14 THERAPIE THERAPIE LymphoLIFE 16 LymphoLIFE 16 Patientin 1 vor und nach der Behandlung Fettabsaugung bei Lipödem-Patientinnen Die Liposuktion Operationen an Lipödem-Patientinnen waren bis vor wenigen Jahren reine Außenseitermethoden, von wissenschaftlichen Gesellschaften abgelehnt. Heutzutage sind diese Eingriffe nicht mehr wegzudenkende, leitliniengerechte Therapieempfehlungen, die bei gewissem Ausprägungsgrad des Krankheitsbildes nach Ausschöpfung aller konservativer Therapieoptionen als einzig kurative (heilende) Maßnahme nachhaltigen Erfolg versprechen. Inzwischen empfehlen auch primär konservativ ausgerichtete Kollegen ein operatives Vorgehen. Selbst die Krankenkassen sind nach exakter Prüfung der Sachlage in seltenen Einzelfällen bereit, die Kosten für die Operationen zu übernehmen, obwohl diese nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verankert sind. Es ist Aufgabe des behandelnden Arztes, diesen Punkt sehr kritisch, offen und direkt mit den betroffenen Patientinnen auszudiskutieren, da das Wunsch- und Anspruchsdenken mancher Patientin und die Bereitschaft gegen die Krankenkassen in einen „Rechtsstreit“ zu treten stetig wächst und im Praxisalltag allzu häufig anstatt der eigentlichen Therapie zum zentralen Thema in der Behandlung des Lipödems wird. Dies gilt es zu vermeiden, indem man den Betroffenen neben dem problemorientierten Zugang in der Behandlung auch ressourcenorientierte Perspektiven aufweist und klarlegt, dass nicht alle gewünschten Operationen zu Lasten der Allgemeinheit geführt werden können, und dass bei persistierendem Operationswunsch die Kosten selbst getragen werden müssen. Unmissverständlich klargelegt werden muss ebenfalls, dass es sich bei einer lymphologischen Liposuktion um eine medizinisch anzuratende Operation und keinesfalls um eine kosmetische Schönheitsoperation handelt. Eine Operation, die uneingeschränkt in erfahrene qualifizierte Hände von speziell geschulten Chirurgen oder im Fachgebiet der operativen Lymphologie über langjährige Erfahrung verfügende Operateure gelegt werden muss. UUU Das Lipödem, seine Folgen und die konservative Behandlung Das Lipödem ist eine symmetrische Fettverteilungsstörung, vorwiegend im Hüft- und Beinbereich bei anfänglich eher schlankem Oberkörper. Bei ca. 60% der betroffenen Patientinnen sind aber auch die Arme betroffen. Häufig klagen die Patientinnen über Spannungs- und Berührungsschmerzen, die besonders in der zweiten Tageshälfte zunehmend von Ödemen, die sich bevorzugt in den unteren Extremitäten ausbilden, begleitet sind. Vergesellschaftet mit diesem Krankheitsbild sind die ausgeprägte Neigung zu Spontanhämatomen (blaue Flecken) und die Progredienz, also das stetige Fortschreiten der Erkrankung. Durch die in der Regel fortwährende Zunahme sowohl der subjektiven Beschwerden, als auch der stetigen Gewichtszunahme, besonders an den für das Lipödem prädisponierten Stellen (Typ 1 Hüften, Typ 2 Hüften und Oberschenkel, Typ 3 Hüften, Ober- und Unterschenkel) kommt es nicht selten neben der Bewegungseinschränkung durch die erhebliche psychische Belastung zu Depressionen und zu weitreichender Beeinträchtigung der biopsychosozialen Gesundheit. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich zusätzlich ein Lymphödem ausbilden. Oft ist es auch aufgrund mechanischer und statischer Probleme notwendig, künstliche Knie- und/oder Hüft-Gelenke zu implantieren. Eine frühe Erkennung des Krankheitsbildes „Lipödem“ und eine profunde leitliniengerechte Therapie können helfen, solchen Ausmaßen – bei guter Compliance der Patientinnen – erfolgreich entgegenzuwirken. Als konservative Therapie gilt nach wie vor die KPE, die manuelle Lymphdrainage mit anschließender Bandagierung als entstauende Maßnahme. Als erhaltende Maßnahme dient danach das Tragen von maßangefertigter meist flachgestrickter, Kompressionsbestrumpfung. Hier findet sich der lymphologisch tätige Arzt im Regelkorsett, da die Heilmittelrichtlinien keine individuelle Großzügigkeit, was die Verordnung von MLD betrifft, zulassen. Auch bei konsequenter Anwendung aller konservativen Maßnahmen lässt die konservative Behandlung letztendlich keine Heilung zu. Schmerzen können dennoch gelindert und das Fortschreiten in gewissem Maß verzögert werden. Man konserviert aber letztendlich lediglich den durch die intensive Therapie „optimierten Istzustand“. UUU Methode der Liposuktion Ist das Lipödem bereits fortgeschritten, sollte die Indikation zur schonenden Liposuktion gestellt und mit dem Patienten besprochen werden. Neben dem modernen apparativen Equipment wird der Einsatz von gewebeschonender Tumeszenz-Lokalanästhesie favorisiert. Der Eingriff erfolgt in der Regel in zusätzlicher Analgosedierung (Dämmerschlaf). Die Fettdepots werden mit der lokal betäubenden Flüssigkeit aufgeweicht. Mit Hilfe einer Rollenpumpe werden 3–4,5 l Tumeszenz-Lösung pro Bein mittels spezieller 2–3 mm dicker Nadeln eingebracht und nach einer gewissen Einwirkzeit mit dünnen, vibrierenden ca. 4 mm dünnen Kanülen in spezieller Technik, parallel zu den Lymphgefäßen, abgesaugt. Je nach Ausprägungsgrad sind zwei bis vier Operationen notwendig. Der Eingriff sollte bevorzugt in lymphologischen Zentren durchgeführt werden, damit unmittelbar nach erfolgter Liposuktion ergänzende Maßnahmen wie spezielle postoperative Lymphdrainage, Ausstreichen der Restflüssigkeit aus dem Gewebe, sterile Versorgung der Stichkanäle, Auflegen von saugfähigen Kompressen mit anschließender lymphologisch fachgerechter Bandagierung gewährleistet sind. UUU Zusammenfassung Man ist dann ein guter Chirurg, wenn man dies niemals beweisen muss. Kein Eingriff ist frei von Risiken. Durch Einpflegen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und Optimierung des prä-, intra- und postoperativen Managements ist es bisher gelungen, ohne jegliche Komplikation eine sehr große Anzahl von Patienten hoch zufrieden zu stellen. Unmittelbar nach erfolgter Operation sind die Patientinnen beschwerdefrei, der Lymphfluss ist normalisiert, die Patientinnen kommen in der Regel mit 1–2 Kleidergrößen weniger zurecht. Die Langzeiterfahrungen zeigen, dass bei guter Mitarbeit der Patientinnen und bei disziplinierter Eigenverantwortung sehr gute, nachhaltige Heilungserfolge des Krankheitsbildes Lipödem erreicht werden können. UUU Ziel der Liposuktion Es ist anzustreben, Patientinnen mit Lipödemen oder Lymphödemen eine dauerhafte Verbesserung ihrer Lebensqualität zu ermöglichen, die Schmerzen zu nehmen, ein bis zwei Kleidergrößen an Umfang zu reduzieren, so dass die Alltagstauglichkeit nicht länger eingeschränkt ist und die Erwerbsfähigkeit nicht gefährdet wird. Der Eingriff ist so zu gestalten, dass der Gesamtorganismus so wenig wie möglich belastet wird. Dr. med Franz Bien Chirurg, Phlebologe, Lymphologe Praxis/Klinik Steinheimer-Strasse 7 74321 Bietigheim-Bissingen Tel. +49 (0)7142–51313 E-Mail [email protected] www.praxis-bien.de Patientin 2 vor und nach der Behandlung 15
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