Einige Konzerne sollten zerschlagen werden Grünen-Politiker Rasmus Andresen fordert von seiner Partei mehr Mut zu Konflikten mit großen Unternehmen Die Wirtschaftspolitik dürfte dieses Jahr ein zentrales Debattenthema bei den Grünen werden. Sie haben zusammen mit linken Parteikollegen ein Papier vorgelegt. Wurde das Thema zuvor vernachlässigt? Das glaube ich nicht. Vielmehr stehen wir in Wirtschafts- und Finanzfragen vor Diskussionen, weil ein Teil der Partei meint, dass unsere entsprechenden Konzepte mit unserem nicht so guten Abschneiden bei der letzten Bundestagswahl in Zusammenhang stehen. Diese Auffassung teilen wir vom linken Flügel nicht. Wo liegen die Differenzen zwischen linken Grünen und dem von Ihnen genannten anderen Teil der Partei, der etwa vom Vorsitzenden Cem Özdemir und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann repräsentiert wird? Ein großer Unterschied liegt in der Frage, ob man meint, einen ökologischeren Kurs in der Wirtschaft durch Dialoge und Selbstverpflichtungen durchzusetzen oder ob man auch anerkennt, dass es Konflikte mit bestimmten Teilen der Unternehmenslandschaft gibt. Wir scheuen Auseinandersetzungen mit Großunternehmen jedenfalls nicht, wenn es zum Beispiel um Klimaschutzziele geht. Wenn man Ihr Papier liest, kann man von noch größeren Konflikten ausgehen. Dort heißt es, dass Konzerne auch entflochten, also zerschlagen werden können. Wir sind nicht der Meinung, dass es grundsätzlich keine Großkonzerne mehr geben darf. Aber in manchen Bereichen kann die Entflechtung durchaus Teil einer Lösung sein. Aus der Finanzkrise muss die Lehre gezogen werden, dass einige Banken nicht zu groß und zu mächtig werden dürfen. Sie werden sonst zu einem Problem für das gesamte Finanzmarktsystem. Das Gleiche gilt für bestimmte Unternehmen. Rasmus Andresen ist Fraktionsvize in Schleswig-Holstein und auf Bundesebene Mitglied des Parteirats, dem Führungsgremium der Grünen. Gemeinsam mit anderen Parteilinken wie der Europa-Abgeordneten Ska Keller und der Führung der Grünen Jugend hat Andresen ein Wirtschaftspapier verfasst, das sich vom Kurs grüner Realos abgrenzt. Mit ihm sprach nd-Redakteur Aert van Riel. Foto: Grüne Fraktion Schleswig-Holstein Stattdessen setzen Sie als Partner auf mittelständische Unternehmen. Was erhoffen Sie sich davon? Wir glauben, dass mittelständische Wirtschaftsstrukturen stabiler sind. Das entspricht etwa unseren Strukturen in Schleswig-Holstein, mit denen wir deutlich besser durch die Finanzkrise gekommen sind als Bundesländer, in denen große Konzerne dominieren. Kleinere Unternehmen waren weniger anfällig. Wir wollen aber nicht die bisher bestehende mittelständische Wirtschaft konservieren, sondern setzen auf Gemeinwohlwirtschaft und Formen der solidarischen Ökonomie mit Genossenschaften und kleinen Unternehmen, die nachhaltig produzieren. Einige große Verbände, die auch Interessen des Mittelstands vertreten, stehen nicht gerade für soziale Nachhaltigkeit. Hätten Sie sich nicht stärker vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft und den Familienunternehmern, die gegen den Mindestlohn waren, abgrenzen müssen? Das Papier erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In der mittelständischen Wirtschaft muss es auch Veränderungen geben. Aber die von Ihnen angesprochenen Verbände sind kein Paradebeispiel für die mittelständische Wirtschaft, sondern Lobbygruppen, die bestimmte politische Ziele verfolgen, die nicht im Interesse des Großteils kleiner und mittelständischer Firmen liegen dürften. Ein Thema, das Unternehmensverbände interessiert und bei den Grünen für Debatten sorgt, ist die Steuerpolitik. Sollten die Grünen an ihrem bisherigen Konzept festhalten? Wir können steuerpolitisch das beschließen, was wir bei der Bundestagswahl in unserem Programm hatten. Aber wir müssen besser erklären, was wir mit dem Geld vorhaben. Steuern sind kein Selbstzweck. Der Aus eins mach zwei? Linke Grüne überlegen, ob einige Banken und Konzerne entflochten werden sollten. Staat braucht verlässliche Einnahmen und Geld für Investitionen, zum Beispiel in Bildung. Wir sollten diejenigen besteuern, die auch etwas zur Gesellschaft beitragen können. Das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer sollte erhöht werden. Zudem muss der Spitzensteuersatz angehoben und eine verfassungskonforme Vermögensteuer eingeführt werden. Sie haben auch das Thema TTIP in Ihr Papier aufgenommen. Muss die Partei darüber noch einmal debattieren, nachdem sie das Abkommen zwar mehrheitlich kritisch be- wertet, aber nicht eindeutig abgelehnt hat? Unsere Kritik bezieht sich auf beide transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Wir haben uns bei unserem Hamburger Bundesparteitag im Herbst letzten Jahres beispielsweise kritisch zu den in den Abkommen enthaltenen Regelungen zum Investorenschutz positioniert. Die Debatte ist inzwischen aber weiter gegangen. CETA liegt fertig verhandelt vor. Nun sollten wir die Konsequenzen daraus ziehen und sagen, dass wir die Abkommen, so wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, ablehnen. Foto: dpa/Arne Dedert Wirtschaftspolitik ist nicht denkbar, ohne auch die Lage in den europäischen Krisenstaaten im Blick zu haben. Sie schreiben, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland kein Tabu sein darf. Sollte es hierfür Bedingungen geben? Ja. Aber die damit verbundenen Forderungen gelten nicht nur für die griechische Regierung. Die Krise kann auch in Griechenland nur überwunden werden, wenn dort die Korruption bekämpft und ein gutes Steuersystem eingeführt wird. Vermögende müssen stärker besteuert und Steuerschlupflöcher geschlossen werden.
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