Info Gesundheit Ausgabe 1/2012

Ausgabe 1/2012
Fachstelle Gesundheitsförderung
Das menschliche Sein besser verstehen
Kultur und Gesundheit werden erforscht
Optimisten leben länger
Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen zusammen
Dienststelle Gesundheit
gesundheit.lu.ch
Inhalt
Editorial
2
3
Schritte zählen für «Luzern geht
gern» – Mitmachen lohnt sich
4
Glücksgefühle … – Eine Kampagne
der Dienststelle Gesundheit,
Gesundheitsförderung
5
Besser aufklären, vernetzen und
austauschen – Situationsanalyse
und Handlungsoptionen zu betrieblicher Gesundheitsförderung
6
Das menschliche Sein besser
verstehen – Der Zusammenhang
zwischen Kultur und Gesundheit
wird erforscht
8
Eine interessante Symbiose –
«Ikast-Brande» fördert mit kulturellen Angeboten die Gesundheit
9
Optimisten leben länger – Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen
zusammen
10
«Ohne Kultur gibt es keine Gesundheit» – Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern
11
«Wenn ich Menschen lachen höre,
tut das sehr gut» – Emil Steinberger,
Komiker, Schauspieler und Autor
12
Alle Kontinente vereint auf der
Bühne – Chor der Nationen Luzern
14
«Tanzen ist gut für Körper, Intellekt
und Seele» – Catherine Sennrich
unterrichtet Jung und Alt – und ist
selbst begeisterte Tänzerin
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Kochen als Quell der Lebensfreude
– Kolip auf den Spuren von gesundheitsfördernder Lebens-, Koch- und
Linsenlust
18
Die grüne Lunge auf dem Autobahndach – In Ennethorw ist ein neues
Quartier entstanden
19
Mit Kräutern und Okra Depressionen
bekämpfen – Interkultureller Garten
«Rosenduft» in Berlin Kreuzberg
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«Es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt» – Kinderkrippe Hurrlibus in
Willisau macht beim Projekt «schnitz
und drunder» mit
21
Fokus: Gesunde Migrantenkinder
– Mütter- und Väterberatung mit
interkultureller Vermittlung
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Die Ohren schützen und den Lärm
vermeiden – Ausstellung «Wie
bitte?» in Udligenswil
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Splitter
Informationen, Tagung, Publikation
Liebe Leserin
Lieber Leser
«Ballett, Bildkunst, Gesang, Tanz und Musik im
Allgemeinen wirken gesundheitsfördernd und
erhöhen die Lebensqualität.» Ola Sigurdson,
Kulturjournalist und Professor für systematische Theologie an der Universität Göteborg,
beruft sich auf verschiedene Forschungsprojekte in Zusammenhang mit Kultur und Gesundheit. Auch in Dänemark nutzt man den Zusammenhang von
Gesundheit und Kultur.
Dass es diesen Zusammenhang gibt, lässt sich auch in der Schweiz
feststellen: So sensibilisiert die Kampagne «Glücksgefühle» der
Fachstelle Gesundheitsförderung für den Aufbau von Beziehungen
und sozialen Kontakten zur Förderung der psychischen Gesundheit, der Luzerner Kulturbeauftragte Daniel Huber setzt auf die entspannende, ja sogar heilende Wirkung von Musik und Kultur, Emil
Steinberger hält ein Plädoyer für den Humor (wie schon «Ohne
Rolf» in der letzten Nummer des «info Gesundheit»), Catherine
Sennrich von tanzen-luzern.ch fördert in ihren Tanzkursen sowohl
das physische als auch das psychische Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – und der Chor der Nationen gibt auch
Asylsuchenden und Zugewanderten eine Art von Beheimatung,
stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit und damit auch die
psychische Stabilität.
Mit dem Schaffen von Kulturland beschäftigen sich die Beiträge
über den interkulturellen Garten in Berlin und die Schrebergärten
auf der Autobahnüberdachung in Horw: beides Projekte, bei denen
es um mehr als Naturverbundenheit und gesunde körperliche Arbeit geht: nämlich um Erinnerung, um Heimat. Und darum, einen
schönen, einen positiven Lebensraum zu schaffen. Auch das ist
Kultur. Und auch das macht glücklich.
Titelbild: Die Brass Band Feldmusik Escholzmatt
pflegt das Vereinsleben. Foto: Benedikt Meier
Claudia Burkard Weber, EUMAHP
Leiterin Gesundheitsförderung
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Projekt
Schritte zählen für
«Luzern geht gern»
Mitmachen lohnt sich
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Mit dem Projekt «Luzern geht gern» ermutigt die Fachstelle Gesundheitsförderung die Bevölkerung des Kantons Luzern, täglich 10 000 Schritte zu gehen. Foto: Thomas Zimmermann
«Luzern geht gern» will Schwung in die
Luzerner Bevölkerung bringen. Das Projekt der Fachstelle Gesundheitsförderung
Luzern und der Suva soll zu 10 000 Schritten pro Tag motivieren und zeigen, wie
einfach Bewegung in den Alltag integriert
werden kann.
Eigentlich wäre es so einfach, der eigenen
Gesundheit etwas Gutes zu tun. Per Velo zur
Arbeit, zu Fuss in den dritten Stock – doch
die Realität ist oft eine andere. Unser Alltag
– einst von ständigem Bewegen, Jagen und
Umherziehen geprägt – ist bewegungsarm
geworden. Zur Arbeit gehts im Bus oder im
Auto, im Büro folgt Sitzung auf Sitzung, und
oft legen wir nur noch die Strecke zwischen
Computer und Drucker zu Fuss zurück. Den
Feierabend geniessen wir vor dem Fernsehgerät, die alltägliche Bewegung ist verloren
gegangen.
Obwohl sich der Sport grosser Beliebtheit erfreut, bewegen sich mehr als die Hälfte der
Luzernerinnen und Luzerner zu wenig, um
daraus einen gesundheitlichen Nutzen ziehen zu können.
Warum 10 000 Schritte?
Im Durchschnitt geht eine Person pro Tag
knapp 7000 Schritte. Das genügt leider
nicht, um die Gesundheit zu fördern. Das
Bundesamt für Sport empfiehlt 30 Minuten
Bewegung pro Tag, dies entspricht ca. 3000
Schritten. «Luzern geht gern» nimmt diesen
Ratschlag auf und zählt die 7000 und 3000
Schritte zusammen. Et voilà: Die 10 000
Schritte sind geboren. Wer an fünf von sieben Tagen in der Woche die 10 000 Schritte
unter die Füsse nimmt, kann das Risiko für
Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes II und
bestimmte Formen von Krebs vermindern.
Kleine Schritte mit grosser Wirkung
Mit dem Projekt «Luzern geht gern» möchte die Fachstelle Gesundheitsförderung des
Kantons Luzern die Bevölkerung ermutigen,
die 10 000 Schritte in ihren Alltag einzubauen. Steigen Sie eine Busstation früher aus,
gehen Sie die letzten paar hundert Meter zu
Fuss, und holen Sie das Sandwich am Mittag
zu Fuss und nicht mit dem Auto. Nutzen Sie
am Abend die letzten Sonnenstrahlen, um
Ihren Hund Gassi zu führen – und vergessen
Sie nicht, einen Schrittzähler einzustecken.
Dieser zählt den ganzen Tag mit und zeigt
Ihnen fortlaufend, wie nahe Sie Ihrem Ziel
gekommen sind. Auch andere sportliche Aktivitäten wie zum Beispiel Velofahren oder
Schwimmen können auf der Internetseite in
geleistete Schritte umgerechnet werden. Sie
werden sehen, die 10 000 Schritte werden
Ihnen gut tun.
Wie können Sie teilnehmen?
Eine beschränkte Anzahl Schrittzähler kann
ab dem 14. Mai 2012 in Apotheken, Dro-
gerien und bei den teilnehmenden Hausärzten im Kanton Luzern bezogen werden.
Registrieren Sie sich auf der Internetseite
www.luzerngehtgern.ch. Zwischen dem 21.
Mai und dem 1. Juli 2012 tragen Sie Ihre
Schritte regelmässig auf der Internetseite ein
und legen so eine virtuelle Strecke durch den
Kanton zurück. Auf einer Karte können Sie Ihr
Voranschreiten beobachten.
Sie glauben, Sie schaffen das? Wir glauben
das auch! Lassen Sie uns deshalb die virtuelle Strecke ab dem 21. Mai 2012 gemeinsam
unter die Füsse nehmen. Die Teilnahme kostet nichts, den Schrittzähler schenken wir Ihnen – und mit ein wenig Glück gewinnen Sie
sogar einen der attraktiven Preise.
Wir freuen uns darauf, Sie ab dem 21. Mai
2012 beim Projekt «Luzern geht gern»
begrüssen zu dürfen!
Martin Degen
Weitere Informationen:
Dienststelle Gesundheit
Gesundheitsförderung
Martin Degen
Projektleiter «Luzern geht gern»
Telefon 041 228 65 29
[email protected]
www.luzerngehtgern.ch
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
3
Kampagne
Glücksgefühle …
Eine Kampagne der Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung
Tragfähige Beziehungen und soziale Einbindung beeinflussen das psychische Wohlbefinden positiv. Die Kampagne «Glücksgefühle» der Fachstelle Gesundheitsförderung
des Kantons Luzern sensibilisiert dafür, wie
wichtig der Aufbau von Beziehungen und
von sozialen Kontakten für die psychische
Gesundheit ist. Plakate zu den Themen Lächeln, Nachbarschaft, Singen und Tanzen,
Spots in Bussen der Stadt und der Luzerner
Landschaft und Aktionen in verschiedenen
Gemeinden motivieren seit April 2012 im
Kanton Luzern alle Menschen dazu, in ihr
seelisches Wohlbefinden zu investieren.
Das seelische Wohlbefinden ist eine riesige
Ressource, die gepflegt werden muss. Solange
es den Menschen gut geht, ist die Psyche oftmals kein Thema. Sie funktionieren und nehmen kaum zur Kenntnis, welch grosse Bedeutung und welche Auswirkungen die seelische
Gesundheit auf ihr Wohlbefinden hat. Doch
genau dann, wenn es gut geht, sollte ins seelische Wohlbefinden investiert werden.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass
tragfähige Beziehungen und soziale Einbindung einen grossen Einfluss auf das psychische
Wohlbefinden haben. So erkranken Personen,
die sozial eingebettet sind, weniger häufig an
4
psychischen Störungen und erholen sich im
Falle einer Erkrankung oftmals schneller als
solche, die sich einsam oder alleine fühlen.
Mit der Kampagne «Glücksgefühle» möchte
die Fachstelle Gesundheitsförderung des Kantons Luzern zeigen, wie wichtig der Aufbau von
Beziehungen und von sozialen Kontakten ist.
Das Engagement in einem Verein, die Pflege
von Nachbarschaftsbeziehungen oder das positive Zugehen auf andere Personen können
zum Aufbau von wertvollen Beziehungen beitragen. Und ein tragfähiges Beziehungsnetz
leistet dann wertvolle Hilfe, wenn es einmal
nicht so gut läuft.
Die vier Sujets der Kampagne «Glücksgefühle» sind an verschiedenen Orten im Kanton
Luzern anzutreffen:
• Das Bild «Lächeln» ermuntert dazu, mit
einem Lächeln auf dem Gesicht durch
die Gegend zu laufen.
• «Nachbar» weist auf den Wert der Pflege
von Nachbarschaft hin.
• «Tanzen» und «Singen» ermutigen die
Einwohnerinnen und Einwohner dazu, sich
aktiv am Vereinsleben zu betätigen.
Mehrere Gemeinden begleiten die Kampagne
mit einem Flyer, auf dem das jeweilige Ange-
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
bot der Gemeinde zur Förderung von sozialen
Kontakten aufgeführt ist. Schliesslich werden
in verschiedenen Bussen in der Stadt und in
der Luzerner Landschaft Spots mit den vier Sujets als Anregung zum Aufbau von Beziehungen und sozialen Kontakten ausgestrahlt.
Schauen Sie hin, lassen Sie sich von den Bildern inspirieren und investieren Sie in Ihr seelisches Wohlbefinden!
Bernadette Würsch
Weitere Informationen:
Dienststelle Gesundheit
Gesundheitsförderung
Bernadette Würsch
Programmleiterin «Psychische
Gesundheit»
Telefon: 041 228 66 03
[email protected]
www.gesundheit.lu.ch/psyche
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Situationsanalyse
Besser aufklären, vernetzen
und austauschen
Situationsanalyse und Handlungsoptionen zu betrieblicher Gesundheitsförderung
Die Fachstelle Gesundheitsförderung der
Dienststelle Gesundheit hat eine Situationsanalyse zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) im Kanton Luzern
in Auftrag gegeben. Das Resultat: Es gibt
viele öffentliche und private Anbieter, die
punktuell Massnahmen umsetzen. Generell
sollte jedoch noch mehr aufgeklärt, sensibilisiert und vernetzt werden.
Betriebliche Gesundheitsförderung zahlt sich
aus. Sie kann einen wesentlichen Beitrag zur
Gesundheitsförderung von Mitarbeitenden
leisten, Absenzen und Krankheitskosten reduzieren, das Betriebsklima verbessern und die
Produktivität steigern. Im Auftrag der Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung des
Kantons Luzern führte «Interface Politikstudien» eine Bestandesaufnahme des gegenwärtigen Angebots sowie eine Befragung von Anbietern und Betrieben zur Situation von BGF
im Kanton durch.
Handlungsbedarf ist angezeigt
Die Analyse zeigt auf, dass viele öffentliche
und private BGF-Anbieter im Kanton tätig
sind. Auch kantonale Dienststellen wie die
Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung, oder die Dienststelle Volksschulbildung
setzen punktuell Massnahmen im Bereich BGF
um. Eine Übersicht über die verschiedenen Aktivitäten der Anbieter fehlte jedoch bisher. Auf
Seiten der Betriebe ist der Stand der Umsetzung von BGF vielerorts noch gering. Vor allem
bei kleineren und mittleren Betrieben besteht
Sensibilisierungsbedarf, damit die Umsetzung
von BGF-Massnahmen vorangetrieben werden kann.
Sowohl die Anbieter als auch die Betriebe
wünschen sich eine verstärkte Aufklärung der
Betriebe bezüglich der Inhalte, des Aufwands
und des Nutzens von BGF. Daneben besteht
auch ein Bedürfnis hinsichtlich einer besseren
Vernetzung zwischen Anbietern und Betrieben
sowie von Betrieben untereinander, damit
Erfahrungen zur Umsetzung von BGF ausgetauscht werden können. Der Kanton sollte, so
die Sicht von Anbietern und Betrieben, in diesem Bereich eine Schlüsselrolle einnehmen.
Basierend auf diesen Ergebnissen wird der
Handlungsbedarf des Kantons nicht in der
Gesunde und motivierte Mitarbeitende bilden die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs. Foto: Suva
Schaffung von Neuem, sondern in der verbesserten Nutzung und Koordination der
bestehenden Strukturen geortet. Die grosse
Mehrheit der befragten Betriebe wünscht die
Unterstützung in Form von Tagungen und Kursen der kantonalen Gesundheitsförderung im
Bereich BGF. Dabei zeigen die Ergebnisse auf,
dass der Kanton eher eine Vermittler- und weniger eine Anbieterrolle übernehmen soll.
der Information und Sensibilisierung der Betriebe, der Koordination und Vernetzung von
Betrieben und Anbietern sowie der Förderung
der Umsetzung von BGF-Massnahmen in Betrieben. Die Aktivitäten der verschiedenen
Anbieter werden so zielgerichtet, effizient
und aufeinander abgestimmt erfolgen und
es wird eine Grundlage für strategische Entscheide im Bereich BGF geschaffen.
Weiteres Vorgehen
Analog zu den bereits existierenden Programmen der Gesundheitsförderung (psychische Gesundheit, gesundes Körpergewicht,
Gesundheit im Alter) wird die betriebliche Gesundheitsförderung als Schwerpunktthema
von der Dienststelle Gesundheit aufgenommen. Dieses hat zum Ziel, in Zusammenarbeit
mit relevanten verwaltungsinternen und -externen Partnern aufeinander abgestimmte,
zielgerichtete Massnahmen zu entwickeln
und umzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf
Claudia Burkard
Weitere Informationen:
Der vollständige Bericht «Betriebliche
Gesundheitsförderung im Kanton Luzern:
Situationsanalyse und Handlungsoptionen» kann unter
www.gesundheit.lu.ch/betriebe
heruntergeladen werden.
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Dossier
Das menschliche Sein
besser verstehen
Der Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit wird erforscht
Der Blick nach Schweden zeigt, dass sich
diverse Forschungsprojekte mit dem Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit beschäftigen. Ola Sigurdson, Kulturjournalist und Professor für systematische
Theologie an der Universität Göteborg,
über Forschungsprojekte, die Verbindung
von Theorie und Praxis und das menschliche Sein an sich.
Ola Sigurdson, Kulturjournalist und Professor für
systematische Theologie.
Gesundheit ist einerseits die Absenz von
Krankheit, andererseits aber auch – laut Definition der Weltgesundheitsorganisation von
1948 – ein «Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens». Diese zwei Definitionen sind grundlegend für das Verständnis und die Förderung
von Gesundheit. Wenn wir über Gesundheit
sprechen, reden wir nicht nur davon, wie gut
unsere Körper – oder Teile davon – oder Gedanken funktionieren, sondern auch darüber,
wie sich unsere gesamte Existenz nicht nur
in Relation zu sich selber, sondern auch zu
anderen und zur Umwelt verhält. Das bedeutet, dass Gesundheit als vielschichtiges Phänomen wahrgenommen werden muss – und
dass Kultur einen riesigen Einfluss auf die Gesundheit und die Gesundheitsverbesserung
haben kann.
Was ist Kultur?
Kultur ist natürlich ebenfalls ein Konzept, das
äusserst schwer zu definieren ist. Aus dem
Lateinischen stammend – «cultura» wird vor
allem als Kultivierung im landwirtschaftlichen
Kontext verstanden – steht es für viele Dinge.
In Bezug auf Gesundheit scheint mir, dass vor
allem zwei Bedeutungen wichtig sind: kulturelle Artefakte wie zum Beispiel Sammlun6
Das Zentrum für Kultur und Gesundheit in Göteborg soll Verbindungen herstellen zwischen verschiedenen Fachgebieten – dies in der Ann
signifikanten Beitrag zur Gesundheitsfrage leisten kann.
gen von künstlerischen oder intellektuellen
Werken, und ein System von Zugehörigkeiten
wie etwa die Gesamtheit von Gewohnheiten,
Werten, Überzeugungen. Meiner Meinung
nach ist Kultur für die Gesundheit in Bezug
auf beide Bereiche wichtig: Einer Kantate von
Bach zuzuhören oder einen Garten zu kultivieren kann therapeutische Effekte haben;
mein Verständnis davon, was ein gutes Leben
ausmacht, hängt von meiner Zugehörigkeit
zu einer bestimmten Kultur ab, mein Zugang
zu gesundheitsfördernden Mitteln korreliert
möglicherweise mit der Kultur, zu welcher ich
gehöre. Welche Musik sich positiv auf meine
Gesundheit auswirkt, kann ebenfalls davon
abhängen, welche Musik in meinem kulturellen Umkreis geschätzt wird.
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Unter Berücksichtigung der Vielfältigkeit von
Kultur und Gesundheit und ihrer Abhängigkeit
voneinander startete die Universität Göteborg
vor einigen Jahren mit einer Serie von Seminaren, die schliesslich zum Buch «Kulturen och
hälsan» (Kultur und Gesundheit) führten, zu
einer Zahl von interdisziplinären Forschungsprojekten sowie zur Gründung eines Zentrums
für Kultur und Gesundheit. Dieses Zentrum koordiniert all die Bestrebungen, die aus den einzelnen Initiativen hervorgehen. Es unterstützt
die Zusammenarbeit zwischen Studierenden
verschiedener Fachrichtungen und Fakultäten, fördert neue interdisziplinäre Forschung
im Bereich «Kultur und Gesundheit» und
interagiert mit der breiten Gesellschaft. Als
grafisches Symbol dienen dem Zentrum eine
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and Brain Health Initiative» interessiert daran, inwiefern die sensorische Stimulation des
Gehirns durch kulturelle Aktivitäten wie Musik
und Tanz rehabilitative Effekte haben kann.
Mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens untersucht das Projekt «Kultur, Gesundheit und
Persönlichkeit» empirisch, wie sich Gesundheit und Wohlergehen einerseits und kulturelle
Gewohnheiten und Lebensstil andererseits gegenseitig beeinflussen. «Religion, Kultur und
Gesundheit» geht der Frage nach, wie zeitgenössische politische, soziale und religiöse Gegebenheiten für Kultur und Gesundheit erfasst
und nutzbar gemacht werden können.
Zudem wird laufend in Feldern wie der «Evidenzbasierten Medizin» (EBM) aus philosophischer Perspektive geforscht: Untersucht
werden die Rolle von Lebensstilfaktoren als
Ursache von Krankheiten, der Zusammenhang
von Geschlecht und Gesundheit und derjenige
von Existenzgrundlage und Gesundheit, die
personenzentrierte Pflege und die Frage, wie
die Umwelt (inklusive Spitalarchitektur und
-design) die Rehabilitation beeinflusst. Viele
Fachbereiche sind bereits involviert – Anthropologie, bildende Kunst, Wirtschaft, Epidemiologie, Filmstudien, Gesundheitswissenschaften, Literatur, Neurologie, Philosophie,
Politikwissenschaften und Theologie – und
das Gebiet wächst ständig.
ten – dies in der Annahme, dass transdisziplinäre Forschung künftig einen
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Spinne und ein Netz. Sie stellen die Aufgaben
des Zentrums dar: Es soll Verbindungen herstellen zwischen verschiedenen Fachgebieten
– dies in der Annahme, dass transdisziplinäre
Forschung künftig einen signifikanten Beitrag
zur Gesundheitsfrage leisten kann.
Es wird breit geforscht
Obwohl die Arbeit eben erst begonnen hat,
wurden bereits wichtige Forschungsprojekte
aufgegleist. Sie basieren hauptsächlich auf den
Erkenntnissen des schwedischen Philosophen
Fredrik Svenaeus, der drei erkennbare Dimensionen sowohl für Krankheit als auch für Gesundheit nennt: die biologischen Symptome,
die persönliche Erfahrung und die kulturelle
Repräsentation. Demzufolge ist die «Culture
Was verbindet all diese unterschiedlichen
Projekte miteinander und mit Kultur und Gesellschaft? Es ist offensichtlich, dass sich alle
mit unterschiedlichen Auffassungen von Kultur und Gesundheit befassen – und es bleibt
abzuwarten, was die Kooperation zwischen
ihnen ergibt. Es liegt in der Natur transdisziplinärer Forschung, dass Ergebnisse und
konzeptionelle Fragen nicht vorhersehbar
sind, wenn nicht die Möglichkeiten im Voraus
begrenzt werden. Diese Pluralität ist jedoch
keineswegs verheerend; abgesehen davon,
dass jedes Projekt mit seiner eigenen Definition von Kultur und Gesundheit arbeiten
muss, gibt es auch internationale Richtlinien.
Das Zentrum ist in Kontakt mit internationalen
Forschungsgebieten wie «Arts and Health»,
«Medical Humanities», «Global Health» und
künstlerischer Forschung. Vielleicht einzigartig für das Zentrum für Kultur und Gesundheit
in Göteborg ist, dass es versucht, all diese
Forschungsgebiete aus den unterschiedlichsten Gebieten zu vereinen und so die transdisziplinäre Arbeit für Kultur und Gesundheit
noch stärker zu fördern.
Verbindung von Theorie und Praxis
Bei Kultur und Gesundheit geht es jedoch
nicht nur um Forschung. In Schweden laufen
viele praktische Projekte auf diesem Gebiet,
die es verdienen, genauer betrachtet zu werden. Obwohl das Zentrum für Kultur und Gesundheit selbst keine Projekte lanciert, wird
es bestehende Initiativen umso besser unterstützen, indem wir sie zu mehr Feldforschung
motivieren und Gebiete kritisch überprüfen,
die sich für solche Projekte eignen. Das Zentrum versucht zudem, durch seine Webseite
(www.ckh.gu.se, in Schwedisch und Englisch)
eine Anlaufstelle für andere Forschungszentren
und Institute zu sein, indem es Links zu aktuellen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet publiziert. Da Göteborg eine kulturell stark aktive
Stadt ist, weckt das Zentrum vor Ort Interesse
für dieses Forschungsfeld, indem es mit Museen, Büchermessen und Filmfestivals zusammenarbeitet. Lokale, regionale und nationale
Politikerinnen und Politiker interessieren sich
dafür, die aktuelle Forschung sowie das Zentrum als mögliches Mittel für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu nutzen. Als nächster Schritt
soll ein Masterstudiengang angeboten werden,
der für unterschiedliche Fachrichtungen offen
ist und weitere Berührungspunkte zwischen
Hochschule und Gesellschaft schafft.
Das Ziel des Zentrums für Kultur und Gesundheit besteht einerseits darin, effektivere Methoden der Rehabilitation zu propagieren, anderseits soll ein komplexeres Verständnis des
menschlichen Seins gefördert werden. Wer
von Gesundheit spricht, redet in gewisser Weise über die menschliche Existenz – und dabei
ist es unabdingbar, eine zu eingeschränkte,
reduzierende Sicht über unser Dasein in der
Welt zu vermeiden.
Ola Sigurdson
(aus dem Englischen übersetzt von Martin Degen,
redigiert von Renate Metzger-Breitenfellner)
Weitere Informationen:
www.ckh.gu.se
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
7
Dossier
Eine interessante
Symbiose
«Ikast-Brande» fördert mit kulturellen Angeboten die Gesundheit
Die «Ikast-Brande»-Kommune ist eine dänische Kommune in Jütland. Sie entstand 2007
im Zuge einer Kommunalreform durch Vereinigung der bisherigen Kommunen NørreSnede, Brande und Ikast. «Ikast-Brande» hat
zirka 41 000 Einwohnerinnen und Einwohner
und eine Fläche von 736,41 Quadratkilometern. Die Kommune arbeitet im Bereich
«Kultur und Gesundheit» mit anderen Bezirken und mit dem «VIA University College of
Southern Denmark» zusammen, das im vergangenen Semester den Diplomkurs «Kultur
und Gesundheit» lanciert hat. Langfristig soll
so auf dem theoretischen Hintergrund von
salutogenetischer Forschung, Körperphänomenologie und Hirnforschung ein nationales
Netzwerk zum Thema «Kultur und Gesundheit» geschaffen werden.
Kunst und kulturelle Aktivitäten sind mit psychischer Gesundheit und Lebensqualität verbunden, weil viele von
ihnen soziale und verbindende Elemente beinhalten.
Die Kommune Ikast-Brande in Dänemark
nutzt den Zusammenhang von Gesundheit
und Kultur. Sie hat – inspiriert von der salutogenetischen Forschung – Rahmenbedingungen für bürgerorientierte Gesundheitsförderungsmassnahmen formuliert und
bietet verschiedenste kulturelle Aktivitäten
an. Gesundheitsgestalter Peter Thybo erklärt, wie das funktioniert.
Kann jemand gesund sein und trotzdem an
einer Krankheit leiden? Was zeichnet gesunde, optimistische Personen aus, und was lässt
sich von ihnen lernen? Was braucht es, um
trotz möglicher Krankheiten Wohlbefinden,
Optimismus und Hoffnung zu entwickeln? Die
Salutogenese lehrt, dass Gesundheit mehr ist
als die Absenz von Krankheit und dass eine
gesunde Person Anforderungen und Belastungen bewältigen kann. Dieses Verständnis von
Gesundheit ist in der Kommune Ikast-Brande
zentral – und spielt auch bei der Lancierung
von gesundheitsfördernden kulturellen Angeboten und Aktivitäten eine Rolle.
In der Vision des Bezirks heisst es, dass er
«kulturelle Aktivitäten mit Gesundheit verbinden will. Wir glauben daran, dass es sich bei
Gesundheit um einen geschätzten, zusätzlichen Nutzen handelt, der durch kulturelle
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Aktivitäten aufrechterhalten werden kann.»
Hintergrund dieser Vision ist, dass Kunst und
kulturelle Aktivitäten existenzielle Erfahrungen
ermöglichen. Gleichzeitig tragen Kunst, Kultur
und die Teilnahme an kulturellen Aktivitäten
(Literatur, Musik, visuelle Künste, Drama) dazu
bei, das Eigentliche des menschlichen Wesens
zu ergründen und das wahre Ich in der eigenen Person zu finden. Kunst und kulturelle Aktivitäten sind mit psychischer Gesundheit und
Lebensqualität verbunden, mit bedeutsamen
kreativen Prozessen und Identität – unter anderem deshalb, weil viele von ihnen soziale
und verbindende Elemente beinhalten.
Möglichkeiten aktiv erkennen
«Gesundheit ist nicht ein fix definierbarer
Standard oder physisches und psychisches
Wohlergehen, sondern die aktive Realisierung
von Lebensmöglichkeiten, die in allen Lebenssituationen zu finden sind», schrieb Hildegard
von Bingen (1098–1179) vor fast tausend Jahren. Innerhalb der «Ikast-Brande»-Kommune
definiert sich individuelle Gesundheit unter
anderem in Verbindung mit den kulturellen
Aktivitäten, in die eine Person involviert ist.
Daraus ergibt sich eine interessante Symbiose zwischen Gesundheit und Kultur. Diese
wird benutzt und weiterentwickelt, um unter-
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
schiedliche gesundheitsfördernde Angebote
für Kinder, junge und ältere Menschen auf
die Beine zu stellen. Die Gesundheitsverantwortlichen der Kommune präsentieren diese
Aktivitäten unter anderem an Erlebnis- und
Clubtagen oder im Unterricht. Im Rahmen von
Vereinsanlässen, Freiwilligen-Netzwerken und
Projekten mit fachübergreifenden Kooperationen werden Bürgerinnen und Bürger aktiv
miteinbezogen.
Zudem bietet die Kommune kulturelle Aktivitäten für Menschen an, die unter Stress leiden,
chronisch krank sind oder in belastenden Lebenssituationen leben. Unter den Angeboten
befinden sich Bibliotherapie (Lesen in Gruppen für Personen mit psychischen Problemen
und «Lebensschmerzen»), Theatergruppen für
Personen mit autistischen Störungen, Chorgesang in psychiatrischen Kliniken und Zentren für Behinderte. In «Ikast-Brande» hat das
Umdenken in Sachen Gesundheitsförderung
bereits begonnen.
Peter Thybo, Gesundheitsgestalter,
«Ikast-Brande», Dänemark
(aus dem Englischen übersetzt von Martin Degen,
redigiert von Renate Metzger-Breitenfellner)
Optimisten
leben länger
Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen zusammen
Menschen, die ihre Gesundheit positiv
einschätzen, leben wahrscheinlich länger
als jene, die sich darüber beklagen – und
das unabhängig von Risikofaktoren wie
Rauchen oder bestehenden Erkrankungen.
Das belegt eine Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität
Zürich.
Wie schätzen Sie Ihre Gesundheit ein? Die Antwort auf diese Frage hängt mit der Überlebensbeziehungsweise Sterbewahrscheinlichkeit der
befragten Person zusammen. Dass eine pessimistische Einschätzung mit einem erhöhten
Erkrankungs- oder Sterberisiko einhergeht,
liegt auf der Hand. Man kann annehmen, dass
Personen, die ihre Gesundheit als schlecht einschätzen, durchschnittlich ein ungünstigeres
Gesundheitsverhalten zeigen, sozial benachteiligt oder bereits erkrankt sind.
Selbsteinschätzung hat Bestand
Neue Forschungen des Instituts für Sozial- und
Präventivmedizin der Universität Zürich belegen, dass die Selbsteinschätzung der Gesundheit auch über einen langen Zeitraum von über
30 Jahren mit der Wahrscheinlichkeit, zu überleben beziehungsweise zu sterben, zusammenhängt. In der in der Schweiz durchgeführten Studie hatten Männer, die ihre Gesundheit
als «sehr schlecht» einschätzten, ein mehr als
3,3fach höheres Sterberisiko verglichen mit
gleichaltrigen Männern mit der Bewertung
«sehr gut». 1,9-mal so hoch war das Sterberisiko bei Frauen mit «sehr schlechter» Gesundheit im Vergleich zu jenen mit «sehr guter».
Dabei nahm das Risiko von der optimistischsten zur pessimistischsten Einschätzung kontinuierlich zu. «Die stetige Risikozunahme und
die lange Dauer von über 30 Jahren zwischen
der Selbsteinschätzung und dem Ende der Beobachtungszeit machen es praktisch unmöglich, dass vorhandene Krankheiten oder eine
dunkle Vorahnung Hauptursachen für den beobachteten Zusammenhang sind», erklärt der
Leiter der Studie, Matthias Bopp.
Risikofaktoren miteinbezogen
Selbst unter Berücksichtigung von Bildungsstufe, Zivilstand, Belastung durch Rauchen,
bestehenden chronischen Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Blutdruck und Blutzucker schwächte sich der Zusammenhang
Forschungsresultate deuten darauf hin, dass Menschen, die ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen, Eigenschaften
haben, die ihre Gesundheit fördern und erhalten.
zwischen selbsteingeschätzter Gesundheit
und Sterberisiko nur geringfügig ab. «Unsere
Resultate deuten darauf hin, dass Menschen,
die ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen,
Eigenschaften haben, die ihre Gesundheit fördern und erhalten. Dazu könnten auch eine
positive Lebenseinstellung und eine grundsätzliche Zufriedenheit mit dem eigenen Leben gehören», sagt dazu Präventivmediziner
David Fäh.
befinden. «Gute Ärztinnen und Ärzte sollten
also nicht nur nach Risikofaktoren oder Krankheiten suchen, sondern auch prüfen, welche
Gesundheitsressourcen ihre Patientinnen und
Patienten haben, und diese gegebenenfalls
fördern und festigen», fordert David Fäh.
Die Studienergebnisse unterstützen die von
der Weltgesundheitsorganisation vertretene
Auffassung von Gesundheit als vollständigem
körperlichem, geistigem und sozialem Wohl-
Literatur
Bopp M., Braun J., Gutzwiller F., Faeh D. Health risk or
resource? Gradual and independent association between
self-rated health and mortality persists over 30 years.
PLoS ONE 2012; 7(2):e30795
David Fäh, Matthias Bopp
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr.1/12
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Dossier
«Ohne Kultur gibt es
keine Gesundheit»
Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern
Für den Luzerner Kulturbeauftragten ist
klar: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit.
Er könnte sich auch vorstellen, mit der Gesundheitsförderung zusammenzuarbeiten
– insbesondere bei Projekten für Kinder
und Jugendliche.
Herr Huber, was haben Kultur und Gesundheit miteinander zu tun?
Daniel Huber: Meines Erachtens gibt es keine
Gesundheit ohne Kultur. Dies gilt besonders,
wenn man Gesundheit nicht einfach als Abwesenheit von körperlicher Krankheit definiert,
sondern als ausgeglichenen Zustand, in dem
das geistig-seelische Befinden im Einklang
steht mit dem physischen. Denn «der Mensch
lebt nicht vom Brot allein». Für unser Wohlbefinden brauchen wir auch seelische und geistige Nahrung. Sich ausdrücken, etwas gestalten,
neugierig bestimmte Phänomene erkunden
– das gehört zum Leben. Untersuchungen haben gezeigt, dass Musik gesundheitsfördernde
Wirkung hat. Kunst macht aber auch aufmerksam darauf, wo Konflikte entstehen können.
Und sie macht Menschen sensibler auf Fragestellungen, auf die sie von selbst vielleicht
nicht kommen.
Wie erleben Sie persönlich eine wohltuende
Wirkung von Kultur?
Ohne kulturelle Erlebnisse würde ich krank.
Sinn und Anregung würden mir fehlen, ich würde abstumpfen. Wenn es mir nicht gut geht,
können mich Musik oder eine Ausstellung wieder aufbauen, weil ich da irgendwie auf Sinn
stosse. Kultur kann auch Trost spenden. Zum
Beispiel beim Tod meiner Eltern half mir die
Musik sehr, mich wieder zu fassen.
Und was kann die Kultur allgemein für die
Luzerner Bevölkerung bedeuten?
Luzern ist ein barocker, katholischer Kanton,
in dem der Staat und die Kirche kulturelle
Aktivitäten immer gefördert haben. Das zeigt
sich heute noch in den Musikfestivals, den
vielen Chören und Blasmusiken, auch in der
Fasnacht und im Brauchtum. All dies bringt
den Menschen eine emotionale Bereicherung und ein Zugehörigkeitsgefühl; es wirkt
identitätsstiftend. Diktatoren nehmen den
Menschen zuerst die Kultur weg, um sie so zu
entwurzeln.
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Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern.
Ist der gesundheitsfördernde Aspekt von
Kultur in Ihrer täglichen Arbeit ein Thema?
Explizit nicht, ausser wenn es um Kunst am
Bau bei Spitälern geht oder etwa um Clowns
im Kinderspital. Aber ich wäre offen für eine Zusammenarbeit mit der Gesundheitsförderung.
Es ist einfach bis jetzt nie dazu gekommen.
Bei gewissen Kultursparten, zum Beispiel
in der Rockmusik, denkt man aber eher an
Alkohol, Drogen und Gehörschäden als an
Gesundheitsförderung ...
Wer Musik macht, ist meist nicht selbst der
grosse Kiffer, denn diese Menschen müssen etwas leisten können. Ich denke da zum
Beispiel an die Leute im Sedel: Sie arbeiten
hart, um Form und Inhalt in ihrem Schaffen
möglichst gut auszudrücken. Klar, es gibt extreme Künstlerbiografien, zum Beispiel von
Menschen, die den Alkohol als Treibmittel
brauchen. Menschen, die Grenzerfahrungen
suchen und sich nicht mit einem Fernsehabend zufriedengeben, setzen sich Risiken
aus. Auch Mozart starb, bevor er vierzig war.
Doch mit seinem Werk hat er Abermillionen
von Menschen glücklich gemacht. Übrigens
gibt es auch im Sport Menschen, die sich mit
Drogen und Überforderung selbst schaden.
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Bei der Sportförderung sehen trotzdem alle
leicht den Nutzen für die Gesundheit. Was
müsste man machen, damit dieser Aspekt
auch bei der Kulturförderung bekannter
wird?
Ich sähe Möglichkeiten zu einer Zusammenarbeit mit der Gesundheitsförderung, besonders im Bereich «Kinder und Jugendliche».
Heute nehmen psychische Erkrankungen bei
jungen Menschen stark zu. Viele Jugendliche
sind überfordert, vor allem durch die virtuellen
Angebote der elektronischen Medien. Was ihnen fehlt, sind sinnliche Erfahrungen, die viel
mehr Zufriedenheit schaffen als virtuelle. Ich
bin überzeugt, dass Jugendkulturprojekte psychischen Erkrankungen entgegenwirken, dass
sinnliches Tun, zum Beispiel die Beschäftigung
mit Musik oder Theater, Ruhe und Kraft von Jugendlichen fördert.
Interview: Rosmarie Kayser
Weitere Informationen:
www.kultur.lu.ch
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«Wenn ich Menschen lachen
höre, tut das sehr gut»
Emil Steinberger, Komiker, Schauspieler und Autor
Emil Steinberger bringt seit etlichen Jahrzehnten Menschen beruflich zum Lachen.
Ein Gespräch über Humor, Kultur – und die
gesundheitsfördernde Wirkung der Arbeit.
Emil Steinberger, Sie stehen mit bald 80 Jahren noch fast hundert Mal pro Jahr auf der
Bühne. Hält Humor jung?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Humor
kann eine hilfreiche Basis sein, um eine Situation aufzulockern. Aber ich glaube nicht, dass
grosse Geschäftsprobleme mit Humor gelöst
werden können.
Was machen Sie, um Ihre Gesundheit zu erhalten?
Arbeiten! Sport hat mich nie begleitet. Ich
kann nicht mal die kleinsten Vorsätze einhalten. Zum Beispiel, jeden Tag 30 Minuten zu
spazieren. Es sind wohl eher meine verschiedenen Aktivitäten, die mich gesund halten
oder zumindest beschwerdefrei leben und
arbeiten lassen.
Was tun Sie für Ihre seelische Gesundheit?
Ich gehe auf die Bühne! Wenn ich die Leute lachen höre, tut das schon sehr gut. Und
manchmal geht es ja auch weiter, nach der
Vorstellung. Ich hoffe, dass nicht alles vorbei
ist, wenn die Besucher das Theater verlassen,
sondern dass sie noch ein wenig davon zehren können. Schön finde ich aber auch die
Begegnungen am Signiertisch. Es kam schon
vor, dass ein Grossvater mit seinem Sohn, der
Schwiegertochter und den Grosskindern da
war, von denen das jüngste noch im Bauch
war. Da waren drei Generationen, die Emil
irgendwie mitbekommen haben. Ich finde es
schön, wie solche Sachen weitervermittelt
werden. Das alles bereitet mir grosses Vergnügen, obwohl es auch anstrengend ist.
Sie schaffen also Seelenfutter für andere
Menschen. Was ist Ihr eigenes Seelenfutter?
Kultur zu empfangen hat immer mit dem Faktor Zeit zu tun. Die aktiven Menschen haben
immer am wenigsten Zeit für Kultur. Aber jeder
Mensch sollte ein Interesse haben, das ihn begleitet und ihn motiviert, Dinge zu unternehmen und zu erleben. Am liebsten konsumiere
ich Kultur natürlich im Theater. In letzter Zeit
waren wir aber auch sehr gerne und häufig in
Niccel und Emil Steinberger. Foto: Christoph Hoigné, Bern
Museen. Sie bieten eine sehr unkomplizierte
Unterhaltung. Man kann einfach reinmarschieren, ohne Plätze reservieren zu müssen.
Da sieht und erlebt man dann Dinge, die einem einfach gut tun und Impulse geben, selber aktiv zu werden. Das ist manchmal fast ein
bisschen nervig ... überall läuft man mit einem
Kopf voller Ideen raus, die man nicht verwirklichen kann – weil einfach die Zeit fehlt.
Gibt es kulturelle Veranstaltungen, die Sie in
letzter Zeit besonders berührt haben?
Ich bin fast neidisch geworden, als ich in
Deutschland die Ausstellung von Loriot gesehen habe. Sein ganzes Œuvre. Ganz toll
gemacht. Ein anderes tolles Erlebnis war ein
Brassband-Concours. Da kamen Bands aus
dem hintersten «Chrachen»! Es ist schon erstaunlich, wie so kleine Dörfer ein ganzes
Brass-Orchester zusammenbringen und erst
noch in der besten Kategorie mitspielen. Wir
schimpfen ja viel über die «heutige Jugend».
Aber es gibt so viele aktive Jugendliche, die
Musik machen, etwas lernen und auf die Beine stellen.
Emil Steinberger, Jahrgang 1933, ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten
Schweizer Kabarettisten aller Zeiten. Als
Emil hat der gelernte Postbeamte und
Grafiker in den 1970er- und 1980er-Jahren grosse Erfolge in der Schweiz, der BRD
und der DDR gefeiert. Daneben war er als
Sprecher und Schauspieler tätig. 1987 lief
die letzte Emil-Vorstellung. Ende 1993 zog
er für sechs Jahre nach New York. Heute
schreibt Emil Steinberger Bücher und
ist regelmässig auf Lesetour durch die
Schweiz und Deutschland.
Quelle: spectra – Newsletter für Gesundheitsförderung
und Prävention des Bundesamts für Gesundheit (BAG);
Interview: Christoph Hoigné. Ungekürzte Version in:
spectra, Nr. 88, September 2011
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Dossier
Alle Kontinente
vereint auf der Bühne
Chor der Nationen Luzern
Menschen aus 25 Nationen bringen gemeinsam Musik aus verschiedensten Kulturkreisen zur Aufführung. Das freut nicht
nur das Publikum. Auch für die Mitwirkenden ist diese Art der Chorarbeit bewegend;
sie kann gar zu einer wichtigen Stütze im
Leben werden.
Die 500 Plätze in der Lukaskirche reichten
nicht aus, als der Chor der Nationen im vergangenen November zum Konzert auftrat;
einige Gäste mussten sich mit Stehplätzen
begnügen. Auf der Bühne standen 75 Sängerinnen und Sänger; viele in Schwarz mit einem
farbigen Schal, aber dazwischen auch Leute in
afrikanischen Gewändern, in indischen Saris,
in Schweizer Trachten. Sie stammen aus 25
verschiedenen Nationen, und entsprechend
bunt gemischt ist das Repertoire – gekonnt
dargeboten und begleitet von einem vierzehnköpfigen Orchester. Das Publikum liess
sich schnell mitreissen, klatschte begeistert
mit bei afrikanischen Rhythmen, forderte Zugaben und spendete stürmischen Applaus.
Gemeinsames Singen tut wohl
«Es ist beglückend, mitzuerleben, wie eine
so gemischte Gruppe so harmonische Klänge hervorbringen kann», sagt Nicola Neider.
Als Bereichsleiterin Migration/Integration der
katholischen Kirche ist sie für die Organisation des Chors zuständig. Und es mache ihr
«riesig Spass», dabei zu sein. Da treffen sich
Menschen aus allen sozialen Schichten: Neben dem Kongolesen, dem wegen illegalen
Aufenthalts eine Gefängnisstrafe bevorsteht,
sitzt die reiche Schweizer Geschäftsfrau,
neben dem Flüchtling, der auf den Asylentscheid wartet, die gut integrierte Engländerin.
Auch wenn vor den Konzerten oft Anspannung
herrsche und es manchmal etwas chaotisch
zu und her gehe – Nicola Neider ist überzeugt, dass die Musik eine heilende Wirkung
hat, dass das gemeinsame Singen Menschen
in oft schwierigen Lebenssituationen wohltut
und sie den Alltag vergessen lässt.
Schweizer Lied mit Tempeltanz
Entstanden ist der Chor der Nationen Luzern
aus einem Projektchor, der im Jahr 2009 zusammen mit dem bereits bestehenden Chor
der Nationen aus Solothurn am Eröffnungskonzert der «Woche der Religionen» im KKL
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Auftritt des Chors der Nationen am Fest zum 150-Jahre-Jubiläum der Matthäuskirche. Foto: © Kurt Wisler
Luzern mitwirkte. Nach dem erfolgreichen
Auftritt beschlossen die Beteiligten, als Chor
der Nationen Luzern weiterzumachen. Seither wird jeden Mittwochabend im Saal der
Lukaskirche geprobt, jährlich gibt es ein eigenes Konzert, einige Auftritte an besonderen
Veranstaltungen und die Gesamtkonzerte mit
den Chören aus Solothurn, Glarus und Zürich.
Die Lieder stammen aus den Herkunftsländern der Beteiligten und werden von Chorleiter Bernhard Furchner oft mehrstimmig
arrangiert.
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Wenn dann zum Beispiel ein chinesisches
Lied einstudiert wird, kommt die Chinesin
selbst nach vorn und übt die Aussprache mit
den Sängerinnen und Sängern ein. Manchmal
werden auch in einem einzigen Lied Elemente aus mehreren Kulturen zusammengeführt.
Da singt der Chor: «Du fragsch mi, wer i bi»,
begleitet von afrikanischer Perkussion und
dargestellt in einem indischen Tempeltanz.
Die Konzerte stehen unter dem Titel «Musik
für den Frieden». Den Hintergrund dieser Arbeit umschreibt Chorleiter Bernhard Furchner
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aus Luzern, der seit Beginn im Luzerner Chor
der Nationen mitsingt. «Seine Arbeit fasziniert mich.» Für den Schweizer Sänger ist es
zudem sehr spannend, mit Menschen aus
verschiedensten Kulturen gemeinsam etwas
zu erarbeiten und auf diese Weise Realitäten
kennenzulernen, zu denen er sonst kaum Zugang hätte. Da ist einerseits das begeisterte
Engagement von Menschen aus anderen Kulturkreisen, wenn sie mit dem Chor ein Lied
aus ihrer Heimat einstudieren. Andererseits
erinnert sich Daniel Ammann an einen Albaner, mit dem er sehr guten Kontakt hatte und
der plötzlich nicht mehr kam, weil er kein Asyl
erhalten hatte und zurückkehren musste. «Wir
sind eine Stimme für eine offene Schweiz, ein
Anliegen, das mir wichtig ist», sagt Daniel
Ammann. Aber er ist auch im Chor dabei, weil
«Singen einfach gut tut». Körperwahrnehmung, das Achten auf den eigenen Atem, die
Bewegung zu speziellen Rhythmen – darauf
werde in diesem Chor besonders Gewicht
gelegt. Manchmal müsse er sich aufraffen,
am Abend noch hinauszugehen zur Chorprobe. «Doch wenn ich zurückkomme, habe ich
jeweils ein anderes Körpergefühl, ich spüre
neue Energie.»
auf einfache Weise: «Es ist ein uraltes Phänomen, dass man, zusammen Musik machend,
ein anderes Verhältnis zueinander gewinnt.»
Der studierte Musikwissenschafter und Pädagoge ist unter anderem Geschäftsführer des
Instituts für Kultur und Musik in Solothurn und
hat den ersten Chor der Nationen 2006 mitinitiiert.
Stimme für eine offene Schweiz
«Bernhard Furchner hat eine gute Art, die
Menschen zu packen», sagt Daniel Ammann
Ins Leben zurückgefunden
Was der Chor für einzelne Mitglieder auch
bedeuten kann, erzählt eindrücklich die
dreissigjährige Nazar Tazik aus dem Iran. Sie
ist vor vier Jahren in die Schweiz geflüchtet,
nachdem ihr Mann, Mitglied einer kurdischen
Partei, ermordet worden war. Nach einem
Jahr in der Schweiz wurde ihr Asylgesuch abgelehnt. «Ich hatte meinen Mann verloren,
war auf einmal illegal in der Schweiz, arbeitslos – es ging mir sehr schlecht», erzählt sie.
Einen Monat verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik. Dann besuchte sie auf Rat
einer Schweizer Bekannten die ersten Proben
mit dem Chor der Nationen. «Das Mitsingen
war zuerst schwierig. Doch es ging mir mit
jedem Mal besser. Das Mitmachen im Chor
war das Erste, was mir wirklich geholfen hat.»
Sie erzählt von den Probetagen, an denen die
Sängerinnen und Sänger den ganzen Tag zusammen verbringen, nach dem Singen noch
zusammensitzen, etwas trinken, reden. Sie
spricht von vielfältigen Kontakten, die gut tun.
2010 hat sie ein persisches Lied in den Chor
eingebracht und lehrte die Chormitglieder die
richtige Aussprache. «Das war superschön»,
sagt sie heute. Zurzeit läuft ein Rekursverfahren gegen ihren negativen Asylentscheid. In
den Iran zurückkehren könne sie auf keinen
Fall, das wäre zu gefährlich, sagt sie. So lebt
sie immer noch in einer sehr unsicheren Situation, muss immer damit rechnen, dass ein
negativer Asylentscheid bei ihr eintrifft. Im
Chor kann sie diese ganzen Schwierigkeiten
für eine Weile vergessen. «Das Singen macht
Spass. Wir lachen auch viel zusammen. Und
es ist spannend, andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen. An den Proben habe ich
jeweils nur noch das Singen im Kopf.»
Emotional tief bewegt
Die eigene Integration stand für Beata Zibung
nicht im Vordergrund, als sie im April 2011
dem Chor beitrat. Die US-Amerikanerin ist vor
22 Jahren in die Schweiz gekommen, lebt mit
ihrem Schweizer Mann in Fürigen und fühlt
sich sehr gut hier. In erster Linie ist es das Singen, das sie motiviert. «Wenn ich mit andern
zusammen singe, bewegt mich das emotional
sehr, da kriege ich schnell eine Gänsehaut»,
sagt sie. Auch erweitere es ihren Horizont, mit
Menschen aus aller Welt zusammen Musik
zu machen. Als ihre Lieblingslieder nennt sie
spontan die südafrikanische Nationalhymne
– «ein sehr kraftvolles Lied» – und «Luegid vo
Bärg und Tal». Auch für sie wirken die Chorproben belebend. «Ich bin nicht mehr so jung,
mit meinen 64 Jahren habe ich so das eine
oder andere Gebrechen. Wenn ich im Chor
mitsinge, verschwinden diese völlig, da bin
ich jeweils ganz auf die Musik konzentriert.»
Am Konzert im letzten November in der Lukaskirche feierte sie ihren Geburtstag. «Eine
bessere Geburtstagsparty hätte ich mir nicht
vorstellen können», sagt sie. Und nun freut
sie sich sehr auf das nächste Projekt: Am
31. Oktober wird der Chor der Nationen wieder im Konzertsaal des KKL auftreten.
Rosmarie Kayser
Weitere Informationen:
www.chordernationen.ch
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Dossier
«Tanzen ist gut für Körper,
Intellekt und Seele»
Catherine Sennrich unterrichtet Jung und Alt – und ist selbst begeisterte Tänzerin
«Wenn es kontrolliert ausgeübt wird, ist
Tanzen gesund, fördert die Koordination
und macht glücklich», sagt Catherine Sennrich, Tänzerin, Tanzlehrerin und Gründerin
von tanzen-luzern.ch. Ihre Kurse werden
von Kindern, Jugendlichen, Frauen und
Männern besucht. Wobei Letztere vor allem
im Ballettkurs zu finden sind.
Catherine Sennrich ist Leiterin für Gymnastik
und Tanz, diplomierte Gymnastik- und Bewegungspädagogin, Tänzerin und Tanzlehrerin
für Jazzdance, Modern Dance, Contemporary
und klassisches Ballett, 30 Jahre alt – und
in diesem Jahr feiert sie ihre zehnjährige
Mitgliedschaft beim SVKT tanzen-luzern.ch.
Tanzen, davon ist Catherine Sennrich überzeugt, harmonisiert die Muskelspannung im
Körper, löst Verspannungen, wirkt muskulären
Dysbalancen entgegen, kann körperliche Beschwerden lindern, fördert das räumliche Vorstellungsvermögen und die Hirnfunktionen wie
Gedächtnis, Sprache und Lernen. «Tanzen ist
ein gesunder Ausgleich zum Alltag und bereitet
nicht nur Spass, sondern ist für viele eine Leidenschaft, ein Lebenselixier. Es harmonisiert
den Muskelapparat und ist eine Art Sprache,
eine Ausdrucksform.» Die Tanzlehrerin erzählt
von Jugendlichen, die in die Hip-Hop-Kurse
kommen, sehr scheu sind, einen schwachen
Händedruck haben, «und dann beginnen sie
zu tanzen, vergessen sich in der Bewegung, im
Rhythmus, werden selbstbewusst und stark».
«Moderate Preise»
SVKT tanzen-luzern.ch beschäftigt derzeit vier
Leiterinnen und bietet unterschiedliche Kurse
an, die von rund 140 Personen besucht werden – und das zu äusserst moderaten Preisen.
«Ich kam als Kind zum Tanzen, nahm Ballettunterricht, bis ich zwölf Jahre alt war – und
musste dann schweren Herzens aus finanziellen Gründen aufhören», erzählt sie. Eine
schmerzliche Erfahrung – deshalb gründete
sie vor zehn Jahren tanzen-luzern.ch «für alle,
denen Tanzen Spass macht, die tanzen wollen
– unabhängig vom finanziellen Hintergrund».
Das sei keine Kritik an den konventionellen
Tanzschulen, betont Sennrich. Sie weiss, wie
hoch der Aufwand ist, dass hinter dem Führen
einer Tanzschule sehr viel Arbeit und Mühen
stecken und dass man sich damit ganz selten
«eine goldene Nase verdient».
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«Tanzen ist ein gesunder Ausgleich zum Alltag und ist für viele eine Leidenschaft», sagt Catherine Sennrich.
Foto: Landkreis Landshut, Bayern/Rolf Sturm
Auch Catherine Sennrich ist mit dem Tanzen
nicht reich geworden. Aber glücklich. Das wird
dann deutlich, wenn sie von der Freude an
der Bewegung erzählt, von der Showgruppe,
die «auf hohem Niveau tanzt», von ihrer Arbeit
und ihrem Engagement für tanzen-luzern.ch.
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
«Tanzen ist ästhetisch, hat etwas Edles, eine
Tänzerin auf der Bühne strahlt eine Art Unnahbarkeit aus», sagt sie. Im Vergleich zur
Privatwirtschaft sei sie natürlich schlecht bezahlt. «Aber dafür habe ich die Bühne, den Applaus im Unterricht, das Lächeln der Teilneh-
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Ausserdem gebe es Studien, die beweisen,
dass Tanzen die Hirnvernetzung fördert. Die
Koordination sei gut fürs Zusammenspiel der
beiden Hirnhälften – und damit für die Intelligenz. «Und vor allem Jazzdance und Modern
Dance trainieren den gesamten Körper, reduzieren Verspannungen und sorgen so für mehr
Wohlbefinden.»
Durch Zuschauen trainieren
Wenn sich Kursteilnehmerinnen oder -teilnehmer nicht fit fühlen oder verletzt sind, werden
sie von Catherine Sennrich ermuntert, trotzdem in die Stunden zu kommen – und einfach
zuzuschauen. «Erstens ist der soziale Aspekt
wichtig, und wir Menschen sind nun mal soziale Wesen; und zweitens gibt das Gehirn beim
konzentrierten Beobachten von Bewegungen
Impulse an die Muskulatur ab. Man könnte
also sagen, Zusehen ist eine Form minimalen Muskeltrainings», sagt Sennrich. «Und
wenn ich sehe, wie glücklich und zufrieden
auch diejenigen Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht selbst tanzen können, nach
unserer Show jeweils sind, kann ich mir gut
vorstellen, dass Zuschauen glücklich macht.»
Vielleicht auch deshalb, weil diese Shows so
choreografiert sind, dass sich «alle irgendwie
mit einem Abschnitt der Choreografie, die auf
der Bühne abläuft, identifizieren können».
Egal, welcher sozialen Schicht sie angehören
und welchen Beruf sie ausüben.
menden, die Bewegung. Ich mache das, was
ich gerne tue. Das ist mir viel wert und kann
nicht mit Geld aufgewogen werden.» Sport
im Allgemeinen setze Endorphine frei, sagt
die Tanzlehrerin, diese machen glücklich. Ein
Gefühl, «das man immer wieder erleben will».
Kraft und Beweglichkeit
Die Kurse von tanzen-luzern.ch sind offen für
Kinder ab zehn Jahren, in Ausnahmefällen ab
sieben Jahren. Das Tanzen unterstütze den
Bewegungsapparat im Wachstum auf gesunde Weise. «Nach oben gibt es keine Grenzen»,
sagt Sennrich, die älteste Teilnehmerin sei
derzeit 54 Jahre alt. Und es gebe auch Männer bei tanzen-luzern.ch. «Die sind nicht nur
in den Hip-Hop-Kursen zu finden, wie man ja
annehmen könnte, sondern vor allem im Ballett», sagt Catherine Sennrich und lacht. Ballett und Jazzdance seien eine Art Krafttraining
auf hohem Niveau, erklärt sie – und daher
auch als Ergänzung für Spitzensportler oder
als Aufbautraining nach einem Unfall bestens
geeignet. «Wenn ein Fussballer in einen Tanzkurs kommt, kann er seine Koordination verbessern und dadurch zum Topscorer werden.»
Es gibt deshalb immer wieder Spitzensportler
in den Kursen von Catherine Sennrich – aber
auch «ganz normale Männer», die allgemein
ihre Beweglichkeit verbessern wollen. «Das ist
meist die Hauptmotivation.»
Grundregeln beachten
Die Leiterin von tanzen-luzern.ch achtet strikt
darauf, dass in den Kursen «nicht einfach
irgendwie unterrichtet wird». Es sei wichtig,
wie man trainiere, sagt sie, Aufwärmen, Krafttraining und Stretching gehörten dazu, «und
Spätfolgen durch falsches Beanspruchen der
Muskulatur müssen unbedingt vermieden
werden». Durch ihre Ausbildung und durch
die Arbeit in einer chirurgischen Arztpraxis
hat sich Catherine Sennrich solides anatomisches Wissen und Grundkenntnisse im
Bereich Pathologie angeeignet; derzeit absolviert sie ein Nachdiplomstudium zur eidgenössisch diplomierten Personalleiterin
NDS HF. Weil es gut ist, neben dem Tanzen
ein zweites Standbein zu haben, und weil ihr
Kenntnisse in Personalführung, Organisation,
Management und Marketing auch bei der
Leitung von tanzen-luzern.ch zugutekommen.
Und noch etwas müsse beim Besuch von
Tanzkursen beachtet werden, sagt Sennrich:
«Mit Talent kommt man nur bis zu einem bestimmten Punkt, der Rest ist Training.» Tanzen
sei also mit Arbeit und Disziplin verbunden,
mit Rückschlägen, mit Lerneffekten – aber
auch mit Erfolgserlebnissen. «Und natürlich
mit Lob. Dieses hat bei unseren Kursen einen
hohen Stellenwert. Wer gelobt wird, fühlt sich
gut und ist motiviert. Und das macht dann
wieder etwas glücklicher ...»
Renate Metzger-Breitenfellner
Weitere Informationen:
www.tanzen-luzern.ch
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Dossier
Kochen als Quell
der Lebensfreude
Petra Kolip auf den Spuren von gesundheitsfördernder Lebens-, Koch- und Linsenlust
Ernährung und Übergewicht sind Kernthemen von Gesundheitsförderung und Prävention. Aber was verbindet Kochen und
Kochkultur mit Gesundheitsförderung?
Petra Kolip, Professorin für Prävention und
Gesundheitsförderung an der Universität
Bielefeld, begeisterte Köchin und Kochbuchautorin, hat sich auf die Suche nach
den Zusammenhängen gemacht.
Was verbindet Kochen und Kochkultur mit Gesundheitsförderung? Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur lässt den Leser und die
Leserin ratlos zurück: Das Thema «Kochen»
scheint nicht gerade grosses gesundheitswissenschaftliches Interesse hervorzurufen – sieht
man einmal vom kleinen Zweig der «Public
Health Nutrition» ab. Eine kleine, nichtrepräsentative Umfrage im Kolleginnen- und Kollegenkreis lässt drei Verbindungslinien erahnen:
• Mangelnde Kochfähigkeiten werden (gemeinsam mit Bewegungsmangel, hervorgerufen durch Fernsehkonsum und die Nutzung elektronischer Medien) als «Quelle
allen Übels» der steigenden Prävalenzraten
von Übergewicht und Adipositas gesehen:
In Familien, so die häufig geäusserte These, werde heute zu selten «richtig» gekocht,
weil junge Frauen (von den jungen Männern
ist meist nicht die Rede) dies nicht mehr
könnten, weil die Zeit oft nicht reiche und
weil die Convenience- und Fertigprodukte
dieses Manko mit einem Angebot füllten,
das zu einer zu fett- und zuckerhaltigen Ernährung führe.
• Kolleginnen und Kollegen verweisen in den
Diskussionen auch auf Familien, die von
Armut betroffen oder bedroht sind: Für sie
sei es schwierig, sich gesund zu ernähren –
und oft würden gerade sozial benachteiligte
Familien den Besuch von Fastfood-Ketten
einem selbst zubereiteten Mahl vorziehen.
• Selbst zu kochen wird zwar auch als Möglichkeit gesehen, gesunde Speisen auf den
Tisch zu bringen. Dies werde aber dadurch
erschwert, dass immer weniger klar sei, was
denn nun eigentlich gesund sei. Die Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher
sei gross, sodass die gute Absicht, gesund
zu kochen, meist im Keim erstickt werde.
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Wir brauchen einen erholsamen Schlaf für unser körperliches, mentales und emotionales Wohlbefinden.
Petra Kolip. Foto: A. Chales de Beaulieu
Dieser defizitorientierten Betrachtung soll im
Folgenden eine erfahrungsbasierte und ressourcenorientierte Sichtweise gegenübergestellt werden; erfahrungsbasiert deshalb, weil
es jenseits der Literatur über Nährstoffgehalte und gesundheitsfördernde beziehungsweise -schädigende Konsumgewohnheiten
nur wenige wissenschaftliche Publikationen
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
zum Thema «Kochen und Gesundheitsförderung» gibt.
Was aber lässt sich mit einer ressourcenorientierten Perspektive auf das Thema entdecken?
Zunächst einmal: Kochen ist sinnlich. Die
Berührung von Obst, Gemüse und anderen
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Zutaten, das kräftige Kneten eines Teiges mit
blossen Händen, der Duft von Kräutern, die
gehackt, oder von Gewürzen, die im Mörser
zerkleinert werden, das Aroma von Fleisch
oder Gemüse, die in der Pfanne angeröstet,
oder von Speckwürfeln, die langsam ausgelassen werden, der Geschmack einer Pasta mit
frischer Tomatensauce – all dies regt die Sinne
an und weckt im wahrsten Sinne des Wortes
die Lebenslust.
Kochen ist fürsorglich. Das Kochen für andere – aber auch für einen selbst – hat das Ziel,
eine Mahlzeit zuzubereiten. Jemand soll satt
werden und sich am Geschmack erfreuen.
Anderen Genuss zu bereiten ist eine besondere Form der Fürsorge. Beeindruckend ist hier
die Grundhaltung des ehemaligen «Sterne»Kochs Ruprecht Schmidt, der im Hamburger
Hospiz «Leuchtfeuer» mit der Überzeugung
kocht, dass Genuss auch in den letzten Tagen
des Lebens bedeutet: «Essen heisst, ich lebe
noch» (siehe Buchtipp). Er verwöhnt die Gäste des Hospizes in ihren letzten Lebenstagen
kulinarisch, kocht die Lieblingsgerichte aus
Kindertagen (mitunter mehrmals, bis sie so
schmecken, wie sie es damals taten) und lädt
sie zu geschmacklichen Horizonterweiterungen ein (und sei es nur in Miniportionen, weil
feste Nahrung kaum noch vertragen wird).
Kochen stärkt das Selbstwertgefühl. Wer mit
jungen Menschen kocht, sieht es unmittelbar:
die Freude, wenn ein Mahl gelingt, wenn es
einem schmeckt und wenn sich andere daran
freuen. Auch später noch ist das Vergnügen zu
spüren, wenn ein neues Rezept ausprobiert
wurde und den Esserinnen und Essern mundet. Ein gelungenes Essen, sei es eine einfache Mahlzeit oder ein mehrgängiges Menü
mit logistischer Herausforderung, stärkt das
Selbstwertgefühl und erweitert die eigenen
Kompetenzen.
Kochen ist immer auch ein kreativer Akt. Unabhängig davon, ob streng nach Rezept oder
«frei Schnauze» gekocht wird: Aus Bestehendem wird Neues geschaffen («creare» heisst
erschaffen, hervorbringen). Es ist zudem meditativ und entspannend: Beim Kneten eines
Teiges, beim Schneiden von Gemüse, beim
Rühren eines Risottos können die Gedanken
fliegen, aber auch fokussiert werden.
Und schliesslich: Kochen ist Teil einer sozialen
Handlung. In den meisten Fällen wird das Gericht nicht alleine verspeist, sondern mehrere
Personen sitzen um den Tisch (oder, meist
noch schöner, stehen bereits gemeinsam in
der Küche). Gekocht wird, um gemeinsam zu
essen – und ein gemeinsames Essen ist ein
vergnüglicher Teil des sozialen Miteinanders.
Zugegeben: Nicht immer hat das Kochen alle
diese Qualitäten. Insbesondere dann, wenn
es eine Pflicht ist, wenn eine Familie bekocht
werden muss, ohne dass genügend Zeit dafür
da ist, wenn das Essen und das Kochen nicht
wertgeschätzt werden … dann können die
ressourcenorientierten Facetten des Kochens
nicht erlebt werden. Und doch: Eine kleine
Verschiebung der Aufmerksamkeit kann Horizonte erweitern und vielleicht aufzeigen, wo
Nischen liegen, die für genussvolles Kochen
genutzt werden können. Hierin liegt eine der
grossen Herausforderungen der Gesundheitsförderung: das Kochen als Teil eines lust- und
genussreichen Handelns in den Vordergrund
zu rücken und die Potenziale des Kochens als
Quelle der Lebensfreude zu benennen.
Petra Kolip
Die Autorin
Dr. Petra Kolip ist Professorin für Prävention und
Gesundheitsförderung an der Universität Bielefeld
(Deutschland). In ihrer Freizeit geniesst sie es, in der Küche
zu experimentieren und Freunde, Freundinnen und die
Familie zu bekochen. In diesem Zusammenhang ist ein
Linsen-Kochbuch mit Rezepten entstanden, das die Vielfalt
der roten, gelben, grünen und braunen Linsen präsentiert.
Die Rezepte entspringen der (Küchen-)Fantasie der Autorin
oder wurden von Reisen mitgebracht.
Literaturtipps
Dörte Schipper (2010). Den Tagen mehr Leben geben.
Über Ruprecht Schmidt, den Koch, und seine Gäste. Köln:
Bastei Lübbe. Das Buch beschreibt auf wunderbare Weise,
wie Ruprecht Schmidt die sterbenskranken Gäste des Hamburger Hospizes «Leuchtfeuer» kulinarisch umsorgt und zu
Genuss in den letzten Lebenstagen einlädt.
Christiane Nüsslein-Volhard (2006). Mein Kochbuch.
Einfaches zu besonderen Anlässen. Insel Verlag. Die
deutsche Medizin-Nobelpreisträgerin bekocht regelmässig
Gäste, zum Beispiel dann, wenn einer ihrer Doktoranden
den Abschluss gemacht hat. In dem schlichten Kochbuch
(die Rezepte pragmatisch alphabetisch sortiert) beschreibt
sie, wie dies gelingt: Die Rezepte sind einfach, lassen
sich gut vorbereiten und schmecken gerade wegen ihrer
Schlichtheit besonders gut.
Linsen mit Aprikosen
und Baumnüssen
Zutaten
• 50 g getrocknete Aprikosen
• 250 g kleine Linsen (z.B. grüne Linsen, Berglinsen oder helle Linsen
aus St. Flour)
• Salz
• 50 g Baumnüsse
• 1 Zwiebel
• 1 EL Butter
• ½ Bund glatte Petersilie (Peterli)
Zubereitung
Die Aprikosen in Wasser über Nacht
einweichen. Abtropfen und klein schneiden.
Die Linsen mit 650 ml Wasser aufkochen
und bei kleiner Hitze köcheln lassen, bis
die Linsen gar, aber noch bissfest sind
(ca. 20–30 Minuten).
Überschüssige Flüssigkeit abgiessen,
salzen.
In der Zwischenzeit die Baumnüsse grob
hacken. Die Zwiebel in Würfel schneiden.
Die Butter in einem Topf zerlassen, die
Zwiebelwürfel darin bei mittlerer Hitze glasig
dünsten; die Aprikosenstücke dazu, weich
dünsten. Die Baumnüsse und die Linsen
dazugeben.
Die Petersilie hacken und über das Gericht
geben.
Dieses Rezept stammt aus dem Kaukasus
und verbindet das erdige Aroma der Linsen
mit der fruchtigen Süsse der Aprikosen.
Das Gericht weckt die erste Lust auf den
Sommer.
Quelle: Petra Kolip (2011). Linsenlust. 45 Rezepte aus
aller Welt. avBuch/Cadmos.
Weitere Informationen:
www.linsenvergnuegen.de
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Dossier
Die grüne Lunge
auf dem Autobahndach
In Ennethorw ist ein neues Quartier entstanden
Die Eröffnung der Autobahn zwischen Hergiswil NW und Luzern im Jahre 1955.
Quelle: Staatsarchiv Luzern, PX 6/8 (Fotograf unbekannt)
1955 wurde zwischen Luzern und Hergiswil
der erste Autobahnabschnitt der Schweiz
eröffnet. Wegen der starken Verkehrszunahme wurde das einstige Prestigeprojekt über
die Jahre zur grossen Belastung für die Anwohnerinnen und Anwohner, die teilweise
nur wenige Meter neben der Nationalstrasse
wohnten. Seit der Absenkung und Übertunnelung der Autobahn im Jahre 2006 ist das
Gebiet in Ennethorw nicht mehr wiederzuerkennen: Ein neues Quartier ist entstanden.
Sandra Markutt wohnt seit ihrer Geburt in
Ennethorw. Die heute 42-jährige Mutter erinnert sich noch gut, als die Autobahn direkt
vor ihrer Haustüre vorbeiführte. «Es war laut
und stickig, der Verkehr 24 Stunden präsent.»
Als Kind wohnte sie vis-à-vis des Schulhauses
Spitz, dazwischen lag die mehrspurige Autobahn, welche das Quartier und die Gemeinden
Horw und Kriens zerschnitt. «Um zum Schulhaus zu gelangen, mussten wir einen langen
Umweg entlang der Autobahn in Kauf nehmen,
denn es gab nur wenige Unter- oder Überführungen.» Zwischen 1998 und 2006 wurde das
4,5 Kilometer lange Teilstück der Autobahn
A2 zwischen Luzern und Hergiswil abgesenkt
und zu einem grossen Teil überdacht oder mit
Lärmschutzbauten versehen.
Neues Leben, neue Idylle
Heute ist im Gebiet Ennethorw ein neues
Quartier mit einer hohen Lebensqualität entstanden. Wo früher Lärm und Gestank waren,
erstreckt sich jetzt eine ruhige Idylle mit Fami18
Auf dem Dach der Autobahn befinden sich heute Schrebergärten mit Blick in die Berge.
Die Häuser links grenzten früher direkt an die Autobahn an. Foto: Romeo Degiacomi
liengärten, einem Spielplatz und Grünflächen
auf der Autobahnüberdachung. Das Projekt für
die Einhausung der Autobahn kostete mehr
als 660 Millionen Franken. Der damalige Gesamtprojektleiter Renato Casiraghi bezeichnet
diese Lösung als grosszügig: «Heute wird jeweils nur noch das gesetzlich vorgeschriebene
Minimum an Massnahmen gemacht.»
Bei der Realisierung des Projektes massgeblich mitgearbeitet hat als Umweltbaubegleiter
Werner Schlegel. «Die Überdachung ist ein
grosser Gewinn für die Gemeinde, es ist gelungen, die Fläche neu zu nutzen», meint er
zurückblickend. Auch Bäche, die während der
letzten 50 Jahre in Röhren unter der Autobahn
durchgeleitet wurden, fliessen nun in einem
offenen Bachbett über die Autobahn. «Ein
Pluspunkt für die Natur ist der neu entstandene Verbindungskorridor vom Pilatushang
durch das Siedlungsgebiet zum See», freut
sich der Umweltfachmann. «Damit gibt man
Tieren und Pflanzen die Möglichkeit, sich entlang der Grünstrukturen auszubreiten.»
Plätschern des Bachs
Auch Lehrerin Nicole Klapproth schwärmt von
den neuen Möglichkeiten: «Heute können
wir mit den Kindern bereits wenige Schritte ausserhalb des Schulhauses Spitz in die
Natur gehen. Das war während Jahrzehnten
unmöglich.» Mit der Neugestaltung des Grisigenbaches, der nun parallel zur Überdachung
fliesst, haben die Kinder ein Stück Natur
auf ihrem Schulweg. Auf den entstandenen
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Wiesenflächen blühen Blumen und fliegen
Schmetterlinge. Auf dem Dach der Autobahn
befinden sich auch 30 Familiengärten. «Es
war ein Glücksfall für unseren Verein, dass
wir hier oben neue Gärten schaffen konnten»,
sagt Josef Aregger, Präsident des Familiengärtenvereins Horw. Andere Standorte mussten
wegen Wohnüberbauungen geschlossen werden. «Dieses Areal eröffnete dem Verein neue
Perspektiven.»
Andere Werte
Kaum vorstellbar: Wer früher an einer Autobahn wohnte, war sehr privilegiert. In den
1960er- und 1970er-Jahren wurde mit Inseraten für «Wohnung in Horw mit Sicht auf die Autobahn» geworben. In den 1980er-Jahren fand
ein Paradigmenwechsel statt, man warnte vor
dem Waldsterben und wollte den Autoverkehr
reduzieren. Bevor Horw zum neuen grünen
Quartier kam, war der Leidensweg während
der aufwändigen Bauarbeiten für die Einhausung der Autobahn sehr gross. «Beim Pfählen
schüttelte es uns regelrecht durch», erinnert
sich Anwohnerin Markutt. Die Baustelle zwischen 1998 und 2006 sei schlimmer gewesen
als zuvor der Autobahnlärm. Doch das Durchhalten hat sich gelohnt: Sieht man heute das
Siedlungsgebiet, kann man sich kaum vorstellen, dass da früher die Autobahn durchführte.
«Es ist ein kleines Paradies.»
Lena Spalinger, Praktikantin Umwelt und
Natur, und Romeo Degiacomi, Kommunikationsbeauftragter Gemeinde Horw
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Mit Kräutern und Okra
Depressionen bekämpfen
Interkultureller Garten «Rosenduft» in Berlin Kreuzberg
Im interkulturellen Garten «Rosenduft» in
Berlin Kreuzberg pflanzen Migrantinnen
und Deutsche Blumen, Kräuter und Gemüse. Sie schaffen Kulturland, erfreuen sich
am Wachsen und Gedeihen und vergessen
dabei die traumatische Vergangenheit und
den oft beschwerlichen Alltag.
Mitten im Zentrum Berlins, an der ehemaligen
Bahnanlage Gleisdreieck, liegt der interkulturelle Garten «Rosenduft»: 2000 Quadratmeter
Land, das seit dem Zweiten Weltkrieg brachlag, werden heute von Menschen aus Bosnien
und Herzegowina, Deutschland, Serbien, Italien, Griechenland, dem Libanon, der Demokratischen Republik Kongo, aus dem Kosovo und
der Türkei bestellt. «Es ist nicht wichtig, wer
woher kommt oder wohin geht», sagt Bosiljka
Schedlich, Leiterin des Trägervereins «südost
Europa Kultur». «Wichtig ist die gemeinsame
Arbeit – und dass hier, mitten in der deutschen Hauptstadt, ein kleines Stück Heimat für
Migrantinnen und Migranten der unterschiedlichsten Ethnien und Länder entstanden ist.»
Die Gärtnerinnen und Gärtner roden und jäten,
säen und ernten, sie plaudern und lachen und
geniessen es, eine sinnvolle Beschäftigung zu
haben, die ihnen Spass macht.
Seit 1992 arbeitet die Vereinigung «südost
Europa Kultur» mit Flüchtlingen, von denen
die meisten aus dem Gebiet des ehemaligen
Jugoslawien kommen. Aus der Therapiearbeit
mit bosnischen Frauen entstanden diverse
Projekte – eines von ihnen ist der interkulturelle Garten «Rosenduft». Geleitet wird er
von Begzada Alatovi . Gemeinsam mit ihrem
Sohn floh sie vor dem Krieg in ihrer Heimat,
in dem ihr Mann getötet worden war. Begzada
Alatovi weiss, wie wichtig es für Migrantinnen
und Migranten ist, eine Arbeit zu haben, eine
Beschäftigung. Etwas, das mithilft, die Gedanken an die Vergangenheit auszusperren,
die Erinnerungen zu vertreiben, diese Bilder,
die immer wiederkommen, die krank machen.
Richtig krank.
Anfang Oktober vergangenen Jahres wurde
Begzada Alatovi mit dem Integrationspreis
der Stiftung ÜBERBRÜCKEN ausgezeichnet.
Eine grosse Ehre sei der Preis für sie, sagte sie
an der Preisverleihung, dazu Bestätigung und
Aufforderung zum Weitermachen. Im interkul-
Wichtig ist die gemeinsame Arbeit – und dass hier ein kleines Stück Heimat für Migrantinnen und Migranten der
unterschiedlichsten Ethnien und Länder entstanden ist. Foto: südost Europa Kultur e.V.
turellen Garten und bei «südost Europa Kultur» arbeitet die «Rosenduft»-Garten-Projektleiterin meist viele Stunden am Tag, setzt sich
mit viel Geschick dafür ein, dass Migrantinnen
in Berlin eine neue Heimat finden.
Ein kleines Stück Heimat ist auch der
«Rosenduft»-Garten. Er besteht aktuell aus
40 Parzellen – und an die 40 Menschen, viele
Frauen und ein paar Männer, beteiligen sich
am Projekt, das nicht nur Gemüse- und Kräuterbeete umfasst, sondern auch Blumenrabatten, ein paar Bienenvölker und Geräteschuppen. Das Saatgut bringen die Migrantinnen
und Migranten vielfach aus ihrer Heimat mit.
So wird in Berlin Kreuzberg auch für Europa
Exotisches wie zum Beispiel die Okra-Schote
angepflanzt. Und deshalb riecht es hier immer wieder nach Kräutern, die normalerweise nicht in der deutschen Küche zu finden
sind. Die Gärtnerinnen und Gärtner erinnert
dieser Duft an die Heimat, die sie verlassen
mussten. Es ist ein Duft, der ihnen gut tut, der
ihre posttraumatischen Beschwerden lindert,
der Angstzustände und Schlafstörungen bekämpft. Die Arbeit im Garten trägt dazu bei,
dass die Beteiligten wieder «Boden unter die
Füsse bekommen», obwohl der Integrationsprozess auch in Berlin schwierig ist, obwohl
sich viele nach der alten Heimat sehnen – und
die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat,
noch lange nicht verheilt sind.
Dank seiner integrativen und sprichwörtlich
heilenden Wirkung hat der interkulturelle
Garten «Rosenduft» über die Grenzen Berlins
hinaus Bekanntheit erlangt. Auch Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland staunen
über dieses Projekt – das unter anderem deshalb so gut funktioniert, weil Begzada Alatovi
selbst erlebt, was die Arbeit im Garten bewirkt.
«Hier können wir den Alltag hinter uns lassen,
gemeinsam arbeiten, Kaffee trinken, lachen
und weinen. Das ist für uns alle sehr wichtig.»
Renate Metzger-Breitenfellner
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Projekt
«Es hat sich eine tolle
Dynamik entwickelt»
Kinderkrippe Hurrlibus in Willisau macht beim Projekt «schnitz und drunder» mit
Seit zwei Jahren ist oberhalb von Willisau in
einer neu renovierten Scheune die Kinderkrippe Hurrlibus untergebracht. 15 bis 17
Kinder werden von sechs Mitarbeiterinnen
betreut, wobei eine Person ausschliesslich für Küche und Haushalt zuständig ist.
Die Teilnahme am Projekt «schnitz und
drunder» ist für Krippenleiterin Angela
Wyss Herausforderung, Bestätigung und
Motivation.
Was hat Sie vom Projekt «schnitz und
drunder» überzeugt?
Angela Wyss: Ausgewogene Ernährung ist für
die Entwicklung von Kleinkindern zentral. Deshalb haben wir auch das Thema der gesunden
Ernährung im Betriebskonzept verankert. Kinder mit gesundem Körpergewicht bewegen
sich gern, sie haben ein gutes Körper- und
Lebensgefühl. Dieses beeinflusst die gesamte
Entwicklung positiv. Ich finde es wichtig, Kinder früh für gesunde Ernährung zu sensibilisieren. Deshalb haben wir von Anfang an auf
die Ernährung geachtet – auch darauf, dass
mit frischen regionalen Produkten gekocht
wird.
Unterstützen die Eltern der von Ihnen
betreuten Kinder Ihre Bemühungen?
Ja, denn Eltern ist die Ernährung ein Anliegen.
Sie erkundigen sich nach den Essgewohnheiten in der Krippe, wollen wissen, was und wie
gekocht wird. Wir nehmen alle Anliegen und
Erwartungen ernst und erleben von Seiten der
Eltern viel Vertrauen. Mit Hilfe des Projektes
«schnitz und drunder» können wir unsere Philosophie noch besser aufzeigen und das Vertrauen der Eltern bestärken.
Wie setzen Sie das Projekt konkret um?
Die Köchin und ich haben das Team vorgängig
informiert. Es ist wichtig, dass alle dieselbe
Grundhaltung vertreten und offen für Veränderungen sind. Mittlerweile hat sich eine tolle
Dynamik entwickelt: Mitarbeiterinnen melden
sich bei der Köchin, wenn sie ein leckeres
Rezept entdeckt haben, und sie überlegen,
wie sie die Kinder motivieren können, Neues
auszuprobieren. So dürfen zum Beispiel die
Kinder jetzt beim Mittagessen selbst schöpfen, das macht Spass. Das Projekt steht am
Anfang, wir sind gespannt, wie es sich entwickeln wird.
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Frau Monika Meyer, Köchin in der Kinderkrippe Hurrlibus, findet es gut, dass sie bei der Menüplanung begleitet wird
und ihr Fachwissen erweitern kann. Foto: Kinderkrippe Hurrlibus
Und was sagt die Köchin?
Sie findet es gut, dass sie bei der Menüplanung begleitet wird und ihr Fachwissen erweitern kann. Es gibt ja in diesem Bereich viele
Herausforderungen – Ernährungswandel, moderne Technologien der Zubereitung oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien
zum Beispiel. Durch die Begleitung bekommt
die Köchin viele wertvolle Tipps.
kann. Die mit dem Projekt verbundene Auszeichnung soll motivieren, das Thema der gesunden Ernährung weiterzuentwickeln.
Wie hoch ist der Aufwand?
Die detaillierte Menüplanung ist aufwändig,
und auch die wöchentliche Planung dauert
länger, weil genauer überlegt und auch einmal
Fachlektüre zu Rate gezogen werden muss.
Doch der Aufwand lohnt sich, wenn man das
Resultat sieht. Die Köchin trägt viel Verantwortung – und darf für ihren Job auch Zeit beanspruchen.
Das Projekt ist Teil des Luzerner Aktionsprogramms «Gesundes Körpergewicht»,
das in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz umgesetzt wird.
Anfang September 2011 haben die heilpädagogische Schule in Willisau und die Betreuung St. Karli in Luzern als erste Betriebe im Kanton die Auszeichnung «schnitz
und drunder» erhalten. Aktuell werden
neun weitere Verpflegungsanbieter sowie
eine Tagesfamilie vom BBZN in Schüpfheim bei ihrer Menüplanung beraten.
Was erwarten Sie sich von der Teilnahme
an «schnitz und drunder»?
Das Projekt gibt uns Sicherheit. Langfristig soll
es bewirken, dass ausgewogene Ernährung
für alle selbstverständlicher wird, und spürbar machen, dass gesundes, ausgewogenes
Essen mit viel Lust und Spass erlebt werden
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
Interview: Sarah Menegale
«schnitz und drunder»
Weitere Informationen:
www.gesundheit.lu.ch/gewicht > schnitz
und drunder
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Fokus: Gesunde
Migrantenkinder
Mütter- und Väterberatung mit interkultureller Vermittlung
Für Eltern mit Migrationshintergrund ist es
in der neuen Umgebung oft nicht leicht, zu
wissen, wie sie ihre Kleinkinder richtig ernähren sollen. Dank dem Projekt «Miges
Balù» haben sie nun leichteren Zugang zu
entsprechender Beratung.
«Zugewanderte Familien sind oft überfordert
vom riesigen Angebot an Nahrungsmitteln in
unseren Geschäften», sagt Christine Geiser,
Teamleiterin der Mütter- und Väterberatung
des Sozial-BeratungsZentrums (SoBZ) Hochdorf und Sursee. Deshalb orientierten sich
viele Mütter an der Werbung, wo Süssgetränke und gezuckerte Naschereien als gut für die
Kinder angepriesen würden. Auch herrsche oft
die Meinung vor, dicke Kinder seien besonders gesunde Kinder. Mit dem Projekt «Miges
Balù» werden nun diese Eltern besonders angesprochen.
Als Erstes wurden Begrüssungsschreiben und
Broschüren über Ernährung und Bewegung in
verschiedene Sprachen übersetzt, und zu den
Beratungsgesprächen wurden interkulturelle
Vermittlerinnen beigezogen. Doch die Hauptschwierigkeit lag darin, den zugewanderten
Eltern die Dienstleistungen der Mütter- und
Väterberatung genau zu erklären. Denn viele
dachten zu Beginn, man wolle ihnen etwas
verkaufen oder sie bevormunden. Seit letztem
Herbst übernehmen nun interkulturelle Vermittlerinnen den Erstkontakt: Schon kurz nach
der Geburt eines Kindes rufen sie die Eltern im
Auftrag der Mütterberaterin an und erklären
ihnen in ihrer Muttersprache die Dienstleistungen der Mütter- und Väterberatung. «So wird
das Eis gebrochen», sagt Christine Geiser. «Die
Familien verstehen nun besser, welchen Nutzen ihnen unser Angebot bringen kann.»
Interessierte Somalierinnen
Zurzeit werden Beratungen in den Sprachen
Albanisch, Serbisch/Bosnisch/Kroatisch, Portugiesisch und Somalisch durchgeführt. Aber
es stehen interkulturelle Vermittlerinnen in
weiteren Sprachen bereit. Christine Geiser
spricht von ersten Erfolgen: Vor allem somalische Familien kommen nun regelmässig zu
Beratungsgesprächen, wo sie sich auch untereinander austauschen können. «Diese Mütter
interessieren sich sehr für gesunde Ernährung», sagt Christine Geiser. «Und sie möchten
Interkulturelle Vermittlerinnen erklären den Eltern in ihrer Muttersprache, welche Dienstleistungen
die Mütter- und Väterberatung anbietet. Foto: Esther Camara
es in ihren Familien so machen, wie es hier in
der Schweiz üblich ist.» In einer albanischen
Familie betreute vor allem die Grossmutter,
die nicht Deutsch spricht, das Kind. Sie ernährte es mit Kuhmilch, wie sie das auch früher
immer gemacht hatte. Doch das Kind nahm
einfach nicht zu. Mit Hilfe der interkulturellen
Vermittlerin konnten die Mütterberaterinnen
die Grossmutter davon überzeugen, dass die
Ernährung geändert werden müsse. Daraufhin
nahm das Kind normal an Gewicht zu.
Viel Zeit ist nötig
Christine Geiser betont, dass der Aufbau des
Projektes Zeit braucht. Sie seien immer noch
am Herausfinden, wie sie am besten vorgingen. Denn Fingerspitzengefühl ist nötig, um
bei den verschiedenen Familien den richtigen
Weg zu finden. So habe sich einmal eine Frau
beleidigt gezeigt, als sie in ihrer Muttersprache
kontaktiert wurde; sie könne doch Deutsch,
habe sie betont. Und wenn eine Familie für die
Beratung den Schwiegervater als Übersetzer
organisiert – «Wir wollen die Eigeninitiative der
Familie auf keinen Fall unterbinden» –, müsse
gleichzeitig gesichert sein, dass sich die junge
Mutter bei der Beratung frei und wohl fühle.
Zeit braucht auch der Aufbau von Beziehungen und Vertrauen – und nicht zuletzt dauert
ein Beratungsgespräch mit interkultureller Vermittlung naturgemäss viel länger als ein ande-
res. Doch die bisherigen Erfolge zeigen, dass
es sich lohnt, diese Zeit zu investieren. Und
der Aufbau des Projekts geht weiter: Künftig
arbeitet die Mütter- und Väterberatung an einer stärkeren Vernetzung mit den verschiedenen existierenden Migrantengruppen. Wenn
ihr Angebot auch in diesen Gruppierungen ein
Thema wird, ist der Weg von zugewanderten
Eltern zur Beratung weiter geebnet.
Rosmarie Kayser
«Miges Balù»
Die Stadt Luzern hat als erste Gemeinde
im Kanton das Projekt «Miges Balù» erfolgreich umgesetzt. Inzwischen gehören
interkulturelle Vermittler/innen zu den
Regelstrukturen der städtischen Mütterund Väterberatung. Seit Herbst 2010 läuft
das Projekt auch im Sozial-BeratungsZentrum (SoBZ) der Regionen Hochdorf und
Sursee.
«Miges Balù» ist Teil des Luzerner Aktionsprogramms «Gesundes Körpergewicht»,
das in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz realisiert wird.
Weitere Informationen:
www.gesundheit.lu.ch/gewicht > Miges Balù
Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Ausstellung
Die Ohren schützen und
den Lärm vermeiden
Ausstellung «Wie bitte?» in Udligenswil
Im November luden die Kommission für Gesundheitsfragen und der Samariterverein
Udligenswil zur Ausstellung
«Wie bitte?» über Hören
und Lärm ein. Die Botschaft
der Ausstellung und der Begleitveranstaltungen: «Wir
müssen Sorge zu unserem
Gehör tragen, aber auch
gesundheitliche Schäden
durch Lärm vermeiden.»
Es gibt einen internationalen
«Tag gegen Lärm», den «International Noise Awareness
Day», der in Amerika, Deutschland, Spanien, Österreich und
der Schweiz jeweils im April
stattfindet, das nächste Mal
am 25. April 2012. Wichtig
sei er deshalb, weil Lärmbelastung und Lärmvermeidung mehr Aufmerksamkeit
brauchen, sagen Fachleute.
Das Bundesamt für Umwelt
(BAFU) hält in Sachen Lärm
nämlich fest, dass in der
Schweiz mehr als eine Million Menschen in Gebieten leben, in denen die geltenden
Grenzwerte überschritten werden. Diese chronische Lärmbelastung versetze den Körper permanent in Alarmbereitschaft und schade so der
Gesundheit, heisst es in einem Faktenblatt des BAFU.
Bereichen Arbeit und Büro,
Verkehr, Freizeit und Umwelt
sowie Lärmschutz und Lärmprävention dargestellt. Dazu
gab es die Möglichkeit, von
den Suva-Modulen «Hörcheck
im Alter» oder «Wie laut hör
ich Musik?» zu profitieren
oder sich an Computern interaktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Neben der Ausstellung fanden zwei Begleitanlässe statt.
Speziell für Seniorinnen und
Senioren gedacht war ein Vortrag von Sue Bachmann von
Pro Audito Luzern zum Thema «Beratung – der Weg zum
Hörgerät». Der Vortrag des
Luzerner Hals-Nasen-Ohrenarztes Markus Reber und der
Audio-Agogin Sue Bachmann
über Gehörprobleme ergänzte
die Ausstellung.
Vorbeugen ist besser
«Erst durch das Hören begegnen wir unseren Mitmenschen,
durch das Sprechen und Angesprochenwerden entwickeln
sich unsere Identität und Persönlichkeit. Gelingt die Verbindung im Hören nicht mehr
oder nur bruchstückhaft, treten Unsicherheit, Isolation und
Hildegard Gisler und Alison Hodel konzipierten die Ausstellung «Wie bitte?» in Udligenswil.
Vereinsamung auf», schrieb
die Kommission im Gemeinde-Informationsblatt. Sie wollKonkrete Probleme aufgreifen
auf konkrete Probleme in der Umgebung zu
te dieser Gefahr entgegenwirken. Die AusstelUdligenswil ist eine ruhige, beschauliche Lusensibilisieren, sagen die Mitglieder. «Das malung sollte nicht nur hörbehinderte Menschen
zerner Gemeinde, aber trotzdem sind alle
chen wir vielfach gemeinsam mit anderen Veransprechen. Auch Gesunde, seien sie jung
Einwohnerinnen und Einwohner im Alltag
einen. So werden Anlässe breiter abgestützt
oder alt, sollten hörbelastende Faktoren und
mehr oder weniger Lärmbelastungen ausgeund erreichen mehr Menschen.»
ihre möglichen Auswirkungen kennenlernen.
setzt. Deshalb schien es der Kommission für
Ausstellung und Vorträge seien gut besucht
Gesundheitsfragen – Sozialvorsteherin Rita
Ausstellung und Vorträge
gewesen, sagen die Kommissionsmitglieder.
Rigert, Sozialarbeiterin Mariann Glauser und
Die Ausstellung, konzipiert von SamariterlehIhr Wunsch: Möglichst viele Menschen sollen
Physiotherapeutin Alison Hodel – wichtig, darerin Hildegard Gisler und Alison Hodel, zeigte
die Tipps und Anregungen über Gehörschutz
rauf aufmerksam zu machen, «dass jede Frau,
Aufbau und Funktion des Ohres, behandelte
und Lärmprävention im Alltag umsetzen.
jeder Mann etwas zum Gehörschutz und zur
Akustik und Hören, Gesundheit und Krankheit
Lärmbekämpfung beitragen kann». Die Komdes Ohres sowie die Geschichte des HörapRenate Metzger-Breitenfellner
mission wähle nicht irgendwelche abstrakte
parates. Mit Hilfe von Unterlagen von Suva
Themen, sondern versuche die Bevölkerung
und Ökomobil wurden Lärmbelastung in den
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Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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Informationen
Impressum
Tagung
«info Gesundheit» ist das offizielle Informationsorgan der gemeindeorientierten
Gesundheitsförderung im Kanton Luzern,
eine Dienstleistung der kantonalen Gesundheitsförderung.
Die neue Schweizer
Lebensmittelpyramide
Arbeitsplatz 2020 –
Gemeinsam in die Zukunft
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichen die neue Schweizer Lebensmittelpyramide.
Die Schweizer Lebensmittelpyramide stellt
die Empfehlungen für ein ausgewogenes
und genussvolles Essen und Trinken für gesunde Erwachsene dar.
Sie zeigt auf einfache und verständliche
Weise, wie viel es von welchen Lebensmitteln braucht. Eine Ernährung nach der
Lebensmittelpyramide gewährleistet eine
ausreichende Versorgung mit Energie,
Nähr- und Schutzstoffen. Sie fördert Gesundheit und Wohlbefinden und trägt dazu
bei, Krankheiten vorzubeugen.
Nationale Tagung für betriebliche
Gesundheitsförderung,
Mittwoch, 22. August 2012,
Universität Zürich
Weitere Informationen:
www.sge-ssn.ch
Gesundheitsinformationen
neu in neun Sprachen
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) macht
seine Gesundheitsinformationen für Migrantinnen und Migranten noch besser zugänglich: Der Web-Auftritt von migesplus.ch
ist neu in neun statt bisher drei Sprachen
übersetzt. Neben den drei Landessprachen
Deutsch, Französisch und Italienisch existiert die Website neu auf Albanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch und Türkisch. Damit
deckt sie die von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz am häufigsten gesprochenen Sprachen ab.
Weitere Informationen:
www.migesplus.ch
Moderne Arbeitswelten befinden sich in
ständigen Wandlungs- und Anpassungsprozessen. Technologische, demografische
und ökonomische Entwicklungen beschleunigen diese und stellen die Schweizer
Volkswirtschaft und Unternehmen aus allen
Branchen vor neue Herausforderungen.
Weitere Informationen:
www.gesundheitsfoerderung.ch
Publikation
Bewegungskalender
Bewegen – aber wie? Sich «in Bewegung zu
setzen» fällt oft schwer. Der neue, untypische und die Lachmuskeln stimulierende
Bewegungskalender von «action d» soll
Abhilfe schaffen.
Er enthält praktische Wochenblätter zum
Eintragen der täglichen Aktivitäten. Mit Hilfe der Wochenblätter kann das eigene Bewegungsverhalten analysiert und entsprechend verbessert oder optimiert werden.
Preis: Fr. 15.90 plus Fr. 4.00 Versandkostenpauschale
Bestelladresse:
www.actiond.ch
Herausgeber
Dienststelle Gesundheit
Gesundheitsförderung
Meyerstrasse 20, Postfach 3439
6002 Luzern
Telefon 041 228 60 89
Telefax 041 228 67 33
[email protected]
www.gesundheit.lu.ch
Konzept und Redaktion
Stefan Brändlin, Claudia Burkard Weber,
Martin Degen, Sarah Menegale Lauber,
Renate Metzger-Breitenfellner,
Anita Schärli-Jenni, Bernadette WürschSteinmann
Gestaltung
design open gmbh, Bruno Imfeld
Erscheinungsweise/Auflage
Zweimal jährlich (42. Ausgabe)
Auflage: 3600 Exemplare
Beiträge für die Oktober-Ausgabe 2012
Textbeiträge sind willkommen. Sie haben
die Möglichkeit, über Ihre Veranstaltungen
und Projekte zu informieren, und erreichen
damit hauptsächlich im Gesundheitsbereich
tätige Institutionen, Vereine, Initiativen und
Multiplikatoren. Wir freuen uns sehr, wenn
Sie uns Ihre Unterlagen elektronisch zur
Verfügung stellen. Einsendeschluss für die
Ausgabe 2/2012 ist der 15. August 2012.
Die Redaktion behält sich die sinnwahre
Kürzung und die redaktionelle Bearbeitung
von eingereichten Artikeln vor.
Die Beiträge im «info Gesundheit» geben
die Meinung der Autorin oder des Autors
wieder. Sie muss nicht notwendigerweise
mit der Meinung der kantonalen Gesundheitsförderung übereinstimmen.
Impressum
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Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12
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