Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - (Lullus) 1275 Konzeption einer Denkmaschine (Schickard) 1623 2-Spezies-Maschine 1642 2-Spezies-Maschine in mehreren Exemplaren (Pascal) 1674 4-Spezies- Maschine (Leibniz) 1728 Lochkartengesteuerter Webstuhl (FaIcon) 1808 Verbesserung des lochkartengesteuerten Webstuhls (Jacquard) 1833 Entwicklung des ersten programmgesteuerten mechanischen Universalrechners (Babbage) (Hollerith) 1890 Einführung der heutigen Lochkarte 1932 Entwicklung eines programmgesteuerten, mechanischen Rechners (Zuse) 1941 Erster einwandfrei funktionierender Digitalrechner mit Relais als Schaltgliedern (Z3) (Zuse) 1942 Bell Relay Interpolator (Stibitz) 1944 Relais-Rechner Mark 1 (Aiken) (v. Neumann) 1945 Speicherprogrammierung 1946 Rechner ENIAC mit Elektronenröhren 1948 Transistor (Eckert, Mauchly, Goldstine) (Bardeen, Brattain, Shockley) 1949 Rechner EDSAC mit gespeichertem Programm 1951 Magnetkernspeicher (Wilkes) (Forrester, Rajchman) 1951 Erster Serienrechner UNIVAC 1 1954 Programmiersprache FORTRAN (Backus) 1958 Erste Transistorrechner. Programmiersprache ALGOL 1960 Integrierte Festkörperschaltkreise 1965 Erste Rechner mit Mikroschaltkreisen 1971 Erster Mikroprozessor Seite 1 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Der spanische Mystiker und Missionar Raimundus Lullus, bemüht, Glaubensgegner von der Wahrheit der christlichen Lehre zu überzeugen, versuchte im Jahre 1275 eine Maschine zu entwerfen, die fähig sein sollte, logische Schlüsse zu ziehen. Lullus wollte durch systematische Anordnung der Begriffe zu einer übersichtlichen Erkenntnis und damit zu einer Beweisführung seiner Glaubenslehre gelangen. Damit war der kühne Gedanke in die Welt gesetzt, dass es möglich sein könnte, gewisse geistige Tätigkeiten einer Maschine zu überlassen. Als »Lullische Kunst« blieb dieser Gedanke seit jener frühen Zeit bestehen. Auf alle Männer, die diesen Gedanken hegten, übte nicht etwa die Möglichkeit, den Menschen einer Arbeit zu entheben, eine drängende Faszination aus. Sie alle waren dagegen von der Möglichkeit, gewisse Abläufe aus dem Bereich menschlicher Unzulänglichkeiten herauszunehmen, angetan und angespornt. Diese Grundidee der »Lullischen Kunst« blieb über die Jahrhunderte weg lebendig. Rückschläge mangels Verständnis der Mitwelt, fehlende Mittel - nichts ließ diese Idee ins Reich des Unmöglichen, des Unerreichbaren, des Nur-Phantastischen verschwinden. Wenn aber etwas Phantastisches an der Lullischen Idee ist, dann dies: dass der erste Gedanke - nämlich Aufgaben aus dem Bereich menschlicher Unzulänglichkeit herauszunehmen - heute in der Praxis der Computer an allen Orten der Welt verwirklicht wurde. Rund 400 Jahre nach Raimundus Lullus hat Gottfried Wilhelm v. Leibniz (1646 -1716), einer der ganz großen Denker seines Jahrhunderts, die »Lullische Kunst« in seinem Entwurf zu einer »Allumfassenden Wissenschaft« neu formuliert und vertieft. Leibniz, der unabhängig von Newton die Integral- und Differentialrechnung erfand, hatte die Vorstellung, dass sich Manipulation und Beurteilung von Argumenten in gleicher Weise einem logischen Vorgang unterwerfen ließen wie etwa das Multiplizieren mehrstelliger Zahlen: »Sind sich zwei Parteien uneinig, sollte man ohne Umschweife nur sagen können: rechnen wir, um zu sehen, wer Recht hat.« Gottfried Wilhelm v. Leibniz Erste Rechenmaschine von Leibniz Seite 2 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Doch erst die mathematische Logik dieses Jahrhunderts konnte diese Gedanken zu einem Plan machen, der sich verwirklichen ließ, der aber zugleich präzise die Grenzen setzte, bis zu denen »Maschinen« dem Menschen Teile seiner Tätigkeit abnehmen konnten. Kennzeichnend ist, dass Leibniz einen Tischrechner konstruierte, eine »4-Spezies- Maschine«, die die 4 Grundrechenarten, Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Dividieren, ausführen konnte, und zwar in einfacherer Weise als dies die Rechenmaschinen von Schickard (1623) und Pascal (1642) konnten. Es bleibt ein Phänomen, dass die Ideen von »Rechnern« fast ausschließlich aus den Hirnen von Philosophen und Theologen stammen, die ihre mathematische Forschung zumeist »nebenbei« betrieben. Vielleicht war der Gedanke, waren die Bemühungen, das Unbeweisbare zu beweisen, Antrieb zu diesen der Zeit vorauseilenden Gedanken und Spekulationen. Wilhelm Schickard (1592-1635) baute eine Rechenmaschine mit einer sehr einfachen Mechanik für Addition und Subtraktion, die eine einwandfreie Zehnerübertragung über sechs Stellen leistete und unter Zuhilfenahme einer EinmaleinsTafel auch Multiplikationen und Divisionen ausführte. Aus einem Briefwechsel mit Kepler geht hervor, dass diese Rechenmaschine einwandfrei gearbeitet haben muss. Außer dem Modell, das er in Tübingen konstruierte, wurde ein zweites nach seinen Plänen in Paris gebaut. Kopien dieses Rechners stehen heute beispielsweise im Deutschen Museum in München, im Museum für Rechenmaschinen in Braunschweig und auch in der Sammlung der IBM in New York. Seite 3 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - Der französische Philosoph Blaise Pascal genoss den Ruf eines kundigen Mathematikers und Physikers. Bekannt ist, dass er - 1647 - das Gesetz der kommunizierenden Röhren entdeckte und dass er den Luftdruck durch Höhenmessung mit Barometer nachwies. Weniger bekannt ist, dass er im Jahre 1642 an der Konstruktion einer Rechenmaschine arbeitete. Blaise Pascal Pläne für Rechenmaschinen von Pascal (1652) und Grillet (1678) Seite 4 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - Rechenmaschine von Pascal (1642) Der zwanzigjährige Mathematiker Charles Babbage hatte 1812 mit seinem Freund John Herschel - Astronom und Sohn eines Astronomen - Berechnungen zu prüfen, die für die Astronomical Society gemacht worden waren. Immer wieder entdeckten sie Fehler in den Berechnungen. »Ich wollte, es ginge mit Dampf!« stöhnte Babbage. Herschel antwortete lakonisch: »Das ist gut möglich!« Diese von seinem klugen Partner so unglaublich selbstverständlich gegebene Antwort ließ Babbage nicht mehr zur Ruhe kommen: Ihn verfolgte der Gedanke, wie man umfangreiche Berechnungen maschinell ausführen lassen könnte. Der Gedanke, mechanisch zu rechnen, wurde an vielen Orten gedacht, und es entstanden auch da und dort Rechenmaschinen, die aber weder Schule machten noch als »System« weiterentwickelt wurden. Starb ein Erfinder, blieben seine Rechenmaschinen nichts mehr als kuriose Erbstücke. Sein besonderes Augenmerk richtete Babbage auf die maschinelle Herstellung mathematischer Tafeln. Dabei machte er sich das Verfahren zunutze, das Prony bei einer solchen Aufgabe angewendet hatte und das darin besteht, den Vorgang der Berechnung der Tabellenwerte so weit zu zerlegen, dass an tatsächlichen Rechnungen nur Additionen und Subtraktionen durchzuführen sind. Prony hatte während der Französischen Revolution die Aufgabe erhalten, in wenigen Jahren mathematische Tafeln neu zu berechnen. Seite 5 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Für diesen Zweck beschäftigte Prony - 5 bedeutende Mathematiker - 8 geübte Rechner und - 80 »Rechenknechte«, von denen er nur verlangte, dass sie Addieren und Subtrahieren konnten. Eingefügt und am Rande vermerkt: Noch in den 50er Jahren unseres Jahrhunderts wurde in solchen Gruppen so gerechnet! Prony hat in jedem Fall mit dieser Aufteilung der Aufgabe zum ersten Mal die zeitraubende Arbeit des »mechanischen« Rechnens herausgelöst und sie von ungelernten Kräften erledigen lassen, wobei sich zeigte, dass die zuverlässigsten Rechner jene waren, deren Rechenfähigkeiten wirklich nicht über Addieren und Subtrahieren hinausging. Durch Pronys Programmierung einer Rechenaufgabe lag der Gedanke an einen Rechner griffnahe. Das war in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts. Die von Prony eingeführte Arbeitsteilung entspricht jener, die auch heute im Bereich der Datenverarbeitung üblich ist: Systemanalytiker - Programmierer - Rechenanlage. Die von den Systemanalytikern festgelegte Methode wird von den Programmierern für die Rechenanlage (die die Rechenknechte ersetzen) zubereitet. Außerdem überwachen die Programmierer die Durchführung der Aufgabe. Das Pronysche Prinzip legt Babbage seiner »Difference Engine«, der »Differenzmaschine« zugrunde, die er binnen 10 Jahren konstruierte. Diese Maschine, deren Konstruktion er publizierte, sollte zwei Arbeitsabläufe automatisieren: das Berechnen und das Drucken mathematischer Tabellenwerke. Dieses Ziel ging weit über alles bisher Gedachte hinaus. Die damaligen Tabellen enthielten, da menschlichen Irrtümern unterworfen, viele Fehler. Mochten und mögen die Rechenregeln noch so einfach sein: der Mensch irrt sich. Mal lässt er einen Übertrag weg, wo einer vorhanden ist - mal fügt er einen hinzu, wo keiner da ist. Das Ausmerzen dieser Fehler war Babbage zur Passion geworden. Als er die Konstruktion seiner Differenzmaschine veröffentlicht hatte, zeichnete ihn die Astronomische Gesellschaft mit einer Goldmedaille aus - eigentlich für die Hoffnung, durch diese Maschine zu fehlerfreien Tabellenwerken zu kommen! Der enorme Erfolg der Differenzmaschine wurde jedoch zum tragischen Schicksal für Charles Babbage: Sofort wollte er eine weit größere und leistungsfähigere Maschine bauen, eine Maschine, für die nahezu alle essentiellen Zutaten zu seiner Zeit fehlten. Diese »Analytical Engine«, die »Analytische Maschine«, zeigte bereits den funktionellen Aufbau unserer heutigen Rechner; es war in der Tat das erste Konzept eines Universalrechners. In genialer Weise verband Babbage mit dem Prinzip der Aufteilung jeder Aufgabe in elementarste Operationen das der Lochkartensteuerung, das mit dem Jacquardschen Webstuhl von Frankreich nach England gelangt war. Seite 6 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Was ist an diesem Webstuhl so bedeutsam? In der Seidenstadt Lyon hatten erfindungsreiche Techniker damit begonnen, den Vorgang des Webens von Mustern zu automatisieren. Schon 1728 konstruierte Falcon eine Apparatur, die mit an den Längsseiten verbundenen Lochkarten arbeitete. Achtzig Jahre später -1808- baute sein Landsmann Jacquard eine so entscheidende Verbesserung des automatischen Webstuhls, dass innerhalb eines Jahrzehnts mehr als 10000 dieser »Jacquardmaschinen« in Betrieb waren. Zu den Stoffmustern lochte Jacquard die entsprechenden Lochmuster. Durch die Lochkartenlöcher fielen Drahthaken, die nun die Fäden »griffen« und den Arbeitsvorgängen zuleiteten. Lochkarten und zugeordnete Maschinen taten, was bislang von Menschenhand gewebt wurde. Joseph Marie Jacquard Zur Verwirklichung einer Analytischen Maschine richtete Babbage, selbst vermögend, ein Konstruktionsbüro mit Werkstatt ein; er bekam auch beträchtliche Förderung der ihm zunächst wohlgesonnenen Regierung. Er arbeitete zwanzig Jahre, ohne überzeugende Ergebnisse. Die Regierung versagte ihm die Subventionierung seiner Arbeit, Freunde zogen sich zurück, und Babbage spuckte Gift und Galle. Obwohl er 1862 auf einer Ausstellung seine Maschine vorführen konnte, war der Strom der Geldmittel für immer verebbt. Verbittert und enttäuscht starb er im Jahre 1871 - 79 Jahre alt. Babbage hat in die Geschichte der Rechenmaschinen die »Programmsteuerung« eingeführt: Ohne menschliches Eingreifen kann eine bestimmte Folge von Rechenoperationen ablaufen. Für diese Fixierung war Jacquards Webstuhl Vorbild: Wie sich das Webprogramm im voraus in Lochkarten festlegen lässt, ohne dass ein Mensch den Ablauf steuern muss, genauso plante Babbage, in seiner Analytischen Maschine ein Programm darzustellen und den Rechenvorgang steuern zu lassen. Dafür unterschied er 4 Lochkartenarten: für Daten Zahlenkarte (number card) Variablenkarte (variable card) für Befehle Übertragungskarte (directive card) Operationskarte (operation card) Warum eigentlich gelang es Babbage nicht, die beiden von ihm geplanten Maschinen zu bauen? Babbage war Perfektionist, er nahm sich zuviel auf einmal vor. Für die mechanische Ausführung seiner Pläne verlangte er von den Handwerkern eine zu jener Zeit nicht erreichbare Präzision. Und nicht zuletzt fehlte es seiner Umwelt an Verständnis für seine der Zeit so weit vorausgedachten Pläne. Seite 7 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - Als Babbage sich schon mit seiner viel allgemeineren »Analytischen Maschine« beschäftigte, baute Georg Scheutz, ein Drucker in Stockholm, der weder Mathematiker noch Techniker war, allein nach den Angaben einer in der Edinburgh Review publizierten Beschreibung eine Differenzmaschine! Diese Maschine konnte 8stellige Zahlen unter Zuhilfenahme von 4 Differenzreihen verarbeiten - und als Ausgabe Formen für den Schriftguss bilden. 1854 zeigte Scheutz seine Maschine in London vor. Er war ebenso überrascht wie erfreut, dass Charles Babbage, mit dem er keine Verbindung hatte, sich für ihn einsetzte und ihn der Royal Society für eine Medaille vorschlug. Eine Medaille allerdings gab es für Scheutz erst 1855 auf der Pariser Weltausstellung. Ein Jahr später erwarb das Dudley-Observatorium (Albany, NY) die Maschine für astronomische Berechnungen, sie zahlte Scheutz $ 5000.- dafür. Sie steht jetzt in einer Privatsammlung in Chicago. Die britische Regierung ließ 1863 die Maschine kopieren und für die Herstellung von Sterbetafeln verwenden. Babbage erlag schon damals einer Sünde vieler Erfinder und Denker: Er übersah die Grenze zwischen theoretischer Möglichkeit und praktischer Verwirklichung. Wie utopisch die Vorstellungen von Babbage waren, mögen zwei fast anekdotische Beispiele erläutern: Für seine Analytische Maschine plante er 1000 (eintausend) 50stellige Dezimalzahlen als Speicherkapazität. Da es damals weder Relais noch Transistoren gab, wären 50000 (fünfzigtausend!!) Ziffernräder auf 1000 Achsen notwendig gewesen. Oder: 1826 brachte Babbage eine Logarithmentafel heraus. Um dafür die seinem Ermessen nach fasslichste Form der Lektüre zu finden, ließ er zwei Seiten aus dem Werk in zehn Farben auf 151 (!!) Papiersorten drucken. In solcher Zergliederung und Vervielfältigung füllten diese beiden Seiten 20 Bände, und im 21. Band druckte er die Ziffern golden, silbern und kupfern! Babbage und seine Maschine gerieten in Vergessenheit. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Entdeckung gemacht, dass er mit dem Konzept der Analytischen Maschine ein Ahnherr unserer heutigen allgemein verwendbaren Rechner ist. So lässt sich eine Entwicklungslinie ziehen, die von den 4-Spezies-Maschinen über die Analytische Maschine zur Zentraleinheit heutiger Rechner führt. Andere Entwicklungslinien führen auf die peripheren Geräte: die Erfindung der Schreibmaschine und ihre Kombination mit Lochstreifen, wie die Telegraphie sie hervorbrachte, ferner die Einführung der Lochkarte in Bereichen, in denen große Datenmengen anfallen und die dazugehörige Konstruktion spezieller Lochkartengeräte. Bei Falcon und Jacquard dient die Lochkarte der Steuerung eines Prozesses. Seite 8 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Die Lochkarte als Träger von Daten - zunächst vor allem numerischen Daten eingeführt zu haben ist das Verdienst Holleriths. Noch heute (1969) besitzen unsere Lochkarten das von ihm eingeführte Format, das des Ein-Dollar-Scheins und jahrzehntelang waren sie als »Hollerith-Karten« bekannt. Hermann Hollerith, Sohn pfälzischer Eltern, die 1848 nach Amerika auswanderten, wurde anno 1860 in Buffalo geboren. Nach Absolvierung der Schule studierte er an der Bergakademie der Universität Columbia; erst neunzehn Jahre alt, legte er dort die Diplomprüfung ab. 1880 war er bei der amerikanischen Volkszählung tätig, beschäftigte sich aber im wesentlichen mit Industriestatistik. Diese Beschäftigungen animierten ihn fraglos zu seiner späteren epochalen Erfindung. Während der Stationen seiner beruflichen Tätigkeit - Lehrer für technische Mechanik am Institut für Technologie in Massachusetts, Konstrukteur von elektromagnetischen Bremsen im Eisenbahnwesen entwickelte sich seine Idee von Lochkartenmaschinen zur Realität. Aber es war immer eine nebenberufliche Beschäftigung, denn noch von 1884 - 1889 arbeitete er am Patentamt in Washington. Dort, wo Jacquard Drahthaken durch die gestanzten Lochkarten fallen und den Faden greifen ließ, benutzte Hollerith metallische Fühlstifte zum Abtasten seiner Lochkarte: Ertasteten sie ein Loch, wurde im gleichen Augenblick ein elektrischer Kontakt hergestellt. Diese erste Hollerith-Maschine zeigte sich so tüchtig, dass das Statistische Bundesamt der USA die 11. Volkszählung im Jahre 1890 damit auswerten ließ. Der Erfolg war schlagend: Für die Auswertung der Volkszählung brauchte man nur ein Sechstel der bis dahin benötigten Auswertungszeit! In größerem Rahmen und mit einer gewichtigeren Aufgabe konnte die neue Erfindung kaum ihre Bewährungsprobe ablegen. Maschine zum Lochen von Hollerithkarten Seite 9 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - Es ist hier nicht Absicht, eine lückenlose Geschichte der Entwicklung der Rechner zu geben, es sollen vielmehr nur die markanten Stationen dieses Weges angedeutet werden. Immerhin muss James Powers erwähnt werden, der für die nordamerikanische Volkszählung im Jahre 1910 die verfügbaren Lochkarteneinrichtungen wesentlich verbesserte; es muss auch Frederik Bull erwähnt werden, der seit 1915 an der Verbesserung von elektromechanischen Lochkartenmaschinen arbeitete. Die Entwicklung elektromechanischer Lochkartenstanzer und Tabelliermaschinen wurde an vielen Orten der Welt laufend weitergetrieben. 1939 brachte die Deutsche Hollerith-Gesellschaft eine entscheidende Neuerung auf den Markt: Eine Tabelliermaschine, die über eine Stecktafel kurze Rechenprogramme zu steuern erlaubte. Maschine zum Auswerten von Hollerithkarten Seite 10 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 99 Jahre nachdem Babbage seine Pläne für die Analytische Maschine ausgearbeitet hatte - im Jahre 1932 -, begann der 22jährige Konrad Zuse mit der Entwicklung eines programmgesteuerten Rechners. Unser Jahrhundert bringt große Erfindungen zumeist als Produkt einer Teamarbeit hervor. Einzelgänger, phantasievolle, manchmal utopische Einzelgänger sind zur Rarität geworden. Vielleicht ist Konrad Zuse, 1910 als Sohn eines Beamten in Berlin geboren, einer der letzten dieses Schlages. Schon als Gymnasiast gab es kaum ein technisches »Ding«, das nicht seinen phantasievollen Verstand beschäftigte. Zuse war zum Studium der Technik prädestiniert; er immatrikulierte sich 1928 an der TH Berlin für das Fach Maschinenbau. Später wechselte er die Fakultät und ging unter die Bauingenieure. Die umständlichen und oft geisttötenden Rechenverfahren, die die Baustatistik verlangt, gaben ihm den Gedanken ein, eine Rechenmaschine zu konstruieren. 1932 beschloss Zuse, sich ganz auf dieses Gebiet zu konzentrieren. Zwei seiner grundlegenden Prinzipien sind für die moderne Rechentechnik verbindlich geblieben, die Programmsteuerung und das Dual-Prinzip. Mit einfachsten Mitteln beginnt er zu konstruieren, zu entwerfen. Ohne Labor, ohne Hilfskräfte, in der elterlichen Wohnung. Von Freunden unterstützt, baut er die Z 1, die erste programmgesteuerte Rechenmaschine. Wie die Analytische Maschine von Babbage funktionierte sie rein mechanisch. Da die Z 1 mit der rein mechanischen Übertragung von Signalen zu langsam und zu schwerfällig arbeitete, verwendete er für die Z 2 Relais als Schaltglieder. Im Auftrag der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt baute Zuse - 1941 seine Z 3, die in allen Teilen einwandfrei arbeitet und die der erste funktionierende programmgesteuerte Rechner der Welt ist: Er basiert bereits auf der Dualdarstellung der Zahlen und arbeitet mit 2600 Relais! Epochale Ideen werden nicht nur in einem Gehirn an einem Ort der Welt gedacht. Große Ideen stehen zu einer bestimmten Zeit vor der Reife und Vollendung. So nimmt es nicht wunder, dass in Frankreich Louis Couffignal 1936 eine programmgesteuerte Rechenmaschine mit dualer Zahlendarstellung beschrieben hat. In eben diesen Jahren begann G. Stibitz in den Laboratorien von Bell Telephone mit der Entwicklung von Relais- Rechnern. 1942 wurde der erste Programmrechner von Bell Telephone fertig, der Relais Interpolator mit 500 Relais. Der »Ballistic Computer« verfügte ein Jahr später schon über 1300 Relais. Das größte Rechner-Modell dieser Entwicklungsreihe war das Bell-Modell V mit 9000 Relais. 1937, als Stibitz mit seiner Arbeit für Bell begann, wandte sich Howard Aiken, Professor in Harvard, an die IBM mit dem Vorschlag, mit den Mitteln der Lochkartengeräte einen programmierbaren Rechner zu bauen. Seite 11 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 Diese außerordentlich fruchtbare Zusammenarbeit lässt 1944 den Mark 1, den »Automatic Sequence Controlled Calculator«, entstehen. Der Mark 1 ist ungleich umfangreicher als die Z 3 und auch als die Modelle von Bell; er enthält mehr Relais, aber einen mechanischen Speicher, in dem jede Stelle einer Zahl durch ein Zählrad mit 10 Positionen realisiert werden muss. Mark 1 erhielt den Nachfolger Mark 11 - 1948 am Markt -, der über 13000 Relais verfügt. Fast zur gleichen Zeit arbeiteten Zuse in Berlin, Couffignal in Paris, Stibitz in Murray Hill, Aiken in New York an der Entwicklung der Rechner. Mögen Gedanken in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts den Traum vom Rechner beflügelt haben - erst die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts führten die Ära der Rechner in den Bereich der Realität und der Praxis. Die Arbeit der Erfinder des 20. Jahrhunderts fand jenes Echo, das den Pionieren wie Babbage versagt blieb. Unabhängig voneinander steuerten Männer an vielen Orten das gleiche Ziel -erfolgreich- an. Bei erheblichen Unterschieden in der Ausführung der Maschinen stimmten doch alle in der Grundkonstruktion überein. Alle hatten neben dem Rechenwerk: Dateneingabe - Datenspeicher Programmeingabe - Steuerwerk Datenausgabe. Alle Maschinen waren noch Relais-Rechner. Für alle Teile wurde inzwischen eine optimale Technik entwickelt, so dass sich die modernen Anlagen nicht mehr wesentlich voneinander unterscheiden. Der entscheidende technische Schritt war der Übergang von den elektromechanischen zu den elektronischen Bauteilen: bei generell gleicher Struktur wurden Röhren - statt Relais - als Schaltglieder verwendet. Die Geschwindigkeit der Arbeit im Rechner wurde dadurch um das 1000fache erhöht! Dies mag ein markanter Schritt in der Geschichte und der Entwicklung der Rechner sein, ein Neuanfang ist es nicht. Eckert, Mauchly und Goldstine von der Moor School of Electrical Engineering der Pennsylvania University bauten mit ENIAC den ersten Elektronenrechner! In den Jahren 1943-1946 fertig gestellt, war ENIAC mit 18000 Röhren bestückt. Zu diesem Zeitpunkt schaltete sich der berühmte Mathematiker von Neumann in die Computer-Entwicklung ein. Von Neumanns Gedanke war: Wenn man mit Befehlen wie mit Daten umgehen kann, kann ein Programm während seines Laufs sich selbst modifizieren: Aufgrund von bedingten Sprungbefehlen wählt der Rechner verschiedene Programmteile, die durchlaufen werden. Dieser Schritt von der starren Programmsteuerung zur Speicherprogrammierung ist der Beginn einer neuen Periode in der Rechnergeschichte. Seite 12 von 13 Seiten Die Geschichte der programmgesteuerten Rechner - bis 1965 - Mit der internen Speicherung der Programme konnte die Rechnergeschwindigkeit weiter erhöht werden. Durch neue Speichermedien wie Magnettrommelspeicher und Magnetkernspeicher wuchs die Speicherfähigkeit rasch an. Speichergröße und Arbeitsgeschwindigkeit der Rechner sind heute die wesentlichen Charakteristika unserer Rechenanlagen. Etwa 1946 wurde mit ENIAC der erste Rechner mit Elektronenröhren als Schaltelemente vollendet. 1949 brachte Bell mit Mark 11 den Magnettrommelspeicher zur Verwendung. Der 1948 erfundene Transistor konnte 1958 als neues Schaltelement zur seriellen Herstellung von transistorisierten Rechenanlagen, beispielsweise im Typ Siemens 2002, verwendet werden. 1964/1965 brachte die Herstellungsfirma UNIVAC den Magnetdrahtspeicher zur Serienreife. Das Jahr 1965 markiert wiederum eine bedeutende Entwicklungsstufe: Die integrierten Schaltungen werden als neue Schaltelemente eingeführt. Die integrierten Schaltungen bringen die miniaturisierte Herstellung und Zusammenfassung mehrerer Transistoren in einem gemeinsamen Gehäuse. Sie werden beim Aufbau großer und schneller Rechner verwendet. Speichermedien für den Arbeitsspeicher blieben überwiegend die Magnetkernspeicher. Rechnerinterne Schnellspeicher werden zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Zentraleinheiten nun allgemein eingeführt. Mit dem Wachsen der Arbeitsspeicher und mit der Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit der Rechner sind die Anwendungsgebiete vielfältiger und umfangreicher geworden. Mehr Anwendungsgebiete bedeuten mehr Programmierarbeit. Diese zu erleichtern und zu standardisieren wurden Regeln, Vereinbarungen, Normierungen und allgemein gültige Programmsprachen entwickelt. Diese organisatorischen Hilfsmittel werden unter dem Sammelbegriff »Software« zusammengefasst. Dieser Teil der Entwicklung nimmt eine bedeutende Stelle in der Entwicklung neuer Rechner und Rechnersysteme ein. Seite 13 von 13 Seiten
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