Konferenz Varietäten des Deutschen Programmheft 20. März 2015 9.00 – 14.00 Uhr Drift 25, Raum 1.02 1 Vorwort Herzlich willkommen zu unserer Studentenkonferenz! Heute haben Sie die Gelegenheit, einen Einblick in der Welt der Varietäten des Deutschen zu bekommen und etwas über den Reichtum der meistgesprochenen Sprache Europas zu erfahren. Denken Sie dabei nicht nur an Dialekte wie das Bairische oder Berlinerische, auch Jugendsprachen wie Kiezdeutsch machen die deutsche Sprache zu einem interessanten Forschungsfeld. Als TeilnehmerInnen des Kurses „Varietäten des Deutschen“ haben wir in den letzten Wochen kleine Untersuchungen in diesem Bereich durchgeführt, die wir heute präsentieren möchten. Danach wird unsere Gastsprecherin, Dr. Birte KellermeierRehbein, Germanistin an der Bergischen Universität Wuppertal, über das Thema Deutsch als plurizentrische Sprache sprechen. Den genauen Ablauf dieses Tages finden Sie in diesem Programm, Zögern Sie nicht, mit Fragen und Bemerkungen einen Beitrag zu dieser Konferenz zu leisten. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag und viel Spaß beim Zuhören und/oder Sprechen! 2 Programm 9:00 Einführung 1. Block 9:05 – 9:25 Milou Kox & Leonie Lanser Die Verwendung von Frageanhängseln durch Frauen und Männer in der gesprochenen Wissenschaftssprache Der Sprachgebrauch von Männern und Frauen unterscheidet sich auf verschiedenen Ebenen. Ein sprachliches Phänomen, von dem geschlechtsspezifische Unterschiede nachgewiesen worden sind, ist die Verwendung von sogenannten Frageanhängseln (tagquestions). Dies sind Fragen und Formulierungen wie nicht wahr und oder, die an eine Aussage angehängt werden. Frageanhängsel können verschiedene Funktionen haben, unter anderem das Engagieren eines Gesprächspartners oder die Aufforderung des Gesprächspartners, eine Aussage zu bestätigen. (vgl. Linke, Nussbaumer & Portmann, 2004) In unserem Vortrag möchten wir die Verwendung von Frageanhängseln durch Frauen in der gesprochenen Wissenschaftssprache im Vergleich zu Männern untersuchen. Unsere Ausgangsthese ist die von Lakoff vertretene Theorie, dass Frageanhängsel häufiger von Frauen als von Männern benutzt werden. Diese Theorie werden wir anhand von Korpusdaten aus dem GeWiss-Korpus (Herder-Institut, Universität Leipzig) prüfen. Lakoff, R. (1973). Language and woman's place. Language in Society, 2(1), 45-80. Linke, A., M. Nussbaumer & P.R. Portmann (2004). Studienbuch Linguistik. 5. erw. Aufl. Tübingen: Niemeyer. 3 9:25 – 9:45 Cécile Kappers & Michelle Timmer Formelle Sprache in (politischen) Berichten: Ein Vergleich zwischen Deutschland und den Niederlanden Formelle Sprache wird nur von wenigen Menschen (richtig) benutzt. Sie wird v.a. Juristen, Politikern und anderen Beamten zugeschrieben. Innerhalb formeller Sprache könnte man verschiedene Merkmale untersuchen, z.B. die Anrede (Sie oder du) und die Benutzung von Höflichkeitsformen (wie würde/möchte im Deutschen und zou im Niederländischen). Auch der Anfang von Briefen, die von und an Juristen und Beamte geschrieben werden, kann aus verschiedenen Gründen sehr unterschiedlich sein. Was wir untersuchen werden, ist, in welchem Land die Überschriften juristische Briefe formeller sind: in Deutschland oder in den Niederlanden. Wir werden das versuchen festzustellen, indem wir einige Briefe (mit verschiedenen Themen) miteinander vergleichen. Wir stellen die Überschriften (und andere Merkmale) einander gegenüber und werden auf diese Weise zeigen, wo sie am formellsten sind. Briefe, die wir benutzen werden, sind unter anderem Briefe des niederländischen Ministeriums für Sicherheit und Justiz und von Juristen/Beamten. 4 9:45 – 10:05 Marleen Verberkt & Nick van Lith Die Verwendung französischer Lehnwörter in letzeburgischen und deutschen Wahlprogrammen „De käschtefräien Accès zu Lëtzebuergesch-Coure muss garantéiert ginn.“ So lautet ein Satz aus dem Wahlprogramm der luxemburgischen Piratenpartei, das sie für die Parlamentswahl 2013 veröffentlicht hat. Die lëtzebuergesche Sprache wird sehr deutlich vom Französischen beeinflusst, unter anderem durch Lehnwörter. Es gibt Wörter im Lëtzebuergeschen, die keinen germanischen Ursprung haben, sondern aus dem Französischen übernommen wurden – die sogenannten Lehnwörter. In unserem Vortrag vergleichen wir die Verwendung französischer Lehnwörter in lëtzebuergeschen und standarddeutschen Texten und untersuchen die Frage: Wie oft gibt es französische Lehnwörter? Dies werden wir anhand der von uns herausgearbeiteten Korpusdaten darstellen. Im Korpus sind zwei deutschsprachige Wahlprogramme vertreten, nämlich das der Piratenpartei Deutschland (PP) und das der Alternative für Deutschland (AfD), beide für die Bundestagswahl 2013. Für das Lëtzebuergesche haben wir uns für die Wahlprogramme der Piratenpartei Lëtzebuerg (PPLU) und die der Alternativ Demokratesch Reformpartei (ADR) entschieden, beide für die Chamberwahlen 2013. Unsere Hypothese ist, dass die französische Sprache nicht nur Einfluss auf die Aussprache und die Grammatik des Lëtzebuergeschen hat, sondern dass auch komplette Wörter übernommen werden. 5 10.05 – 10.25 - Laura Vollebregt & Roxanne Broekhuizen Anglizismen im Forum der Jugendzeitschrift BRAVO! Lehnwörter aus dem Englischen tauchen schon vor dem Jahr 1945 in der deutschen Sprache auf. Am Anfang war der Einfluss aus dem Englischen sehr beschränkt, aber nun werden Anglizismen in Werbung, Zeitungen und anderen Arten von Texten verwendet. Der Gebrauch von Anglizismen könnte laut Barbe (2004) eine progressive oder internationale Ausstrahlung geben, oder mehr Aufmerksamkeit beim Leser erzielen. In unserem Forschungsprojekt beschränken wir uns auf die Jugendsprache. Jugendsprache ist eine sprachliche Varietät, die es in jeder Sprache gibt und die zur Gruppe der Soziolekte gehört. Was ist nun die Funktion des Gebrauchs von Anglizismen in der Jugendsprache? Laut Michaelis (2014) erfüllen die Anglizismen in der Jugendsprache die Funktionen der “Expressivität”, “Kreativität”, “Euphemisierung”, “Stärkung des Gruppenbewusstseins” und “Sprachökonomie”. In unserem Vortrag möchten wir zeigen, ob Anglizismen diese bestimmten Funktionen in der Jugendsprache erfüllen. Dabei ist es nicht nur interessant, sich die Verben, Substantive und Adjektive, sondern auch die Anreden, Grußformeln, Interjektionen und Gesprächspartikeln genauer anzuschauen. Das Forum der populären Jugendzeitschrift BRAVO! ist mit seinen mehr als 50.000 Beiträgen von Jugendlichen ein sehr geeignetes Medium dafür und ist damit zu unserem Gegenstand geworden. Barbe, K. (2004): “The Role of Anglicisms in the German Language.” In: Die Unterrichtspraxis / Teaching German. Jg. 37, H.1. S. 26-38. Michaelis, Dana (2014): Jugendsprache und ihre Anglizismen. Hamburg: Diplomica Verlag, S. 56 6 10:30 – 11:00 Kaffeepause 2. Block 11:00 – 11:20 - Eline Hakvoort & Vera Stijnman Grammatik der Jugendsprache in BerlinKreuzberg Viele Menschen finden, dass der Einfluss der Jugendsprache auf die Standardsprache zum Sprachverfall beiträgt. Die Jugendsprache ist deswegen vielen ein Dorn im Auge. Sprachwandel aber führt nicht dazu, dass eine Sprache verlorengeht, sondern, dass eine Sprache lebendig bleibt. Wir möchten untersuchen, wie die Jugendsprache in Berlin-Kreuzberg aussieht. In unserem Vortrag werden wir die Jugendsprache mit der Standardsprache vergleichen. Zu Beginn werden wir den Begriff Jugendsprache genauer definieren, damit unsere Forschungsergebnisse besser interpretiert werden können. Für die Forschungsarbeit werden wir mehrere Hörfragmente der Webseite www.kidsberlinkreuzberg.de benutzen. Die Sprecherinnen in den Hörfragmenten haben verschiedene Hintergründe, die von Einfluss auf ihren Sprechweise sind. Welche Unterschiede in Hinsicht auf die Sprache gibt es zum Beispiel zwischen einem Mädchen aus Bagdad und einem Mädchen mit türkischen Eltern? Wir möchten eine Antwort auf die Frage finden: Welche Unterschiede zwischen der Jugendsprache in Kreuzberg und der Standardsprache gibt es in Bezug auf die Grammatik? 7 11:20 – 11:40 - Julia Klosowski & Jaron Toonen Die Rekonstruktion des Kiezdeutschen im Film Fack ju Göthe Wirklichkeit oder Übertreibung? Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung zum Realitätsgehalt der Darstellung des Kiezdeutsch im Jugendfilm Fack ju Göthe Der Jugendfilm Fack ju Göthe, der 2013 in den deutschen Kinos lief, mutierte trotz seiner äußerst einfachen Handlungsstruktur – ein Kleinkrimineller wird Lehrer, der mit unkonventionellen Methoden völlig unmotivierte Schüler in kreative, schulbegeisterte Jugendlichen verwandelt - zu einem Kassenschlager. Manche Rezensenten sahen vor allem in der Darstellung des Kiezdeutschen eines unter Jugendlichen in Großstädten verbreiteten Soziolektes des Deutschen-, die Ursache für diesen Erfolg. Ebendiese Ausprägung und Darstellung einer Jugendsprache löste kontroverse Diskussionen in großen deutschsprachigen Zeitungen wie der Zeit oder der Neuen Züricher Zeitung aus. Fack ju Göthe ist jedoch nicht nur für Filmrezensenten interessant. Gerade im Rahmen der Jugendsprachforschung gebührt ihm besondere Aufmerksamkeit. So unterscheiden Auer (2003) und Androutsopoulos (2000) zwischen verschiedenen Stadien der Entstehung von Ethnolekten – Varietäten die in Abhängigkeit von Sprachkontakten mit Migrantengruppen entstehen. Neben einem primären, von einer bestimmten Gruppe initiierten Sprachwandel existiert auch ein sekundärer, durch die Medien beeinflusster Sprachwandel. In unserem Vortrag wollen wir nun die Authentizität der von den Autoren des Films Fack ju Göthe nachempfundenen Jugendsprache überprüfen. Der Beitrag will anhand ausgewählter Filmpassagen der Frage nachgehen, welche Merkmale der Varietät des Kiezdeutschen der außerfilmischen Realität entsprechen und welche sprachlichen Mittel sich eher als eine Stilisierung bezeichnen lassen. Transkriptionen von Filmpassagen werden authentischem Material zum Kiezdeutschen und Forschungsergebnissen von Linguisten zu diesem Phänomen gegenübergestellt. Der Vergleich soll 8 zu Aussagen über den Wirklichkeitsgehalt der im Film dargestellten Jugendsprache befähigen. Androutsopoulos (2000): From the streets to the screens and back again: on the mediated diffusion of ethnolectal patterns in contemporary German. Online abrufbar unter: https://jannisandroutsopoulos.files.wordpress.com/2009/09/iclav e_2001_laud.pdf (letzter Zugriff: 12.03.2015 Auer (2003): „Türkenslang“: Ein jugendsprachlicher Ethnolekt des Deutschen und seine Transformationen“. In: A. Häcki Buhofer (Hrsg.), Spracherwerb und Lebensalter. Tübingen: Francke, 255264. 9 11:40 – 12:00 - Annemarie de Haard & Patrick Davina Grammatische Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen Kiezdeutsch und der niederländischen Straßensprache In jedem Land gibt es Jugend- bzw. Straßensprachen, so auch in Deutschland und in den Niederlanden. Im Deutschen gibt es das Kiezdeutsch und im Niederländischen die Straattaal. Kiezdeutsch ist ein Soziolekt des Deutschen. Dieser Soziolekt hat sich so weit entwickelt, dass er mittlerweile eigene grammatische, phonologische und lexikalische Eigenschaften besitzt (Wiese, 2010). Im Kiezdeutsch wird zum Beispiel „ich geh Bahnhof“ statt „ich gehe zum Bahnhof“ gesagt. Im Niederländischen hat die Straattaal auch spezifische sprachliche Merkmale. Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden wird viel über Kiezdeutsch bzw. Straattaal diskutiert. Die Frage lautet häufig, ob ein Soziolekt wie das Kiezdeutsch zu Sprachverfall führt oder nicht. Wir wollen in unserem Vortrag die sprachlichen Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen Kiezdeutsch und Straattaal betrachten und beziehen uns dabei spezifisch auf die grammatischen Merkmale. Wir möchten die in der Literatur (Wiese, 2010) und (Nortier, 2001) beschriebenen grammatischen Merkmale der beiden Soziolekte miteinander vergleichen. Als sprachliches Vergleichsmaterial benutzen wir das KiezDeutschKorpus, das seit 2008 unter der Leitung von Heike Weise an der Universität Potsdam erstellt wird, und die Beispiele die von (Nortier, 2001) gegeben werden. Wiese, Heike (2010): Kiezdeutsch. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 8/2010 (Themenband „Sprache“). Bundeszentrale für politische Bildung, S. 33-38 Jacomine Nortier (2001): Murks en straattaal. Vriendschap en taalgebruik onder jongeren. Amsterdam: Prometheus 10 12:00 – 12:20 - Carine Clements & Carmen Levels Untertitelung von Bairisch und Österreichisch in Fernsehserien Viele Fernsehsender, wie das ZDF, bieten bei Fernsehserien die Möglichkeit, deutsche Untertitel einzuschalten, unter anderem zur Unterstützung von Gehörlosen, Schwerhörigen und Fremdsprachlern. Ziel und Herausforderung der Untertitel-Redaktionen ist es immer, den Originaltext im Film möglichst wenig verändert und gleichzeitig möglichst anschaulich in Untertitel zu fassen. Dabei spielen in den Abwägungen, die gemacht werden, nicht nur Länge und Komplexität von Sätzen eine Rolle, sondern auch die Frage, ob und inwiefern man gesprochene Sprache in formelles Standarddeutsch verschriftlichen kann und soll. In unserem Vortrag möchten wir zeigen, wie mit dieser Frage in Bezug auf die österreichischen und bairischen Varietäten des Deutschen umgegangen wird, die in Fernsehserien des ZDF gesprochen werden. Wir werden anhand einiger Folgen der Fernsehserien Soko Wien, Der Bergdoktor und Die Rosenheim-Cops analysieren, wie die lexikalischen, morphologischen und phonetischen Merkmale dieser Varietäten in den Untertiteln repräsentiert sind. Dieser Untersuchung soll zu einem Ergebnis führen, das zeigt, ob eine bestimmte systematische Methode für die Untertitelung von Österreichisch und Bairisch vorliegt und ob damit diese Varietäten des Deutschen richtig und ausreichend in Untertiteln repräsentiert werden. 11 12:20 – 12:30 Kurze Pause 12:30 – 13:30 Dr. Birte Kellermeier-Rehbein Deutsch als plurizentrische Sprache: nationale Varietäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Da Deutsch in Deutschland, Österreich und der Schweiz Amtssprache ist, haben sich dort jeweils eigene Standardvarietäten (nationale Varietäten) entwickelt. Deutsch zählt daher zu den sogenannten plurizentrischen Sprachen. Der Vortrag stellt die nationalen Sprachbesonderheiten exemplarisch dar und thematisiert die Bedeutung der Standardvariation für die nationale Identität der Deutschsprachigen. 13:30 Abschluss und Lunch Konferenzorganisation: Dr. Stefan Sudhoff, Roxanne Broekhuizen, Carine Clements, Patrick Davina, Annemarie de Haard, Eline Hakvoort, Cécile Kappers, Julia Klosowski, Milou Kox, Leonie Lanser, Carmen Levels, Nick van Lith, Vera Stijnman, Michelle Timmer, Jaron Toonen, Marleen Verberkt und Laura Vollebregt. http://schwarzesbrett.wp.hum.uu.nl/studentenkonferenz/ [email protected] 12
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