Gerichtsstand und Schiedsgerichtsbarkeit Anerkennung von Gerichtsurteilen in Russland und im Ausland – Theorie und Praxis: Offene Veranstaltung des Komitees für Rechtsfragen Steffen Kaufmann DLA Piper, Moskau 16. April 2015 Einleitung Definition von Gerichtsstand und Schiedsgerichtsbarkeit Hauptunterschiede zwischen Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichtsverfahren Kriterien für die Wahl zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht Schiedsfähigkeit Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen 2 Gerichtsstand Ort des zuständigen (staatlichen) Gerichts Rechtswegzuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit Gerichtsstand gilt für Klagen gegen eine Person i.d.R. Wohnsitz, Sitz ebenfalls: Niederlassungsgerichtsstand sowie Erfüllungsort Gerichtsstandvereinbarungen (Prorogation) abweichende Vereinbarung der örtlichen (oder auch sachlichen) Zuständigkeit von den gesetzlich geregelten Gerichtsständen Deutschland: z.B. unter Kaufleuten möglich oder wenn eine Partei keinen allg. Gerichtsstand im Inland hat Russland: generell zulässig (auch unter Nichtkaufleuten); internationale Prorogation aber nur, wenn eine Partei Ausländer ist 3 Schiedsgerichtsbarkeit Mittel zur Streitbeilegung im Rahmen von Schiedsverfahren Nicht-staatliche Gerichte, die aufgrund einer Abrede der jeweiligen Streitparteien zusammentreten Übliche Unterscheidungen auf dem Gebiet der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit Institutionelle Schiedsgerichte Ad-hoc-Schiedsverfahren Internationale/nationale Schiedsgerichte Schiedsvereinbarungen sind sowohl in Russland (Art. 4 Arbitrageprozessordnung) als auch in Deutschland (§ 1030 ZPO) generell zulässig Ausnahme: nicht schiedsfähige Streitkategorien 4 Internationale Schiedsgerichte Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) International Chamber of Commerce (ICC) London Court of International Arbitration (LCIA) Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich Schiedsinstitut der Stockholmer Handelskammer (SCC) China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) Internationales Wirtschaftsschiedsgericht bei der Industrieund Handelskammer der Russischen Föderation (MKAS) Strategies for international disputes – a London and Moscow perspective 5 Hauptunterschiede zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit Staatliche Gerichtsbarkeit Schiedsgerichtsbarkeit • Entscheidungen international nur beschränkt durchsetzbar • Nahezu weltweite Durchsetzung von Schiedssprüchen (154 Unterzeichnerstaaten des New Yorker Übereinkommens von 1958) • I.d.R. öffentlich • I.d.R. nicht öffentlich • Formales Verfahren • Mehr Flexibilität im Verfahren (Sprache, Ort, Fristen, etc.) • Keine freie Wahl des Richters • freie Wahl der Schiedsrichter (ggf. mit entsprechender Erfahrung auf dem relevanten Gebiet) • Dauer richtet sich nach der Prozessordnung des jew. Staates • Unterschiedlich: kann bis zu zwei Jahren dauern 6 Hauptunterschiede zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit (2) Staatliche Gerichtsbarkeit Schiedsgerichtsbarkeit • Rechtsmittel i.d.R. möglich • Rechtsmittel allgemein ausgeschlossen (Schiedsspruch abschließend) • Hinzuziehung Dritter grds. möglich (Streitverkündung) • Hinzuziehung von Dritten nur mit Zustimmung aller Parteien • Bei staatlichen Gerichten im angelsächsichen Recht: • Pre-trial disclosure je nach Schiedsordnung; keine Präzedenzwirkung • • pre-trial disclosure Präzedenzfälle • Kosten: vergleichsweise niedrige Gerichtskosten • Kosten: Parteien zahlen für Schiedspersonen, Verwaltungskosten, Räumlichkeiten etc. 7 Kriterien für die Wahl zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht Wo werden die Parteien voraussichtlich vollstrecken? Wo befinden sich die Vermögenswerte der Parteien? Schiedsfähigkeit Wo haben die Parteien sie ihren Sitz? Wie hoch ist der mögliche Streitwert? Welche Streitigkeiten können zwischen den Parteien entstehen (Komplexität) Gibt es einen internationalen Bezug? Anwendbares Recht Strategies for international disputes – a London and Moscow perspective 8 Schiedsfähigkeit Deutschland: grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten (§ 1030 ZPO) Nicht-vermögensrechtliche Streitigkeiten nur dann, wenn Parteien berechtigt sind, über den Streitgegenstand einen Vergleich zu schließen Ausnahmen: Mietstreitigkeiten über Wohnraum, Ehe-, Kindschaftssachen, etc. Russland: grundsätzlich alle zivilrechtlichen Streitigkeiten (Art 1 des Gesetzes "Über Internationale Handelsschiedsgerichte", Art 1 des Gesetzes "Über die Schiedsgerichtsbarkeit") Ausnahmen: Pacht von Waldgrundstücken, vergaberechtliche Streitigkeiten, bestimmte IP-Streitigkeiten, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 9 Maximov gegen NLMK Höchstrichterliche Entscheidung zu sog. gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten Im Jahr 2012 stellte der Oberste Arbitragegerichtshof mit Verweis auf Art. 33 und 225.1 klar, dass gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten nicht schiedsfähig sind Gegenstand des Streits war eine Kaufpreisforderung von RUB 9,5 Milliarden aus einem Aktienverkauf an NLMK Im Kaufvertrag vereinbart war MKAS als Schiedsgericht; MKAS urteilte zugunsten von Maximov NLMK beantragte die Aufhebung des Schiedsspruchs Nach Auffassung des Obersten Arbitragegerichtshofs handele es sich hierbei um eine gesellschaftsrechtliche Streitigkeit, da eine Entscheidung über die Kaufpreisschuld nur nach Prüfung der Aktienrechte möglich sei 10 Schiedsklausel - Beispiel "Alle Streitigkeiten , die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der [Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)] unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt […]. Der Ort des Schiedsverfahrens ist […]. Die Sprache des Schiedsverfahrens ist [Deutsch]." Empfehlung: Die von den jeweiligen Schiedsgerichten empfohlenen Standardklauseln verwenden Alternative Konfliktbeilegung (ADR) Mehrstufige Klauseln - Verbindung von Mediation und Schiedsgericht Wahlrecht zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht kann vorgesehen werden 11 Einseitige Schiedsklauseln (asymmetrische Klauseln) Nur eine Partei hat das Recht, zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht zu wählen Deutschland: Das auf eine Partei beschränkte Wahlrecht zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht benachteiligt die andere Partei nicht in einem Maße, dass dieser der notwendige Rechtsschutz entzogen wäre… (OLG Hamburg) Russland: 2012 entschied der Oberste Arbitragegerichtshof im Fall RTC gegen Sony Ericsson, dass einseitige Schiedsklauseln, die nur einer Partei ein Wahlrecht zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht gewähren, unwirksam sind Folge: Durchsetzung auf Grundlage des New Yorker Übereinkommens von 1958 kann hierdurch unmöglich werden Strategien bei internationalen Rechtsstreitigkeiten - Londoner und Moskauer Perspektive 12 VIELEN DANK! 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