X <34MED <44 DEU 46> 47BE4> R<< << 30.04. 2015 A4 ? www.sz-archiv.de REISE AUF DIE LANGE TOUR 45 DEFGH Nr. 99, Donnerstag/Freitag, 30. April/1. Mai 2015 ENDE DER REISE Rauszeit Entdeckung der Einfachheit Viele Menschen träumen von einer Weltreise. Manche machen sie bereits. Aus den unterschiedlichsten Motiven 3 1 Carina Stöwe, 27, fährt mit ihrem Freund in einem VW T3 auf der Panamericana, die Alaska und Feuerland verbindet. Wo stecken Sie gerade? Bei dem Bergsteiger Hans Saler und seiner Frau Truus in der Nähe von Pucon in Chile. Wir trafen sie zufällig weiter südlich auf der Carretera Austral, und sie luden uns prompt zu sich ein. Das konnten wir nicht ausschlagen! Wie ist die Lage? Der Vulkan Calbuco ist mehrmals ausgebrochen! Wir sind täglich damit beschäftigt, Haus, Hof und Lamas von der zementartigen Asche zu befreien. Eine Sisyphos-Arbeit, die jeden Abend mit Geschichten von Weltumsegelungen und Bergbesteigungen entlohnt wird. Warum machen Sie das? Um Abstand zu nehmen vom Alltagstrott, andere Lebensentwürfe zu entdecken, neue Sprachen zu lernen, mehr Zeit für eigene Projekte zu haben und zu verinnerlichen, dass es um mehr geht als das Ansammeln von Titeln und Besitz. Die wichtigste Frage aber ist: Warum nicht? www.travelrunplay.de 1 Florian Franke, 25, reist seit 16 Monaten mit Rucksack durch die Welt. Wo stecken Sie gerade? In einer meiner liebsten Städte, in Doha. Besonders mag ich den Souq Waqif, den traditionellen Markt. Im Moment sitze ich bei meiner Schwester, die hier lebt, wir lassen den Tag bei kalten Getränken ausklingen. 2 Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen. 8 Wie ist die Lage? Heiß! Langsam kommt der Sommer, in dem es gerne auch mal mehr als 40 Grad haben kann. Ich liebe die Wärme, habe seit einem Jahr nur Sommer um mich. Warum machen Sie das? Ich liebe das Unterwegssein und die Freiheit, jeden Tag neu zu gestalten. Alltagsroutine und Sesshaftigkeit deprimieren mich. www.weltnomade.de Elena Lange und Alexander Ruppert, 28, erkunden die Welt mit Wanderschuhen. Wo stecken Sie gerade? Wir waren gerade sechs Monate in Asien. Die kulturellen Unterschiede und Sprachbarrieren, der Annapurna Trek in Nepal, zehn Tage Meditation im Schweigekloster, Felsklettern sowie ein Freediving-Kurs haben uns an mentale und körperliche Grenzen gebracht. Davon entspannt Alexander sich gerade auf Fuerteventura und ich mich in Kopenhagen. Wie ist die Lage? Alexander sucht die perfekte Welle, während ich mich in den Trubel europäischer Metropolen stürze. Warum machen Sie das? Um den eigenen Körper besser kennenzulernen, intensiv zu leben, persönlich zu wachsen und die globalisierte Welt besser zu verstehen. Das Verlassen der Komfortzone ist hierfür der Grundstein. Jetzt steht die vorsichtige ReEuropäisierung und Rückkehr in die westliche (Überfluss-)Gesellschaft an, ein schwieriger Schritt. www.auszweit.de 3 Sarah Althaus, 30, seit 17 Monaten alleine auf Weltreise. Wo stecken Sie gerade? In Barcelona, den europäischen Frühling genießen. 4 DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund undnicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche 2 Wie ist die Lage? Wehmütig, weil ich mich in den letzten Wochen meiner Weltreise befinde. Freudig, meine Liebsten bald wieder zu sehen. Warum machen Sie das? Das Leben ist zu kurz, um nur zu träumen! Ich halte Monotonie und Langweile schlecht aus. Indem ich stets in ungewohnte Situationen komme, muss ich mich neu anpassen und meine Grenzen überschreiten. Macht das nicht genau das Leben spannend? www.rapunzel-will-raus.ch Bettina Höbenreich, 32, und Helmut Koch, 33, umrunden seit vier Jahren mit über 20 Jahre alten Motorrädern die Welt. Wo stecken Sie gerade? Seit einem halben Jahr sind wir in Südamerika unterwegs. Aktuell erkunden wir Uruguay, bevor es immer weiter nach Norden bis Alaska geht. Wie ist die Lage? 100 000 Kilometer haben Spuren hinterlassen und uns unvergessliche Momente beschert. Die Kasachen fanden uns so toll, sie wollten uns gar nicht mehr ausreisen lassen. Die Mongolen flößten uns so lange vergorene Stutenmilch ein, bis unsere Verdauung streikte, die Australier hätten uns fast auf der Schweinejagd erschossen. Warum machen Sie das? Es bedeutet für uns Abenteuer und Freiheit. Wir sind mit den Bikes stets mitten im Geschehen. Ob in schwierigen oder alltäglichen Situationen: Wir erfahren überwältigende Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. www.timetoride.de 5 6 Jen und Peter Glas, 37 und 42, leben seit zwei Jahren in ihrem Truck. 5 6 4 7 Sie suchen Naturheiler, Freiheit oder sich selbst. Vor allem aber wollen Langzeit-Reisende aus dem Alltag ausbrechen. FOTOS: PRIVAT Wo stecken Sie gerade? Wir stecken hier in Malaysia – 04° 8.937’ N / 103° 24.510’ E – in der herausfordernden Situation, uns die Frage beantworten zu müssen, ob wir das Brot auf der gestern improvisierten Feuerstelle noch backen, bevor wir Backgammon spielen – oder umgekehrt. Wie ist die Lage? Der Wind bläst mittelstark, das Meer ist heute recht stürmisch, das Wasser eher warm, das Freitagsgebet offensichtlich zu Ende – denn die Fischer fischen fleißig Frisches, im Dorf sind die Bananen aus – die Lage ist also im Großen und Ganzen „unter Kontrolle!“ Warum machen Sie das? Weil es keinen Grund gibt, das nicht zu machen. www.glaarkshouse.com Peggy Biczysko, 53, reist durch Lateinamerika und Australien. Wo stecken Sie gerade? In Ecuador. Davor war ich in Kolumbien, auf einer Kreuzfahrt durch den Galapagos-Archipel und bin den Inkatrail nach Macchu Picchu gegangen. Alle Warnungen aus der Heimat schlage ich in den Wind. Und das ist gut so. Wie ist die Lage? Könnte nicht besser sein. Ich werde bald den Kontinent wechseln, denn hier wird es Winter und mir zu kalt. Anfang Mai fliege ich nach Australien. 7 Warum machen Sie das? Um den viel zu frühen Tod meines Mannes irgendwie zu verarbeiten. Er ist ein halbes Jahr nach der Diagnose Lungenkrebs gestorben. Wir hatten große Pläne und wollten in sieben Jahren aufhören zu arbeiten, um das Leben zu genießen und auf Reisen zu gehen. www.frankenpost.de/dossiers 8 Heiko Gärtner, 36, und Tobias Krüger, 29, wandern ohne Geld um die Welt. Wo stecken Sie gerade? Nach 8500 Kilometern kreuz und quer durch Europa befinden wir uns gerade auf einer Berghütte in den slowenischen Alpen. Es erinnert uns ans Auenland aus „Herr der Ringe“. Wie ist die Lage? Wir machen zum ersten Mal Urlaub von unserer Reise. In den vergangenen 15 Monaten haben wir so gut wie nie zwei Nächte an einem Ort verbracht. Die Pause bietet Zeit, um über die Reise nachzudenken. Die Durchquerung der Extremadura bei gefühlten 50° C; die Nacht auf dem Friedhof, in der wir vor dem Altar einer Kapelle geschlafen haben. Warum machen Sie das? Beide hatten wir als Kind den Traum, als Forscher und Entdecker die Welt zu bereisen. Heiko befasst sich schon lange mit Naturmedizin und dem Wissen der Naturvölker. Als uns ein Medizinmann aus Oklahoma aufforderte, auf einen Medizingang zu gehen, um ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen, gaben wir unser sesshaftes Leben auf. Seitdem sind wir als wandernde Forscher, Nomaden und Erdheiler unterwegs. www.lebensabenteurer.de protokolle: sfi, haag Das P-Wort. Darf man es heutzutage überhaupt noch in den Mund nehmen? Ohne gleich als letzter Hinterwäldler, Langweiler, ja als Massentourist verachtet zu werden? Ich mache eine P . . . Pauschalreise. So, jetzt ist es draußen. Zwei Wochen Algarve, mit Halbpension und Flughafentransfer. Jeden Tag an den Strand, um nichts kümmern, an nichts denken, aufs Meer schauen, baden, fünf Bücher lesen. Nach zwei Wochen heimfahren und sich so erholt fühlen, als hätte man ein ganzes Sabbatical hinter sich. Es ist heute nicht leicht, sich als Pauschaltourist zu outen. Vergleichbar vielleicht nur damit, als hätte man vor 50 Jahren gesagt: Ich gehe zu Fuß von Paris nach Budapest. „Äh, warum fährst du nicht mit dem Orient-Express?“, wäre man wohl gefragt worden. „Soll ich dir meinen Käfer leihen?“ So ändern sich die Zeiten. Heute erntet Bewunderung, wer seinen Job aufgibt, das Haus verkauft und mit einem umgebauten Unimog nach Wladiwostok fährt. Oder wer freiwillig und ohne Bezahlung in China Panda-Käfige ausmistet, um ein halbes Jahr später in Neuseeland für Kost und Logis harte Arbeit bei der Kiwiernte zu leisten. Aber als Pauschalreisender bekommt man zu hören: „Was, zwei Wochen all-inclusive? Spinnst du?“ Dabei könnte man natürlich umgekehrt auch fragen, ob all die Traveller vielleicht etwas unausgefüllt sind von ihrer Arbeit oder ihrem Leben generell. Fragt man natürlich nicht. Nichts gegen Abenteuer. Ist schließlich Privatsache. Wobei, Privatsache? Dass wir Daheimgebliebenen dank Facebook und Blogspot stets in Echtzeit in Text und Bild informiert werden, wenn in Usbekistan die Hinterachse bricht oder das chinesische Essen zu einer üblen Diarrhö führt, ist natürlich hochinteressant – für die, die es wissen wollen. Aber es macht aus der privaten Reise ein öffentliches Ereignis. Je mehr Likes und Follower, desto besser. Auf eine solche Idee käme der Pauschalreisende nie. Er ist froh, wenn die Kollegen im Büro nichts mitkriegen von seiner Erholung an der Algarve. Doch es gibt Hoffnung! Wenn der Trend so weitergeht, ist der Pauschalreisende bald der wirklich Subversive. Zukunftsforscher im Dienste der IT-Firma Amadeus haben schon einen hübschen Namen für ihn: Simplicity Searcher. Im Gegensatz etwa zum Social Capital Seeker, der postet und bloggt, was das Zeug hält. Yes, ich bin ein Simplicity Searcher! Und das ist gut so. hans gasser verantwortlich: jochen temsch escholz SZ20150430S2635246
© Copyright 2024