Der Winterabschiebestopp - AfD-Fraktion im Thüringer Landtag

Der Winterabschiebestopp – ein Thüringer Sonderweg
Was ist der Winterabschiebestopp?
Der mit Anordnung vom 9. Dezember 2014 auf der Grundlage des § 60 a Abs. 1
Aufenthaltsgesetz erlassene Winterabschiebestopp des Thüringer Innenministeriums (TIM)
setzt die Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern in die nachfolgend
benannten 15 Staaten bis zum 31. März 2015 aus:
Afghanistan, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Irak, Iran, Kosovo,
Mazedonien, Montenegro, Pakistan, Russland, Serbien, Türkei und die Ukraine.
Die Argumentation des Innenministeriums erschöpft sich im Wesentlichen in der Aussage, es
sei aufgrund der herrschenden winterlichen klimatischen Verhältnisse nicht gewährleistet,
dass in den vom Abschiebestopp betroffenen Staaten eine Aufnahme in Sicherheit und
Würde zu erwarten ist1. Zur Anzahl der vom Winterabschiebstopp betroffenen Personen gibt
es seitens der Landesregierung unterschiedliche Angaben, die zwischen 1.900 Menschen2
und 100 nicht zu vollziehenden Abschiebungen schwanken3.
Neben Thüringen hat nur noch Schleswig-Holstein einen vergleichbaren
Winterabschiebestopp erlassen. Der Bundesinnenminister sprach sich in einem an den
schleswig-holsteinischen Innenminister gerichteten Brief gegen den Winterabschiebestopp
aus, weil er den Asylkompromiss vom September 2014 konterkariert.
Ergebnisse des Rechtsgutachtens von Professor Karl Albrecht Schachtschneider:
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat bei dem renommierten Staatsrechtslehrer Prof.
Karl Albrecht Schachtschneider eine kurzgutachterliche Bewertung der Rechtmäßigkeit des
Winterabschiebestopps in Auftrag gegeben. Im Rahmen seiner gutachterlichen
Stellungnahme kommt der Gutachter zum Ergebnis, dass die Anordnung des
Winterabschiebestopps durch das TIM rechtswidrig und daher unwirksam ist.
§ 60 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz kann nach den Feststellungen des Gutachters aufgrund
seiner fehlenden Bestimmtheit keine tragfähige Grundlage der Anordnung des
1
vergleiche Kopie der Anordnung des TIM vom 9. Dezember 2014, Anl. 1
2
vergleiche Bericht vom 9. Dezember 2014 auf http://www.mdr.de/thueringenjournal/winterabschiebestopp_kabinett_ramelow100_zc-b06a3d37_zs-ae6d99c0.html
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Beantwortung der kleinen Anfrage der Abgeordneten Holbe (CDU) durch die Landesregierung – LT-Drs. 6/199
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Winterabschiebestopps sein. Dabei ergibt sich die Unbestimmtheit aus dem Begriff der
„humanitären Gründe“, der als „grenzenloses“ Tatbestandsmerkmal des § 60 a Abs. 1
Aufenthaltsgesetz nicht ohne Willkür subsumtionsfähig ist. Die gesamte deutsche
Rechtsordnung ist vom Gebot der Menschlichkeit (Humanität) geprägt, was sich bereits aus
Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ergibt. Auch das Asyl-und Aufenthaltsrecht sind Teil der humanen
Rechtsordnung unseres Landes. Es gibt demgemäß keine rechtmäßige Ablehnung von
Asylanträgen oder Abschiebungsverfügungen, welche gegen die Menschenwürde oder die
Menschenrechte verstoßen könnten. Die Abschiebungsaussetzungsermächtigung des § 60 a
Abs. 1 Aufenthaltsgesetz erlaubt demnach dem Innenministerium die Aussetzung des
Abschiebungsvollzugs aus Gründen, die nach der Abschiebungsverfügung rechtens nicht
bestehen können. Dies ist mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.
Der Gutachter kommt weiterhin überzeugend zum Schluss, dass selbst bei einem Versuch
der restriktiven Auslegung des Begriffs „humanitäre Gründe“ in § 60 Abs. 1 AufenthG die
vom TIM angegebene winterliche Kälte unter keinem Umständen unter diesen Begriff
subsumiert werden könnte. Es sei in diesem Zusammenhang nach Ansicht des Gutachters
bezeichnend, dass das TIM die Gründe für die Abschiebungsaussetzung mit den Worten
„Sicherheit“ und „Würde“ mehr als unspezifisch benennt.
Abschließend setzt sich der Gutachter mit den Möglichkeiten auseinander, die Praxis des
Abschiebestopps einer gerichtlichen Klärung zu unterziehen und bejaht dies im Ergebnis.
Folgerungen der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag:
Der Winterabschiebestopp ist aus der Sicht der AfD-Fraktion nach dem Ergebnis des
Gutachtens eine rechtswidrige Willkürentscheidung. Ermöglicht wird diese durch die
Unzulänglichkeiten des deutschen Aufenthaltsgesetzes, wofür exemplarisch die
Unbestimmtheit des § 60 a Aufenthaltsgesetz steht. Dieser ermöglicht die Duldung von
Ausländern trotz illegalem Aufenthalt in Deutschland. Diese Duldung wird zwar schon lange
und in großen Zahlen praktiziert, ist aber dennoch nach wie vor mit den Prinzipien des
Rechtsstaats unvereinbar. Aufgrund des zunehmenden Ausmaßes der auf diese Weise
ungesteuerten Zuwanderung tritt das Problem jedoch immer deutlicher zu Tage.
Deutschland wird auf diese Weise faktisch zu einem Einwanderungsland, wie dies auch von
einigen politischen Akteuren seit gut zwei Jahrzehnten propagiert wird (während vorher
jahrzehntelang das Gegenteil der Fall war). Es gibt jedoch kein Gesetz, das Deutschlands zum
Einwanderungsland erklärt und es gibt insofern erst recht keine dahingehende Norm mit
Verfassungsrang. Im Gegenteil ist nach dem Grundgesetz das „deutsche Volk“ (vergleiche
insoweit nur die Präambel) zu dem Staat Bundesrepublik Deutschland verfasst.
Solange nicht eine neue Verfassung Deutschland zum Einwanderungsland erklärt, ist der
nationale Charakter der Bundesrepublik Deutschland entgegen dem Willen einiger
politischer Akteure nicht verfassungskonform zu beenden. Aufgrund der grundsätzlichen
Bedeutung dieser Frage kann diese Entscheidung weder der verfassungsändernde
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Gesetzgeber treffen, sondern dies muss durch das Volk im Wege eines Referendums
entschieden werden.
Festzuhalten ist im Ergebnis, dass eine Einwanderungspolitik über den Weg der
massenweisen Duldung des illegalen Aufenthaltes von Ausländern oder - wie im Falle
Thüringens - durch eine bewusste Entscheidung der Außervollzugsetzung des geltenden
Rechts - unvereinbar mit dem Grundgesetz ist.
Wir fordern die Landesregierung auf, den rechtswidrigen Winterabschiebestopp
unverzüglich zu beenden und das geltende Aufenthaltsrecht wieder in Vollzug zu setzen.
Des Weiteren fordern wir die Bundesregierung auf, die Regelungen des § 60 a
Aufenthaltsgesetz so zu novellieren, dass ein Unterlaufen des geltenden Aufenthaltsrechts
durch eine exzessive Duldungspraxis der Verwaltung nicht mehr möglich ist. Von besonderer
Bedeutung ist hierbei, dass der Exekutive die Möglichkeit genommen wird, den Vollzug des
Bundesrechts durch bloße Verwaltungsanordnung auszuhebeln.
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag behält sich vor, von dem im Gutachten erwähnten
Klagerecht Gebrauch zu machen, soweit den anderen politischen Akteuren der Wille zur
Korrektur der rechtswidrigen Praxis des Abschiebestopps erkennbar fehlt.
Für die Fraktion
Vorstand der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag
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