Dieses PDF enthält Quellen - zeitgenössische literarische

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Dieses PDF enthält Quellen - zeitgenössische literarische Zeugnisse
von Europäern und Osmanen - zum Artikel Der Türkenkrieg Mehmets
IV. gegen Leopold I. in der Rubrik KUNST & KULTUR.
1) Kara Mustafas Aufforderungsschreiben zur Übergabe Wiens 1683
Quelle:
Kara Mustafas Aufforderungsschreiben an die Stadt und Festung Wien, 14. Juli
1683, Original im Zweiten Weltkrieg vernichtet.
Quellentext:
„Der Grund für die Abfassung des Schriftstückes und der Anlass zur
Niederschrift des Schreibens ist folgender:
Euch, dem Kommandanten, der Besatzung, den Notablen und den übrigen
Bewohnern der Festung Wien sei kundgetan: Durch Gottes des Allmächtigen und
Hochgepriesenen Gnade, aufgrund der segensreichen Wunder der Sonne beider
Welten, unseres Propheten, Seiner Heiligkeit Muhammad des Auserwählten –
Allah der Erhabene segne Ihn und schenke Ihm Heil! – sind wir auf Allerhöchsten
Befehl des Größten der Sultane [unseres] Zeitalters und es Gewaltigsten der
Hakane [Anm. d. Red. Titel der osmanischen Sultane] der Welt, Seiner Majestät,
unseres Herrn, des Großmächtigen, Hochmögenden, Ehrfurchtgebietende und
Erlauchten Padischahs des Erdenrunds, des Schatten Gottes auf erden, mit
sieghaften Truppen sonder Zahl vor die Festung Wien gezogen, in der Absicht,
diese Feste zu erobern und die wahre Religion zu verkünden. Da es nun
gesetzlicher Brauch des Fürsten der Menschen war, vor der Gewaltanwendung
das Anerbieten des Islams zu machen, schlagen auch wir Euch zumindest die
Annahme des Islams vor. Wenn Ihr Muslims werdet, geschieht Euch nichts.
Auch wenn Ihr nicht Muslims werdet, die Festung aber kampflos übergebt, so
wird der Befehl Gottes [eben] auf diese Weise ausgeführt: Euch allen, hoch und
niedrig, reich und arm, geschieht kein Leid, sondern wird Gnade und Pardon
gewährt. Wer immer von Euch sich an einen anderen Ort begeben will, dem wird
kein Zwang widerfahren, und er wird an Hab und Gut keinen Schaden erleiden.
Man wird ihm eine zuverlässige Person beigeben und ihn samt seiner Familie an
den von ihm gewünschten Ort bringen. Wer bleiben will, dessen Hab und Gut
wird nicht angetastet, und er kann wie bisher in Frieden leben. Solltet Ihr aber
halsstarrig sein und Widerstand leisten und sollte der Ratschluss Allahs des
Erhabenen sein, dass die Festung...durch die überwältigende [Kriegs]macht des
Padischahs erobert und unterworfen wird, so wird keinem einzigen Gnade und
Pardon gewährt. Dann werden, Bei Allah dem Allerhabenen, der Himmel und
Erde schuf und der keinen Gefährten hat, Eure Besitztümer geplündert und Eure
Kinder versklavt.
Und somit Friede auf dem, der der rechten Leitung folgt.
[Gegeben] im Feldlager vor Wien“
1
Zitiert nach:
Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. 82.
Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. 5. Mai bis 30.
Oktober 1983. Wien 1983, S. 115f, Kat.nr. 12/37 (Abb. S. 117)
2) Die Belagerung Wiens 1683 – Alltag des Belagerungskrieges
Quelle:
Namentlich nicht bekannter Zeremonienmeister der Hohen Pforte (17. Jh.), „Die
Ereignisse um Wien“ (osman. Vekayi‘-i Beç), offizielles Tagebuch des
Belagerungsheeres, Handschrift Istanbul, Bibliothek Topkapı Sarayı (Revan
Köşkü) Nr. 1310 und Handschrift London, British Museum Or. 6647
Quellentext:
„Donnerstag, 12. August
In der Nacht wurde vom Heere des Islams aus Geschützen und Flinten ein
derartiges Feuer gegen den Glaubensfeind unterhalten, dass die Erde und das
Himmelsgewölbe davon widerhallten. Die Feinde mit ihren zerrütteten Gehirnen
fanden keine Möglichkeit zu irgendeiner Unternehmung. Die unter der Bastion
gegrabene Mine [Anm. d. Red. eine Kammer für Sprengstoff] ist heute etwa zehn
Ellen weit vorangekommen.
...
Nach dem Nachmittagsgebet wurden die beiden unter der Bastion angelegten
Minen gesprengt; sie zeitigten zwar nicht ganz die erwünschte Wirkung, aber mit
Allahs Hilfe gelang es, im Sturmangriff auch auf der Bastion festen Fuß zu fassen
und Deckungen anzulegen. Dabei setzte es einen erbitterten Kampf mit
Geschützen und Flinten ab, und obwohl von den Streitern des Islam eine Anzahl
verwundet wurde, fielen doch zahlreiche Giauren [Anm. d. Red. Bezeichnung für
Nichtmuslime, von arab. gavur, kafir, ‚Ungläubiger’] in den Staub des Verderbens
und stürzten in die Flammenschlünde der Hülle. Unter en Kriegern des Islams
entstanden durch die Minensprengung ebenfalls einige Verluste, aber durch die
Feinde selbst erlitten sie keinen besonderen Schaden; schließlich fielen die
schmutzigen Köpfe zweier Giauren unter dem blitzenden Schwert und wurden
dem Großwesir gebracht. Ein Artillerist erzielte mit einem Belagerungsgeschütz
einen Volltreffer in die Hauptmasse der Feinde und schickte damit dreißig bis
vierzig dieser Schurken in das Höllenfeuer...“
„Freitag, 13. August
Zur Zeit des Sonnenaufganges nahm das Heer des Islams die Feinde mit
Geschützen, Flinten und Mörsern unter ein derartiges Feuer, dass es unmöglich
ist, die Anzahl der dabei abgegebenen Schüsse zu nennen. Zu beiden Seiten der
gesprengten Stelle in der Bastion wurde begonnen, Annäherungsgräben
vorzutreiben. Der Großwesir begab sich Vormittag in die Gräben und verweilte in
seiner Schanze. Der Janitscharenağa, der Janitscharenpräfekt, der Beylerbeyi
von Rumelien [Anm. d. Red. einer der Heerführer] ‘Ali Pascha, ...erschienen vor
dem Großwesir, und nach verschiedenen Besprechungen über die Führung des
Kampfes küssten sie ihm den Gewandsaum und kehren in ihre Abschnitte
2
zurück. Der Growesir selbst suchte nach der Verrichtung des Mittagsgebetes
wieder seine Schanze auf. Ein Spion wurde gefangen eingebracht. In der Nacht
fand wiederum zur Zeit des Sonnenunterganges eine halbe Stunde lang ein
heftiges Feuergefecht mit Geschützen und Flinten statt. Dann begann es zu
regnen, und zwei Stunden lang ließen Blitz und Donner den Kampf und Streit
verstummen.
...
Bei Sonnenuntergang wurde auf der Bastion eine Flattermine gesprengt; sie fügte
dem Feind keinen sonderlichen Schaden zu, zeitigte aber doch eine gewisse
nützliche Wirkung.“
„Mittwoch, 18. August
Am Vormittag unternahmen die Giauren einen Ausfall gegen die Freiwilligen im
Abschnitt Arslan Paschas. Während dort der Kampf mit Geschützen, Flinten,
Mörsern und Steinen in vollem Gange war, griffen die Giauren auf der anderen
Seite die Freiwilligen an, die gegenüber der Mine lagen; aber auch dort
begegneten die bereitstehenden Glaubenskämpfer den Giauren in kühnem
Einsatz, und alsbald wurden die Köpfe von vier Feinden vor den Großwesir
gebracht und die Überbringer reich beschenkt.
...
Eine Stunde vor Sonnenaufgang wurden in der Mitte der Bastion zwei Minen
gesprengt, davon eine [mit fünfzehn und die andere] mit fünfundzwanzig
Halbzentnern Pulver. Bis zum Sonnenuntergang wurde erbittert gekämpft. An
dieser Stelle legten vier Fähnlein Janitscharen in der Nacht Gräben an.“
„Donnerstag, 19. August
Während die Arbeiten in den Annäherungsgräben immer weiter vorrückten,
ließen die Giauren vormittags eine Flattermine springen, die aber niemandem
Schaden zufügte; einige Leute wurden verschüttet und verwundet, aber nicht
gefährlich. Nach dem Mittagsgebet wurde im Abschnitt der Zağarcı [Anm. d.
Red. Traditionsname der 64. Janitscharenkompanie] eine Flattermine gesprengt,
die die dortigen Palisaden und Schweineställe der Giauren verschüttete und die
darin befindlichen elenden Schurken unter den Erdmassen begrub und
vernichtete. In diesem Abschnitt sind die Gräben bereits hart an der mit der
Festungsmauer unmittelbar zusammenhängenden Bastion angelangt.
...
Bekir Pascha ist im Begriff, unterirdisch unter die Bastion vorzudringen. Im
Abschnitt des Ahmed Pascha wird ebenfalls mit allem Eifer daran gearbeitet, auf
die gleiche Weise unterirdisch unter die Bastion zu gelangen. Auch im
Mittelabschnitt kamen die Freiwilligen in dieser Nacht ein gutes Stück voran. Von
der dortigen Bastion ist bis zum heutigen Tag der dritte Teil bereits
eingenommen, und im restlichen Teil sind nicht mehr viel Giauren übrig.“
Zitiert nach:
Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683,
verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Übersetzt, eingeleitet und
erklärt von Richard F. Kreutel. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 1. Graz,
Wien, Köln 1955, S. 76f
3
3) Sturm auf Wien – Die osmanische Bresche vom 4. September
1683
Quelle:
Oberstleutnant Hoffmann von der Wiener Garnison, Bericht über die gefährliche
Bresche vom 4. September 1683
Quellentext:
„Gegen 2 Uhr hörten wir die Explosion einer Mine, von der das ganze Haus
erbebte. Wir eilten sofort auf die Bastei, wo wir Graf de Souches trafen, der hier
das Kommando führte; er hatte seine Besatzung in dem neuen Abschnitt auf der
Bastei aufgestellt. Als wir uns der Bresche näherten, sahen wir schon die Spitzen
der türkischen Rossschweife, welche die Janitscharen auf der Höhe aufpflanzen
wollten. Wir schlossen uns vorerst dem Freiherrn Asty an, der sich bei diesem
Sturm als tüchtiger Offizier bewährte, und ließen die Soldaten reihenweise
vorrücken, die zurückgingen, nachdem sie Feuer gegeben hatten. So begann der
Sturm, der ohne Unterbrechung mehr als zwei Stunden dauerte. Die Bresche war
groß, aber steil und wir konnten die Janitscharen ohne besonders mühe bis
hinter die großen Mauerstücke zurückdrängen, die unten stehen geblieben
waren. Doch nun setzte ein furchtbares Feuer von der ganzen Kontreskarpe ein,
gleichzeitig überschütteten uns die Türken mit einem Hagel von Kanonenkugeln,
mit Bomben und Steinen aus Mörsern, mit Pfeilen und anderen Geschlossen, die
unsere Reihen zum Weichen bringen sollten. Starhemberg war mit Serényi und
allen höheren Offizieren herbeigeeilt; sie alle setzten mit Todesverachtung ihr
Leben aufs Spiel. Die Ablösung, die gerade antreten sollte, kam auch zur rechten
Zeit, und St.-Croix, Oberstleutnant des Regimentes Dupigny, besetzte die linke
Seite der Bresche mit allen Offizieren seines Regimentes und einer Abteilung
seiner Leute. Der Angriff dauerte so lange, bis wir reite, auf vier Rädern
vorgerollte spanische Reiter und Sandsäcke herbeigebracht hatten, um die
Bresche zu schließen. Dieser Sturm kostete uns nicht weniger als 200 Mann,
von denen 12 durch eine einzige Bombe zerrissen worden waren, und viele
Offiziere. Die Türken, welche ungleich größere Verluste erlitten hatten als wir,
haben später erklärt, dass sie fast überzeugt waren, uns an diesem Tage zu
überwältigen. Und tatsächlich waren sie von allen Seiten herbeigeeilt, um zu
kämpfen oder zuzuschauen. In der Nacht gelang es uns, die Bresche vollständig
abzuriegeln.“
Zitiert nach:
Münster, Wien und die Türken 1683-1983. Ausstellung zur 300jährigen
Wiederkehr der Befreiung Wiens 1683. Stadtmuseum Münster 27. Mai bis 21.
August 1983. Münster 1983, S. 17f, nach Walter Sturminger. Die Türken vor
Wien in Augenzeugenberichten. Düsseldorf 1968, S. 300-301
4
4) Die Entsatzschlacht am Kahlenberg bei Wien 1683
Quelle:
Namentlich nicht bekannter Zeremonienmeister der Hohen Pforte (17. Jh.), „Die
Ereignisse um Wien“ (osman. Vekayi‘-i Beç), offizielles Tagebuch des
Belagerungsheeres, Handschrift Istanbul, Bibliothek Topkapı Sarayı (Revan
Köşkü) Nr. 1310 und Handschrift London, British Museum Or. 6647
Quellentext:
„Als nun die Truppen um den Großwesir sahen, wie der Feind auf beiden Seiten
stürmend vordrang und das Heer des Islams sich zur Flucht zu wenden begann,
da schwand jedem von ihnen die Kraft und die Lust zu Kampf und Streit, und es
stellten sich die Anzeichen jener Verwirrung ein, die immer einer Niederlage im
Gefolge hat. Da der Polenkönig mit seinen Truppen geradewegs gegen die heilige
Fahne vorstieß, stieg der Großwesir zu Pferde, und zu seiner Rechten und Linken
hielten sich die Leute seines Gefolges, der Scheich Vani Efendi sowie die Sipah
und Silihdar bereit. Während die Paschas auf beiden Flügeln schon
zurückzuweichen begannen, stand im Herzen des Heeres der Großwesir mit
seiner Umgebung fest und unerschüttert. Aber die Angriffe der Giauren wurden
immer stärker, der Kampf nahm an Heftigkeit ständig zu und zog sich bereits
fünf oder sechs Stunden hin; das Heer des Islams wurde von den Kugeln aus den
Geschützen und Flinten der Feinde wie mit einem Regen überschüttet. Da
erkannten die Muslims, dass alles verloren war (und die Katastrophe nicht mehr
abgewendet werden konnte). Kämpfend und fechtend wandten sich die Massen
der Krieger in der Umgebung des Großwesirs zur Flucht; die meisten flohen
geradewegs zu ihren Zelten hin und dachten nur noch daran, ihr Leben und ihre
Habe zu retten.“
Zitiert nach:
Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683,
verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Übersetzt, eingeleitet und
erklärt von Richard F. Kreutel. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 1. Graz,
Wien, Köln 1955, S. 108f
5) Die Niederlage der Osmanen am Kahlenberg 1683
Quelle:
König Johann III. Sobieski (1629-1696) von Polen, Kommandierender der
polnischen Truppenteile im Entsatzheer 1683, Brief an seine Frau
Quellentext:
„Der Allerhöchste sei gepriesen und gelobte/ dass er Uns hat wider den Erbfeind
Obsiegen lassen/ alle Stuckh/ Schatz/ Gezelte so nicht zu schützen/ ist uns alles
zu theil worden/ wie nicht weniger Cameel/ Viehe /Schaafe und dergleichen... Es
ist eine Victorie dergleichen niemals zu hren war. Der Commendant Graff
Stahrenberg hat mich umhalset/ geküsset/ und Salvator genennt. .. In summa der
feind ist nun völlig ruiniret/ alles verlohren/ außer mit dem Leben haben sie hohe
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Zeit sich zu salviren. Laset alles fröhlich sey/ Gott dem Allerhöchsten dancken/
dass Er denen Mahomethanern nicht zugelassen/ uns zu fragen wo unser Gott
ist.“
6) Die Hinrichtung des Kara Mustafa Pascha in Belgrad 1683
Quelle:
Namentlich nicht bekannter Zeremonienmeister der Hohen Pforte (17. Jh.), „Die
Ereignisse um Wien“ (osman. Vekayi‘-i Beç), offizielles Tagebuch des
Belagerungsheeres, Handschrift Istanbul, Bibliothek Topkapı Sarayı (Revan
Köşkü) Nr. 1310 und Handschrift London, British Museum Or. 6647
Quellentext:
„Die Ankömmlinge traten unverzüglich in das Palais ein und begaben sich nach
oben. Der Kethüda ’Ali Ağa, der sogleich Bescheid wusste, führte sie weiter, und
sie gingen geradewegs in das Zimmer, in dem sich der Großwesir befand. Der
Janitscharenağa (trat zu ihm hin und) küsste ihm den Gewandsaum, während der
Oberstkämmerer und der Pfortenmarschall das Selām entboten und dann
wartend verharrten.
‘Was gibt’s?’ fragte der Großwesir, und der Oberstkämmerer antwortete: ‘Unser
erlauchter Padischah fordert dir (das dir anvertraute) Reichssiegel und die heilige
Fahne (und den Schlüssel zur Kaaba) ab.’
‘Wie mein Padischah befiehlt!’ entgegnete der Großwesir; er zog das Siegel aus
dem Busen, brachte die heilige Fahne (und den Schlüssel zur Kaaba) samt dem
Behältnis und händigte ihnen alles aus. Dann fragte er ‘Ist mir der Tod
bestimmt?’ ‘Gewiss, es muss sein!’ antwortete der Oberstkämmerer. ‘Allah
möge dich im wahren Glauben sterben lassen!’
Darauf erwiderte der Großwesir: ‘Wie Allah gefällt – Nun breitet den
Gebetsteppich wieder aus!’
...
Er verrichtete sein Mittagsgebet, ohne dass ihm auch nur die kleinste
Unaufmerksamkeit unterlief. Nachdem er noch sein persönliches Gebet
dargebracht und mit den Handflächen über das Gesicht gestrichen hatte, sagte er
zu seinen Pagen: ‘Und jetzt geht ihr hinaus! (Und vergesst mich nicht in eurem
Gebet!)’
Eigenhändig legte er seinen Pelz und seinen Turban ab und befahl dann: ‘Sie
sollen kommen!’...
Und als nun die Henker hereinkamen und ihre Stricke bereitmachten, hob er mit
eigenen Händen seinen Vollbart hoch und fügte sich in das Verhängnis mit den
Worten ‘Legt mir die Schlinge auch richtig an!’
Die Henker (legten ihm die Schlinge um,) zogen zweimal oder dreimal zu, und
dann hatte er seinen Geist aufgegeben. Nun entkleideten sie den Leichnam und
trugen ihn hinunter in ein altes Zelt im Hofe des Palais, wo sie ihn wuschen (und
in das Leichentuch hüllten) und dann, gleichfalls im Hof, das Totengebet
verrichteten. Nachdem er dann wieder in jenes Zelt gebracht worden war,
häutete ihm der Henker im Sarg den Kopf ab. Schließlich trugen sie die Leiche
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fort und bestatteten sie im Hofe der Moschee gegenüber dem Palais. (- Allah sei
seiner Seele gnädig!)“
Zitiert nach:
Kara Mustafa vor Wien, Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683,
verfasst vom Zeremonienmeister der hohen Pforte, übersetzt von R.F. Kreutel,
Graz 1955, S. 122f
7) Wien feiert seine Befreiung
Quelle:
Protokoll des münsterischen Domkapitels zum Samstag, 9. Oktober 1683,
Staatsarchiv Münster, Domkapitel Münster, Protkolle Bd. 47a (1683), Bl. 138v
Quellentext:
„Und alß sich morgen das Jubilaeum und Praeces [Anm. d. Red. Gebete] wegen
der Türckengefahr endigeten, und man anjetzo die gewiße Zeittung erhalten,
dass die vom Türcken so hart belägert gewesene kayserliche Residentzstadt
Wien glücklich endtsetzet, und die Türcken mehrentheilß niedergemachte und
ruiniert sein. So sollte wegen dißer so großen Victori morgen und nach
gehaltener Proceßion das Te Deum Laudamus [Anm. d. Red. Teil einer Messe]
solenniter [Anm. d. Red. feierlich] musicirt, wie nicht weniger dreymahl um d er
Cittadellen und Stadt die Stücke [An. D. Red. Kanonen] gelöset, und von der
gantzen Guarnisone, welche auff dem Thumbhoff eine Parade zu machen hette,
gleichfalß drey Salven gegeben werden, alles zu der Ehre des Allerhöchsten, und
Dancksagungh führ sölche große Victori.“
Zitiert nach:
Münster, Wien und die Türken 1683-1983. Ausstellung zur 300jährigen
Wiederkehr der Befreiung Wiens 1683. Stadtmuseum Münster 27. Mai bis 21.
August 1983. Münster 1983, S. 27
8) Die Schäden der Türkenbelagerung in Wien 1683
Quelle:
Archivalie, Wein, Wiener Stadt- und Landesarchiv, H. A.-Akt 13/1683
Quellentext:
„Für die Beseitigung der in den nachfolgenden Punkten angeführten Schäden
wurde eine Summe von 33.370 Gulden veranschlagt.
1) Die Gassen und Plätze waren durch das Kriegsvolk und die mitführenden
Rosse, Kühe und Ochsen so verschmutzt, dass für die Reinigung mindestens
1500 Gulden aufgewendet werden müssen.
2) Die Straßenpflasterung war durch die schweren Geschütze und
Munitionswagen zerstört, auch wurden viele Pflastersteine herausgerissen und
zum Schutz der Stadttore verwendet.
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3) Alle Stadttorbrücken waren ruiniert.
4) Die Türken hatten die von Hernals und Nikolsdorf kommenden
Wasserleitungen schwer beschädigt
5) Zahlreiche Feuerwagen waren beschädigt bzw. vernichtet.
6)-13) An städtischen Gebäuden waren der Fletzstadel mit dem Bauholz, der
Arsenalstadel mit den Markthütten, die Schmelzhütte, der Metzleihenstadel, das
Waschhaus und die Häuser des Freimannes und des Mistrichters abgerannt.
14) Die Brücken über den Wienfluss waren vernichtet.
15) Stark zerstört waren die Soldatenwachthäuser, die Steinmetz- und die
Flecksiederhütte
16) Von allen im Besitz der Stadt Wien befindlichen Häusern waren die
Schindeldächer völlig abgedeckt.“
Zitiert nach:
Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. 82.
Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. 5. Mai bis 30.
Oktober 1983. Wien 1983, S. 120, Kat.nr. 12/44
9) Die Gründe für die osmanische Niederlage bei Wien
Quelle:
Namentlich nicht bekannter Zeremonienmeister der Hohen Pforte (17. Jh.), „Die
Ereignisse um Wien“ (osman. Vekayi‘-i Beç), offizielles Tagebuch des
Belagerungsheeres, Handschrift Istanbul, Bibliothek Topkapı Sarayı (Revan
Köşkü) Nr. 1310 und Handschrift London, British Museum Or. 6647
Quellentext:
„Diese Niederlage, mit der wir nach dem Willen des Allmächtigen geschlagen
worden sind, ist auf mannigfache Ursachen zurückzuführen. Es dürfte nicht
unangebracht sein, hier einige dieser Ursachen aufzuzeigen und auf sie näher
einzugehen.
Erstens :
In unserem Heere befand sich eine zahllose Menge von Händlern, die nur aus
Gewinnsucht mitgekommen waren. Jeder von ihnen zog aus der gewaltigen
Beute, die auf diesem Feldzug gemacht wurden, den größten Nutzen und richtete
dann sein ganzes Sinnen und Trachten nur noch darauf, sich samt seinen Waren
und seinen Sklaven möglichst bald in Sicherheit zu bringen. Am Tage der
Feldschlacht begannen diese Leute bereits am frühen Vormittag allenthalben im
Lager ihr Gepäck aufzuladen und Anstalten zum Abzug zu treffen. Infolge der
Unruhe und der Vorbereitungen dieser Leute zur Flucht gerieten dann auch die
übrigen Insassen des Lagers in Furcht und Aufregung und schickten sich unter
tausend eitlen Befürchtungen ebenfalls an, ihr ganzes Hab und Gut auf ihre Tiere
zu verladen. Als die Kunde von diesen Vorgängen im Lager zu den Truppen
drang, die draußen im Kampf gegen die Giauren standen, wurde diese nun
gleichfalls von Verwirrung und Angst um ihr Eigentum gepackt, und jeder strebte
nur danach, so schnell wie möglich zu seinem Zelt zurückzukommen. So konnten
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die Giauren zuerst auf der Seite durchbrechen, wo Ibrahim Pascha stand, und
drangen darauf in das Lager ein. Als die nächsten gaben dann die Truppen der
Lehensreiterei von Rumelien Fersengeld, und nur noch der Großwesir selbst mit
einer Anzahl von Sipahi und Silihdars [Anm. d. Red. osmanische Garden] sowie
mit seinem Gefolge und Gesinde blieb noch standhaft. Die Giauren aber fanden
auf allen Seiten kaum noch irgendeinen Widerstand, und so drangen mehr als
hunderttausend dieser verfluchten Ungläubigen im Kampf gegen einen ganz
geringen Teil des islamischen Heeres bis zur Zeltburg des Großwesirs vor.
Nachdem dort noch eine Zeitlang gekämpft und gefochten worden war,
schickten man sich schließlich in das Verhängnis und machte sich auf den
Rückzug nach Raab.
In dieser Hinsicht wäre folgende Maßnahme erforderlich gewesen :
Der erhabene Oberfeldherr hätte im Heer strenge Musterung halten und mit
Ausnahme der im Register eingetragenen Lagerhändler alle jene unnützen Kerle,
die ohne ein geregeltes Gewerbe nur aus reiner Gewinnsucht mitzogen und als
eine ausgesprochene Last für den ganzen Feldzug einen Mangel an Lebensmitteln
und damit Teuerung und Hungersnot verursachten, ausfindig machen und unter
einem entsprechenden Vorwand oder überhaupt unter Gewaltanwendung aus
dem Heere entfernen und ausschließen müssen, so dass sie erst gar nicht in das
Kriegsgebiet und zur Stätte des Kampfes mitkommen und dort Anlass zu jenen
Zuständen hätten geben können, aus denen dann die Verwirrung unter den
Truppen des Islams entstand. Von diesen Leuten ist ohnehin keinerlei Nutzen für
irgend jemanden zu erwarten, sondern nichts als Schaden. Eine solche Horde von
Teufelsfratzen, die zu keiner ordentlichen Arbeit taugen und sich vom Kampf mit
der Waffe drücken, innerhalb des Heeres zu dulden, ist ein verhängnisvoller
Fehler; man kann es als ein Geschenk des Herrgotts ansehen, wenn keiner von
diesen Kerlen sich unter den Streitern des Islams befindet.
Möge Allah der Allerhabene und Allgepriesene es nicht zulassen, dass sie sich
jemals noch auf einem Feldzuge unter das siegreiche Heer des Islams mischen,
auf lass sie in ihrer Eigensucht nicht die Zucht und Ordnung der Kämpfer für den
wahren Glauben untergraben.
Zweitens :
Die Streiter des Islams kämpften gegen die unseligen Feinde sechzig Tage lang
mit Leib und Seele in den Gräben und unter der Erde mit Geschützen und Flinten,
mit Minen, Bomben und Steinen; als dann ihre Kräfte bereits erlahmten, da
.amen der deutsche Kaiser und der Polenkönig mit ihren zweihunderttausend
heillosen Soldaten angerückt. Der erste Anlass zu einer Unruhe im
sieggewohnten Heere war die Niederlage, die [Abaza Kör] Hüseyin Pascha, der
Beglerbegi von Erlau, auf dem jenseitigen Ufer der Donau erlitt. Und nachdem
man so lange Zeit hindurch alle Kräfte auf die Belagerung der Festung
aufgewandt hatte, wollte man dann nicht die Gräben räumen und beging in der
Meinung, einige tausend Krieger würden den Kampf im freien Felde bestreiten
und dem Feind die Hölle heiß machen können, den schweren Fehler, nicht die
gesamte Streitmacht zusammenzufassen.
In dieser Hinsicht wäre folgende Maßregel am Platze gewesen:
Nachdem die zahlenmäßige Übermacht des feindlichen Heeres bekannt geworden
war und feststand, hätten nur etwa tausend Mann zur Sicherung gegen alle Fälle
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in den Gräben belassen werden dürfen, die übrigen Kampftruppen jedoch wären
herauszuziehen gewesen; das Fußvolk hätte Grabenstellungen beziehen, die
Balyemez-Geschütze [Anm. d. Red. Belagerungsgeschütze schwersten Kalibers]
und die Şahi-Geschütze dahinter in Stellung gehen und die Reiterei sich zum
Einsatz bereit halten müssen. Dann hätte man warten müssen, bis der Feind in
die Reichweite eines Reiterangriffs gekommen wäre; bei weiterer Annäherung
hätte man dann aus Geschützen und Flinten das Feuer eröffnen und die Reiterei
hätte, wenn nötig, zum Angriff übergehen müssen, aber nicht jeder nach
eigenem Gutdünken kämpfen dürfen. Und vor allem hätten die windschnellen
Tataren für die Aufgabe eingesetzt werden müssen, den Feind im Rücken zu
beunruhigen; von denen hätte man nicht erwarten dürfen, dass sie in geordneter
Feldschlacht von Angesicht zu Angesicht den Feind angreifen. Überdies waren
die Tataren, die diesen Feldzug mitmachten, durch die Unmenge der Beute und
durch die Unzahl der Gefangenen, die ihnen Allah der Allerhabene hatte zu- allen
lassen, durchwegs so behindert und schwerfällig, dass sie überhaupt nicht
imstande waren, sich dem Feind zum Kampf zu stellen und irgendwelchen
Widerstand :u leisten. Ihr Chan, dieser Schurke, tat es ihnen gleich und zeigte
nicht den geringsten Eifer für die Sache des wahren Glaubens; mit keinem
Gedanken erinnerte 'r sich des Schutzes, den ihm die Streitscharen des Islams
allezeit gewährt hatten, )der seiner Bündnispflicht gegenüber den Sultanen der
Gläubigen.
Drittens :
Die Pferde, die die berittenen Truppen in die Feldschlacht hätten tragen sollen,
hatten schon seit über zwei Monaten keine Gerste mehr bekommen und waren
derartig abgemagert und entkräftet, dass die Sipahi und die übrigen Reiter nicht
imstande waren, auf ihren Tieren wirksam in den Kampf einzugreifen.
Es ist daher erforderlich, dass jeweils der Defterdar [Anm. d. Red. hoher
osmanischer Finanzbeamter] der öffentlichen Einkünfte eine strenge
Überwachung der Verpflegung für die Kampftruppen durchführt und einen
etwaigen Überschuss für die Verwendung zu einem geeigneten Zeitpunkt
aufbewahrt. Diese Maßnahme ist überaus wichtig und bereits vor dem Auszug
zum Krieg und vor dem Betreten des Kampfgebietes wahrzunehmen, denn sobald
man einmal im Feindesland nur einige wenige Tagreisen zurückgelegt hat, ist die
Lösung der Verpflegungsfrage schwierig und der mit dieser Aufgabe Betraute
muss, da er den Bedarf nunmehr nicht rechtzeitig decken kann, schließlich
Schimpf und Schande einstecken. Dieser Punkt ist von außerordentlicher
Wichtigkeit für die Führung der Sache des Glaubens und des Reiches; das
Versagen des größten Teiles der Kampftruppen in dieser Schlacht ist auf die
Mängel in der Beschaffung des Futters für die Pferde zurückzuführen.
Viertens :
Neben diesen drei Ursachen besteht die vierte darin, dass es allgemein
vernachlässigt wurde, Allah dem Allgütigen den nötigen Dank abzustatten für die
unwiderstehliche Kraft und für die reiche Beute, die er zu Beginn des Feldzuges
dem Heere des Islams verliehen hatte, sowie darin, dass man anstelle des
Lobpreises Allahs für diese Wohltaten sich zur Verübung vielfacher
Abscheulichkeiten und Sünden erkühnte und erfrechte, die nie und nimmer das
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Wohlgefallen Allahs finden konnten. Zuerst hatte man sich allgemein Sorge
gemacht, dass der Feind sich der Brücke bei Esseg bemächtigen und damit den
Übergang des Heeres vereiteln könne; aber dank der Gunst Allahs hatte der Feind
diesen Gedanken nicht einmal erwogen. In aller Ruhe und völlig unbehelligt zog
man über die Brücke und lagerte sich auf dem Felde vor der Festung Raab, und
obwohl die Feinde auf dem gegenüberliegenden Ufer standen, gelang es ihnen
nicht, dem Heere des Islams irgendwelchen Abbruch zu tun. In jener Nacht
flohen die unseligen Giauren in Todesangst aus ihrem Lager, und es konnten also
in aller Ruhe Brücken über die Flüsse Raab und Rabnitz geschlagen werden. Dann
brach man von dort in machtvollem Zuge auf; (die Dörfer und Ortschaften in der
Umgebung wurden geplündert und zerstört und) bis nach Wien hin wurden
zahlreiche wichtige Festungen und Palanken [Anm. d. Red. kleines Palisadenfort]
bezwungen und reiche Beute und unzählige Gefangene eingebracht, so dass
hoch und niedrig einer Kriegsbeute teilhaftig wurden, die alle Erwartungen weit
übertraf. Auch die Vorstadt von Wien wurde mehrfach heimgesucht, und dort
selbst wurden dann vielfache Vorzeichen des Sieges erkennbar. So beugten
mehrere Magna - ten des ungarischen Volkes, das sich schon so lange dem
Willen des Sultans nicht gefügt hatte, nun huldigend ihr Haupt und leisteten dem
Heere des Islams zwei Monate lang Dienste. Und wenn es auch sonnenklar war,
dass die Festung Wien an Stärke und Festigkeit einem Berg aus Granit
gleichkommt, so konnte man sie den- noch unbehindert von Furcht und
Bedenken sechzig Tage lang belagern und ihre endgültige Eroberung bereits als
durchaus wahrscheinlich ansehen. Es wäre also jedermanns unbedingte Pflicht
gewesen, angesichts dieser vielfältigen Gnadenbeweise des Schöpfers zu jeder
Stunde und in jedem Augenblick in- brünstigen Dank und Lob und Preis ohne
Ende zum Throne Allahs des Allgütigen empor zu senden; aber schon im
Sprichwort heißt es ja: Ist ihm auch höchstes Glück beschieden, der Mensch gibt
niemals sich zufrieden. Voller Undankbarkeit wähnte man also die Festung Wien
bereits dem Reiche des Islams einverleibt; und man irrte ab vom Pfade der Gott
Wohlgefälligen Werke und schlug den Weg der Selbstgefälligkeit, der Hoffart und
des schnöden Undanks ein. Aber sofort wurde der Baum des Glückes, in dessen
Schatten die üblen Taten üppig gewuchert hatten, trächtig mit Früchten des
Unheils, und was bislang wie spielend gelungen war, verwandelte sich in
Schwierigkeit und Mühsal; die Vorzeichen des Sieges verschwanden, und die
bisher gehegten und fast schon verwirk- lichten Hoffnungen brachen im
Augenblick zusammen. Man hat die göttlichen Wohltaten, die in so reichem
Maße gewährt worden waren, nicht zu schätzen gewusst und durch das eigene
Verhalten dieses Strafgericht herausgefordert. Weil man den Erfolg, den Allahs
Gunst dem Heere des Islams be- scherte, den eigenen Kräften zuschrieb, musste
es zu diesem vernichtenden Zusammenbruch kommen.
Hier wäre es das einzig richtige Verhalten gewesen, alle Zeichen von Erfolg und
Sieg, die sich auf dem Zuge gegen den Feind einstellten, als Beweise der Gnade
des allgütigen Herrn zu erkennen, die Lippen im Dankgebet und im Lobpreis
Allahs nicht ruhen zu lassen und sich immer vor Augen zu halten, dass der
Mensch ganz und gar ohnmächtig und nichtig ist. Denn dass die Unzulänglichkeit
allen menschlichen Seins durch unwiderlegliche Beweise zutage liegt, ist allen
Denken- den wohlbekannt und allen Verständigen und Einsichtigen
unauslöschlich ins Bewusstsein eingeprägt.“
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Zitiert nach:
Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683,
verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Übersetzt, eingeleitet und
erklärt von Richard F. Kreutel. Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 1. Graz,
Wien, Köln 1955, S. 225ff
10) Schmähgedichte auf Sultan Mehmet IV (1648-1687)
Quellen:
Schmähgedicht auf Sultan Mehmet IV., Kuperstich
Schmähgedicht auf Sultan Mehmet IV., bezeichnet als Ahmet II., von einem
Kupferstich Johann Hofmanns, Nürnberg
Quellentext:
„O Gottergebener Christ, schau diesen Bluthund an,
Wie Prächtig er hier reiht auf seiner Unglücksbahn,
Wie er mit Zorn und Grimm, den Säbel lässet blinken,
Und das erlöste Blut, nur immer sucht zu trinken.
Ach, wie erbärmlich auch, er viel der Christen führet, in schwere Dienstbarkeit
mit banden hart beschnüret.
Laß ab verfluchter Mensch, den Mut an uns zu kühlen,
In kurzem solt du auch von Gott dein strafe fühlen.“
Quellentext:
„Achmet der II. Türckischer Sultahn und Tyrann
Schau den verdammten Sohn von Ottomans Saamen!
Schau diesen Bluthund an! Der Andere [Anm. d. Red. der Zweite] nach dem
Nahmen,
Der Erst an Tyranney soll dieser Achmet seyn,
Der hier so frech und stoltz zu Pferde trabt herein
Sein grimmig wilder Blick kann auch von aussen zeigen,
Daß innerlich sein Hertz und die Gedancken neigen
Auff Krieg und Christen-Blut. Frag Ungern [Anm. d. Red. Ungarn] um die That,
Das Er (wie mähren auch) fast überschwemmet hat
Mit Blut und heisse Asch. Ach wie viel, die gefangen,
Auf dein Byzanz hin geht mit kläglich-nassen Wangen,
Ach Achmeet ächzen schon in deiner Dienstbarkeit!
Gott stürtz und plage dich, du Geissel unserer Zeit.“
Zitiert nach:
Münster, Wien und die Türken 1683-1983. Ausstellung zur 300jährigen
Wiederkehr der Befreiung Wiens 1683. Stadtmuseum Münster 27. Mai bis 21.
August 1983. Münster 1983, S. 80 und S. 82
12
11) Festungskrieg um Belgrad 1693 – Abwehr der Rückeroberung
durch die Christen
Quelle:
‘Ali (1674-nach 1722) aus Temeschwar, Siegelbewahrer des Ca’fer Pascha,
Chronik, Aus den Erinnerungen an Ca’fer Pascha den Älteren, aufgezeichnet von
seinem Siegelbewahrer ‘Ali
Quellentext:
„Wie der verewigte Ca’fer Pascha im Dienst zu Belgrad die Festung instand
setzte und wie deren Belagerung anno 1104 [Anm. d. Red.
Sept.1692/Sept.1693] verlief“
[Anm. d. Red. Mit der Verteidigung der Feste Belgrad war Ca’fer Pascha (ca.
1630/40-1697), ein hoher osmanischer Beamter und Militär, in seiner Funktion
als Oberbefehlshaber von Belgrad, betraut]
„Nach Mittag versammelten sich alle Paschas und Ağas und berieten einen Plan,
um die Gräben es Feindes zu überfallen. Nachdem der Plan von allen gebilligt
worden war, wurde er den sieggewohnten Truppen sämtlicher Abschnitte
bekannt gegeben, und jedermann rüstete sich zum Kampf und war bereit, gemäß
dem allgemeinen Beschluss zum Wohl des Wahren Glaubens Leib und Leben voll
Begeisterung zu opfern. Und da begann dank der Gunst Allahs des Allerhabenen
aus der Wolke des Sieges der Regen, der himmlische Segen hernieder zu strömen
und das urewige Firmament über die künftige Seligkeit der Glaubenskämpfer, die
auf diesem Schlachtfeld den Honigtrunk des Märtyrertums leeren würden,
Freudentränen auf die Erde zu vergießen, so dass davon die Zündschwämme an
den Flinten der zur Hölle verdammten Giauren durchnässt wurden. Nun öffneten
die Glaubensstreiter mit den Worten der heiligen Sure [Anm. d. Red. Koran, Sure
48, Vers 1] ‘Siehe, wir haben dir einen offenkundigen Sieg gewährt!’ zwei Tore
der Festung und stürmten gemäß dem heiligen Vers ‚Dass Allah dir helfe mit
mächtiger Hilfe!’ [Anm. d. Red. Koran, Sure 48, Vers 3] wie hungrige Wölfe
gegen di e Laufgräben. Unter die aus zwei Richtungen ausfallenden Fußtruppen
mengten sich auch die Besatzungen an den Palisaden zum Sturmangriff, und
Katana Mustafa Beğ, Kurt Mehmed Beğ und ihr Oberbefehlshaber, Hıra ‘Ali
Pascha, mit ihren Haustruppen und achthundert Reitern, die auf der sogenannten
Sipahi-Bastei beim Sultan-Süleyman-Turm standen, rückten nun durch die
Vorstadt, sich hinter den Häusern deckend, um die hinter den feindlichen Gräben
liegende Habil-Efendi-Moschee und griffen, als die Gazis zu Fuß aus den
Palisaden ausfielen, auch ihrerseits ohne weitere Deckung mit dem Ruf ‚Allah,
Allah!’ und mit geschwungenem Säbel an. Wie die Giauren in den Gräben diesen
Ansturm der Muslims sahen, feuerten sie eine Salve aus ihren Flinten ab, wobei
in der Aufregung viele Schlösser gar nicht zündeten, und dann griffen sie zu
ihren Piken und setzten sich zur Wehr, aber die Glaubensstreiter kümmerten sich
weder um Flinten noch um Piken, sondern drangen furchtlos und verwegen mit
dem blanken Säbel in der Faust in die Laufgräben ein. Und sprich: ‚Gekommen ist
die Wahrheit, und dahinter geschwunden ist das Falsche. Siehe, das Falsche
schwindet schnell!’ [Anm. d. Red. Koran, Sure 17, Vers 83].
13
So konnten denn die Glaubensfeinde ganz und gar nicht standhalten, sondern
mussten die Gräben aufgeben und fliehen. Drei Grabenzüge hintereinander
räumten sie, und an die tausendfünfhundert Giauren flüchteten zurück zu ihrem
Heerlager. Flink und behend setzten ihnen die Gazis nach und hieben den einen
noch in den Gräben und den anderen beim Herauskommen die Köpfe ab, dass
diese gleich Geschützkugeln auf der blutgetränkten Ere dahinkollerten. Und
unsere Reiter sprengten von links [in das Gedränge der Fliehenden] hinein und
fochten einen wackeren Strauß, dass es sich gar nicht beschreiben lässt. Der
Schlachtruf unserer Gazis und das Wehgeschrei und Gewinsel der ungläubigen
Giauren schollen zum Himmel hinauf, und als die in ihrem Lager stehenden
Glaubensfeinde dieses schreckliche Toben hörten, stürzten dort Reiter und
Infanteristen aus ihren zelten und begannen in hellen Haufen zum Sukkurs gegen
die Gräben zu rücken. Daraufhin kehrten unsere Truppen um, und in glorreichem
Triumph brachten sie die erbeuteten Köpfe vor unseren Herrn Pascha.
Achthundertfünfundsiebzig Köpfe wurden da gezählt, und jeder, der einen
gebracht hatte, erhielt ein Geldgeschenk. Am nächsten Tag machten unsere
Reiter einen Ausfall und berichteten, dass sie einen Gefangenen eingebracht
hatten, der aussagte, dass zweitausendvierhundert Giauren ins Gras gebissen
hatten und mehr als tausenddreihundert verwundet worden waren. Von unseren
Gazis waren siebenunddreißig gefallen und mehr las fünfzig verwundet, die mit
Geldgeschenken getröstet wurden.“
...
„In jener Nacht trafen sie untereinander ihre Verabredung, und im Morgengrauen
öffneten sie allenthalben die Tore der Palisaden und drangen auf die Gräben ein.
Aber die verdammten Wichte waren auf ihrer Hut und erwiderten aus ihren
Gräben das Feuer der Muslims im freien Gelände mit einem wahren Hagel an
Geschossen. Da wurde der Freiwilligenağa Ahmed Ağa der Arnaut, der unseren
Herrn so hartnäckig um die Genehmigung gebeten hatte, von vier Kugeln
getroffen und fiel als Blutzeuge; Hacı Mustafa Ağa wurde zweifach verwundet,
noch weitere drei Ağas und an die achtzig wackere Freiwillige tranken den
Honigtrunk des Märtyrertums und wurden zu Schlachtopfern dieses Opferfestes,
und mehr als hundert Glaubensstreiter wurden verwundet. So zogen sie sich
denn wieder in die Palisaden zurück. Unser erlauchter Herr war zutiefst betrübt.
Aber es hilft ja nichts: Blut, das vergossen werden soll, kann keine Ader halten,
und wessen Frist abgelaufen ist, dem nützt keine Arznei. Worum diese Männer
so inständig gebeten hatten, war nun offenbar geworden: Dass so viele von
ihnen verwundet wurden und so viele den Heldentod fanden! So beugte sich
denn unser Herr dem unentrinnbaren Schicksal, verteilte Geschenke an die
Verwundeten und befahl sie der Pflege der Wundärzte. Dann wandte er seine
Kräfte wieder den Erfordernissen der Kriegführung zu.
...
„Dreiundzwanzig Tage nachdem die Giauren in die Gräben gerückt waren und die
Beschießung mit Kanonen und Mörsern aufgenommen hatten, trafen sie die
Vorbereitungen zu einem Sturm: Während sie bisher gewöhnlich bei
Abendeinbruch das Feuer eingestellt hatten, schossen sie jetzt auf einmal aus
allen vierundzwanzig Mörsern gleichzeitig und ließen ohne Unterbrechung bis
zum Morgen einen wahren Hagel von Bomben niedergehen. Wir hatten keine
andre zuflucht mehr, als die heiligen Namen Allahs herzusagen und immer wieder
14
den hehren Koranvers zu rezitieren: ‚Aber Allah ist der beste Beschützer, und Er
ist er barmherzigste Erbarmer’ [Anm. d. Red. Koran, Sure 12, Vers 64] Tag und
Nacht fanden wir keinen Schlaf mehr, und wenn der Morgen graute, eröffneten
die Feinde auf der einen Seite aus ihren sechzig und auf der anderen aus ihren
zehn Mauerbrechern gleichzeitig das Feuer und setzten es mit unverminderter
Heftigkeit und ohne Unterlass bis zum Abend fort, so dass die Mauern immer
ärger zugerichtet wurden.
...
Während die Gazis [Anm. d. Red. arab. Krieger, synonym für Glaubensstreiter,
Kämpfer für die Ausbreitung des Islam, gebraucht] allenthalben in Bereitschaft
standen, verstrich die Zeit des Nachtgebetes, und als die dritte Stunde3s nahte,
kamen tatsächlich die elenden Giauren aus ihren Gräben heraus. Es war eine
stockfinstere Nacht, und von draußen war nicht der leiseste Laut zu hören, nur
die glimmenden Lunten in den Händen der Feinde funkelten wie die Sterne im
Dunkel der N acht. Vor den übrigen Giauren kamen achttausend Freiwillige, jeder
mit einem Sack voll Handgranaten um den Hals, in der einen Hand eine Granate
und in der anderen die glosende Lunte. Als sie so angerückt kamen, wurden die
mit ölgetränkten Fetzen geladenen Mörser in der Festung mit einem Schlag
abgefeuert, und als die brennende Ladung draußen niederging, sah man die
Feinde, wie sie gleich einer schwarzen Wolke von Ameisen angerannt kamen.
Nun flammten auch die Pechpfannen und Feuerkörbe an den Palisaden auf, und
in ihrem Licht konnte man auch schon die Gesichter der Angreifer ausmachen.
Da ließen zuerst die an den Palisaden postierten Glaubensstreiter des Islams und
die an den Breschen und auf den Zinnen der Festung zum Kampf bereitstehenden
sieggewohnten Krieger den Schlachtruf ‚Allah, Allah !’ aufbrausen, und dann
wurde aus Geschützen und Flinten eine Salve abgebrannt, dass Berg und Feld
erbebten und im Nu etliche tausend Giauren ins Feuer der Hölle hinabfuhren und
etliche tausend Verwundete hilflos auf dem Schlachtfeld liegen blieben; vielen
von ihnen fingen vom Feuer der Pechpfannen die Kleider zu brennen an, so dass
sie bei lebendigem Leib gebraten wurden. Aber die Giauren hatten sich sinnlos
betrunken und ließen sich von all dem Feuer keinen Augenblick aufhalten,
sondern stürmten gleich einer Horde von Schweinen gegen die Palisaden und
ließen ihre Handgranaten in die Palisaden und in den Graben niederhageln,
während andererseits die aus der Festung abgeschossenen Kanonenkugeln
heulten, die Geschosse der Schrotbüchsen und Flinten pfiffen und die Splitter der
Bomben aus den Steilmörsern schwirrten und auf der Jagd nach dem Leben der
glaubenslosen Feinde wie das unentrinnbare Verhängnis des Himmels aus der
Luft auf ihre Köpfe herabregneten und die einen unter der Achsel, über den
Lenden oder in die Weichen trafen, den anderen durch die Stirn oder durch die
Brust fuhren und ihre Seelen zur Hölle sandten. Eine halbe Stunde lang tobte der
Kampf um die Palisaden an der Bresche, jene draußen und die Glaubensstreiter
herinnen, aber ohne jede Deckung auf beiden Seiten, Brust an Brust. Da packten
die betrunkenen Giauren die Pfähle der Palisaden, aber die Gazs hieben ihnen mit
ihren blutbespritzten Säbeln die Hände ab, dass diese an den Pfählen
angeklammert hängen blieben. Nachdem die Giauren in ihrem törichten Eifer
mehrmals gestürmt hatten, waren ihnen von der dröhnenden Wucht der Schläge
der Gazis die Ohren taub geworden, und allenthalben erblick- ten sie die Wirkung
der Worte: Siehe, dieser Tag ist ein schwerer und des Verses: ‚Siehe, meine
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Strafe ist wahrlich strenge!’ [Anm. d. Red. Hadis] Sie sahen, dass auf der Seite
des Islams das Morgenrot des Sieges aufging, und erkannten unleugbar die
Unmöglichkeit, in die ! Palisaden einzubrechen. Da ließen sie enttäuscht von der
Bresche ab und stürmten auf die Mittelbastei los, die den Namen ‚Ca‘fer-PaschaBastei’ trug und damals als Kavalleriebastei diente. Dort führte Seksarlı Ibrahim
Pascha den Oberbefehl, mit zehn Kompanien Janitscharen unter dem Turnacıbaşı
Ibrahim Ağa, der später bei der Thronbesteigung Sultan Mustafas [Anm. d. Red.
Mustafa II. (1695-1703)] Janitscharenpräfekt und auf dem Rückweg von der
Veterani-Schlacht Garnisonskommandeur von Ağrıboz mit zwei Rossschweifen
wurde, anlässlich der Verbannung Daltaban Mustafa Paschas von Sofia nach
Eğridere die Provinz Diyarbekir erhielt und schließlich in der Schlacht bei Senta
den Heldentod fand. Als nun die Giauren angerannt kamen, spornte er seine
Janitscharen an: ‚Drauf und dran, Kameraden, heute gilt’s!’, und die Männer mit
ihren bloßen Armen und nackten Schenkeln schlugen sich derart wacker, dass
sie den anstürmenden Feinden die Herzen zerbrachen und die Eingeweide
zerstachen. Eine Stunde lang wurde Brust an Brust gekämpft, und die Leichen
vieler Giauren deckten das Schlachtfeld. Da die verfluchten Ungläubigen also
auch hier nichts ausrichten konnten, gingen sie nunmehr auf die Große Bastei
los. Auf dieser standen ‘Abdülkadir Pascha der Araber als Oberbefehlshaber und
Hasseki Mehmed Ağa der Alte mit sechs Kompanien Janitscharen und der Bölükbaşı Fazlullah mit tausendfünfhundert löwenmutigen bosnischen Milizsöldnern.
Als der Feind in wilden Horden gegen sie anstürmte, stießen alle Gazis zugleich
den Schlachtruf aus, gaben eine Salve aus ihren Flinten ab und brannten die mit
Hagelschrot geladenen Kanonen und Kartaunen auf der Bastei los, dass den zur
Hölle verdammten Giauren die Sinne vergingen und sie unter dem Feuerschlag
der Geschütze und Flinten zu Boden taumelten wie die Blätter im Herbst.
Sogleich zog Fazil Ağa sein blutdürstiges Schwert und brüllte auf Bosniakisch:
‚Drauf und dran, meine Söhne!’, und die Bölük-başıs Gazi Dursun Beğ und
Mustafa Beğ und die übrigen ergriffen selber ihre Fahnen und setzten sich an die
Spitze ihrer Mannen, ließen die Palisadentore aufmachen und wandten sich ohne
Furcht und ohne Zagen mit blanker Klinge den anrennenden Feinden entgegen.
Im Schein der in den Gräben brennenden Fackeln und der mit Öl und Pech
getränkten Lappen und der flackernden Pechpfannen funkelten ihre Säbel in der
Nacht wie zuckende Blitze, und das Dröhnen ihres ‚Allah, Allah!’-Geschreis jagte
dem Feind einen Schrecken ein, der sich gar nicht beschreiben lässt. In atemloser
Benommenheit vergaßen die Giauren, in ihre Gräben zurückzufliehen, und
wussten sich nicht anders zu helfen, als dort auf der Walstatt gegen die scharfen
Schwerter ihre Hände vorzuhalten. Unter dem schrecklichen Klirren ihrer Säbel
sprangen die schnellfüßigen bosnischen Söldner hierhin und dorthin und fochten
einen wackeren Strauß, dass sie die Feinde in Verzweiflung stürzten und die
Engel im Himmel ihrem Löwenmut und kühnen Angriffsschwung hundertfach
Beifall und Lob zollten. Die Köpfe der Giauren kollerten auf dem Schlachtfeld wie
die Kürbisse in einem abgeernteten Garten, und ihre Leichen lagen zuhauf.
Binnen einer Stunde mussten da unter dem blitzenden Schwert an die
fünfhundert Giauren ins Gras beißen und fuhren in die Hölle zu ewigem Verbleib.
...
Nachdem die Schlacht dreieinhalb Stunden ohne Unterbrechung gedauert hatte,
gewannen die unerschrockenen Glaubensstreiter, die voll höchstem Kampfesmut
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dem in solcher Überzahl angreifenden Feind die Stirn geboten hatten, mit der
Gunst und Hilfe des Allmächtigen und dank der Wunderkraft des Propheten
Muhammad die Oberhand und errangen jubelnd den Sieg, während die
ungläubigen Feinde geschlagen, verstört und verwundet sich in ihre Gräben
flüchteten. Dort machten die Giauren, die sonst nie in der nacht ein
Geschützfeuer unterhalten, ihre Kanonen und Flinten bereit und eröffneten mit
einem Schlag aus ihren siebzig Geschützen und vierundzwanzig Mörsern ein
Feuer, das sie bis zum Morgengrauen nicht unterbrachen und mit dem sie
allenthalben unseren auf den Basteien spielenden Kanonen die Lafetten und
Röder zerschossen, sie an der Mündung oder and en Griffhenkeln oder mitten am
Rohr trafen und beschädigten und die Schützenbrustwehren und Schanzkörbe in
die Luft wirbelten und durcheinander warfen, dass die Glaubenskämpfer nicht
mehr ihre Köpfe hinter der Deckung hervorstrecken konnten und, da sie vom
Kampf völlig erschöpft und viele von ihnen gefallen oder verwundet waren,
einfach gar nicht mehr hinhörten, sondern das ohnehin nutzlose Feuern aus ihren
Flinten aufgaben und jeder den Kopf einzog und an seinem Platz Ruhe hielt.“
...
„Laut dem Bericht eines am Brückenkopf gefangengenommenen sachkundigen
Giaruenkorporals waren damals beim nächtlichen Sturm auf die Festung gemäß
dem schriftlichen Verzeichnis sechstausendsiebenhundert Giauren gefallen und
über achttausend verwundet worden. Wir hingegen hatten in jeder Nacht nur
etwas mehr als vierhundert Gefallene und siebenhundert Verwundete, wie sie in
den Listen über die Geschenke verzeichnet und den Wundärzten zur Pflege
zugewiesen worden waren. Während der gesamten Belagerung waren laut
Ausweis der Listen zweitausendachthundert Mann gefallen und an die
zweitausend verwundet worden; solche, denen von Kanonenkugeln oder bomben
ein Arm oder ein Bein abgerissen worden war und die nach ihrer Genesung als
Invaliden registriert und in der Folge mit Ruhestandsbezügen belohnt wurden,
waren im ganzen vierundzwanzig Mann. Als der Finanzverwalter Kirli Isma’il
Efendi die Ruhegehälter dieser Invaliden unserem Herrn Pascha vorschlug, sie
seiner Gnade empfahl und anfragte, ob er das Verzeichnis aufstellen und wieviel
Gehalt er jeweils anweisen dürfe, setzte unser Pascha bei jedem eigenhändig
soviel ein, wie der Betreffende sich selber wünschte – beim einen vierzig und
beim anderen fünfzig Akçe [Anm. d. Red. osmanische Silbermünze] oder mehr
oder weniger. Dem gemäß erteilte dann Seine Exzellenz der Großwesir den
Befehl, ihre Anweisungen auszufertigen, und jeder kam und empfing seine
Urkunde aus der Hand unseres Herrn Paschas, betete um beständiges Glück für
unseren Padischah und begab sich in seine Heimat.“
Zitiert nach:
Stefan Schreiner (Hg). Die Osmanen in Europa. Erinnerungen und Berichte
türkischer Geschichtsschreiber. Graz, Wien, Köln 1985, S. 319ff
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