aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland Ausga b e 4 / 2 0 15 A p ri l Geistige Wahrnehmung – Einheit von Produktivität und Empfänglichkeit Frieden schaffen – womit? (an) Die momentane globale Situation weist in ihrer Signatur auf eine tiefe Tragik hin: dass sich nämlich der Gegensatz von Ost und West, in den die Welt nach wie vor zu zerfallen droht, nicht etwa aufzulösen beginnt, sondern im Gegenteil, weiter zu vertiefen droht. Allein die zeitgleichen Meldungen: «Minsker Abkommen greift, schwere Waffen werden von beiden Seiten abgezogen» und «Obama entsendet 7000 Mann und 100 Panzer ins Baltikum» vom 10. März diesen Jahres zeigen, wie absurd die Lage ist. Dazu kommen die nach wie vor völlig desolate Situation in Syrien und im Irak mit der zunehmenden Brutalität des IS sowie weitere Schauplätze dieses Ost-West Gegensatzes. Einige Beiträge dieser Ausgabe wie insbesondere auch das Programm der diesjährigen Jahres tagung, das dieser Ausgabe beiliegt, wollen in die Richtung weisen, in der die Mittel zu einem nachhaltigen Frieden in uns und in der Welt gefunden werden können. Kein Frieden ohne Denken Barbara Messmer hebt in Ihrem Beitrag zur Vorbereitung der diesjährigen Jahrestagung die Bedeutung des Denkens für den Frieden in der Seele und in der Welt hervor. Seite 4 «Meditation in Ost und West» lautete der Titel einer großen Tagung in Stutt gart, die den Buddhismus mit der Anthropo sophie ins Gespräch brachte. Seite 5 bildungsArt 15 Marco Bindelli berichtet von der zweiten Studienwoche des Stuttgarter CampusA, bei der sich 400 Studenten eine Woche lang mit der Bedeutung des Herzorgans und der Frage nach zeitgemäßen Formen der Bildung beschäftigten. Seite 6 Christoph Hueck In den «Mitteilungen» vom März 2015 hat Corinna Gleide über geistige Wahrnehmungen und deren Darstellung geschrieben und über die innere Entwicklung auf dem anthropo sophischen Schulungsweg. Bei der Darstellung übersinnlicher Forschungsergebnisse müsse auch der geistig forschende und sich entwickelnde Mensch berücksichtigt werden, denn es bestehe die Gefahr, dass man geistige Wahrnehmungen (Imaginationen) wie objektiv beschreibbare, gegenständliche Inhalte auffasse. Solche Wahrnehmungen kämen aber nur durch eine hervorbringende Tätigkeit des Ich zustande, und es sei wichtig, nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Tätigkeitsseite zu berücksichtigen. Nur so könne man selbst in den Ich-Prozess eintreten, der dem übersinnlichen Schauen zugrunde liegt. Die Imaginationen seien selbst keine Wirklichkeit, sondern nur Bilder, ein letzter Schleier, den sich die Seele vor das innere Auge zieht, wenn sie existentiell von der geistigen Welt berührt wird. Der Schulungsweg führe nach und nach an diese existentielle Schwelle heran. Er führe zur notwendigen Begegnung mit den Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit und irgendwann auch in die Einsamkeit und Heimatlosigkeit der Schwellensituation. Aus Einsamkeit und Heimatlosigkeit könnten tiefe Kräfte der Devotion entwickelt werden. An der Schwelle müssten alle Abhängigkeiten von anderen Menschen und von der äußeren Welt überwunden werden, das Ich müsse sich vollständig selbst halten können. Dann erfahre es seine wahre Beheimatung im Geistigen, und wie in einer Umstülpung könne schließlich eine tiefe Verbundenheit mit allem gefunden werden. So beschreibt Corinna Gleide die existentielle Seite der Anthroposophie. Ich möchte versuchen, einige Gesichtspunkte daran anzuknüpfen. Für denjenigen, der wie Corinna Gleide vom Ansatz der ‚Philosophie der Freiheit’ ausgeht, wird Denken zu einem existentiellen IchProzess. Beobachtungen, die innerhalb dieses Prozesses auftreten, sind geistige Beobachtungen. Sie erscheinen in einem Seelengebiet, das nicht nur vollständig von der eigenen, wirklichen Tätigkeit abhängt, sondern das ganz innerhalb dieser Tätigkeit liegt. Für das alltägliche, an die Gegenstandswelt gebundene Bewusstsein ist dieses Seelengebiet ein schwarzes Loch, ein leerer Quellort der Subjektivität. Doch ist gerade in diesem Nichts das wirkliche Geistige zu finden. «In dem Ich ist der Geist lebendig.»1 So kommt es darauf an, «das Seelengebiet, auf dem sich diese Fragen entwickeln»2, überhaupt zu finden. Haben oder Sein – vom Wesen des Ich Was ist das ‚Ich’? In der Anthroposophie wird oft von ‚dem Ich’ wie von einem Ding gesprochen, wie von etwas, das der Mensch habe, wie man z.B. sein Auto, seinen Beruf oder sein Gehirn hat. Johann Gottlieb Fichte meinte, dass die meisten Menschen eher dazu zu bringen seien, sich für ein Stück Lava im Mond als für ein Ich zu halten. Es ist tatsächlich schwer, vom Ich zu sprechen, weil es sich nur selbst benennen kann. Und auch, wenn es das tut, bleibt sein eigentlicher Name doch unaussprechlich. Denn «spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr» (Friedrich Schiller). Das liegt daran, dass ich als Ich etwas ganz und gar Ungegenständliches bin, etwas, das ich nicht haben kann, sondern nur bin. Ich ist Sein. In der ‚Geheimwissenschaft im Umriss’ schreibt Rudolf Steiner: «Das eigentliche Wesen des Ich ist von allem Äußeren unabhängig.» Um das Ich zu suchen, könnte man also einmal aus dem eigenen Selbstverständnis sukzessive alles dasjenige wegstreichen, was man bloß hat, aber nicht ist. Den Leib, die Gefühle, die persönlichen Bedürfnisse, die Beziehungen zu anderen Menschen und zur Welt, den Beruf, die Ziele im Leben, ja das Selbstbild und die Ich-Vorstellung selbst. Alles das abzulegen Fortsetzung Seite 2 1 Anthroposophische Gesellschaft Fortsetzung von Seite 1 bedeutet aber, sich selbst im Sein tragen und halten zu müssen, es bedeutet Unabhängigkeit von anderen Menschen und der Welt, bedeutet damit auch Heimatlosigkeit und Einsamkeit. Verliere dich, um dich zu finden. Nun fordert die Anthroposophie zunächst durchaus weder Einsamkeit noch Selbstaufgabe. Man könnte meinen, dass sie sich sogar recht gut mit dem gegenständlichen Bewusstsein vereinbaren ließe. Denn sie liefert zunächst «ein Gedankenbild der höheren Welten»3 für den Verstand. Durch ihr Studium erhält man eine Fülle neuer Bilder von höheren Tatsachen, Wesenheiten und Welten. Allerdings sind diese Bilder, sind ‚Äther-’ und ‚Astralleiber’, ‚Elementarwesen’, ‚geistige Hierarchien’, ‚Weltentwickelungszustände’ usw. substantivische Begriffe, die in der Gefahr stehen, dass man sie sich viel zu gegenständlich, ja, dass man sie sich überhaupt gegenständlich vorstellt, sozusagen wie eine «nebelhaft verdünnte Stofflichkeit»4. Auch Ernst Haeckel hatte schon über die vergegenständlichende Vorstellung Gottes als eines gasförmigen Wirbeltiers gespottet. Rudolf Steiner schrieb: «Man stellt sich den Eintritt in die geistige Welt viel zu ähnlich einem sinnenfälligen Erlebnis vor».5 «Solange man so etwas erwartet, wird man zu keiner klaren Vorstellung von dem kommen können, was hier mit ‚höheren Welten’ eigentlich gemeint ist.»6 Das vergegenständlichende Vorstellen geistiger Inhalte ist aber möglicherweise ein hilfreiches und vielleicht sogar notwendiges Durchgangsstadium, denn solche Bilder könnten sich später in existentielle Sicht- und Seinsweisen, in wirkliche geistige Anschauungen umwandeln. So schreibt Rudolf Steiner in der ‚Theosophie’, dass diesen Gedanken eine lebendige Kraft zu Grunde liege, aus der sich allmählich die unmittelbare geistige Anschauung – wie eine Frucht aus ihrem Keim – entwickeln könne. Und in der Einleitung zur ‚Geheimwissenschaft’ heißt es, dass man «in dem wahren gedankenmäßigen Aufnehmen der Mitteilungen der Geisteswissenschaft in der geistigen Welt schon drinnen stehe und sich nur noch klar darüber zu werden habe, «dass man schon unvermerkt erlebt hat, was man vermeinte, bloß als Gedankenmitteilung erhalten zu haben»7. Produktivität und Empfänglichkeit Mit diesen methodischen Hinweisen werden zwei wichtige Aspekte geistigen Erkennens genannt: 1. eine lebendige Kraft, die dem Denken zugrunde liegt, und 2. ein Gewahrwerden dessen, was man im Denken geistiger Inhalte erleben kann. Diese beiden Aspekte scheinen mir von methodisch grundlegender Bedeutung zu sein. Ich möchte versuchen, sie so zu beschreiben, dass sie nicht nur theoretisch erfasst, sondern auch beobachtet werden können. Sicherheit und innere Freiheit gegenüber anthroposophischen Erkenntnissen kann ja nur dadurch erreicht werden, dass man die 2 Dinge tatsächlich beobachtet, und sei es auch nur in den ersten Anfängen. In einer Vorstellungsübung können die beiden Aspekte genauer beobachtet werden. Man kann sich eine symbolische Figur vorstellen, zum Beispiel zwei ineinandergreifende Spiralen, eine blaue, von außen eindrehende und eine rote, von innen ausdrehende. Am Übergang zwischen beiden sei ein leeres Zentrum. In dieser Figur könnte man ein Bild für das Ich sehen. Wenn man nun diese Spiralen in ihrer Doppelbewegung langsam und konzentriert vor dem inneren Auge entstehen lässt, so wird die Kraft, die das Vorstellungsbild formt, deutlich erlebbar. Man kann beobachten, dass man die Spiralformen durch innere Bewegung hervorbringt, eben vor sich hinstellt. Man erfährt die Kraft, die dem Vorstellen zugrunde liegt. Dann kann man aber auch darauf achten, wie man das Zusammenspiel der Formen erlebt, ihre ein- und ausdrehenden Dynamik, ihre verschiedenen Farben, ihr dynamisches Gleichgewicht mit dem ruhenden Zentrum. Und wie das innere Erzeugen des Bildes ein produktives Hervorbringen ist, so liegt dem Erleben der Formen eine empfangende Geste zugrunde. Das Hervorbringen ist eine bildschaffende Tätigkeit, die in allem konzentriert-aktiven Vorstellen und Denken wirkt. Es ist die innere Ätherkraft, die dem Denken als Tätigkeit zugrunde liegt. Das Erleben der Formen ist dagegen viel eher ein wahrnehmendes, gleichsam ein hinlauschendes Fühlen. Es ist dieselbe Tätigkeit, durch die man die Inhalte des Denkens, ihre Stimmigkeit und Tiefe fühlend versteht. Beide Aspekte, tätiges Hervorbringen und inhaltliches Erleben, spielen bei allen Bewusstseinsvorgängen ineinander. Man könnte sie als einen gegenläufigen Doppelstrom verbildlichen: Die eine Richtung entspricht einer produktiv-schöpferischen Aktivität des Ich im Ätherleib, die andere einer rezeptiv-erlebenden Beeindruckung des Astralleibes, und in der Begegnung beider Ströme entsteht, wie Rudolf Steiner in Vorträgen zur Psychosophie (GA115) darstellte, das Bewusstsein. Anthroposophische Meditation In der anthroposophischen Meditation können diese beiden Aspekte systematisch geübt und ihr Erleben intensiviert und differenziert werden. Das Hervorbringen eines Bildes wird bis zu möglichst hoher Konzentration gebracht, dann wendet man sich möglichst ausschließlich dem empfangenden Erleben des Bildes zu. Konzentriertes Hervorbringen und hingebendes Empfangen sind die beiden Grundgesten des meditativen Lebens. Rudolf Steiner nennt sie auch Aufmerksamkeit und Hingabe. Meditation – stille Versenkung – braucht einen inneren Raum der Ruhe, den man sich selbst zubereiten muss. Von Arthur Zajonc stammt die Anregung, zu Beginn der Meditation bewusst durch ein inneres Tor der Demut in einen solchen Raum einzutreten, und diesen am Ende durch ein Tor der Dankbarkeit für das, was man erleben durfte, wieder zu verlassen. Man kann sich auch noch vorstellen, dass an beiden Toren ein Wächter stehe. Derjenige am Eingang mahnt, dass in dem zu betretenden Raum etwas Höheres lebt, als ich selbst bin, zu dem ich ehrfürchtig aufschauen soll. Der Wächter am Ausgang mahnt: Nutze das Erlebte und Erarbeitete, um ein besserer Mensch zu werden! Man kann nun die beschriebenen Gesten auch systematisch nacheinander als eine Übungssequenz durchführen, wobei noch ein dritter Schritt angefügt werden kann. In innerer Ruhe stelle man sich zunächst das zu meditierende Bild, also z.B. die beiden Spiralen vor. Dabei bringt man die Vorstellung kontinuierlich – genauer: immer wieder neu – hervor. Die Aufmerksamkeit zerfasert jetzt nicht wie im alltäglichen Bewusstsein zwischen vielerlei Eindrücken, sondern wird nach und nach immer mehr auf den einen Inhalt konzentriert. Ich und der Meditationsinhalt sind also einerseits getrennt: ich kann ihn als Bild anschauen; und wir sind doch verbunden, weil ich das Bild hervorbringe. Ist die nötige Konzentration erreicht (kann ich z.B. auch die inneren Stimmen, Erinnerungen und Überlegungen beruhigen, die im Hintergrund ablaufen), so schiebe ich in einem nächsten Schritt das vorgestellte Bild weg, und versuche nun, den Inhalt, also das dynamische Wechselspiel und Gleichgewicht der Formen und Farben, nur noch fühlend zu erleben. Dadurch verringert sich der Abstand zwischen mir und dem Meditationsinhalt. Wir sind jetzt in einem gemeinsamen Raum, aber eben nicht mehr in einem Vorstellungs-, sondern in einem Fühl-Raum. Während das Vorstellen stark im Kopfbereich als eine wachbewusste, dem wissenschaftlichen Blick vergleichbare Konzentration erlebt wird, merkt man jetzt, dass man in einer eher künstlerischen Weise mit dem mittleren System, insbesondere mit dem, was seelisch im Atmen lebt, beteiligt ist. Dieses fühlende Erleben mache ich mir nun irgendwie bewusst, z.B. durch Gedanken, die ich darauf richte. Und daraus ergibt sich als dritter und letzter Schritt, auch noch diese Gedanken wegzulassen. Keine Bilder, keine inneren Worte mehr, keine Gedanken, aber dennoch bei dem Inhalt bleiben! Ich gehe sozusagen innerlich bis zu dem Punkt zurück, aus dem ich den Inhalt willentlich hervorbringe. (Mit dem gleichen Recht könnte man sagen, ich gehe ganz zu dem Inhalt hin.) An diesem ‚Punkt’ – er wird eigentlich nicht als räumlicher Punkt, sondern als raum- und zeitlos erlebt – bin ich mit dem Inhalt eins, weil er in meinem Willen lebt, weil ich ihn hervorbringe. Im gewöhnlichen Bewusstsein ist dieser Quellpunkt, der der Ursprung der Aufmerksamkeit ist, vollkommen dunkel. Durch Meditation hellt sich das Erleben darin allmählich auf. Das Zusammenfallen von Produktivität und Empfänglichkeit Blicken wir nun noch einmal auf die oben erwähnte Selbsterkenntnis des Ich. Man kann sich sein Ich nicht vorstellen. Um sich selbst wahrzunehmen, muss man zum Willensquell Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 Anthroposophische Gesellschaft der Aufmerksamkeit zurückgehen, in ihm erwachen. Am Quellort des Willens kann ich mich finden. Es ist ein Erwachen des Willens aus dem existentiellen Geistigen heraus.8 In der Selbsterkenntnis, im ‚Ich-bin’, fallen die beiden oben beschriebenen Aspekte, das Hervorbringen und das Empfangen, ununterscheidbar zusammen. Indem ich mich denke, schaffe ich mich geistig als ein selbstbewusstes Wesen, und indem ich mich geistig schaffe, denke ich mich. Dadurch ist dieses Denken ein existentieller Prozess, an dem ich ebenso mit meinem Fühlen und Wollen beteiligt bin. Es ist ein bewusst erlebter Wille und eine willentlich erlebte Bewusstheit. Von ihr sagt Rudolf Steiner, dass sie das Vorbild für alle geistige Erkenntnis sei. «Die Wahrnehmung des eigenen ‚Ich’ ist das Vorbild für alle intuitive Erkenntnis.»9 Aber man müsse dazu erst selbstlos werden, um mit dem Selbst einer anderen Wesenheit verschmelzen zu können. «So, wie diese scheinbar ganz leere Bejahung des eigenen Selbst auftritt, so spielen sich alle höheren okkulten Erlebnisse ab. Sie werden inhalt- und lebensvoller, aber sie haben dieselbe Form.» 10 Dieses In-Eins-Fallen von geistiger Produktivität und Empfänglichkeit ist also, so möchte ich thesenhaft formulieren, das, was Rudolf Steiner mit der Erweckung geistiger Anschauung meint. So notierte er einmal, dass im normalen Bewusstsein das Denken passiv, ein Beobachten, d.h. die Abbildung eines fremden Inhaltes sei, der Wille dagegen ein Tun, also eine Verwirklichung des eigenen Inhaltes. Im Augenblick der Erweckung werde das passive Denken aktiv, d.h. produzierend, und der Wille passiv, d.h. empfangend.11 Erweiterung des Meditierens Die Doppelbewegung von Produktivität und Empfänglichkeit findet sich nun auf ganz verschiedenen Ebenen des Bewusstseins und des Lebens. Wie in der existentiellen Ich-Erkenntnis, so ist sie im bewusst geführten Denken vorhanden, das man zwar selbst hervorbringt, das sich aber inhaltlich doch selbst bestimmt. Auch im sinnlichen Wahrnehmen findet sich die gleiche Doppelbewegung, indem vom Wahrnehmenden eine willenshafte Aufmerksamkeit durch die Sinne ausströmt, die ihren Inhalt von außen empfängt.12 Und man kann auch biographische Situationen in diesem Sinne auffassen: Dem von innen herausdringenden eigenen Seelenleben strömen die karmischen Gegebenheiten von außen entgegen. Man kann daher ähnliche Übungen, wie sie oben für das bildhafte Vorstellen beschrieben wurden, auch mit sinnlichen Wahrnehmungsinhalten oder auch mit biographischen Situationen vollziehen. Die meditativen Übungen wären dann auf vier Schritte zu erweitern: 1. das genaue Beobachten bzw. Beschreiben, z.B. eines Steins oder einer biographischen Situation; 2. das konzentrierte und möglichst genaue innere Nachschaffen des Beobachteten als Vorstellung; 3. das Wegschieben der vorgestellten Bilder und fühlende Verweilen in dem Erlebten; 4. das Weglassen aller inneren Worte und Gedanken und der willenshafte Eintritt in das Wesenhafte des Wahrgenommenen. Damit geht man in der Meditation jeweils bis in die geistige Seite – des Denkens, des Wahrgenommenen, der Biographie – zurück. Wie in der Ich-Erkenntnis der Inhalt von mir selbst produziert und zugleich empfangen wird, so führt solche Meditation dazu, dass auch für Wahrnehmungs- oder biographische Inhalte die aus dem Inneren produktiv hervordringende Tätigkeit und das von außen Empfangene zusammenfallen. Die Kluft zwischen Ich und Welt wird, wenn auch zunächst nur für kurze Momente, überwunden. Biographische Wirkungen Corinna Gleide war so mutig, auch auf die Begegnung mit den Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit hinzuweisen. Sie schreibt von schablonenhaften Gefühlen, die immer wieder gleich ablaufen, von Ängsten im Willen und von Handlungen, die dazu dienen, dem Erleben solcher Ängste auszuweichen. Sie schreibt von der Abhängigkeit von anderen Menschen und Dingen, von unbewussten Bindungsstrukturen. Man könnte hier vieles ergänzen. Oft handelt es sich um unbewusste Projektionen eigener Problematiken auf andere Menschen, die deshalb erfolgen, weil ich die schmerzhafte, angst- und schambesetzte Konfrontation mit meinen eigenen Schattenseiten, mit meinem eigenen Doppelgänger, noch nicht ertrage. Oft flüchte ich mich eher in äußeren Aktionismus oder gar in äußere Zerstörung, als mich mit mir selbst zu konfrontieren, als in den eigenen Schmerz, in die eigene Scham hinabzusteigen. Denn darin würde ich mich, so spricht die Angst des Ego, wirklich verlieren. Durch meditative Schulung erlebe ich, wie solche halbund unbewusst wirkenden Hemmnisse der freien, selbst- und fremdempathischen IchEntwicklung nach und nach bewusster erlebt werden. Denn mit dem Doppelgänger verhält es sich gerade umgekehrt wie mit dem Rest der Welt: Vor der Schwelle ist man er, und erst nach der Schwelle hat man ihn. Man könnte auch sagen: Vor der Schwelle will man er nicht sein, und gerade, indem man ihn fortwährend ins Unbewusste hinunterdrängt, treibt er dort sein unbemerktes Unwesen. (Dieses Verdrängen der eigenen Schattenseiten ist übrigens ein unglaublich energie verzehrender Prozess, der möglicherweise für einen Gutteil psychosomatischer Erschöpfungs zustände verantwortlich ist.) Nach der Schwelle akzeptiert man den Doppelgänger als einen Teil des eigenen Selbst, den es nun allmählich in liebevoller, selbstempathischer Bewusstheit zu verwandeln gilt. Seltsamerweise werde ich mit solchen Schattenseiten meiner selbst und anderer insbesondere in anthroposophischen sozialen Zusammenhängen konfrontiert. Inwiefern kann die meditative Arbeit die Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit also wirklich verwandeln? Dazu braucht es sicher starke und liebevolle Ich-Kräfte. Es könnte in diesem Zusammenhang interessant sein, über den Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 Zaun der anthroposophischen Vorstellungs welt hinausblicken. Die psychotherapeutische Bewegung hat inzwischen ein ganzes Arsenal wirksamer Techniken entwickelt, von der Familien- und Organisationsaufstellung über die sogenannte Arbeit mit dem Inneren Kind bis zur Klopfakupressur u.v.a.m., durch die eine produktive Konfrontation mit der eigenen Schatten- und Schmerzwelt und eine Verwandlung derselben unterstützt werden kann. Dabei kann umgekehrt die Anthroposophie dazu beitragen, solche Techniken in ihrer Wirkung menschenkundlich besser zu verstehen und einzuordnen. Das ganze Konzept des Doppelgängers, der Schwelle, des Karmas und des von allem Äußeren unabhängigen, im Geistigen beheimateten Ich hat eben auch eine tiefe psychologische und psychotherapeutische Dimension. So können die meditative Ent deckung des sich selbst tragenden geistigen und die liebevoll-selbsttherapeutische Verwandlung des biographischen Ich, sich gegenseitig unterstützend, Hand in Hand gehen. Erst wenn diese Arbeit geleistet wird, kann auch heilbringend aus den sich dann immer reichhaltiger erschließenden geistigen Licht- und Kraftquellen der Anthroposophie in der Welt gewirkt werden. 1 Rudolf Steiner: Theosophie. GA 9. Dornach 1978, S. 51. 2 Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. GA 4. Dornach 1978, S. 8. 3 Theosophie, S. 172. 4 Theosophie, S. 94. 5 Rudolf Steiner: Die Geheimwissenschaft im Umriss. GA 13. Dornach 1989, S. 49. 6 Theosophie, S. 94. 7 Geheimwissenschaft, S. 50. 8 vgl. Rudolf Steiner: Vortrag vom 12.12. 1992. In: Pädagogischer Jugendkurs. GA 217. Dornach 1988, S. 150. 9 Rudolf Steiner: Die Stufen der höheren Erkenntnis. GA 12. Dornach 1979, S. 23. 10 Rudolf Steiner: Theosophie in Deutschland vor 100 Jahren. In: Philosophie und Anthroposophie. GA 35. Dornach 1984, S. 58. 11 Notizblatt Nr. 362. Zitiert nach Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 51/52, Dornach 1975, S. 41. 12 Vgl. z.B. Rudolf Steiners Darstellung des so genannten Lichtseelenprozesses im Vortrag vom 30.11.1919. In: Die Sendung Michaels. GA 194. Dornach 1994. Meditatives Naturerleben (an) In einem Tagesseminar mit Dorian Schmidt am Samstag, 25. April 2015 im Rudolf SteinerHaus Stuttgart werden die Teilnehmer versuchen, die Entwicklungsdynamik von Pflanzenblättern sowohl mit goetheanistischen wie auch mit Methoden der Bildekräfteforschung zu erfassen. Dabei sollte sich zeigen, dass beide Methoden sich nicht einander gegenüber stehen, sondern die Übergänge fließend gestaltbar sind und die beiden Methoden sich ergänzen wie zwei Seiten einer Münze. Die Beobachtungsübungen finden teilweise, je nach Wetterlage, auch im Freien statt. Anmeldung und Information unter Tel. 0711 248 50 97. 3 Anthroposophische Gesellschaft Kein Friede ohne Denken Die Kasseler Jahrestagung der AGiD vom 19. bis 21. Juni 2015 steht unter dem Motto «Impuls Frieden – Kulturarbeit Anthroposophie» (siehe Programmbeilage). Auf der Tagung wird es neben anderen Arbeitsgruppen auch eine Gruppe des Frankfurter Frauenrats geben. Aus dem Kontext der Vorbereitungstreffen für die Tagung nachfolgend ein Beitrag von Barbara Messmer. Wenn wir in den Tag hinein leben, holen uns schnell alle möglichen Wünsche ein und besetzen Sinne und Seele. Immer mehr bestimmen Lust und Unlust, wohin der Weg führt. Wir verbreiten langsam Unordnung, werden selbst ruhelos und friedlos, tragen bald zu Ärger und Aggression der Umgebung bei. Diesem Einhalt zu gebieten und es zu verändern, ist uns die Kraft des Denkens gegeben. Das Denken ist ein Mittel, um uns aus dem Trubel des Alltagslebens zu erheben und den Überblick zu gewinnen. Wer wirklich denkt, kann sich immer und überall einen erhöhten Standpunkt verschaffen. Er wird weder von schockierenden Zeitungsmeldungen noch von inneren Gefühlswallungen fortgerissen. Er lässt sich nicht von scheinbar unveränderlichen Machtstrukturen entmutigen, sondern bewahrt Selbständigkeit gegenüber der Außenwelt und seinem eigenen Inneren. Bei diesem erhöhten Standpunkt erhalte ich auch eine Weitsicht, die einspuriges Denken verhindert. Denn wer wirklich denkt, wird nicht eine Erkenntnis ins Absolute erheben, sondern immer wissen, dass jedes Phänomen in der Welt verdient, von den verschiedensten Seiten betrachtet zu werden. Er zügelt so sein Urteil und ist vor streitsüchtigem Dogmatismus oder kriegerischem Fanatismus geschützt. Zum Beurteilen gehört schon die Fähigkeit zu unterscheiden und zu bewerten, die das Denken ebenfalls schenkt. Wir können kleine Streitereien, die aber das Potenzial zu verbalem Dauerkrieg in sich tragen, von dem Wesentlichen, um das es eigentlich geht, scheiden und damit beenden. Im Gefühlsleben können wir durch das Bewerten lernen, unsere versöhnlichen Neigungen über rachsüchtige Wünsche zu stellen. Auch Rechthaberei oder das Verteidigen von Lieblingsgedanken kann in freier Weise nur durch Einsicht in höhere Gesichtspunkte, also durch Denkarbeit, auf gegeben werden. Das «Denken im Dienste der Weltauffassung»1 ist sogar so mächtig, dass es «wildernde» Willensimpulse zurückrufen kann, wenn wir uns zu seiner Ebene der Klarheit und Besonnenheit hindurch zu ringen vermögen. Die Friedensebene des Denkens beinhaltet Hingabe an die Tatsachen der Welt, was vor Ungeduld, Verblendung und böswilligen Taten schützt. Sie ermöglicht Ruhe auch im auf gestörten Gemüt, wodurch ich meine Friedlosigkeit nicht um mich verbreiten muss. Und es verschafft Freiheitsmomente in drückenden Zwangssituationen, wenn ich mich aufgeben müsste oder mich selber nicht mehr kenne. Solche Zustände sind Keimpunkte für Krieg im Zusammenleben mit anderen. Diese Friedensqualitäten des Denkens entspringen alle der Selbstreflexion, die mit der Besinnung, mit dem Heraustreten aus dem Selbstlauf des Lebens beginnt. Dann steht das 4 Denken heute prinzipiell jedem zur Verfügung, wenn er nur diesen Moment des Innehaltens erreicht. Ja, es ist so machtvoll, dass es sogar bei höchster Verzweiflung eingreifen kann. Wer nur einen Gedanken auf die Situation selber und wie er in ihr steht zu richten vermag, ist gerettet. Denn er beruhigt sich darüber, dass er etwas erkennen kann, auch wenn dies noch nicht das Problem lösen hilft. Im Bewusstsein von dem, was ich gerade tat oder im Begriff bin zu tun, kann ich sogar verharren – zum Beispiel, wenn ich im Zweifel bin, ob ich die reflektierte Situation richtig einschätze. Selbst das bringt Frieden in die Welt im Gegensatz zu einer Flucht nach vorne oder Resignation. Wenn ich denkend weiter suche und meine Beurteilung beweglich halte, wende ich mich der Situation und anderen Menschen ergebnisoffen zu. So eine Haltung hat etwas überaus Befreiendes und Befriedendes in einer Gemeinschaft. In der Bhagavad Gita heißt dieser Vorgang «Sammlung», und es gibt dafür das Bild eines Schiffes, das im stürmischen Meer herum geworfen wird. Wer sich im Denken sammelt, beruhigt die Winde und steuert das Schiff wieder selbst. «Nicht gibt es Einsicht, nicht Verwirklichung für den, der sich nicht sammelt, nicht gibt es für ihn Frieden – wie gäbe es Glück für ihn?»2 wurde schon vor 2500 Jahren gesungen. Dasselbe Bild findet sich im ersten Absatz des ersten Kapitels von «Die Schwelle der geistigen Welt»3: Das Schiff läuft wieder gerade, wenn es um die «Insel des Denkens» weiß und auf sie zusteuert. Das ist der moderne Zugang zum Frieden: Ich muss merken, dass ich es bin, die verzweifelt weiter rast oder zu denken beginnt. Nur ich kann das Denken hereinrufen, so dass es Ordnung im Innern der Seele schafft. Aus einem nervösen, angreifbaren Gefühls- und Willensbündel, das triebhaft expandiert und der Außenwelt Vorwürfe macht, wird dann ein selbstbewusstes Ich, das in sich so stark ist, dass es friedlich auf die Welt zugehen kann. Ich bin der Geist, der die Winde beruhigt und das Schiff steuert. Das Denken reicht hierfür nicht aus, es ist ein innerer Ruck nötig, der einen Blickwechsel einleitet und zur Umkehr und Sammlung führt. Dieser Willenseinschlag kommt aber nur in Gang, wenn ich um die Stärken des Denkens weiß. Rudolf Steiner hat dieses Potenzial vor 90 Jahren so beschrieben: «... entfaltet sich im Innern der Seele eine gereinigte, in sich selbst bestehende Geistigkeit als Erleben»4. Ich kann mich selbst in meiner geistigen Tätigkeit (dem Denken) erkennen und erleben, dann werde ich souverän. Darum geht es: dass ich das Denken in seiner geistigen Realität kenne und handhabe. Dies würde ich ein Bewusstseinsseelenbewusstsein nennen. Wenn sich dann ein unerschöpflicher Quell auftut, so gibt es dafür in der Natur ein Vorbild: die Strahlen der Sonne. Wahren Frieden finden, heißt auch, im Denken die Stufe zu erreichen, für die die Sonne Bild ist: alles, aber auch alles gleichermaßen zu beleuchten (auch mich selbst). Wenn diese neutrale Eigenschaft der Sonne vom Denken aus auf unser ganzes Wesen, sofern es betrachtet oder untersucht, überginge und zur ständigen Haltung würde, könnte bereits unglaublich viel Konflikt potenzial vermieden werden. Doch das Bild der Sonne, das Goethe in seinem Aufsatz «Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt» als höchste Tugend der Wissenschaft anführt, hat mehr in sich als die Weisheit eines Denkens, dem nichts zu gering ist. Die Sonne wärmt auch alle Wesen gleichermaßen. So ist gemäß dem Bild neben Klarheit im Denken auch Wärme in der Hinwendung zu allen Wesen zu erringen. Wir bemerken es in der Regel beim Denken nicht, wenn wir Steine oder die Erde lieblos untersuchen, aber bei Menschen wird es uns über kurz oder lang zurück gespiegelt. Somit betreten wir nun ein ethisches Gebiet. Es wird deutlich, dass all die genannten Frieden stiftenden Eigenschaften des Denkens korrumpiert und für Sonderinteressen benutzt werden können. Dem Denken wird eben nicht von ungefähr das zweischneidige Schwert als Bild zugesprochen: es kann wie das physische Schwert trennen und absondern, aber als geistige Waffe zur Verständigung und Verbindung beitragen. Unsere Freiheit in Bezug auf das Denken lässt heute zu, dass wir alles instrumentalisieren und unsere wahren Absichten geschickt verbergen können. Mit solchen Machtinstinkten wird sanfter Krieg geführt – in Firmen, in der Politik, in Menschen gemeinschaften. Das Denken kann sowohl zu kaltem Kalkül eingesetzt werden wie auch zum Unterstützen der Entwicklungsimpulse des anderen. Ferner gelingt die Verständigung der Menschen untereinander nicht nur aufgrund von Gedanken, sondern durch liebevolle Aufnahme der Gedanken des anderen in mein Seelenhaus. Da mag man zunächst auch darüber, was der andere denkt und will, lästern oder sich empören; es muss sogar Reibung geben, aber wenn das Sonne-Dasein von beiden Seiten immer wieder angestrebt wird, können wirkliche Begegnungsmomente erlebt werden. Im andern Fall prallen die Doppelgänger aufeinander und verstricken sich kämpfend inei- 1 So der Titel des 3. Kapitels der «Philosophie der Freiheit», GA 4 2 In der Übersetzung von Egbert Richter 3 Rudolf Steiner, Von dem Vertrauen, das man zu dem Denken haben kann, GA 17 4 Im Leitsatzbrief vom 31. August 1924, 4. Absatz, GA 26 Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 Anthroposophische Gesellschaft nander, letztlich kämpfend um Leben oder Tod. Insofern ist das Denken kein Garant für Frieden. Wenn in einer gestörten, chaotischen, gefährlichen Situation Ruhe und Frieden eintreten soll, ist das Denken zwar unentbehrlich, um Geist, Gefühl und Willen zu harmoni sieren. Aber umgekehrt erzeugen Einsichten über den Frieden nicht von selbst die Fähigkeit, sie umzusetzen und Frieden zu schaffen. Alle Friedensnobelpreisträger – sofern sie es zu Recht sind – haben den Weg vom Denken zur Tat beschritten und ihre Friedensimpulse gegenüber Hindernissen der Umgebung, Feinden und Krieg behaupten müssen. Wenn es gut ging, haben sie dabei nicht nur die Ideale veredelt, sondern auch sich selbst. Und am meisten erleben wir alle Stimmigkeit, wenn der Weg zum Frieden auch gewaltlos (also mit von Denken und Liebe geläutertem Willen) gegangen werden kann, so dass der Weg dem Ziel nicht widerspricht. Barbara Messmer, Frankfurt a. Main Ost-West Meditationstagung in Stuttgart Lange Zeit, beginnend mit der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1912/13, hat man auch in anthroposophischen Zusammen hängen das Verhältnis von Ost und West eher konfrontativ gedacht und gestaltet als kooperativ und sich gegenseitig ergänzend und befruchtend. Mit der Tagung «Meditation in Ost und West – Buddhismus und Anthroposophie im Gespräch», die vom 6.-8. März von der Anthroposophischen Gesellschaft in Stuttgart veranstaltet wurde, sollte hier der Anfang einer neuen Begegnungskultur zwischen Ost und West auf dem Felde der Meditation gemacht werden. Mit über 300 Besuchern hat diese Tagung ein unerwartet großes Echo gefunden, 40% der BesucherInnen kamen dabei aus nicht anthroposophischen Zusammenhängen. Denn es ging in erster Linie darum, in der heutigen Esoterikszene, die in bestimmter Weise vom buddhistischen Ansatz der Meditation beherrscht wird, den durchaus unterschiedlichen Ansatz der anthroposophischen Meditation bekannter zu machen und mit dem östlichen Ansatz ins Gespräch zu bringen. Mit dem buddhistischen Mönch und Anthroposophen Thich Hue An, der früher bei der Wochenschrift «Das Goetheanum» tätig war und heute ein buddhistisches Zentrum in Basel leitet, dem Philosophen, Buddhismus-Kenner und Govinda-Schüler Volker Zotz aus Wien und schließlich dem Zenlehrer und Professor für Religionswissenschaften Michael von Brück aus München waren drei namhafte Vertreter der buddhistischen Meditation anwesend, mit Anna-Katharina Dehmelt vom Institut für Anthroposophische Meditation, Steffen Hartmann aus Hamburg und Rudi Ballreich von trigon, drei namhafte Vertreter der anthroposophischen Meditation. Ergänzt wurden sie durch Friederike Schinagl, die mit ihrem Verein kunstplanbau in Berlin ein wegweisendes Projekt zum interreligiösen Dialog in Gang gesetzt hat und damit Pionierarbeit auf diesem Felde leistet. Sie fungierte daher auch als Mitveranstalterin dieser Meditationstagung. Den Eröffnungsvortrag am Freitagabend hielt Prof. Gernot Böhme, Philosoph aus Darmstadt, der mit seinem phänomenologischen Ansatz auf zwei Formen der Mystik aufmerksam machte: die aufsteigende Mystik, die sich vom Leib und von allem Irdischen befreit und dem Göttlichen zuwendet, und die absteigende Mystik, die sich dem Hier und Jetzt, dem unmittelbar Gegenwärtigen zuwendet. Interessanter Weise ordnete er die westliche Mystik in der Tradition Platons und Meister Eckharts der aufsteigenden Linie, die östliche Mystik in der Tradition des Zen-Buddhismus der absteigenden Linie zu. Als Auftakt eine durchaus anregende, aber auch Widerspruch herausfordernde Anschauung. Dann folgte am Samstag und am Sonntagvormittag für alle Teilnehmer die Möglichkeit, in jeweils zwei Intensivworkshops sowohl die buddhistische wie die anthroposophische Meditation in der übenden Praxis kennen zu lernen. Erstmalig in der Geschichte des Rudolf Steiner-Hauses Stuttgart und des benachbarten Eurythmeums wurde in praktisch allen Räumen gleichzeitig meditiert. Eine auch für dieses Haus völlig neue Erfahrung! Am Samstagabend sorgte eine künstlerische Ost-West-Performance mit dem japanischen Eurythmisten und Komponisten Yuichi Usami, den Musikern Arndt Bay, der auch sonst für die musikalische Umrahmung der Tagung sorgte, und Marco Bindelli, der Sängerin Lena SutorWernich, der Eurythmistin Eveline Nohsislavsky und der japanischen Malerin Emi Toshikura für eine atemberaubende Stimmung durch die improvisierte Darstellung des 48. Wochenspruches aus dem Seelenkalender Rudolf Steiners. Auch hier begegneten sich östliche und westliche Elemente in einer bisher noch nicht gekannten Weise völlig neu. Daran schloss sich der Filmpreview des im Mai Premiere feiernden Filmes «From Business to Being» von Rudi Ballreich, Julian Wildgruber und Hanna Hengin an. Hier wird gezeigt, wie Menschen, die in einer Krisen- und Stresssituation aus der Wirtschaft ausgestiegen sind, durch Meditation zurück ins Leben und zu neuen Lebensformen finden. Den Abschluss bildeten dann am Sonntag zwei Vorträge von Prof. Michael von Brück und Anna-Katharina Dehmelt zur buddhistischen und zur anthroposophischen Meditation, an die sich ein Podiumsgespräch, moderiert vom ehemaligen Rudolf SteinerArchivmitarbeiter und Herausgeber Urs Dietler aus Bern anschloss. Michael von Brück hob in seinem Vortrag die Bedeutung der Achtsamkeit in dem Bild von Pferd und Reiter hervor. Das Pferd sei der Atem, der Reiter die Achtsamkeit. Bei der grundlegenden Technik der Achtsamkeitsmeditation gehe es jedoch nicht um Atemkontrolle oder gar Manipulation, sondern um das achtsame Gewahrwerden der Verbindung zwischen Innen und Außen im gegenwärtigen Augenblick. Buddha habe diese Art der Meditation entwickelt, um dem Menschen die Nichtsubstanzialität des Gegen Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 wärtigen, das ständige Werden und Vergehen, und damit auch die Vergänglichkeit dessen, was er gewöhnlich als sein Ich erfährt, zu Bewusstsein zu bringen. Anna-Katharina Dehmelt hob dagegen die Bedeutung des Ich in der Meditation hervor, die schon in dem Wort «Ich» und seiner reinen Selbstbezüglichkeit zum Ausdruck komme. Nur dadurch, dass das Ich sich selbst hervorbringt, kommt es überhaupt zur Erscheinung. Dieser in der Denkmeditation erfahrbare Moment des Sichselbsterzeugens sei die Voraussetzung jeglicher Geisterfahrung und Geisterkenntnis, die sie als einen «Sinn für Sinn» bezeichnete. Dieser sei von Rudolf Steiner jedoch nicht als Jenseitserfahrung, sondern als «Diesseits spiritualität» entfaltet worden, da sich der «Weltengrund» im Sinne Spinozas ganz in das Hier und Jetzt hinein ergossen habe. Im abschließenden Podiumsgespräch kam es demgemäß auch weniger zu einer Konfrontation als zu einer Annäherung der beiden unterschiedlichen Meditationsansätze, die in dem Bezug auf das Hier und Jetzt, auf die Gegenwärtigkeit des Geistes zu liegen scheint. Bei aller Unterschiedlichkeit in den Techniken der Meditation, insbesondere aber in der Rolle des Ich, scheint die Erfahrung des Geistes selbst, wie vielleicht auch nicht anders zu erwarten, doch ein und dieselbe zu sein. Mit großer Dankbarkeit kann man auf diese Tagung als einen Ausgangspunkt für weitere interspirituelle Begegnungen zwischen Ost und West zurück blicken. So wird es im nächsten Jahr vom 26. bis 28. Februar 2016 unter dem Titel «Meditation in Ost und West – Ich und Nicht-Ich» zu einer Fortsetzung kommen. Denn man könnte sagen, dass die östliche Meditation vom Nicht-Ich, die westliche vom Ich ausgeht. Rudolf Steiner wiederum hat beide Ansätze in dem Sinne zu einem Schulungsweg integriert, als die Stufe der Imagination eine Verstärkung der Denk- und Wahrnehmungskräfte vom Ich aus beinhaltet, während die Stufe der Inspiration dem entgegen gesetzt erfordert, die daraus entstehenden imaginativen Eindrücke wieder auszulöschen, ja das bisher als das eigene Ich Erlebte zu tilgen. Das sich dabei einstellende «leere Bewusstsein» wiederum entspricht genau dem, was in der buddhistischen Meditation angestrebt wird. Andreas Neider, Stuttgart Nähere Informationen: Tagungsbüro der Anthroposophischen Gesellschaft Stuttgart, Tel. 0711 248 50 97 sowie www.meditationostwest.de 5 Anthroposophische Gesellschaft bildungsART 15 – Das Herz als Wahrnehmungsorgan 400 junge Menschen lauschen fasziniert den Ausführungen von Armin Husemann. Soeben fordert er uns auf, uns in ein Kohlenstoff molekül hineinzuversetzen, zu fühlen, wie es ihm wohl geht, wenn es aus den kapillaren Gefäßen in eine Ader eingezwängt wird. Es wird allmählich immer schneller und auf dem Weg zum Herzen von einem mächtigen Strom erfasst, um dann für einen Moment abrupt zum Stillstand zu kommen, bis es mit dem nächsten rhythmischen Schlag auf den Weg zur Lunge geschickt wird. Dies schildert er uns, um den Unterschied zwischen rein wissen schaftlicher Betrachtung der äußeren Tatsachen und einer künstlerischen Betrachtungs art deutlich zu machen, bevor er sich mit schnellem Schritt dem bereit gestellten Flügel zuwendet. Wir hören die ersten Takte von Mozarts d – Moll Fantasie und tauchen in die musikalischen Gebärden ein. Wir betrachten die einzelnen musikalischen Schritte und verstehen, wie Mozart hier in urbildlicher Weise etwas in Töne gefasst hat, was dem Schlafen in einem reinen und ruhigen Lebensvorgang hin zu einem seelischen Erwachen im Herzen in der kurzen Pause zwischen Systole und Diastole entspricht. Anschaulicher kann man nicht aufzeigen, wie Kunst in diesem Falle die musikalische, die «Offenbarung geheimer Naturgesetze ist, die ohne sie wären verborgen geblieben»(Goethe). So etwa können Sie sich, liebe LeserInnen, die zentrale Arbeit der diesjährigen bildungsART vorstellen, die vom 1. – 6. März im Rudolf Steiner-Haus Stuttgart stattfand. Neben den Studierenden der anthroposophischen Ausbildungsstätten in Stuttgart fanden sich hier auch einige Mitglieder der Anthropo sophischen Gesellschaft zusammen, um an der Frage der Herzensbildung zu arbeiten. Dies ist bewusst doppeldeutig zu verstehen. Einerseits tauchten wir tatsächlich in feiner phänomeno logischer Weise in die Herzembryologie ein und andererseits ging es natürlich auch um die Frage: Wie müsste Bildung heute zeit gemäß gestaltet sein, um echte Fähigkeiten der Wahrnehmung des anderen, des Fremden zu ermöglichen und dieses mutig in den dazu gehörigen Zusammenhang einzufügen. Genau dies kann man, beginnend bei der Physiologie des Herzens, den seelischen Qualitäten des Blutes und dem geistigen Hintergrund der Gewissenbildung studieren. Findet nicht im Herzen ein unentwegtes Abwägen des Verhältnisses meiner Taten zum Weltzusammenhang statt, wie es die Ägypter schon in ihren Darstellungen des Toten gerichtes angedeutet haben? Schon der erste Abend leitete viele Fragen im Hinblick auf Zukunftsvertrauen ein. Einige Studenten der Dorfuniversität Dürnau stellten ihre Projekte vor, an denen sie zur Zeit arbeiten und warfen dabei Fragen nach staatlicher Anerkennung und beruflicher Sicherheit auf, die kontrovers ins Gespräch führten. 6 Götz Werner eröffnete die Tagung im Interview mit Camilla Paris (Dorfuni) und Hanjo Achatzi (Wirtschaft neu Denken). Er ermutigte die Zuhörer mit unternehmerischer Gesinnung, ihren Lebensweg anzugehen: «Das Genie erfindet sich im Überschreiten von Übergängen. Der ruhige Blick auf den zurück gelegten Weg vollendet dann den Künstler.» Mit diesem Fichte zitat umriss er die Lebensprinzipien, an denen man sich vor wichtigen Entscheidungen orien tieren könne. Der abschließende letzte Vormittag verwandelte das Rudolf Steiner-Haus in einen Markt der Möglichkeiten. In allen Räumen des Hauses sah man die jungen Menschen sehr angeregt im Austausch mit Vertretern zukunfts orientierter Initiativen, wie der Mellifera e.V. für wesensgemäße Bienenhaltung oder dem Omnibus für direkte Demokratie, dem freien UNIEXPERIMENT, der Cusanushochschule, um nur einige wenige zu nennen. Sie alle machen Hoffnung und brauchen engagierte Menschen, um ihre fruchtbaren Ansätze noch stärker wirksam werden zu lassen. Wie nebenbei wurde auch das Rudolf SteinerHaus selbst Ort einer sich von Tag zu Tag steigernden künstlerischen Aktion. Auf humorvolle und unübersehbare Weise verschwanden allmählich einige Stuhlreihen des festen Mobiliars im großen Saal und verwandelten sich in sehr ästhetische Kunstwerke. Diese Aktion bildete den Auftakt, das Haus allmählich zu renovieren und in einen lichten, freundlichen Begegnungsort zu transformieren. Die Verantwortlichen des Hauses haben sich zum Ziel gesetzt, das Leben und die Bedürfnisse der umliegenden Institutionen besser wahrzunehmen und auch frischen Wind aus der Öffentlichkeit mit den würdigen Weisheiten, die sich in den letzten Jahrzehnten hier gebildet haben, in einen regen Austausch zu bringen. Insofern war die Betrachtung des Herzorgans natürlich sehr hilfreich, denn das Herz hat eben die Fähigkeit, auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Organe in entsprechender Weise zu reagieren. «Altes» venöses Blut begegnet sich in ihm mit erfrischtem arteriellem, das sich neue Kraft aus dem Umkreis geholt hat. So wie das Herz sich aus unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten bildet und dann zum Wahrnehmungsorgan der verschiedenen Strömungen wird, wollen wir einen steten Menschenfluss ermöglichen. Angefangen bei der festen Bestuhlung, die schon bald viel beweglicher und flexibler wird, über die unterschiedlichsten Begegnungsformen, die wir schon seit einiger Zeit erproben, bis hin zum ernsthaften, aber undogmatischen Umgang mit der Anthroposophie, werden wir uns von diesem Urbild leiten lassen. Die bildungsART 15 hat in dem schon seit einer Weile begonnenen Weg wieder einen kräftigen Pulsschlag eingefügt! Weitere sollen folgen. Marco Bindelli, Stuttgart Forschungsförderung In ihrem Beitrag «Forschung und Entwicklung» hat Monika Elbert in der Ausgabe vom Januar/Februar 2015 die Projekte aufgeführt, die im Arbeitsjahr 2014 von der Stiftung zur Forschungsförderung gefördert wurden. Etliche Früchte aus diesen Projekten können bereits in Form von Publikationen studiert werden: - Johanna Hueck: Die «Chiffernschrift» der Philosophiegeschichte. Einige Beobachtungen zu Rudolf Steiners Buch «Die Rätsel der Philosophie». In: DIE DREI, 1/2015, S. 49 – 56 (zu beziehen auch online: http://diedrei. org/autoren-anzeigen/autor/hueck-johanna. html). - Angelika Schmitt: Erkenntnis ist … Komposition. Die Wissenschaftskonzeption von Andrej Belyjs «Geschichte des Werdens der Bewusstseinsseele». In: DIE DREI, 10/2014, S. 26 – 36 (zu beziehen auch online: http://diedrei.org/autoren-anzeigen/autor/ schmitt-angelika.html). - Aktuelle Publikationen aus dem Institut für Strömungswissenschaften können auf der Homepage eingesehen werden: http://www. stroemungsinstitut.de/publikat.htm - Johannes Schneider: Reflexive Poesie ist gelebte Anthroposophie. Franz Kafka trifft Rudolf Steiner. In: DIE DREI 9/2014, S. 25 – 35 (zu beziehen auch online: http://diedrei.org/autoren-anzeigen/autor/schneiderjohannes.html). - Über die Forschungsarbeit von Torsten Arncken schrieb Sebastian Jüngel die Reportage Die Wurzel schmeckt, der Spross antwortet, in: Das Goetheanum Nr.4/2015, S. 6f. - Über die Saatgutforschung informiert die Zukunftsstiftung Landwirtschaft auf der Homepage: http://www.zukunftsstiftunglandwirtschaft.de/zukunftsstiftung-landwirtschaft/projekte/saatgutfonds/. Angelika Sandtmann Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 Anthroposophische Bewegung Neue Literatur Verlag Freies Geistesleben Renatus Ziegler: Freiheit und Schicksal – Eine Philosophie der Wiederverkörperung (an) Haben Schicksal und Freiheit etwas miteinander zu tun? Vor dem Hintergrund dieser Frage scheint das Thema der Wieder verkörperung in weiter Ferne zu liegen. Renatus Ziegler zeigt aber: Wer sich über Freiheit Gedanken macht, der müsste sich auch über Wiederverkörperung Gedanken machen. Viele Menschen sind heute von der Tatsache einer Wiederverkörperung überzeugt. Und doch ist diese selten Thema öffentlicher Diskurse oder gar philosophisch-wissenschaftlicher Untersuchungen. Trotz sich steigernder Offenheit gegenüber geistig orientierten alten und modernen Bewusstseinstechniken, zum Beispiel zum Stressabbau und zur Erhöhung des positiven Lebensgefühls, taucht die Wieder verkörperung in rationalen Auseinander setzungen zum Problem der Person und des menschlichen Geistes kaum auf. Doch gerade in Zusammenhang mit dem weit mehr erörterten Problem der Freiheit erfordert sie eine Ergründung im Denken, die über den Glauben hinaus in ein Verstehen führt. Rudolf Steiner Verlag Rudolf Steiner: Die Chakren – Sinnesorgane der Seele, hrsg. eingeleitet und kommentiert von Andreas Neider. Rudolf Steiner hat keine explizite Lehre von den Chakren entwickelt, aber immer wieder von diesen inneren Organen und ihrer Entwicklung gesprochen, bevor die indischtheosophische Literatur im Westen überhaupt bekannt wurde. Insofern sind seine Beiträge nicht nur originär im abendländischen Kontext, sondern bieten gegenüber der mittlerweile weit verbreiteten Chakrenliteratur einen anderen Ansatz. Rudolf Steiner stellt die Bedeutung der Chakren für das moderne Bewusstsein dar, das eine andere Entwicklungsrichtung als die einstige Yoga-Praxis nimmt: nicht in Richtung der Leiblichkeit, sondern als Weiterentwicklung des Denkens zur Anschauung lebendiger Prozesse. Durch die sorgfältig ausgewählte Zusammenstellung und die aufschlussreiche Einführung ist dieses Büchlein eine grundlegende Darstellung der in sich begründeten und sich gegenseitig erhellenden Chakren lehre Rudolf Steiners. Verlag am Goetheanum Karin Mecozzi: Ars Herbaria – Heilpflanzen im Jahreslauf Der Umgang mit Heilpflanzen, vom Erkennen und Erforschen über das Sammeln und Ver arbeiten bis zur fachgerechten Anwendung – hier wird ein «Können» vorgestellt – «Ars herbaria» – eine Kunst, in der Tradition, Erfahrung und moderne Wissenschaft miteinander verwoben sind. Ausgehend von den Urbeziehungen zwischen Pflanze, Mensch und Landschaft werden Bäume, Sträucher, Heilpflanzen und Gewürzkräuter auf eine dynamische, lebens gemäße Art und Weise dargestellt: im Rhythmus des Jahreslaufs, der mit seinen Stimmungen, Wendepunkten und Festen, Wachsen, Werden und Vergehen unseren Planeten prägt. Jean-Michel Florin; Ueli Hurter; Constanza Kaliks: »Das aufkeimende Leben der Zukunft …« Jugendimpulse und Landwirtschaft Wie hat Rudolf Steiner gearbeitet? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Bienen vorträgen Ende 1923 und dem Landwirtschaftlichen Kurs an Pfingsten 1924? Was lebt in den Jugendansprachen von Breslau und Koberwitz? Wie hören wir heute aus der aktuellen Gegenwart diese ganz aus der Situation entstandenen Wort- und Bildprägungen? Wie stehen wir Menschen als auf Freiheit veranlagte Wesen der geschöpften Natur gegenüber? Wie gewinnen wir Erkenntnisse, die unser Tun in der Landwirtschaft orientieren können? Die drei Autoren gehen in ihren Beiträgen, die im Rahmen der Veranstaltungen der Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum als Vorträge entstanden sind, diesen Fragen nach. schneidereditionen Jan Albert Rispens: Bäume verstehen lernen – Ein goetheanistisch-anthroposophischer Schulungsweg an der Natur Die vorliegende Arbeit ist ein Schulungsbuch und stellt den Weg dar, den der Autor mit der Frage «Was ist ein Baum?» über Jahre gegangen ist sowie die Antworten auf diese Frage. Ziel dieses Suchens ist es, die Natur selbst zu Wort kommen zu lassen, denn die Schwierig keit besteht darin, dass uns ihre Sprache heute nicht mehr unmittelbar verständlich ist. Wir sind es gewohnt, dass wir ständig und unreflektiert die Natur nach unseren Vorstellungen und Maßstäben beurteilen – und folglich entsprechend mit ihr umgehen. Die Einseitigkeit dieses Vorgehens wird in den nicht enden wollenden Umweltzerstörungen der letzten Dezennien schmerzhaft spürbar. Vielen Menschen ist klar, dass sie daran – notgedrungen – mit Verantwortung tragen und dass eine positive Wende jeweils nur ganz individuell vollzogen werden kann. Dazu dient dieses Buch. Novalis Verlag Olav Stokland: Norwegens verborgene Geschichte und ihre Beziehung zur inneren Entwicklung des Menschen In diesem Buch wird die Entwicklungs geschichte des norwegischenVolkes geschildert; seine volkstypische und geistige Entwicklung von der mythischen über die Saga-Zeit (Edda), durch die Wikinger-Zeit und deren Beute züge, vor allem auf den Westinseln Irland und England, und die allmähliche Einsickerung des keltischen Christentums durch Sklaven von den Inseln. Durch Legenden, Märchen und Volkslieder, die meist von Frauen weiter Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015 gegeben wurden, entwickelte sich im norwegischen Volk während der oft martialischen Missionierungen der römischen Kirche und Streitigkeiten zwischen den Stämmen doch eine ganz eigene, sensible Religiosität und Geistigkeit. Stokland beschreibt im weiten Bogen, wie durch die Lied- und Märchen tradition auch das Grals-Christentum im Norden einsickern konnte und wie durch das Beispiel einer großen Persönlichkeit, des Hl. König Olav, das norwegische Volk zu seiner Identität fand. Stokland zeigt in seinem Buch, dass Norwegens verborgene Geschichte zugleich die Geschichte der inneren Entwicklung des Menschen ist, von der jeder Leser in sich selbst etwas entdecken kann. Edition Widar Steffen Hartmann / Torben Maiwald / Anton Kimpfler (Hrsg.): Aus Widars Wirken – Wegbereitung einer Zukunftskultur. «Wer Widar in seiner Bedeutung erkennt und ihn in seiner Seele fühlt, der wird finden, dass im zwanzigsten Jahrhundert den Menschen wieder die Fähigkeit gegeben werden kann, den Christus zu schauen. Der Widar wird wieder vor ihm stehen, der uns allen gemeinschaftlich ist in Nord- und Mittel europa. Er wurde geheim gehalten in den Mysterien und Geheimschulen als ein Gott, der erst in Zukunft seine Mission erhalten wird.» (Rudolf Steiner, Juni 1910). Der Band umfasst eine Sammlung von Aussagen verschiedenster Autoren zum Wirken Widars, der nordischen Zukunftsgottheit. Verlag Urachhaus: Michael Stehle übernimmt die Verlagsleitung (an) Michael Stehle, 45, wurde von der Gesellschafterversammlung der Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH mit sofortiger Wirkung zum Leiter des Verlags Urachhaus ernannt. Er tritt damit die Nachfolge von Frank Berger an, der das Unternehmen zum 31.12.2014 krankheitsbedingt verlassen musste. Michael Stehle studierte Germanistik und Philosophie in Tübingen und Wien und trat bereits im Oktober 2000 als Lektor in den Verlag ein. Begleitend zu seiner Lektorats tätigkeit brachte er sich zunehmend in die Programmplanung sowie in den Bereich Rechte und Lizenzen ein, dessen Verantwortung er 2004 schließlich zusätzlich übernahm. Parallel dazu war Michael Stehle zudem für Einzeltitel des Kinder- und Jugendbuchprogramms als Übersetzer aus dem Englischen tätig. Mit der Übernahme der Verlagsleitung im Jubiläums jahr – Urachhaus blickt in diesem Jahr auf eine 90-jährige Verlagsgeschichte zurück – übernimmt Michael Stehle nun die Heraus forderung, die Tradition bewahrend, das Neue stets im Blick, den Verlag in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu führen. 7 Anthroposophische Bewegung Willkommensklasse für Flüchtlinge Die Rudolf Steiner Schule Berlin-Dahlem wird eine Willkommensklasse für Flüchtlingskinder einrichten. Der Beschluss dazu sei von der Gesamtkonferenz der Schule mit großer Mehrheit gefasst worden, erläuterte Geschäftsführer Friedrich Ohlendorf. Auch die anschließende Versammlung der Klassenelternvertreter habe sich für die Einrich tung der Willkommensklasse ausgesprochen. Die Schule werde jetzt dem Senat mitteilen, dass sie «startklar» sei für die Aufnahme der Flüchtlingskinder. Die Klasse, die nach den Vorgaben des Senats 12-15 Kinder umfassen wird, soll von zwei Lehrkräften betreut werden, eine davon hat eine Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache. Wann die Klasse in der Waldorfschule in Berlin-Dahlem genau starten wird, hängt nun von der Zuweisung von Seiten des Senats ab. Die Kosten einer Lehrkraft pro Willkommensklasse werden zum größten Teil vom Senat übernommen. Die Waldorfschulen sind aus der Sicht des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) für die Aufnahme von Flüchtlingskindern gut gerüstet. «Waldorfpädagogik hat sich in vielen Ländern der Welt auch unter schwierigen Bedingungen bewährt», so Henning KullakUblick vom Vorstand des BdFWS. Sie gehe stets vom Kind aus und trage seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten Rechnung. Ziel der Berliner Willkommensklassen, in denen klassenübergreifend unterrichtet wird, ist es, die Flüchtlingskinder so zügig wie möglich, spätestens aber nach einem Jahr, in die regulären Klassen einzugliedern. Eine zweite Möglichkeit für die freien Schulen in Berlin, Flüchtlingskinder aufzunehmen, besteht darin, sie als Gastschüler zu integrieren. Damit hat die Rudolf Steiner Schule in BerlinDahlem bereits Erfahrungen gesammelt, da seit den Weihnachtsferien Flüchtlingskinder aus der Sammelunterkunft in der Turnhalle der Freien Universität als Gastschüler in Klassen aufgenommen worden sind. Durch die Verteilung der Familien auf andere Unterkünfte würden die Kinder inzwischen in anderen Schulen unterrichtet, so Geschäftsführer Ohlendorf. Celia Schönstedt, Bund der Freien Waldorfschulen Demeter gegen Gentechnik Gemeinsam mit anderen Organisationen legt Demeter Widerspruch dagegen ein, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den so genannten RTDS-Raps der Firma Cibus als nicht gentechnisch verändert einstuft und damit zum Anbau in Deutschland freigibt. Demeter-Vorstand Alexander Gerber kritisiert, dass damit das BVL dem europäischen Gesetzgeber leichtfertig vorgreife und warnt, dass die Entscheidung weitreichende Konsequenzen für Landwirtschaft, Umwelt und unsere Nahrung haben könnte. 8 Der neue Raps wurde mit Hilfe von kurzen Abschnitten synthetischen Erbguts (Oligo nukleotiden) entwickelt, was das BVL «nicht als Gentechnik im Sinne des Gentechnikgesetzes» einstuft. So könnten jetzt entsprechende herbizidresistente Rapspflanzen ohne Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung angebaut werden. «Die biodynamischen Betriebe in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung tun alles, um Gentechnikfreiheit für ihre Produkte zu sichern. Der Gesetzgeber muss sie vor Eintragungen durch gentechnisch manipulierte Pflanzenpollen und -samen schützen», unterstreicht Antje Kölling, bei Demeter für die politische Arbeit verantwortlich. Sie betont: «Jedes neue Züchtungsverfahren, bei dem technische Eingriffe in isolierte Zellen oder Zellkerne stattfinden, muss eingehend analysiert und es muss im Einzelfall bewertet werden, ob es sich hierbei um Gentechnik handelt. Zuständig dafür ist die EU-Ebene.» Es könne nicht angehen, dass das BVL in einem Schnellverfahren diese Prozesse umgehe und Genpflanzen quasi durch die Hintertür auf deutsche Äcker gelangten. Renée Herrnkind, Demeterverband Weleda wächst weiter (dpa) Der Naturkosmetikhersteller Weleda hält an seinem strikten Sparkurs fest und setzt gleichzeitig zunehmend auf ältere Kundschaft. Der weltweite Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2014 um 8,8 Prozent auf 364 Millionen Euro (vorläufige Zahlen, wechselkursbereinigt), wie das Unternehmen am deutschen Firmensitz in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) am Dienstag mitteilte. Damit konnte Weleda das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln (2013: 4,4 Prozent). Eine neue Pflegeserie für Kunden ab 55 habe maßgeblich zum Umsatz bei getragen. «Das ist eine Gruppe, die an Bedeutung gewinnt», sagte Weleda-Sprecher Theo Stepp der Deutschen Presse-Agentur. Zum dritten Mal in Folge habe Weleda den Gewinn steigern können, Zahlen wurden noch nicht bekanntgegeben. Die Nettoverschuldung sei 2014 um weitere 40 Millionen Euro reduziert worden. Sie sei damit fast beseitigt, sagte Stepp. In der defizitären Arzneimittelsparte versuche man immer mehr, Rezepturen in Apotheken fertigen zu lassen, da die industrielle Produktion teuer sei. «Wir agieren bewusster auf der Kostenseite.» Notfallpädagogik in Kalkutta (an) Die Auswirkungen extremer Armut führen in Indien zu schweren Traumatisierungen. Um SozialarbeiterInnen und LehrerInnen ein Werkzeug im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen an die Hand zu geben, wurde in Kalkutta eine viertägige Fortbildung im Bereich Notfallpädagogik angeboten. Besonders in den Armenvierteln ist es für Lehrkräfte, ErzieherInnen und Sozialarbeiter Innen wichtig, im Umgang mit solchen Traumatisierungen geschult zu sein und die Kinder in der Bewältigung ihrer schlimmen Erlebnisse unterstützen zu können. In Zusammenarbeit mit Aktion Deutschland Hilft und einem lokalen Partner konnten die Freunde der Erziehungskunst von 23. bis 26. Februar in einer Schule eine Fortbildungs reihe zum Thema Notfallpädagogik realisieren. Bernd Ruf, Begründer der Notfallpädagogik und geschäftsführender Vorstand der Freunde der Erziehungskunst gab in seinen Vorträgen eine Einführung in Psychotraumatologie. Diese theoretischen Einheiten wurden durch praktische Workshops zu notfallpädagogischen Methoden wie Kunsttherapie, Rhythmus und Eurythmie ergänzt. Ca. 40 Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von verschiedenen Schulen und sozialen Einrichtungen nahmen an den Fortbildungen teil. Veranstaltungstermine Rudolf Steiner-Haus Berlin Freitag, 17. April, 19 Uhr Vortrag Über das Geistige in der Nachhaltigkeit Samstag, 18. April, 10 – 18 Uhr Seminar (inkl. Mittagspause) Wege von der Realität zur Wirklichkeit Mit Dr. Hildegard Kurt Vortrag und Seminar finden innerhalb der Veranstaltungsreihe «Geist und Materie – Polarität oder Steigerung?» statt. Ort: Bernadottestraße 90/92, 14195 Berlin. Veranstalter: Arbeitszentrum Berlin. Anmeldung: Sekretariat Rudolf Steiner Haus, Gabriela Cramer, email [email protected], Telefon 030 8325932. Rudolf Steiner Haus Hamburg Freitag, 15. Mai 2015, 18.00 Uhr bis Sonntag 17. Mai 2015, 13.15 Uhr Am sozialen Tempel der Zukunft bauen Himmelfahrtstagung zur Zukunft der anthropo sophischen Bewegung und Gesellschaft Mitwirkende: Torben Maiwald, Matthias Bölts, Ruben Bollmann, Sharon Karnieli, Sivan Karnieli, Jens Göken, Gunhild von Kries, Annemarie Richards, David Richards, Anton Kimpfler, Johannes Greiner, Steffen Hartmann u. a. Ort: Mittelweg 11-12, 20148 Hamburg. Veranstalter: Zweig am Rudolf Steiner Haus Hamburg. Anmeldung unter: Tel. 040 4133 1621 Impressum Die «Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland» sind Bestandteil der Zeitschrift «Anthroposophie weltweit». Herausgeber ist die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland e. V., Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart. Redaktion: (an) Andreas Neider (verantwortlich), Sylvain Coiplet. Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart., Tel.: 0711/248 50 97, Fax: 248 50 99, e-Mail Redaktion: [email protected]. Adressänderungen und Administration: [email protected]. Gestaltung: Sabine Gasser, Hamburg. Der Bezug ist sowohl durch ein Abonnement der Wochenschrift «Das Goetheanum» als auch durch gesonderte Bestellungen beim Verlag möglich. Jahreskostenbeitrag Nicht-Mitglieder: 40 €. Verlag: mercurialPublikationsgesellschaft, Alt-Niederursel 45, 60439 Frankfurt/M., Tel: 069/58 23 54, Konto Nr. 101 670 901 bei der GLS Gemeinschaftsbank eG, BLZ 430 609 67. Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, April 2015
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