Ausgabe 1/2012 Fachstelle Gesundheitsförderung Das menschliche Sein besser verstehen Kultur und Gesundheit werden erforscht Optimisten leben länger Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen zusammen Dienststelle Gesundheit gesundheit.lu.ch Inhalt Editorial 2 3 Schritte zählen für «Luzern geht gern» – Mitmachen lohnt sich 4 Glücksgefühle … – Eine Kampagne der Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung 5 Besser aufklären, vernetzen und austauschen – Situationsanalyse und Handlungsoptionen zu betrieblicher Gesundheitsförderung 6 Das menschliche Sein besser verstehen – Der Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit wird erforscht 8 Eine interessante Symbiose – «Ikast-Brande» fördert mit kulturellen Angeboten die Gesundheit 9 Optimisten leben länger – Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen zusammen 10 «Ohne Kultur gibt es keine Gesundheit» – Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern 11 «Wenn ich Menschen lachen höre, tut das sehr gut» – Emil Steinberger, Komiker, Schauspieler und Autor 12 Alle Kontinente vereint auf der Bühne – Chor der Nationen Luzern 14 «Tanzen ist gut für Körper, Intellekt und Seele» – Catherine Sennrich unterrichtet Jung und Alt – und ist selbst begeisterte Tänzerin 16 Kochen als Quell der Lebensfreude – Kolip auf den Spuren von gesundheitsfördernder Lebens-, Koch- und Linsenlust 18 Die grüne Lunge auf dem Autobahndach – In Ennethorw ist ein neues Quartier entstanden 19 Mit Kräutern und Okra Depressionen bekämpfen – Interkultureller Garten «Rosenduft» in Berlin Kreuzberg 20 «Es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt» – Kinderkrippe Hurrlibus in Willisau macht beim Projekt «schnitz und drunder» mit 21 Fokus: Gesunde Migrantenkinder – Mütter- und Väterberatung mit interkultureller Vermittlung 22 Die Ohren schützen und den Lärm vermeiden – Ausstellung «Wie bitte?» in Udligenswil 23 Splitter Informationen, Tagung, Publikation Liebe Leserin Lieber Leser «Ballett, Bildkunst, Gesang, Tanz und Musik im Allgemeinen wirken gesundheitsfördernd und erhöhen die Lebensqualität.» Ola Sigurdson, Kulturjournalist und Professor für systematische Theologie an der Universität Göteborg, beruft sich auf verschiedene Forschungsprojekte in Zusammenhang mit Kultur und Gesundheit. Auch in Dänemark nutzt man den Zusammenhang von Gesundheit und Kultur. Dass es diesen Zusammenhang gibt, lässt sich auch in der Schweiz feststellen: So sensibilisiert die Kampagne «Glücksgefühle» der Fachstelle Gesundheitsförderung für den Aufbau von Beziehungen und sozialen Kontakten zur Förderung der psychischen Gesundheit, der Luzerner Kulturbeauftragte Daniel Huber setzt auf die entspannende, ja sogar heilende Wirkung von Musik und Kultur, Emil Steinberger hält ein Plädoyer für den Humor (wie schon «Ohne Rolf» in der letzten Nummer des «info Gesundheit»), Catherine Sennrich von tanzen-luzern.ch fördert in ihren Tanzkursen sowohl das physische als auch das psychische Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – und der Chor der Nationen gibt auch Asylsuchenden und Zugewanderten eine Art von Beheimatung, stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit und damit auch die psychische Stabilität. Mit dem Schaffen von Kulturland beschäftigen sich die Beiträge über den interkulturellen Garten in Berlin und die Schrebergärten auf der Autobahnüberdachung in Horw: beides Projekte, bei denen es um mehr als Naturverbundenheit und gesunde körperliche Arbeit geht: nämlich um Erinnerung, um Heimat. Und darum, einen schönen, einen positiven Lebensraum zu schaffen. Auch das ist Kultur. Und auch das macht glücklich. Titelbild: Die Brass Band Feldmusik Escholzmatt pflegt das Vereinsleben. Foto: Benedikt Meier Claudia Burkard Weber, EUMAHP Leiterin Gesundheitsförderung Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Projekt Schritte zählen für «Luzern geht gern» Mitmachen lohnt sich m d , n z r l e l h , e e n n - t Mit dem Projekt «Luzern geht gern» ermutigt die Fachstelle Gesundheitsförderung die Bevölkerung des Kantons Luzern, täglich 10 000 Schritte zu gehen. Foto: Thomas Zimmermann «Luzern geht gern» will Schwung in die Luzerner Bevölkerung bringen. Das Projekt der Fachstelle Gesundheitsförderung Luzern und der Suva soll zu 10 000 Schritten pro Tag motivieren und zeigen, wie einfach Bewegung in den Alltag integriert werden kann. Eigentlich wäre es so einfach, der eigenen Gesundheit etwas Gutes zu tun. Per Velo zur Arbeit, zu Fuss in den dritten Stock – doch die Realität ist oft eine andere. Unser Alltag – einst von ständigem Bewegen, Jagen und Umherziehen geprägt – ist bewegungsarm geworden. Zur Arbeit gehts im Bus oder im Auto, im Büro folgt Sitzung auf Sitzung, und oft legen wir nur noch die Strecke zwischen Computer und Drucker zu Fuss zurück. Den Feierabend geniessen wir vor dem Fernsehgerät, die alltägliche Bewegung ist verloren gegangen. Obwohl sich der Sport grosser Beliebtheit erfreut, bewegen sich mehr als die Hälfte der Luzernerinnen und Luzerner zu wenig, um daraus einen gesundheitlichen Nutzen ziehen zu können. Warum 10 000 Schritte? Im Durchschnitt geht eine Person pro Tag knapp 7000 Schritte. Das genügt leider nicht, um die Gesundheit zu fördern. Das Bundesamt für Sport empfiehlt 30 Minuten Bewegung pro Tag, dies entspricht ca. 3000 Schritten. «Luzern geht gern» nimmt diesen Ratschlag auf und zählt die 7000 und 3000 Schritte zusammen. Et voilà: Die 10 000 Schritte sind geboren. Wer an fünf von sieben Tagen in der Woche die 10 000 Schritte unter die Füsse nimmt, kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes II und bestimmte Formen von Krebs vermindern. Kleine Schritte mit grosser Wirkung Mit dem Projekt «Luzern geht gern» möchte die Fachstelle Gesundheitsförderung des Kantons Luzern die Bevölkerung ermutigen, die 10 000 Schritte in ihren Alltag einzubauen. Steigen Sie eine Busstation früher aus, gehen Sie die letzten paar hundert Meter zu Fuss, und holen Sie das Sandwich am Mittag zu Fuss und nicht mit dem Auto. Nutzen Sie am Abend die letzten Sonnenstrahlen, um Ihren Hund Gassi zu führen – und vergessen Sie nicht, einen Schrittzähler einzustecken. Dieser zählt den ganzen Tag mit und zeigt Ihnen fortlaufend, wie nahe Sie Ihrem Ziel gekommen sind. Auch andere sportliche Aktivitäten wie zum Beispiel Velofahren oder Schwimmen können auf der Internetseite in geleistete Schritte umgerechnet werden. Sie werden sehen, die 10 000 Schritte werden Ihnen gut tun. Wie können Sie teilnehmen? Eine beschränkte Anzahl Schrittzähler kann ab dem 14. Mai 2012 in Apotheken, Dro- gerien und bei den teilnehmenden Hausärzten im Kanton Luzern bezogen werden. Registrieren Sie sich auf der Internetseite www.luzerngehtgern.ch. Zwischen dem 21. Mai und dem 1. Juli 2012 tragen Sie Ihre Schritte regelmässig auf der Internetseite ein und legen so eine virtuelle Strecke durch den Kanton zurück. Auf einer Karte können Sie Ihr Voranschreiten beobachten. Sie glauben, Sie schaffen das? Wir glauben das auch! Lassen Sie uns deshalb die virtuelle Strecke ab dem 21. Mai 2012 gemeinsam unter die Füsse nehmen. Die Teilnahme kostet nichts, den Schrittzähler schenken wir Ihnen – und mit ein wenig Glück gewinnen Sie sogar einen der attraktiven Preise. Wir freuen uns darauf, Sie ab dem 21. Mai 2012 beim Projekt «Luzern geht gern» begrüssen zu dürfen! Martin Degen Weitere Informationen: Dienststelle Gesundheit Gesundheitsförderung Martin Degen Projektleiter «Luzern geht gern» Telefon 041 228 65 29 [email protected] www.luzerngehtgern.ch Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 3 Kampagne Glücksgefühle … Eine Kampagne der Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung Tragfähige Beziehungen und soziale Einbindung beeinflussen das psychische Wohlbefinden positiv. Die Kampagne «Glücksgefühle» der Fachstelle Gesundheitsförderung des Kantons Luzern sensibilisiert dafür, wie wichtig der Aufbau von Beziehungen und von sozialen Kontakten für die psychische Gesundheit ist. Plakate zu den Themen Lächeln, Nachbarschaft, Singen und Tanzen, Spots in Bussen der Stadt und der Luzerner Landschaft und Aktionen in verschiedenen Gemeinden motivieren seit April 2012 im Kanton Luzern alle Menschen dazu, in ihr seelisches Wohlbefinden zu investieren. Das seelische Wohlbefinden ist eine riesige Ressource, die gepflegt werden muss. Solange es den Menschen gut geht, ist die Psyche oftmals kein Thema. Sie funktionieren und nehmen kaum zur Kenntnis, welch grosse Bedeutung und welche Auswirkungen die seelische Gesundheit auf ihr Wohlbefinden hat. Doch genau dann, wenn es gut geht, sollte ins seelische Wohlbefinden investiert werden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass tragfähige Beziehungen und soziale Einbindung einen grossen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden haben. So erkranken Personen, die sozial eingebettet sind, weniger häufig an 4 psychischen Störungen und erholen sich im Falle einer Erkrankung oftmals schneller als solche, die sich einsam oder alleine fühlen. Mit der Kampagne «Glücksgefühle» möchte die Fachstelle Gesundheitsförderung des Kantons Luzern zeigen, wie wichtig der Aufbau von Beziehungen und von sozialen Kontakten ist. Das Engagement in einem Verein, die Pflege von Nachbarschaftsbeziehungen oder das positive Zugehen auf andere Personen können zum Aufbau von wertvollen Beziehungen beitragen. Und ein tragfähiges Beziehungsnetz leistet dann wertvolle Hilfe, wenn es einmal nicht so gut läuft. Die vier Sujets der Kampagne «Glücksgefühle» sind an verschiedenen Orten im Kanton Luzern anzutreffen: • Das Bild «Lächeln» ermuntert dazu, mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch die Gegend zu laufen. • «Nachbar» weist auf den Wert der Pflege von Nachbarschaft hin. • «Tanzen» und «Singen» ermutigen die Einwohnerinnen und Einwohner dazu, sich aktiv am Vereinsleben zu betätigen. Mehrere Gemeinden begleiten die Kampagne mit einem Flyer, auf dem das jeweilige Ange- Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 bot der Gemeinde zur Förderung von sozialen Kontakten aufgeführt ist. Schliesslich werden in verschiedenen Bussen in der Stadt und in der Luzerner Landschaft Spots mit den vier Sujets als Anregung zum Aufbau von Beziehungen und sozialen Kontakten ausgestrahlt. Schauen Sie hin, lassen Sie sich von den Bildern inspirieren und investieren Sie in Ihr seelisches Wohlbefinden! Bernadette Würsch Weitere Informationen: Dienststelle Gesundheit Gesundheitsförderung Bernadette Würsch Programmleiterin «Psychische Gesundheit» Telefon: 041 228 66 03 [email protected] www.gesundheit.lu.ch/psyche n n n - - Situationsanalyse Besser aufklären, vernetzen und austauschen Situationsanalyse und Handlungsoptionen zu betrieblicher Gesundheitsförderung Die Fachstelle Gesundheitsförderung der Dienststelle Gesundheit hat eine Situationsanalyse zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) im Kanton Luzern in Auftrag gegeben. Das Resultat: Es gibt viele öffentliche und private Anbieter, die punktuell Massnahmen umsetzen. Generell sollte jedoch noch mehr aufgeklärt, sensibilisiert und vernetzt werden. Betriebliche Gesundheitsförderung zahlt sich aus. Sie kann einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsförderung von Mitarbeitenden leisten, Absenzen und Krankheitskosten reduzieren, das Betriebsklima verbessern und die Produktivität steigern. Im Auftrag der Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung des Kantons Luzern führte «Interface Politikstudien» eine Bestandesaufnahme des gegenwärtigen Angebots sowie eine Befragung von Anbietern und Betrieben zur Situation von BGF im Kanton durch. Handlungsbedarf ist angezeigt Die Analyse zeigt auf, dass viele öffentliche und private BGF-Anbieter im Kanton tätig sind. Auch kantonale Dienststellen wie die Dienststelle Gesundheit, Gesundheitsförderung, oder die Dienststelle Volksschulbildung setzen punktuell Massnahmen im Bereich BGF um. Eine Übersicht über die verschiedenen Aktivitäten der Anbieter fehlte jedoch bisher. Auf Seiten der Betriebe ist der Stand der Umsetzung von BGF vielerorts noch gering. Vor allem bei kleineren und mittleren Betrieben besteht Sensibilisierungsbedarf, damit die Umsetzung von BGF-Massnahmen vorangetrieben werden kann. Sowohl die Anbieter als auch die Betriebe wünschen sich eine verstärkte Aufklärung der Betriebe bezüglich der Inhalte, des Aufwands und des Nutzens von BGF. Daneben besteht auch ein Bedürfnis hinsichtlich einer besseren Vernetzung zwischen Anbietern und Betrieben sowie von Betrieben untereinander, damit Erfahrungen zur Umsetzung von BGF ausgetauscht werden können. Der Kanton sollte, so die Sicht von Anbietern und Betrieben, in diesem Bereich eine Schlüsselrolle einnehmen. Basierend auf diesen Ergebnissen wird der Handlungsbedarf des Kantons nicht in der Gesunde und motivierte Mitarbeitende bilden die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs. Foto: Suva Schaffung von Neuem, sondern in der verbesserten Nutzung und Koordination der bestehenden Strukturen geortet. Die grosse Mehrheit der befragten Betriebe wünscht die Unterstützung in Form von Tagungen und Kursen der kantonalen Gesundheitsförderung im Bereich BGF. Dabei zeigen die Ergebnisse auf, dass der Kanton eher eine Vermittler- und weniger eine Anbieterrolle übernehmen soll. der Information und Sensibilisierung der Betriebe, der Koordination und Vernetzung von Betrieben und Anbietern sowie der Förderung der Umsetzung von BGF-Massnahmen in Betrieben. Die Aktivitäten der verschiedenen Anbieter werden so zielgerichtet, effizient und aufeinander abgestimmt erfolgen und es wird eine Grundlage für strategische Entscheide im Bereich BGF geschaffen. Weiteres Vorgehen Analog zu den bereits existierenden Programmen der Gesundheitsförderung (psychische Gesundheit, gesundes Körpergewicht, Gesundheit im Alter) wird die betriebliche Gesundheitsförderung als Schwerpunktthema von der Dienststelle Gesundheit aufgenommen. Dieses hat zum Ziel, in Zusammenarbeit mit relevanten verwaltungsinternen und -externen Partnern aufeinander abgestimmte, zielgerichtete Massnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf Claudia Burkard Weitere Informationen: Der vollständige Bericht «Betriebliche Gesundheitsförderung im Kanton Luzern: Situationsanalyse und Handlungsoptionen» kann unter www.gesundheit.lu.ch/betriebe heruntergeladen werden. Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 5 Dossier Das menschliche Sein besser verstehen Der Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit wird erforscht Der Blick nach Schweden zeigt, dass sich diverse Forschungsprojekte mit dem Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit beschäftigen. Ola Sigurdson, Kulturjournalist und Professor für systematische Theologie an der Universität Göteborg, über Forschungsprojekte, die Verbindung von Theorie und Praxis und das menschliche Sein an sich. Ola Sigurdson, Kulturjournalist und Professor für systematische Theologie. Gesundheit ist einerseits die Absenz von Krankheit, andererseits aber auch – laut Definition der Weltgesundheitsorganisation von 1948 – ein «Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens». Diese zwei Definitionen sind grundlegend für das Verständnis und die Förderung von Gesundheit. Wenn wir über Gesundheit sprechen, reden wir nicht nur davon, wie gut unsere Körper – oder Teile davon – oder Gedanken funktionieren, sondern auch darüber, wie sich unsere gesamte Existenz nicht nur in Relation zu sich selber, sondern auch zu anderen und zur Umwelt verhält. Das bedeutet, dass Gesundheit als vielschichtiges Phänomen wahrgenommen werden muss – und dass Kultur einen riesigen Einfluss auf die Gesundheit und die Gesundheitsverbesserung haben kann. Was ist Kultur? Kultur ist natürlich ebenfalls ein Konzept, das äusserst schwer zu definieren ist. Aus dem Lateinischen stammend – «cultura» wird vor allem als Kultivierung im landwirtschaftlichen Kontext verstanden – steht es für viele Dinge. In Bezug auf Gesundheit scheint mir, dass vor allem zwei Bedeutungen wichtig sind: kulturelle Artefakte wie zum Beispiel Sammlun6 Das Zentrum für Kultur und Gesundheit in Göteborg soll Verbindungen herstellen zwischen verschiedenen Fachgebieten – dies in der Ann signifikanten Beitrag zur Gesundheitsfrage leisten kann. gen von künstlerischen oder intellektuellen Werken, und ein System von Zugehörigkeiten wie etwa die Gesamtheit von Gewohnheiten, Werten, Überzeugungen. Meiner Meinung nach ist Kultur für die Gesundheit in Bezug auf beide Bereiche wichtig: Einer Kantate von Bach zuzuhören oder einen Garten zu kultivieren kann therapeutische Effekte haben; mein Verständnis davon, was ein gutes Leben ausmacht, hängt von meiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur ab, mein Zugang zu gesundheitsfördernden Mitteln korreliert möglicherweise mit der Kultur, zu welcher ich gehöre. Welche Musik sich positiv auf meine Gesundheit auswirkt, kann ebenfalls davon abhängen, welche Musik in meinem kulturellen Umkreis geschätzt wird. Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Unter Berücksichtigung der Vielfältigkeit von Kultur und Gesundheit und ihrer Abhängigkeit voneinander startete die Universität Göteborg vor einigen Jahren mit einer Serie von Seminaren, die schliesslich zum Buch «Kulturen och hälsan» (Kultur und Gesundheit) führten, zu einer Zahl von interdisziplinären Forschungsprojekten sowie zur Gründung eines Zentrums für Kultur und Gesundheit. Dieses Zentrum koordiniert all die Bestrebungen, die aus den einzelnen Initiativen hervorgehen. Es unterstützt die Zusammenarbeit zwischen Studierenden verschiedener Fachrichtungen und Fakultäten, fördert neue interdisziplinäre Forschung im Bereich «Kultur und Gesundheit» und interagiert mit der breiten Gesellschaft. Als grafisches Symbol dienen dem Zentrum eine n and Brain Health Initiative» interessiert daran, inwiefern die sensorische Stimulation des Gehirns durch kulturelle Aktivitäten wie Musik und Tanz rehabilitative Effekte haben kann. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens untersucht das Projekt «Kultur, Gesundheit und Persönlichkeit» empirisch, wie sich Gesundheit und Wohlergehen einerseits und kulturelle Gewohnheiten und Lebensstil andererseits gegenseitig beeinflussen. «Religion, Kultur und Gesundheit» geht der Frage nach, wie zeitgenössische politische, soziale und religiöse Gegebenheiten für Kultur und Gesundheit erfasst und nutzbar gemacht werden können. Zudem wird laufend in Feldern wie der «Evidenzbasierten Medizin» (EBM) aus philosophischer Perspektive geforscht: Untersucht werden die Rolle von Lebensstilfaktoren als Ursache von Krankheiten, der Zusammenhang von Geschlecht und Gesundheit und derjenige von Existenzgrundlage und Gesundheit, die personenzentrierte Pflege und die Frage, wie die Umwelt (inklusive Spitalarchitektur und -design) die Rehabilitation beeinflusst. Viele Fachbereiche sind bereits involviert – Anthropologie, bildende Kunst, Wirtschaft, Epidemiologie, Filmstudien, Gesundheitswissenschaften, Literatur, Neurologie, Philosophie, Politikwissenschaften und Theologie – und das Gebiet wächst ständig. ten – dies in der Annahme, dass transdisziplinäre Forschung künftig einen n t g h u s t n g d s e Spinne und ein Netz. Sie stellen die Aufgaben des Zentrums dar: Es soll Verbindungen herstellen zwischen verschiedenen Fachgebieten – dies in der Annahme, dass transdisziplinäre Forschung künftig einen signifikanten Beitrag zur Gesundheitsfrage leisten kann. Es wird breit geforscht Obwohl die Arbeit eben erst begonnen hat, wurden bereits wichtige Forschungsprojekte aufgegleist. Sie basieren hauptsächlich auf den Erkenntnissen des schwedischen Philosophen Fredrik Svenaeus, der drei erkennbare Dimensionen sowohl für Krankheit als auch für Gesundheit nennt: die biologischen Symptome, die persönliche Erfahrung und die kulturelle Repräsentation. Demzufolge ist die «Culture Was verbindet all diese unterschiedlichen Projekte miteinander und mit Kultur und Gesellschaft? Es ist offensichtlich, dass sich alle mit unterschiedlichen Auffassungen von Kultur und Gesundheit befassen – und es bleibt abzuwarten, was die Kooperation zwischen ihnen ergibt. Es liegt in der Natur transdisziplinärer Forschung, dass Ergebnisse und konzeptionelle Fragen nicht vorhersehbar sind, wenn nicht die Möglichkeiten im Voraus begrenzt werden. Diese Pluralität ist jedoch keineswegs verheerend; abgesehen davon, dass jedes Projekt mit seiner eigenen Definition von Kultur und Gesundheit arbeiten muss, gibt es auch internationale Richtlinien. Das Zentrum ist in Kontakt mit internationalen Forschungsgebieten wie «Arts and Health», «Medical Humanities», «Global Health» und künstlerischer Forschung. Vielleicht einzigartig für das Zentrum für Kultur und Gesundheit in Göteborg ist, dass es versucht, all diese Forschungsgebiete aus den unterschiedlichsten Gebieten zu vereinen und so die transdisziplinäre Arbeit für Kultur und Gesundheit noch stärker zu fördern. Verbindung von Theorie und Praxis Bei Kultur und Gesundheit geht es jedoch nicht nur um Forschung. In Schweden laufen viele praktische Projekte auf diesem Gebiet, die es verdienen, genauer betrachtet zu werden. Obwohl das Zentrum für Kultur und Gesundheit selbst keine Projekte lanciert, wird es bestehende Initiativen umso besser unterstützen, indem wir sie zu mehr Feldforschung motivieren und Gebiete kritisch überprüfen, die sich für solche Projekte eignen. Das Zentrum versucht zudem, durch seine Webseite (www.ckh.gu.se, in Schwedisch und Englisch) eine Anlaufstelle für andere Forschungszentren und Institute zu sein, indem es Links zu aktuellen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet publiziert. Da Göteborg eine kulturell stark aktive Stadt ist, weckt das Zentrum vor Ort Interesse für dieses Forschungsfeld, indem es mit Museen, Büchermessen und Filmfestivals zusammenarbeitet. Lokale, regionale und nationale Politikerinnen und Politiker interessieren sich dafür, die aktuelle Forschung sowie das Zentrum als mögliches Mittel für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu nutzen. Als nächster Schritt soll ein Masterstudiengang angeboten werden, der für unterschiedliche Fachrichtungen offen ist und weitere Berührungspunkte zwischen Hochschule und Gesellschaft schafft. Das Ziel des Zentrums für Kultur und Gesundheit besteht einerseits darin, effektivere Methoden der Rehabilitation zu propagieren, anderseits soll ein komplexeres Verständnis des menschlichen Seins gefördert werden. Wer von Gesundheit spricht, redet in gewisser Weise über die menschliche Existenz – und dabei ist es unabdingbar, eine zu eingeschränkte, reduzierende Sicht über unser Dasein in der Welt zu vermeiden. Ola Sigurdson (aus dem Englischen übersetzt von Martin Degen, redigiert von Renate Metzger-Breitenfellner) Weitere Informationen: www.ckh.gu.se Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 7 Dossier Eine interessante Symbiose «Ikast-Brande» fördert mit kulturellen Angeboten die Gesundheit Die «Ikast-Brande»-Kommune ist eine dänische Kommune in Jütland. Sie entstand 2007 im Zuge einer Kommunalreform durch Vereinigung der bisherigen Kommunen NørreSnede, Brande und Ikast. «Ikast-Brande» hat zirka 41 000 Einwohnerinnen und Einwohner und eine Fläche von 736,41 Quadratkilometern. Die Kommune arbeitet im Bereich «Kultur und Gesundheit» mit anderen Bezirken und mit dem «VIA University College of Southern Denmark» zusammen, das im vergangenen Semester den Diplomkurs «Kultur und Gesundheit» lanciert hat. Langfristig soll so auf dem theoretischen Hintergrund von salutogenetischer Forschung, Körperphänomenologie und Hirnforschung ein nationales Netzwerk zum Thema «Kultur und Gesundheit» geschaffen werden. Kunst und kulturelle Aktivitäten sind mit psychischer Gesundheit und Lebensqualität verbunden, weil viele von ihnen soziale und verbindende Elemente beinhalten. Die Kommune Ikast-Brande in Dänemark nutzt den Zusammenhang von Gesundheit und Kultur. Sie hat – inspiriert von der salutogenetischen Forschung – Rahmenbedingungen für bürgerorientierte Gesundheitsförderungsmassnahmen formuliert und bietet verschiedenste kulturelle Aktivitäten an. Gesundheitsgestalter Peter Thybo erklärt, wie das funktioniert. Kann jemand gesund sein und trotzdem an einer Krankheit leiden? Was zeichnet gesunde, optimistische Personen aus, und was lässt sich von ihnen lernen? Was braucht es, um trotz möglicher Krankheiten Wohlbefinden, Optimismus und Hoffnung zu entwickeln? Die Salutogenese lehrt, dass Gesundheit mehr ist als die Absenz von Krankheit und dass eine gesunde Person Anforderungen und Belastungen bewältigen kann. Dieses Verständnis von Gesundheit ist in der Kommune Ikast-Brande zentral – und spielt auch bei der Lancierung von gesundheitsfördernden kulturellen Angeboten und Aktivitäten eine Rolle. In der Vision des Bezirks heisst es, dass er «kulturelle Aktivitäten mit Gesundheit verbinden will. Wir glauben daran, dass es sich bei Gesundheit um einen geschätzten, zusätzlichen Nutzen handelt, der durch kulturelle 8 Aktivitäten aufrechterhalten werden kann.» Hintergrund dieser Vision ist, dass Kunst und kulturelle Aktivitäten existenzielle Erfahrungen ermöglichen. Gleichzeitig tragen Kunst, Kultur und die Teilnahme an kulturellen Aktivitäten (Literatur, Musik, visuelle Künste, Drama) dazu bei, das Eigentliche des menschlichen Wesens zu ergründen und das wahre Ich in der eigenen Person zu finden. Kunst und kulturelle Aktivitäten sind mit psychischer Gesundheit und Lebensqualität verbunden, mit bedeutsamen kreativen Prozessen und Identität – unter anderem deshalb, weil viele von ihnen soziale und verbindende Elemente beinhalten. Möglichkeiten aktiv erkennen «Gesundheit ist nicht ein fix definierbarer Standard oder physisches und psychisches Wohlergehen, sondern die aktive Realisierung von Lebensmöglichkeiten, die in allen Lebenssituationen zu finden sind», schrieb Hildegard von Bingen (1098–1179) vor fast tausend Jahren. Innerhalb der «Ikast-Brande»-Kommune definiert sich individuelle Gesundheit unter anderem in Verbindung mit den kulturellen Aktivitäten, in die eine Person involviert ist. Daraus ergibt sich eine interessante Symbiose zwischen Gesundheit und Kultur. Diese wird benutzt und weiterentwickelt, um unter- Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 schiedliche gesundheitsfördernde Angebote für Kinder, junge und ältere Menschen auf die Beine zu stellen. Die Gesundheitsverantwortlichen der Kommune präsentieren diese Aktivitäten unter anderem an Erlebnis- und Clubtagen oder im Unterricht. Im Rahmen von Vereinsanlässen, Freiwilligen-Netzwerken und Projekten mit fachübergreifenden Kooperationen werden Bürgerinnen und Bürger aktiv miteinbezogen. Zudem bietet die Kommune kulturelle Aktivitäten für Menschen an, die unter Stress leiden, chronisch krank sind oder in belastenden Lebenssituationen leben. Unter den Angeboten befinden sich Bibliotherapie (Lesen in Gruppen für Personen mit psychischen Problemen und «Lebensschmerzen»), Theatergruppen für Personen mit autistischen Störungen, Chorgesang in psychiatrischen Kliniken und Zentren für Behinderte. In «Ikast-Brande» hat das Umdenken in Sachen Gesundheitsförderung bereits begonnen. Peter Thybo, Gesundheitsgestalter, «Ikast-Brande», Dänemark (aus dem Englischen übersetzt von Martin Degen, redigiert von Renate Metzger-Breitenfellner) Optimisten leben länger Selbsteinschätzung und Sterberisiko hängen zusammen Menschen, die ihre Gesundheit positiv einschätzen, leben wahrscheinlich länger als jene, die sich darüber beklagen – und das unabhängig von Risikofaktoren wie Rauchen oder bestehenden Erkrankungen. Das belegt eine Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich. Wie schätzen Sie Ihre Gesundheit ein? Die Antwort auf diese Frage hängt mit der Überlebensbeziehungsweise Sterbewahrscheinlichkeit der befragten Person zusammen. Dass eine pessimistische Einschätzung mit einem erhöhten Erkrankungs- oder Sterberisiko einhergeht, liegt auf der Hand. Man kann annehmen, dass Personen, die ihre Gesundheit als schlecht einschätzen, durchschnittlich ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten zeigen, sozial benachteiligt oder bereits erkrankt sind. Selbsteinschätzung hat Bestand Neue Forschungen des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich belegen, dass die Selbsteinschätzung der Gesundheit auch über einen langen Zeitraum von über 30 Jahren mit der Wahrscheinlichkeit, zu überleben beziehungsweise zu sterben, zusammenhängt. In der in der Schweiz durchgeführten Studie hatten Männer, die ihre Gesundheit als «sehr schlecht» einschätzten, ein mehr als 3,3fach höheres Sterberisiko verglichen mit gleichaltrigen Männern mit der Bewertung «sehr gut». 1,9-mal so hoch war das Sterberisiko bei Frauen mit «sehr schlechter» Gesundheit im Vergleich zu jenen mit «sehr guter». Dabei nahm das Risiko von der optimistischsten zur pessimistischsten Einschätzung kontinuierlich zu. «Die stetige Risikozunahme und die lange Dauer von über 30 Jahren zwischen der Selbsteinschätzung und dem Ende der Beobachtungszeit machen es praktisch unmöglich, dass vorhandene Krankheiten oder eine dunkle Vorahnung Hauptursachen für den beobachteten Zusammenhang sind», erklärt der Leiter der Studie, Matthias Bopp. Risikofaktoren miteinbezogen Selbst unter Berücksichtigung von Bildungsstufe, Zivilstand, Belastung durch Rauchen, bestehenden chronischen Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Blutdruck und Blutzucker schwächte sich der Zusammenhang Forschungsresultate deuten darauf hin, dass Menschen, die ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen, Eigenschaften haben, die ihre Gesundheit fördern und erhalten. zwischen selbsteingeschätzter Gesundheit und Sterberisiko nur geringfügig ab. «Unsere Resultate deuten darauf hin, dass Menschen, die ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen, Eigenschaften haben, die ihre Gesundheit fördern und erhalten. Dazu könnten auch eine positive Lebenseinstellung und eine grundsätzliche Zufriedenheit mit dem eigenen Leben gehören», sagt dazu Präventivmediziner David Fäh. befinden. «Gute Ärztinnen und Ärzte sollten also nicht nur nach Risikofaktoren oder Krankheiten suchen, sondern auch prüfen, welche Gesundheitsressourcen ihre Patientinnen und Patienten haben, und diese gegebenenfalls fördern und festigen», fordert David Fäh. Die Studienergebnisse unterstützen die von der Weltgesundheitsorganisation vertretene Auffassung von Gesundheit als vollständigem körperlichem, geistigem und sozialem Wohl- Literatur Bopp M., Braun J., Gutzwiller F., Faeh D. Health risk or resource? Gradual and independent association between self-rated health and mortality persists over 30 years. PLoS ONE 2012; 7(2):e30795 David Fäh, Matthias Bopp Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr.1/12 9 Dossier «Ohne Kultur gibt es keine Gesundheit» Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern Für den Luzerner Kulturbeauftragten ist klar: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit. Er könnte sich auch vorstellen, mit der Gesundheitsförderung zusammenzuarbeiten – insbesondere bei Projekten für Kinder und Jugendliche. Herr Huber, was haben Kultur und Gesundheit miteinander zu tun? Daniel Huber: Meines Erachtens gibt es keine Gesundheit ohne Kultur. Dies gilt besonders, wenn man Gesundheit nicht einfach als Abwesenheit von körperlicher Krankheit definiert, sondern als ausgeglichenen Zustand, in dem das geistig-seelische Befinden im Einklang steht mit dem physischen. Denn «der Mensch lebt nicht vom Brot allein». Für unser Wohlbefinden brauchen wir auch seelische und geistige Nahrung. Sich ausdrücken, etwas gestalten, neugierig bestimmte Phänomene erkunden – das gehört zum Leben. Untersuchungen haben gezeigt, dass Musik gesundheitsfördernde Wirkung hat. Kunst macht aber auch aufmerksam darauf, wo Konflikte entstehen können. Und sie macht Menschen sensibler auf Fragestellungen, auf die sie von selbst vielleicht nicht kommen. Wie erleben Sie persönlich eine wohltuende Wirkung von Kultur? Ohne kulturelle Erlebnisse würde ich krank. Sinn und Anregung würden mir fehlen, ich würde abstumpfen. Wenn es mir nicht gut geht, können mich Musik oder eine Ausstellung wieder aufbauen, weil ich da irgendwie auf Sinn stosse. Kultur kann auch Trost spenden. Zum Beispiel beim Tod meiner Eltern half mir die Musik sehr, mich wieder zu fassen. Und was kann die Kultur allgemein für die Luzerner Bevölkerung bedeuten? Luzern ist ein barocker, katholischer Kanton, in dem der Staat und die Kirche kulturelle Aktivitäten immer gefördert haben. Das zeigt sich heute noch in den Musikfestivals, den vielen Chören und Blasmusiken, auch in der Fasnacht und im Brauchtum. All dies bringt den Menschen eine emotionale Bereicherung und ein Zugehörigkeitsgefühl; es wirkt identitätsstiftend. Diktatoren nehmen den Menschen zuerst die Kultur weg, um sie so zu entwurzeln. 10 Daniel Huber, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern. Ist der gesundheitsfördernde Aspekt von Kultur in Ihrer täglichen Arbeit ein Thema? Explizit nicht, ausser wenn es um Kunst am Bau bei Spitälern geht oder etwa um Clowns im Kinderspital. Aber ich wäre offen für eine Zusammenarbeit mit der Gesundheitsförderung. Es ist einfach bis jetzt nie dazu gekommen. Bei gewissen Kultursparten, zum Beispiel in der Rockmusik, denkt man aber eher an Alkohol, Drogen und Gehörschäden als an Gesundheitsförderung ... Wer Musik macht, ist meist nicht selbst der grosse Kiffer, denn diese Menschen müssen etwas leisten können. Ich denke da zum Beispiel an die Leute im Sedel: Sie arbeiten hart, um Form und Inhalt in ihrem Schaffen möglichst gut auszudrücken. Klar, es gibt extreme Künstlerbiografien, zum Beispiel von Menschen, die den Alkohol als Treibmittel brauchen. Menschen, die Grenzerfahrungen suchen und sich nicht mit einem Fernsehabend zufriedengeben, setzen sich Risiken aus. Auch Mozart starb, bevor er vierzig war. Doch mit seinem Werk hat er Abermillionen von Menschen glücklich gemacht. Übrigens gibt es auch im Sport Menschen, die sich mit Drogen und Überforderung selbst schaden. Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Bei der Sportförderung sehen trotzdem alle leicht den Nutzen für die Gesundheit. Was müsste man machen, damit dieser Aspekt auch bei der Kulturförderung bekannter wird? Ich sähe Möglichkeiten zu einer Zusammenarbeit mit der Gesundheitsförderung, besonders im Bereich «Kinder und Jugendliche». Heute nehmen psychische Erkrankungen bei jungen Menschen stark zu. Viele Jugendliche sind überfordert, vor allem durch die virtuellen Angebote der elektronischen Medien. Was ihnen fehlt, sind sinnliche Erfahrungen, die viel mehr Zufriedenheit schaffen als virtuelle. Ich bin überzeugt, dass Jugendkulturprojekte psychischen Erkrankungen entgegenwirken, dass sinnliches Tun, zum Beispiel die Beschäftigung mit Musik oder Theater, Ruhe und Kraft von Jugendlichen fördert. Interview: Rosmarie Kayser Weitere Informationen: www.kultur.lu.ch e s t r . i e n l h s g - «Wenn ich Menschen lachen höre, tut das sehr gut» Emil Steinberger, Komiker, Schauspieler und Autor Emil Steinberger bringt seit etlichen Jahrzehnten Menschen beruflich zum Lachen. Ein Gespräch über Humor, Kultur – und die gesundheitsfördernde Wirkung der Arbeit. Emil Steinberger, Sie stehen mit bald 80 Jahren noch fast hundert Mal pro Jahr auf der Bühne. Hält Humor jung? Das würde ich nicht unbedingt sagen. Humor kann eine hilfreiche Basis sein, um eine Situation aufzulockern. Aber ich glaube nicht, dass grosse Geschäftsprobleme mit Humor gelöst werden können. Was machen Sie, um Ihre Gesundheit zu erhalten? Arbeiten! Sport hat mich nie begleitet. Ich kann nicht mal die kleinsten Vorsätze einhalten. Zum Beispiel, jeden Tag 30 Minuten zu spazieren. Es sind wohl eher meine verschiedenen Aktivitäten, die mich gesund halten oder zumindest beschwerdefrei leben und arbeiten lassen. Was tun Sie für Ihre seelische Gesundheit? Ich gehe auf die Bühne! Wenn ich die Leute lachen höre, tut das schon sehr gut. Und manchmal geht es ja auch weiter, nach der Vorstellung. Ich hoffe, dass nicht alles vorbei ist, wenn die Besucher das Theater verlassen, sondern dass sie noch ein wenig davon zehren können. Schön finde ich aber auch die Begegnungen am Signiertisch. Es kam schon vor, dass ein Grossvater mit seinem Sohn, der Schwiegertochter und den Grosskindern da war, von denen das jüngste noch im Bauch war. Da waren drei Generationen, die Emil irgendwie mitbekommen haben. Ich finde es schön, wie solche Sachen weitervermittelt werden. Das alles bereitet mir grosses Vergnügen, obwohl es auch anstrengend ist. Sie schaffen also Seelenfutter für andere Menschen. Was ist Ihr eigenes Seelenfutter? Kultur zu empfangen hat immer mit dem Faktor Zeit zu tun. Die aktiven Menschen haben immer am wenigsten Zeit für Kultur. Aber jeder Mensch sollte ein Interesse haben, das ihn begleitet und ihn motiviert, Dinge zu unternehmen und zu erleben. Am liebsten konsumiere ich Kultur natürlich im Theater. In letzter Zeit waren wir aber auch sehr gerne und häufig in Niccel und Emil Steinberger. Foto: Christoph Hoigné, Bern Museen. Sie bieten eine sehr unkomplizierte Unterhaltung. Man kann einfach reinmarschieren, ohne Plätze reservieren zu müssen. Da sieht und erlebt man dann Dinge, die einem einfach gut tun und Impulse geben, selber aktiv zu werden. Das ist manchmal fast ein bisschen nervig ... überall läuft man mit einem Kopf voller Ideen raus, die man nicht verwirklichen kann – weil einfach die Zeit fehlt. Gibt es kulturelle Veranstaltungen, die Sie in letzter Zeit besonders berührt haben? Ich bin fast neidisch geworden, als ich in Deutschland die Ausstellung von Loriot gesehen habe. Sein ganzes Œuvre. Ganz toll gemacht. Ein anderes tolles Erlebnis war ein Brassband-Concours. Da kamen Bands aus dem hintersten «Chrachen»! Es ist schon erstaunlich, wie so kleine Dörfer ein ganzes Brass-Orchester zusammenbringen und erst noch in der besten Kategorie mitspielen. Wir schimpfen ja viel über die «heutige Jugend». Aber es gibt so viele aktive Jugendliche, die Musik machen, etwas lernen und auf die Beine stellen. Emil Steinberger, Jahrgang 1933, ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten Schweizer Kabarettisten aller Zeiten. Als Emil hat der gelernte Postbeamte und Grafiker in den 1970er- und 1980er-Jahren grosse Erfolge in der Schweiz, der BRD und der DDR gefeiert. Daneben war er als Sprecher und Schauspieler tätig. 1987 lief die letzte Emil-Vorstellung. Ende 1993 zog er für sechs Jahre nach New York. Heute schreibt Emil Steinberger Bücher und ist regelmässig auf Lesetour durch die Schweiz und Deutschland. Quelle: spectra – Newsletter für Gesundheitsförderung und Prävention des Bundesamts für Gesundheit (BAG); Interview: Christoph Hoigné. Ungekürzte Version in: spectra, Nr. 88, September 2011 Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 11 Dossier Alle Kontinente vereint auf der Bühne Chor der Nationen Luzern Menschen aus 25 Nationen bringen gemeinsam Musik aus verschiedensten Kulturkreisen zur Aufführung. Das freut nicht nur das Publikum. Auch für die Mitwirkenden ist diese Art der Chorarbeit bewegend; sie kann gar zu einer wichtigen Stütze im Leben werden. Die 500 Plätze in der Lukaskirche reichten nicht aus, als der Chor der Nationen im vergangenen November zum Konzert auftrat; einige Gäste mussten sich mit Stehplätzen begnügen. Auf der Bühne standen 75 Sängerinnen und Sänger; viele in Schwarz mit einem farbigen Schal, aber dazwischen auch Leute in afrikanischen Gewändern, in indischen Saris, in Schweizer Trachten. Sie stammen aus 25 verschiedenen Nationen, und entsprechend bunt gemischt ist das Repertoire – gekonnt dargeboten und begleitet von einem vierzehnköpfigen Orchester. Das Publikum liess sich schnell mitreissen, klatschte begeistert mit bei afrikanischen Rhythmen, forderte Zugaben und spendete stürmischen Applaus. Gemeinsames Singen tut wohl «Es ist beglückend, mitzuerleben, wie eine so gemischte Gruppe so harmonische Klänge hervorbringen kann», sagt Nicola Neider. Als Bereichsleiterin Migration/Integration der katholischen Kirche ist sie für die Organisation des Chors zuständig. Und es mache ihr «riesig Spass», dabei zu sein. Da treffen sich Menschen aus allen sozialen Schichten: Neben dem Kongolesen, dem wegen illegalen Aufenthalts eine Gefängnisstrafe bevorsteht, sitzt die reiche Schweizer Geschäftsfrau, neben dem Flüchtling, der auf den Asylentscheid wartet, die gut integrierte Engländerin. Auch wenn vor den Konzerten oft Anspannung herrsche und es manchmal etwas chaotisch zu und her gehe – Nicola Neider ist überzeugt, dass die Musik eine heilende Wirkung hat, dass das gemeinsame Singen Menschen in oft schwierigen Lebenssituationen wohltut und sie den Alltag vergessen lässt. Schweizer Lied mit Tempeltanz Entstanden ist der Chor der Nationen Luzern aus einem Projektchor, der im Jahr 2009 zusammen mit dem bereits bestehenden Chor der Nationen aus Solothurn am Eröffnungskonzert der «Woche der Religionen» im KKL 12 Auftritt des Chors der Nationen am Fest zum 150-Jahre-Jubiläum der Matthäuskirche. Foto: © Kurt Wisler Luzern mitwirkte. Nach dem erfolgreichen Auftritt beschlossen die Beteiligten, als Chor der Nationen Luzern weiterzumachen. Seither wird jeden Mittwochabend im Saal der Lukaskirche geprobt, jährlich gibt es ein eigenes Konzert, einige Auftritte an besonderen Veranstaltungen und die Gesamtkonzerte mit den Chören aus Solothurn, Glarus und Zürich. Die Lieder stammen aus den Herkunftsländern der Beteiligten und werden von Chorleiter Bernhard Furchner oft mehrstimmig arrangiert. Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Wenn dann zum Beispiel ein chinesisches Lied einstudiert wird, kommt die Chinesin selbst nach vorn und übt die Aussprache mit den Sängerinnen und Sängern ein. Manchmal werden auch in einem einzigen Lied Elemente aus mehreren Kulturen zusammengeführt. Da singt der Chor: «Du fragsch mi, wer i bi», begleitet von afrikanischer Perkussion und dargestellt in einem indischen Tempeltanz. Die Konzerte stehen unter dem Titel «Musik für den Frieden». Den Hintergrund dieser Arbeit umschreibt Chorleiter Bernhard Furchner s n t l . , d . k r aus Luzern, der seit Beginn im Luzerner Chor der Nationen mitsingt. «Seine Arbeit fasziniert mich.» Für den Schweizer Sänger ist es zudem sehr spannend, mit Menschen aus verschiedensten Kulturen gemeinsam etwas zu erarbeiten und auf diese Weise Realitäten kennenzulernen, zu denen er sonst kaum Zugang hätte. Da ist einerseits das begeisterte Engagement von Menschen aus anderen Kulturkreisen, wenn sie mit dem Chor ein Lied aus ihrer Heimat einstudieren. Andererseits erinnert sich Daniel Ammann an einen Albaner, mit dem er sehr guten Kontakt hatte und der plötzlich nicht mehr kam, weil er kein Asyl erhalten hatte und zurückkehren musste. «Wir sind eine Stimme für eine offene Schweiz, ein Anliegen, das mir wichtig ist», sagt Daniel Ammann. Aber er ist auch im Chor dabei, weil «Singen einfach gut tut». Körperwahrnehmung, das Achten auf den eigenen Atem, die Bewegung zu speziellen Rhythmen – darauf werde in diesem Chor besonders Gewicht gelegt. Manchmal müsse er sich aufraffen, am Abend noch hinauszugehen zur Chorprobe. «Doch wenn ich zurückkomme, habe ich jeweils ein anderes Körpergefühl, ich spüre neue Energie.» auf einfache Weise: «Es ist ein uraltes Phänomen, dass man, zusammen Musik machend, ein anderes Verhältnis zueinander gewinnt.» Der studierte Musikwissenschafter und Pädagoge ist unter anderem Geschäftsführer des Instituts für Kultur und Musik in Solothurn und hat den ersten Chor der Nationen 2006 mitinitiiert. Stimme für eine offene Schweiz «Bernhard Furchner hat eine gute Art, die Menschen zu packen», sagt Daniel Ammann Ins Leben zurückgefunden Was der Chor für einzelne Mitglieder auch bedeuten kann, erzählt eindrücklich die dreissigjährige Nazar Tazik aus dem Iran. Sie ist vor vier Jahren in die Schweiz geflüchtet, nachdem ihr Mann, Mitglied einer kurdischen Partei, ermordet worden war. Nach einem Jahr in der Schweiz wurde ihr Asylgesuch abgelehnt. «Ich hatte meinen Mann verloren, war auf einmal illegal in der Schweiz, arbeitslos – es ging mir sehr schlecht», erzählt sie. Einen Monat verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik. Dann besuchte sie auf Rat einer Schweizer Bekannten die ersten Proben mit dem Chor der Nationen. «Das Mitsingen war zuerst schwierig. Doch es ging mir mit jedem Mal besser. Das Mitmachen im Chor war das Erste, was mir wirklich geholfen hat.» Sie erzählt von den Probetagen, an denen die Sängerinnen und Sänger den ganzen Tag zusammen verbringen, nach dem Singen noch zusammensitzen, etwas trinken, reden. Sie spricht von vielfältigen Kontakten, die gut tun. 2010 hat sie ein persisches Lied in den Chor eingebracht und lehrte die Chormitglieder die richtige Aussprache. «Das war superschön», sagt sie heute. Zurzeit läuft ein Rekursverfahren gegen ihren negativen Asylentscheid. In den Iran zurückkehren könne sie auf keinen Fall, das wäre zu gefährlich, sagt sie. So lebt sie immer noch in einer sehr unsicheren Situation, muss immer damit rechnen, dass ein negativer Asylentscheid bei ihr eintrifft. Im Chor kann sie diese ganzen Schwierigkeiten für eine Weile vergessen. «Das Singen macht Spass. Wir lachen auch viel zusammen. Und es ist spannend, andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen. An den Proben habe ich jeweils nur noch das Singen im Kopf.» Emotional tief bewegt Die eigene Integration stand für Beata Zibung nicht im Vordergrund, als sie im April 2011 dem Chor beitrat. Die US-Amerikanerin ist vor 22 Jahren in die Schweiz gekommen, lebt mit ihrem Schweizer Mann in Fürigen und fühlt sich sehr gut hier. In erster Linie ist es das Singen, das sie motiviert. «Wenn ich mit andern zusammen singe, bewegt mich das emotional sehr, da kriege ich schnell eine Gänsehaut», sagt sie. Auch erweitere es ihren Horizont, mit Menschen aus aller Welt zusammen Musik zu machen. Als ihre Lieblingslieder nennt sie spontan die südafrikanische Nationalhymne – «ein sehr kraftvolles Lied» – und «Luegid vo Bärg und Tal». Auch für sie wirken die Chorproben belebend. «Ich bin nicht mehr so jung, mit meinen 64 Jahren habe ich so das eine oder andere Gebrechen. Wenn ich im Chor mitsinge, verschwinden diese völlig, da bin ich jeweils ganz auf die Musik konzentriert.» Am Konzert im letzten November in der Lukaskirche feierte sie ihren Geburtstag. «Eine bessere Geburtstagsparty hätte ich mir nicht vorstellen können», sagt sie. Und nun freut sie sich sehr auf das nächste Projekt: Am 31. Oktober wird der Chor der Nationen wieder im Konzertsaal des KKL auftreten. Rosmarie Kayser Weitere Informationen: www.chordernationen.ch Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 13 Dossier «Tanzen ist gut für Körper, Intellekt und Seele» Catherine Sennrich unterrichtet Jung und Alt – und ist selbst begeisterte Tänzerin «Wenn es kontrolliert ausgeübt wird, ist Tanzen gesund, fördert die Koordination und macht glücklich», sagt Catherine Sennrich, Tänzerin, Tanzlehrerin und Gründerin von tanzen-luzern.ch. Ihre Kurse werden von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern besucht. Wobei Letztere vor allem im Ballettkurs zu finden sind. Catherine Sennrich ist Leiterin für Gymnastik und Tanz, diplomierte Gymnastik- und Bewegungspädagogin, Tänzerin und Tanzlehrerin für Jazzdance, Modern Dance, Contemporary und klassisches Ballett, 30 Jahre alt – und in diesem Jahr feiert sie ihre zehnjährige Mitgliedschaft beim SVKT tanzen-luzern.ch. Tanzen, davon ist Catherine Sennrich überzeugt, harmonisiert die Muskelspannung im Körper, löst Verspannungen, wirkt muskulären Dysbalancen entgegen, kann körperliche Beschwerden lindern, fördert das räumliche Vorstellungsvermögen und die Hirnfunktionen wie Gedächtnis, Sprache und Lernen. «Tanzen ist ein gesunder Ausgleich zum Alltag und bereitet nicht nur Spass, sondern ist für viele eine Leidenschaft, ein Lebenselixier. Es harmonisiert den Muskelapparat und ist eine Art Sprache, eine Ausdrucksform.» Die Tanzlehrerin erzählt von Jugendlichen, die in die Hip-Hop-Kurse kommen, sehr scheu sind, einen schwachen Händedruck haben, «und dann beginnen sie zu tanzen, vergessen sich in der Bewegung, im Rhythmus, werden selbstbewusst und stark». «Moderate Preise» SVKT tanzen-luzern.ch beschäftigt derzeit vier Leiterinnen und bietet unterschiedliche Kurse an, die von rund 140 Personen besucht werden – und das zu äusserst moderaten Preisen. «Ich kam als Kind zum Tanzen, nahm Ballettunterricht, bis ich zwölf Jahre alt war – und musste dann schweren Herzens aus finanziellen Gründen aufhören», erzählt sie. Eine schmerzliche Erfahrung – deshalb gründete sie vor zehn Jahren tanzen-luzern.ch «für alle, denen Tanzen Spass macht, die tanzen wollen – unabhängig vom finanziellen Hintergrund». Das sei keine Kritik an den konventionellen Tanzschulen, betont Sennrich. Sie weiss, wie hoch der Aufwand ist, dass hinter dem Führen einer Tanzschule sehr viel Arbeit und Mühen stecken und dass man sich damit ganz selten «eine goldene Nase verdient». 14 «Tanzen ist ein gesunder Ausgleich zum Alltag und ist für viele eine Leidenschaft», sagt Catherine Sennrich. Foto: Landkreis Landshut, Bayern/Rolf Sturm Auch Catherine Sennrich ist mit dem Tanzen nicht reich geworden. Aber glücklich. Das wird dann deutlich, wenn sie von der Freude an der Bewegung erzählt, von der Showgruppe, die «auf hohem Niveau tanzt», von ihrer Arbeit und ihrem Engagement für tanzen-luzern.ch. Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 «Tanzen ist ästhetisch, hat etwas Edles, eine Tänzerin auf der Bühne strahlt eine Art Unnahbarkeit aus», sagt sie. Im Vergleich zur Privatwirtschaft sei sie natürlich schlecht bezahlt. «Aber dafür habe ich die Bühne, den Applaus im Unterricht, das Lächeln der Teilneh- e r - Ausserdem gebe es Studien, die beweisen, dass Tanzen die Hirnvernetzung fördert. Die Koordination sei gut fürs Zusammenspiel der beiden Hirnhälften – und damit für die Intelligenz. «Und vor allem Jazzdance und Modern Dance trainieren den gesamten Körper, reduzieren Verspannungen und sorgen so für mehr Wohlbefinden.» Durch Zuschauen trainieren Wenn sich Kursteilnehmerinnen oder -teilnehmer nicht fit fühlen oder verletzt sind, werden sie von Catherine Sennrich ermuntert, trotzdem in die Stunden zu kommen – und einfach zuzuschauen. «Erstens ist der soziale Aspekt wichtig, und wir Menschen sind nun mal soziale Wesen; und zweitens gibt das Gehirn beim konzentrierten Beobachten von Bewegungen Impulse an die Muskulatur ab. Man könnte also sagen, Zusehen ist eine Form minimalen Muskeltrainings», sagt Sennrich. «Und wenn ich sehe, wie glücklich und zufrieden auch diejenigen Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht selbst tanzen können, nach unserer Show jeweils sind, kann ich mir gut vorstellen, dass Zuschauen glücklich macht.» Vielleicht auch deshalb, weil diese Shows so choreografiert sind, dass sich «alle irgendwie mit einem Abschnitt der Choreografie, die auf der Bühne abläuft, identifizieren können». Egal, welcher sozialen Schicht sie angehören und welchen Beruf sie ausüben. menden, die Bewegung. Ich mache das, was ich gerne tue. Das ist mir viel wert und kann nicht mit Geld aufgewogen werden.» Sport im Allgemeinen setze Endorphine frei, sagt die Tanzlehrerin, diese machen glücklich. Ein Gefühl, «das man immer wieder erleben will». Kraft und Beweglichkeit Die Kurse von tanzen-luzern.ch sind offen für Kinder ab zehn Jahren, in Ausnahmefällen ab sieben Jahren. Das Tanzen unterstütze den Bewegungsapparat im Wachstum auf gesunde Weise. «Nach oben gibt es keine Grenzen», sagt Sennrich, die älteste Teilnehmerin sei derzeit 54 Jahre alt. Und es gebe auch Männer bei tanzen-luzern.ch. «Die sind nicht nur in den Hip-Hop-Kursen zu finden, wie man ja annehmen könnte, sondern vor allem im Ballett», sagt Catherine Sennrich und lacht. Ballett und Jazzdance seien eine Art Krafttraining auf hohem Niveau, erklärt sie – und daher auch als Ergänzung für Spitzensportler oder als Aufbautraining nach einem Unfall bestens geeignet. «Wenn ein Fussballer in einen Tanzkurs kommt, kann er seine Koordination verbessern und dadurch zum Topscorer werden.» Es gibt deshalb immer wieder Spitzensportler in den Kursen von Catherine Sennrich – aber auch «ganz normale Männer», die allgemein ihre Beweglichkeit verbessern wollen. «Das ist meist die Hauptmotivation.» Grundregeln beachten Die Leiterin von tanzen-luzern.ch achtet strikt darauf, dass in den Kursen «nicht einfach irgendwie unterrichtet wird». Es sei wichtig, wie man trainiere, sagt sie, Aufwärmen, Krafttraining und Stretching gehörten dazu, «und Spätfolgen durch falsches Beanspruchen der Muskulatur müssen unbedingt vermieden werden». Durch ihre Ausbildung und durch die Arbeit in einer chirurgischen Arztpraxis hat sich Catherine Sennrich solides anatomisches Wissen und Grundkenntnisse im Bereich Pathologie angeeignet; derzeit absolviert sie ein Nachdiplomstudium zur eidgenössisch diplomierten Personalleiterin NDS HF. Weil es gut ist, neben dem Tanzen ein zweites Standbein zu haben, und weil ihr Kenntnisse in Personalführung, Organisation, Management und Marketing auch bei der Leitung von tanzen-luzern.ch zugutekommen. Und noch etwas müsse beim Besuch von Tanzkursen beachtet werden, sagt Sennrich: «Mit Talent kommt man nur bis zu einem bestimmten Punkt, der Rest ist Training.» Tanzen sei also mit Arbeit und Disziplin verbunden, mit Rückschlägen, mit Lerneffekten – aber auch mit Erfolgserlebnissen. «Und natürlich mit Lob. Dieses hat bei unseren Kursen einen hohen Stellenwert. Wer gelobt wird, fühlt sich gut und ist motiviert. Und das macht dann wieder etwas glücklicher ...» Renate Metzger-Breitenfellner Weitere Informationen: www.tanzen-luzern.ch Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 15 Dossier Kochen als Quell der Lebensfreude Petra Kolip auf den Spuren von gesundheitsfördernder Lebens-, Koch- und Linsenlust Ernährung und Übergewicht sind Kernthemen von Gesundheitsförderung und Prävention. Aber was verbindet Kochen und Kochkultur mit Gesundheitsförderung? Petra Kolip, Professorin für Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Bielefeld, begeisterte Köchin und Kochbuchautorin, hat sich auf die Suche nach den Zusammenhängen gemacht. Was verbindet Kochen und Kochkultur mit Gesundheitsförderung? Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur lässt den Leser und die Leserin ratlos zurück: Das Thema «Kochen» scheint nicht gerade grosses gesundheitswissenschaftliches Interesse hervorzurufen – sieht man einmal vom kleinen Zweig der «Public Health Nutrition» ab. Eine kleine, nichtrepräsentative Umfrage im Kolleginnen- und Kollegenkreis lässt drei Verbindungslinien erahnen: • Mangelnde Kochfähigkeiten werden (gemeinsam mit Bewegungsmangel, hervorgerufen durch Fernsehkonsum und die Nutzung elektronischer Medien) als «Quelle allen Übels» der steigenden Prävalenzraten von Übergewicht und Adipositas gesehen: In Familien, so die häufig geäusserte These, werde heute zu selten «richtig» gekocht, weil junge Frauen (von den jungen Männern ist meist nicht die Rede) dies nicht mehr könnten, weil die Zeit oft nicht reiche und weil die Convenience- und Fertigprodukte dieses Manko mit einem Angebot füllten, das zu einer zu fett- und zuckerhaltigen Ernährung führe. • Kolleginnen und Kollegen verweisen in den Diskussionen auch auf Familien, die von Armut betroffen oder bedroht sind: Für sie sei es schwierig, sich gesund zu ernähren – und oft würden gerade sozial benachteiligte Familien den Besuch von Fastfood-Ketten einem selbst zubereiteten Mahl vorziehen. • Selbst zu kochen wird zwar auch als Möglichkeit gesehen, gesunde Speisen auf den Tisch zu bringen. Dies werde aber dadurch erschwert, dass immer weniger klar sei, was denn nun eigentlich gesund sei. Die Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher sei gross, sodass die gute Absicht, gesund zu kochen, meist im Keim erstickt werde. 16 Wir brauchen einen erholsamen Schlaf für unser körperliches, mentales und emotionales Wohlbefinden. Petra Kolip. Foto: A. Chales de Beaulieu Dieser defizitorientierten Betrachtung soll im Folgenden eine erfahrungsbasierte und ressourcenorientierte Sichtweise gegenübergestellt werden; erfahrungsbasiert deshalb, weil es jenseits der Literatur über Nährstoffgehalte und gesundheitsfördernde beziehungsweise -schädigende Konsumgewohnheiten nur wenige wissenschaftliche Publikationen Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 zum Thema «Kochen und Gesundheitsförderung» gibt. Was aber lässt sich mit einer ressourcenorientierten Perspektive auf das Thema entdecken? Zunächst einmal: Kochen ist sinnlich. Die Berührung von Obst, Gemüse und anderen - - e n Zutaten, das kräftige Kneten eines Teiges mit blossen Händen, der Duft von Kräutern, die gehackt, oder von Gewürzen, die im Mörser zerkleinert werden, das Aroma von Fleisch oder Gemüse, die in der Pfanne angeröstet, oder von Speckwürfeln, die langsam ausgelassen werden, der Geschmack einer Pasta mit frischer Tomatensauce – all dies regt die Sinne an und weckt im wahrsten Sinne des Wortes die Lebenslust. Kochen ist fürsorglich. Das Kochen für andere – aber auch für einen selbst – hat das Ziel, eine Mahlzeit zuzubereiten. Jemand soll satt werden und sich am Geschmack erfreuen. Anderen Genuss zu bereiten ist eine besondere Form der Fürsorge. Beeindruckend ist hier die Grundhaltung des ehemaligen «Sterne»Kochs Ruprecht Schmidt, der im Hamburger Hospiz «Leuchtfeuer» mit der Überzeugung kocht, dass Genuss auch in den letzten Tagen des Lebens bedeutet: «Essen heisst, ich lebe noch» (siehe Buchtipp). Er verwöhnt die Gäste des Hospizes in ihren letzten Lebenstagen kulinarisch, kocht die Lieblingsgerichte aus Kindertagen (mitunter mehrmals, bis sie so schmecken, wie sie es damals taten) und lädt sie zu geschmacklichen Horizonterweiterungen ein (und sei es nur in Miniportionen, weil feste Nahrung kaum noch vertragen wird). Kochen stärkt das Selbstwertgefühl. Wer mit jungen Menschen kocht, sieht es unmittelbar: die Freude, wenn ein Mahl gelingt, wenn es einem schmeckt und wenn sich andere daran freuen. Auch später noch ist das Vergnügen zu spüren, wenn ein neues Rezept ausprobiert wurde und den Esserinnen und Essern mundet. Ein gelungenes Essen, sei es eine einfache Mahlzeit oder ein mehrgängiges Menü mit logistischer Herausforderung, stärkt das Selbstwertgefühl und erweitert die eigenen Kompetenzen. Kochen ist immer auch ein kreativer Akt. Unabhängig davon, ob streng nach Rezept oder «frei Schnauze» gekocht wird: Aus Bestehendem wird Neues geschaffen («creare» heisst erschaffen, hervorbringen). Es ist zudem meditativ und entspannend: Beim Kneten eines Teiges, beim Schneiden von Gemüse, beim Rühren eines Risottos können die Gedanken fliegen, aber auch fokussiert werden. Und schliesslich: Kochen ist Teil einer sozialen Handlung. In den meisten Fällen wird das Gericht nicht alleine verspeist, sondern mehrere Personen sitzen um den Tisch (oder, meist noch schöner, stehen bereits gemeinsam in der Küche). Gekocht wird, um gemeinsam zu essen – und ein gemeinsames Essen ist ein vergnüglicher Teil des sozialen Miteinanders. Zugegeben: Nicht immer hat das Kochen alle diese Qualitäten. Insbesondere dann, wenn es eine Pflicht ist, wenn eine Familie bekocht werden muss, ohne dass genügend Zeit dafür da ist, wenn das Essen und das Kochen nicht wertgeschätzt werden … dann können die ressourcenorientierten Facetten des Kochens nicht erlebt werden. Und doch: Eine kleine Verschiebung der Aufmerksamkeit kann Horizonte erweitern und vielleicht aufzeigen, wo Nischen liegen, die für genussvolles Kochen genutzt werden können. Hierin liegt eine der grossen Herausforderungen der Gesundheitsförderung: das Kochen als Teil eines lust- und genussreichen Handelns in den Vordergrund zu rücken und die Potenziale des Kochens als Quelle der Lebensfreude zu benennen. Petra Kolip Die Autorin Dr. Petra Kolip ist Professorin für Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Bielefeld (Deutschland). In ihrer Freizeit geniesst sie es, in der Küche zu experimentieren und Freunde, Freundinnen und die Familie zu bekochen. In diesem Zusammenhang ist ein Linsen-Kochbuch mit Rezepten entstanden, das die Vielfalt der roten, gelben, grünen und braunen Linsen präsentiert. Die Rezepte entspringen der (Küchen-)Fantasie der Autorin oder wurden von Reisen mitgebracht. Literaturtipps Dörte Schipper (2010). Den Tagen mehr Leben geben. Über Ruprecht Schmidt, den Koch, und seine Gäste. Köln: Bastei Lübbe. Das Buch beschreibt auf wunderbare Weise, wie Ruprecht Schmidt die sterbenskranken Gäste des Hamburger Hospizes «Leuchtfeuer» kulinarisch umsorgt und zu Genuss in den letzten Lebenstagen einlädt. Christiane Nüsslein-Volhard (2006). Mein Kochbuch. Einfaches zu besonderen Anlässen. Insel Verlag. Die deutsche Medizin-Nobelpreisträgerin bekocht regelmässig Gäste, zum Beispiel dann, wenn einer ihrer Doktoranden den Abschluss gemacht hat. In dem schlichten Kochbuch (die Rezepte pragmatisch alphabetisch sortiert) beschreibt sie, wie dies gelingt: Die Rezepte sind einfach, lassen sich gut vorbereiten und schmecken gerade wegen ihrer Schlichtheit besonders gut. Linsen mit Aprikosen und Baumnüssen Zutaten • 50 g getrocknete Aprikosen • 250 g kleine Linsen (z.B. grüne Linsen, Berglinsen oder helle Linsen aus St. Flour) • Salz • 50 g Baumnüsse • 1 Zwiebel • 1 EL Butter • ½ Bund glatte Petersilie (Peterli) Zubereitung Die Aprikosen in Wasser über Nacht einweichen. Abtropfen und klein schneiden. Die Linsen mit 650 ml Wasser aufkochen und bei kleiner Hitze köcheln lassen, bis die Linsen gar, aber noch bissfest sind (ca. 20–30 Minuten). Überschüssige Flüssigkeit abgiessen, salzen. In der Zwischenzeit die Baumnüsse grob hacken. Die Zwiebel in Würfel schneiden. Die Butter in einem Topf zerlassen, die Zwiebelwürfel darin bei mittlerer Hitze glasig dünsten; die Aprikosenstücke dazu, weich dünsten. Die Baumnüsse und die Linsen dazugeben. Die Petersilie hacken und über das Gericht geben. Dieses Rezept stammt aus dem Kaukasus und verbindet das erdige Aroma der Linsen mit der fruchtigen Süsse der Aprikosen. Das Gericht weckt die erste Lust auf den Sommer. Quelle: Petra Kolip (2011). Linsenlust. 45 Rezepte aus aller Welt. avBuch/Cadmos. Weitere Informationen: www.linsenvergnuegen.de Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 17 Dossier Die grüne Lunge auf dem Autobahndach In Ennethorw ist ein neues Quartier entstanden Die Eröffnung der Autobahn zwischen Hergiswil NW und Luzern im Jahre 1955. Quelle: Staatsarchiv Luzern, PX 6/8 (Fotograf unbekannt) 1955 wurde zwischen Luzern und Hergiswil der erste Autobahnabschnitt der Schweiz eröffnet. Wegen der starken Verkehrszunahme wurde das einstige Prestigeprojekt über die Jahre zur grossen Belastung für die Anwohnerinnen und Anwohner, die teilweise nur wenige Meter neben der Nationalstrasse wohnten. Seit der Absenkung und Übertunnelung der Autobahn im Jahre 2006 ist das Gebiet in Ennethorw nicht mehr wiederzuerkennen: Ein neues Quartier ist entstanden. Sandra Markutt wohnt seit ihrer Geburt in Ennethorw. Die heute 42-jährige Mutter erinnert sich noch gut, als die Autobahn direkt vor ihrer Haustüre vorbeiführte. «Es war laut und stickig, der Verkehr 24 Stunden präsent.» Als Kind wohnte sie vis-à-vis des Schulhauses Spitz, dazwischen lag die mehrspurige Autobahn, welche das Quartier und die Gemeinden Horw und Kriens zerschnitt. «Um zum Schulhaus zu gelangen, mussten wir einen langen Umweg entlang der Autobahn in Kauf nehmen, denn es gab nur wenige Unter- oder Überführungen.» Zwischen 1998 und 2006 wurde das 4,5 Kilometer lange Teilstück der Autobahn A2 zwischen Luzern und Hergiswil abgesenkt und zu einem grossen Teil überdacht oder mit Lärmschutzbauten versehen. Neues Leben, neue Idylle Heute ist im Gebiet Ennethorw ein neues Quartier mit einer hohen Lebensqualität entstanden. Wo früher Lärm und Gestank waren, erstreckt sich jetzt eine ruhige Idylle mit Fami18 Auf dem Dach der Autobahn befinden sich heute Schrebergärten mit Blick in die Berge. Die Häuser links grenzten früher direkt an die Autobahn an. Foto: Romeo Degiacomi liengärten, einem Spielplatz und Grünflächen auf der Autobahnüberdachung. Das Projekt für die Einhausung der Autobahn kostete mehr als 660 Millionen Franken. Der damalige Gesamtprojektleiter Renato Casiraghi bezeichnet diese Lösung als grosszügig: «Heute wird jeweils nur noch das gesetzlich vorgeschriebene Minimum an Massnahmen gemacht.» Bei der Realisierung des Projektes massgeblich mitgearbeitet hat als Umweltbaubegleiter Werner Schlegel. «Die Überdachung ist ein grosser Gewinn für die Gemeinde, es ist gelungen, die Fläche neu zu nutzen», meint er zurückblickend. Auch Bäche, die während der letzten 50 Jahre in Röhren unter der Autobahn durchgeleitet wurden, fliessen nun in einem offenen Bachbett über die Autobahn. «Ein Pluspunkt für die Natur ist der neu entstandene Verbindungskorridor vom Pilatushang durch das Siedlungsgebiet zum See», freut sich der Umweltfachmann. «Damit gibt man Tieren und Pflanzen die Möglichkeit, sich entlang der Grünstrukturen auszubreiten.» Plätschern des Bachs Auch Lehrerin Nicole Klapproth schwärmt von den neuen Möglichkeiten: «Heute können wir mit den Kindern bereits wenige Schritte ausserhalb des Schulhauses Spitz in die Natur gehen. Das war während Jahrzehnten unmöglich.» Mit der Neugestaltung des Grisigenbaches, der nun parallel zur Überdachung fliesst, haben die Kinder ein Stück Natur auf ihrem Schulweg. Auf den entstandenen Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Wiesenflächen blühen Blumen und fliegen Schmetterlinge. Auf dem Dach der Autobahn befinden sich auch 30 Familiengärten. «Es war ein Glücksfall für unseren Verein, dass wir hier oben neue Gärten schaffen konnten», sagt Josef Aregger, Präsident des Familiengärtenvereins Horw. Andere Standorte mussten wegen Wohnüberbauungen geschlossen werden. «Dieses Areal eröffnete dem Verein neue Perspektiven.» Andere Werte Kaum vorstellbar: Wer früher an einer Autobahn wohnte, war sehr privilegiert. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde mit Inseraten für «Wohnung in Horw mit Sicht auf die Autobahn» geworben. In den 1980er-Jahren fand ein Paradigmenwechsel statt, man warnte vor dem Waldsterben und wollte den Autoverkehr reduzieren. Bevor Horw zum neuen grünen Quartier kam, war der Leidensweg während der aufwändigen Bauarbeiten für die Einhausung der Autobahn sehr gross. «Beim Pfählen schüttelte es uns regelrecht durch», erinnert sich Anwohnerin Markutt. Die Baustelle zwischen 1998 und 2006 sei schlimmer gewesen als zuvor der Autobahnlärm. Doch das Durchhalten hat sich gelohnt: Sieht man heute das Siedlungsgebiet, kann man sich kaum vorstellen, dass da früher die Autobahn durchführte. «Es ist ein kleines Paradies.» Lena Spalinger, Praktikantin Umwelt und Natur, und Romeo Degiacomi, Kommunikationsbeauftragter Gemeinde Horw S i A u B d d d R A B d E a A n n s s , n e n d r r n d n t n s . - Mit Kräutern und Okra Depressionen bekämpfen Interkultureller Garten «Rosenduft» in Berlin Kreuzberg Im interkulturellen Garten «Rosenduft» in Berlin Kreuzberg pflanzen Migrantinnen und Deutsche Blumen, Kräuter und Gemüse. Sie schaffen Kulturland, erfreuen sich am Wachsen und Gedeihen und vergessen dabei die traumatische Vergangenheit und den oft beschwerlichen Alltag. Mitten im Zentrum Berlins, an der ehemaligen Bahnanlage Gleisdreieck, liegt der interkulturelle Garten «Rosenduft»: 2000 Quadratmeter Land, das seit dem Zweiten Weltkrieg brachlag, werden heute von Menschen aus Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Serbien, Italien, Griechenland, dem Libanon, der Demokratischen Republik Kongo, aus dem Kosovo und der Türkei bestellt. «Es ist nicht wichtig, wer woher kommt oder wohin geht», sagt Bosiljka Schedlich, Leiterin des Trägervereins «südost Europa Kultur». «Wichtig ist die gemeinsame Arbeit – und dass hier, mitten in der deutschen Hauptstadt, ein kleines Stück Heimat für Migrantinnen und Migranten der unterschiedlichsten Ethnien und Länder entstanden ist.» Die Gärtnerinnen und Gärtner roden und jäten, säen und ernten, sie plaudern und lachen und geniessen es, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben, die ihnen Spass macht. Seit 1992 arbeitet die Vereinigung «südost Europa Kultur» mit Flüchtlingen, von denen die meisten aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien kommen. Aus der Therapiearbeit mit bosnischen Frauen entstanden diverse Projekte – eines von ihnen ist der interkulturelle Garten «Rosenduft». Geleitet wird er von Begzada Alatovi . Gemeinsam mit ihrem Sohn floh sie vor dem Krieg in ihrer Heimat, in dem ihr Mann getötet worden war. Begzada Alatovi weiss, wie wichtig es für Migrantinnen und Migranten ist, eine Arbeit zu haben, eine Beschäftigung. Etwas, das mithilft, die Gedanken an die Vergangenheit auszusperren, die Erinnerungen zu vertreiben, diese Bilder, die immer wiederkommen, die krank machen. Richtig krank. Anfang Oktober vergangenen Jahres wurde Begzada Alatovi mit dem Integrationspreis der Stiftung ÜBERBRÜCKEN ausgezeichnet. Eine grosse Ehre sei der Preis für sie, sagte sie an der Preisverleihung, dazu Bestätigung und Aufforderung zum Weitermachen. Im interkul- Wichtig ist die gemeinsame Arbeit – und dass hier ein kleines Stück Heimat für Migrantinnen und Migranten der unterschiedlichsten Ethnien und Länder entstanden ist. Foto: südost Europa Kultur e.V. turellen Garten und bei «südost Europa Kultur» arbeitet die «Rosenduft»-Garten-Projektleiterin meist viele Stunden am Tag, setzt sich mit viel Geschick dafür ein, dass Migrantinnen in Berlin eine neue Heimat finden. Ein kleines Stück Heimat ist auch der «Rosenduft»-Garten. Er besteht aktuell aus 40 Parzellen – und an die 40 Menschen, viele Frauen und ein paar Männer, beteiligen sich am Projekt, das nicht nur Gemüse- und Kräuterbeete umfasst, sondern auch Blumenrabatten, ein paar Bienenvölker und Geräteschuppen. Das Saatgut bringen die Migrantinnen und Migranten vielfach aus ihrer Heimat mit. So wird in Berlin Kreuzberg auch für Europa Exotisches wie zum Beispiel die Okra-Schote angepflanzt. Und deshalb riecht es hier immer wieder nach Kräutern, die normalerweise nicht in der deutschen Küche zu finden sind. Die Gärtnerinnen und Gärtner erinnert dieser Duft an die Heimat, die sie verlassen mussten. Es ist ein Duft, der ihnen gut tut, der ihre posttraumatischen Beschwerden lindert, der Angstzustände und Schlafstörungen bekämpft. Die Arbeit im Garten trägt dazu bei, dass die Beteiligten wieder «Boden unter die Füsse bekommen», obwohl der Integrationsprozess auch in Berlin schwierig ist, obwohl sich viele nach der alten Heimat sehnen – und die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat, noch lange nicht verheilt sind. Dank seiner integrativen und sprichwörtlich heilenden Wirkung hat der interkulturelle Garten «Rosenduft» über die Grenzen Berlins hinaus Bekanntheit erlangt. Auch Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland staunen über dieses Projekt – das unter anderem deshalb so gut funktioniert, weil Begzada Alatovi selbst erlebt, was die Arbeit im Garten bewirkt. «Hier können wir den Alltag hinter uns lassen, gemeinsam arbeiten, Kaffee trinken, lachen und weinen. Das ist für uns alle sehr wichtig.» Renate Metzger-Breitenfellner Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 19 Projekt «Es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt» Kinderkrippe Hurrlibus in Willisau macht beim Projekt «schnitz und drunder» mit Seit zwei Jahren ist oberhalb von Willisau in einer neu renovierten Scheune die Kinderkrippe Hurrlibus untergebracht. 15 bis 17 Kinder werden von sechs Mitarbeiterinnen betreut, wobei eine Person ausschliesslich für Küche und Haushalt zuständig ist. Die Teilnahme am Projekt «schnitz und drunder» ist für Krippenleiterin Angela Wyss Herausforderung, Bestätigung und Motivation. Was hat Sie vom Projekt «schnitz und drunder» überzeugt? Angela Wyss: Ausgewogene Ernährung ist für die Entwicklung von Kleinkindern zentral. Deshalb haben wir auch das Thema der gesunden Ernährung im Betriebskonzept verankert. Kinder mit gesundem Körpergewicht bewegen sich gern, sie haben ein gutes Körper- und Lebensgefühl. Dieses beeinflusst die gesamte Entwicklung positiv. Ich finde es wichtig, Kinder früh für gesunde Ernährung zu sensibilisieren. Deshalb haben wir von Anfang an auf die Ernährung geachtet – auch darauf, dass mit frischen regionalen Produkten gekocht wird. Unterstützen die Eltern der von Ihnen betreuten Kinder Ihre Bemühungen? Ja, denn Eltern ist die Ernährung ein Anliegen. Sie erkundigen sich nach den Essgewohnheiten in der Krippe, wollen wissen, was und wie gekocht wird. Wir nehmen alle Anliegen und Erwartungen ernst und erleben von Seiten der Eltern viel Vertrauen. Mit Hilfe des Projektes «schnitz und drunder» können wir unsere Philosophie noch besser aufzeigen und das Vertrauen der Eltern bestärken. Wie setzen Sie das Projekt konkret um? Die Köchin und ich haben das Team vorgängig informiert. Es ist wichtig, dass alle dieselbe Grundhaltung vertreten und offen für Veränderungen sind. Mittlerweile hat sich eine tolle Dynamik entwickelt: Mitarbeiterinnen melden sich bei der Köchin, wenn sie ein leckeres Rezept entdeckt haben, und sie überlegen, wie sie die Kinder motivieren können, Neues auszuprobieren. So dürfen zum Beispiel die Kinder jetzt beim Mittagessen selbst schöpfen, das macht Spass. Das Projekt steht am Anfang, wir sind gespannt, wie es sich entwickeln wird. 20 Frau Monika Meyer, Köchin in der Kinderkrippe Hurrlibus, findet es gut, dass sie bei der Menüplanung begleitet wird und ihr Fachwissen erweitern kann. Foto: Kinderkrippe Hurrlibus Und was sagt die Köchin? Sie findet es gut, dass sie bei der Menüplanung begleitet wird und ihr Fachwissen erweitern kann. Es gibt ja in diesem Bereich viele Herausforderungen – Ernährungswandel, moderne Technologien der Zubereitung oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien zum Beispiel. Durch die Begleitung bekommt die Köchin viele wertvolle Tipps. kann. Die mit dem Projekt verbundene Auszeichnung soll motivieren, das Thema der gesunden Ernährung weiterzuentwickeln. Wie hoch ist der Aufwand? Die detaillierte Menüplanung ist aufwändig, und auch die wöchentliche Planung dauert länger, weil genauer überlegt und auch einmal Fachlektüre zu Rate gezogen werden muss. Doch der Aufwand lohnt sich, wenn man das Resultat sieht. Die Köchin trägt viel Verantwortung – und darf für ihren Job auch Zeit beanspruchen. Das Projekt ist Teil des Luzerner Aktionsprogramms «Gesundes Körpergewicht», das in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz umgesetzt wird. Anfang September 2011 haben die heilpädagogische Schule in Willisau und die Betreuung St. Karli in Luzern als erste Betriebe im Kanton die Auszeichnung «schnitz und drunder» erhalten. Aktuell werden neun weitere Verpflegungsanbieter sowie eine Tagesfamilie vom BBZN in Schüpfheim bei ihrer Menüplanung beraten. Was erwarten Sie sich von der Teilnahme an «schnitz und drunder»? Das Projekt gibt uns Sicherheit. Langfristig soll es bewirken, dass ausgewogene Ernährung für alle selbstverständlicher wird, und spürbar machen, dass gesundes, ausgewogenes Essen mit viel Lust und Spass erlebt werden Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 Interview: Sarah Menegale «schnitz und drunder» Weitere Informationen: www.gesundheit.lu.ch/gewicht > schnitz und drunder - Fokus: Gesunde Migrantenkinder Mütter- und Väterberatung mit interkultureller Vermittlung Für Eltern mit Migrationshintergrund ist es in der neuen Umgebung oft nicht leicht, zu wissen, wie sie ihre Kleinkinder richtig ernähren sollen. Dank dem Projekt «Miges Balù» haben sie nun leichteren Zugang zu entsprechender Beratung. «Zugewanderte Familien sind oft überfordert vom riesigen Angebot an Nahrungsmitteln in unseren Geschäften», sagt Christine Geiser, Teamleiterin der Mütter- und Väterberatung des Sozial-BeratungsZentrums (SoBZ) Hochdorf und Sursee. Deshalb orientierten sich viele Mütter an der Werbung, wo Süssgetränke und gezuckerte Naschereien als gut für die Kinder angepriesen würden. Auch herrsche oft die Meinung vor, dicke Kinder seien besonders gesunde Kinder. Mit dem Projekt «Miges Balù» werden nun diese Eltern besonders angesprochen. Als Erstes wurden Begrüssungsschreiben und Broschüren über Ernährung und Bewegung in verschiedene Sprachen übersetzt, und zu den Beratungsgesprächen wurden interkulturelle Vermittlerinnen beigezogen. Doch die Hauptschwierigkeit lag darin, den zugewanderten Eltern die Dienstleistungen der Mütter- und Väterberatung genau zu erklären. Denn viele dachten zu Beginn, man wolle ihnen etwas verkaufen oder sie bevormunden. Seit letztem Herbst übernehmen nun interkulturelle Vermittlerinnen den Erstkontakt: Schon kurz nach der Geburt eines Kindes rufen sie die Eltern im Auftrag der Mütterberaterin an und erklären ihnen in ihrer Muttersprache die Dienstleistungen der Mütter- und Väterberatung. «So wird das Eis gebrochen», sagt Christine Geiser. «Die Familien verstehen nun besser, welchen Nutzen ihnen unser Angebot bringen kann.» Interessierte Somalierinnen Zurzeit werden Beratungen in den Sprachen Albanisch, Serbisch/Bosnisch/Kroatisch, Portugiesisch und Somalisch durchgeführt. Aber es stehen interkulturelle Vermittlerinnen in weiteren Sprachen bereit. Christine Geiser spricht von ersten Erfolgen: Vor allem somalische Familien kommen nun regelmässig zu Beratungsgesprächen, wo sie sich auch untereinander austauschen können. «Diese Mütter interessieren sich sehr für gesunde Ernährung», sagt Christine Geiser. «Und sie möchten Interkulturelle Vermittlerinnen erklären den Eltern in ihrer Muttersprache, welche Dienstleistungen die Mütter- und Väterberatung anbietet. Foto: Esther Camara es in ihren Familien so machen, wie es hier in der Schweiz üblich ist.» In einer albanischen Familie betreute vor allem die Grossmutter, die nicht Deutsch spricht, das Kind. Sie ernährte es mit Kuhmilch, wie sie das auch früher immer gemacht hatte. Doch das Kind nahm einfach nicht zu. Mit Hilfe der interkulturellen Vermittlerin konnten die Mütterberaterinnen die Grossmutter davon überzeugen, dass die Ernährung geändert werden müsse. Daraufhin nahm das Kind normal an Gewicht zu. Viel Zeit ist nötig Christine Geiser betont, dass der Aufbau des Projektes Zeit braucht. Sie seien immer noch am Herausfinden, wie sie am besten vorgingen. Denn Fingerspitzengefühl ist nötig, um bei den verschiedenen Familien den richtigen Weg zu finden. So habe sich einmal eine Frau beleidigt gezeigt, als sie in ihrer Muttersprache kontaktiert wurde; sie könne doch Deutsch, habe sie betont. Und wenn eine Familie für die Beratung den Schwiegervater als Übersetzer organisiert – «Wir wollen die Eigeninitiative der Familie auf keinen Fall unterbinden» –, müsse gleichzeitig gesichert sein, dass sich die junge Mutter bei der Beratung frei und wohl fühle. Zeit braucht auch der Aufbau von Beziehungen und Vertrauen – und nicht zuletzt dauert ein Beratungsgespräch mit interkultureller Vermittlung naturgemäss viel länger als ein ande- res. Doch die bisherigen Erfolge zeigen, dass es sich lohnt, diese Zeit zu investieren. Und der Aufbau des Projekts geht weiter: Künftig arbeitet die Mütter- und Väterberatung an einer stärkeren Vernetzung mit den verschiedenen existierenden Migrantengruppen. Wenn ihr Angebot auch in diesen Gruppierungen ein Thema wird, ist der Weg von zugewanderten Eltern zur Beratung weiter geebnet. Rosmarie Kayser «Miges Balù» Die Stadt Luzern hat als erste Gemeinde im Kanton das Projekt «Miges Balù» erfolgreich umgesetzt. Inzwischen gehören interkulturelle Vermittler/innen zu den Regelstrukturen der städtischen Mütterund Väterberatung. Seit Herbst 2010 läuft das Projekt auch im Sozial-BeratungsZentrum (SoBZ) der Regionen Hochdorf und Sursee. «Miges Balù» ist Teil des Luzerner Aktionsprogramms «Gesundes Körpergewicht», das in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz realisiert wird. Weitere Informationen: www.gesundheit.lu.ch/gewicht > Miges Balù Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 21 Ausstellung Die Ohren schützen und den Lärm vermeiden Ausstellung «Wie bitte?» in Udligenswil Im November luden die Kommission für Gesundheitsfragen und der Samariterverein Udligenswil zur Ausstellung «Wie bitte?» über Hören und Lärm ein. Die Botschaft der Ausstellung und der Begleitveranstaltungen: «Wir müssen Sorge zu unserem Gehör tragen, aber auch gesundheitliche Schäden durch Lärm vermeiden.» Es gibt einen internationalen «Tag gegen Lärm», den «International Noise Awareness Day», der in Amerika, Deutschland, Spanien, Österreich und der Schweiz jeweils im April stattfindet, das nächste Mal am 25. April 2012. Wichtig sei er deshalb, weil Lärmbelastung und Lärmvermeidung mehr Aufmerksamkeit brauchen, sagen Fachleute. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hält in Sachen Lärm nämlich fest, dass in der Schweiz mehr als eine Million Menschen in Gebieten leben, in denen die geltenden Grenzwerte überschritten werden. Diese chronische Lärmbelastung versetze den Körper permanent in Alarmbereitschaft und schade so der Gesundheit, heisst es in einem Faktenblatt des BAFU. Bereichen Arbeit und Büro, Verkehr, Freizeit und Umwelt sowie Lärmschutz und Lärmprävention dargestellt. Dazu gab es die Möglichkeit, von den Suva-Modulen «Hörcheck im Alter» oder «Wie laut hör ich Musik?» zu profitieren oder sich an Computern interaktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Neben der Ausstellung fanden zwei Begleitanlässe statt. Speziell für Seniorinnen und Senioren gedacht war ein Vortrag von Sue Bachmann von Pro Audito Luzern zum Thema «Beratung – der Weg zum Hörgerät». Der Vortrag des Luzerner Hals-Nasen-Ohrenarztes Markus Reber und der Audio-Agogin Sue Bachmann über Gehörprobleme ergänzte die Ausstellung. Vorbeugen ist besser «Erst durch das Hören begegnen wir unseren Mitmenschen, durch das Sprechen und Angesprochenwerden entwickeln sich unsere Identität und Persönlichkeit. Gelingt die Verbindung im Hören nicht mehr oder nur bruchstückhaft, treten Unsicherheit, Isolation und Hildegard Gisler und Alison Hodel konzipierten die Ausstellung «Wie bitte?» in Udligenswil. Vereinsamung auf», schrieb die Kommission im Gemeinde-Informationsblatt. Sie wollKonkrete Probleme aufgreifen auf konkrete Probleme in der Umgebung zu te dieser Gefahr entgegenwirken. Die AusstelUdligenswil ist eine ruhige, beschauliche Lusensibilisieren, sagen die Mitglieder. «Das malung sollte nicht nur hörbehinderte Menschen zerner Gemeinde, aber trotzdem sind alle chen wir vielfach gemeinsam mit anderen Veransprechen. Auch Gesunde, seien sie jung Einwohnerinnen und Einwohner im Alltag einen. So werden Anlässe breiter abgestützt oder alt, sollten hörbelastende Faktoren und mehr oder weniger Lärmbelastungen ausgeund erreichen mehr Menschen.» ihre möglichen Auswirkungen kennenlernen. setzt. Deshalb schien es der Kommission für Ausstellung und Vorträge seien gut besucht Gesundheitsfragen – Sozialvorsteherin Rita Ausstellung und Vorträge gewesen, sagen die Kommissionsmitglieder. Rigert, Sozialarbeiterin Mariann Glauser und Die Ausstellung, konzipiert von SamariterlehIhr Wunsch: Möglichst viele Menschen sollen Physiotherapeutin Alison Hodel – wichtig, darerin Hildegard Gisler und Alison Hodel, zeigte die Tipps und Anregungen über Gehörschutz rauf aufmerksam zu machen, «dass jede Frau, Aufbau und Funktion des Ohres, behandelte und Lärmprävention im Alltag umsetzen. jeder Mann etwas zum Gehörschutz und zur Akustik und Hören, Gesundheit und Krankheit Lärmbekämpfung beitragen kann». Die Komdes Ohres sowie die Geschichte des HörapRenate Metzger-Breitenfellner mission wähle nicht irgendwelche abstrakte parates. Mit Hilfe von Unterlagen von Suva Themen, sondern versuche die Bevölkerung und Ökomobil wurden Lärmbelastung in den 22 Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 . d n m s r n e , n r d b n g d . t . n z Informationen Impressum Tagung «info Gesundheit» ist das offizielle Informationsorgan der gemeindeorientierten Gesundheitsförderung im Kanton Luzern, eine Dienstleistung der kantonalen Gesundheitsförderung. Die neue Schweizer Lebensmittelpyramide Arbeitsplatz 2020 – Gemeinsam in die Zukunft Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichen die neue Schweizer Lebensmittelpyramide. Die Schweizer Lebensmittelpyramide stellt die Empfehlungen für ein ausgewogenes und genussvolles Essen und Trinken für gesunde Erwachsene dar. Sie zeigt auf einfache und verständliche Weise, wie viel es von welchen Lebensmitteln braucht. Eine Ernährung nach der Lebensmittelpyramide gewährleistet eine ausreichende Versorgung mit Energie, Nähr- und Schutzstoffen. Sie fördert Gesundheit und Wohlbefinden und trägt dazu bei, Krankheiten vorzubeugen. Nationale Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung, Mittwoch, 22. August 2012, Universität Zürich Weitere Informationen: www.sge-ssn.ch Gesundheitsinformationen neu in neun Sprachen Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) macht seine Gesundheitsinformationen für Migrantinnen und Migranten noch besser zugänglich: Der Web-Auftritt von migesplus.ch ist neu in neun statt bisher drei Sprachen übersetzt. Neben den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch existiert die Website neu auf Albanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch und Türkisch. Damit deckt sie die von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz am häufigsten gesprochenen Sprachen ab. Weitere Informationen: www.migesplus.ch Moderne Arbeitswelten befinden sich in ständigen Wandlungs- und Anpassungsprozessen. Technologische, demografische und ökonomische Entwicklungen beschleunigen diese und stellen die Schweizer Volkswirtschaft und Unternehmen aus allen Branchen vor neue Herausforderungen. Weitere Informationen: www.gesundheitsfoerderung.ch Publikation Bewegungskalender Bewegen – aber wie? Sich «in Bewegung zu setzen» fällt oft schwer. Der neue, untypische und die Lachmuskeln stimulierende Bewegungskalender von «action d» soll Abhilfe schaffen. Er enthält praktische Wochenblätter zum Eintragen der täglichen Aktivitäten. Mit Hilfe der Wochenblätter kann das eigene Bewegungsverhalten analysiert und entsprechend verbessert oder optimiert werden. Preis: Fr. 15.90 plus Fr. 4.00 Versandkostenpauschale Bestelladresse: www.actiond.ch Herausgeber Dienststelle Gesundheit Gesundheitsförderung Meyerstrasse 20, Postfach 3439 6002 Luzern Telefon 041 228 60 89 Telefax 041 228 67 33 [email protected] www.gesundheit.lu.ch Konzept und Redaktion Stefan Brändlin, Claudia Burkard Weber, Martin Degen, Sarah Menegale Lauber, Renate Metzger-Breitenfellner, Anita Schärli-Jenni, Bernadette WürschSteinmann Gestaltung design open gmbh, Bruno Imfeld Erscheinungsweise/Auflage Zweimal jährlich (42. Ausgabe) Auflage: 3600 Exemplare Beiträge für die Oktober-Ausgabe 2012 Textbeiträge sind willkommen. Sie haben die Möglichkeit, über Ihre Veranstaltungen und Projekte zu informieren, und erreichen damit hauptsächlich im Gesundheitsbereich tätige Institutionen, Vereine, Initiativen und Multiplikatoren. Wir freuen uns sehr, wenn Sie uns Ihre Unterlagen elektronisch zur Verfügung stellen. Einsendeschluss für die Ausgabe 2/2012 ist der 15. August 2012. Die Redaktion behält sich die sinnwahre Kürzung und die redaktionelle Bearbeitung von eingereichten Artikeln vor. Die Beiträge im «info Gesundheit» geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder. Sie muss nicht notwendigerweise mit der Meinung der kantonalen Gesundheitsförderung übereinstimmen. Impressum , t u n k r n - Splitter Dienststelle Gesundheit > Gesundheitsförderung: Info Gesundheit Nr. 1/12 23
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