden Thema zum starken Produkt nennt Petrat diese Entwicklung. Ein Beispiel für die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden ist ein Produkt, dessen Name so klingt, als stamme es aus einem Harry-Potter-Roman: Silbertinte. Mit ihrer Hilfe können bereits heute die Antennen der RFID-Tags und Leiterbahnen gedruckt werden. Bei den Kunden ist die Tinte, die Silber enthält, ein gefragtes Produkt. Für die Degussa ist sie vor allem ein wichtiger Schritt auf dem Weg in einen neuen Markt, auf dem die RAG-Chemietochter schon bald mit einer neuen Produktgeneration vertreten sein wird – dank der Arbeit der Creavis. Die Nanotronics-Teams in Marl arbeiten schon jetzt an weiteren EinsatzmöglichIm Science to Business Center Nanotronics arbeitet Creavis mit Wissenschaftlern und international renommierten Hochschulen zusammen und kooperiert darüber hinaus mit zwei keiten, die zwar wie Science-Fiction klingen, aber schon bald Realität sein sollen. Selbstleuchtende Tapeten, die die Raumbeleuchtung ersetzten, sind im Bereich des Machbaren. Denn wer Elektronik auf Papier bringt, kann sie auch auf Tapeten drucken. Auch selbstleuchtende Plakate können mit Hilfe so genannter elektrolumineszierender Schichten in großer Stückzahl gedruckt werden. Selbst flexible Monitore sind mit dieser Technologie denkbar, die dem TFT-Monitor Konkurrenz machen können. Kein Licht abstrahlen, sondern das eingefangene Licht in Energie umwandeln könnten gedruckte Solarpaneele. Der große Vorteil im Vergleich zur klassischen Solarzelle: Die Strukturen lassen sich auf Materialien aufdrucken, die im Hausbau eingesetzt werden, wie Dachpappe oder Kunststoffbahnen. Diese Produkte kann man heute zwar noch nicht beim Dachdecker bestellen, aber an den entscheidenden Lösungen arbeiten die Entwickler in Marl bereits. Und wenn in diesen Wochen in der Creavis die ersten elektronischen Komponenten im großen Maßstab gedruckt werden, so ist das Nanotronics-Team der neuen Elektronik-Ära ein ganzes Stück näher gekommen. US PPP Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das Projekt wird von dem Land NRW gefördert und von der Europäischen Union kofinanziert. Durch diese Lisanne Richter überprüft an der TU Chemnitz gedruckte elektronische Komponenten Zusammenarbeit werden einerseits die Ergebnisse der Spitzenforschung unmittelbar in das Unternehmen getragen und andererseits jungen Wissenschaftlern Industriepraxis vermittelt. FOTOS: MARTIN BÜTTNER, KIRSTEN NEUMANN um Zusammenarbeit gebeten. Dieses Wissen macht inzwischen in der modernen Chemie den eigentlichen Wert aus.“ Die Fa kten nen solchen Service notwendigen Informationen könnten in Zukunft auf dem Preisschild stehen. „Aber“, so fragt Petrat, „was ist dem Konsumenten das Preisschild wert?“ Nichts! Und deshalb darf es auch nicht viel mehr kosten. Zurzeit liegen die Kosten für die konventionell produzierten RFID-Tags bei rund 10 Cent. „Sie müssten unter einem Cent liegen, dann würde der Handel vermutlich mit einem flächendeckenden Einsatz beginnen“, erläutert der Physiker. Mit gedruckter Elektronik erscheint das möglich. „Da muss man früh mit dem Handel zusammenarbeiten und auch mal darauf aufmerksam machen, was schon bald alles möglich ist – dank der eigenen Produkte.“ „Inzwischen muss man in der Chemie nicht nur genau hinschauen, was der Kunde will, man muss ihm Systemlösungen anbieten können“, weiß Petrat. Chemie der Zukunft nennt er das. „Es genügt heute nicht mehr, ein Produkt einfach auf den Hof zu kippen.“ Früher war Chemie vielfach Pulver oder Granulat. Erfolg wurde in produzierten und verkauften Tonnen gemessen. „Heute zählt vor allem die Funktion des Produkts, der Kunde kauft Lösungen statt Chemikalien.“ Die Lücke zwischen Lieferant und Kunde schließen bei der Degussa die Science to Business Center. „Wir hinterfragen genau, welche Produkteigenschaften für den Kunden entscheidend sind“, so Petrat. Denn genau dieses Know-how ist in der Regel bei den Weiterverarbeitern nicht vorhanden. „Oft werden wir vom Kunden angesprochen und 17 24.08.2006 11:08:04 Uhr
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