Universit¨at Potsdam Institut f¨ ur Physik und Astronomie Dr. P. Fr¨ ubing 26. 03. 2015 Nachklausur Festk¨ orperphysik II (WS 2014) Aufgaben und L¨ osungen 1. Energiedispersion und effektive Masse des Kristallelektrons 4 (a) Beschreiben Sie das semiklassische Modell der Bewegung eines Kristallektrons in einem Band: Was heißt semiklassisch? Wie werden Impuls, Geschwindigkeit und Energie des Kristallektrons ausgedr¨ uckt? - Geben Sie wenn m¨oglich Gleichungen an. 6 (b) Geben Sie die Definition der effektiven Masse m∗ an und erkl¨aren Sie, was diese Gr¨oße beschreibt und warum sie eingef¨ uhrt wird? Zeichnen Sie den Verlauf der effektiven Masse zusammen mit der Energie E als Funktion der Wellenzahl k f¨ ur ein Kristallelektron in einem eindimensionalen periodischen Potential in der 1. Brillouin-Zone. Welche Aussagen hinsichtlich der Bewegung des Kristallelektrons im ~k-Raum kann man den Abh¨angigkeiten E(k) und m∗ (k) entnehmen? L¨ osung (a) Semiklassisch heißt: die m¨ ogliche Energien (Energieeigenwerte) werden quantenmechanisch berechnet (durch L¨ osen der Schr¨ odingergleichung f¨ ur ein Elektron in einem gitterperiodischen Potential), die Wirkung externer Kr¨ afte wird jedoch klassisch behandelt, d. h. durch Anwendung der Newtonschen Bewegungsgleichung. Das Kristallelektron wird durch ein Bloch-Wellenpaket beschrieben. Der Impuls ist p~(~k) = h ¯~k, wobei ~k der Wellenvektor des “Schwerpunkts” des Bloch-Wellenpakets ist. ~ (k ist jedoch nur bis auf einen reziproken Gittervektor bestimmt.) Die Energieeigenwerte En (~k) sind die B¨ander, dabei ist n der Bandindex. (En (~k) kann i.A. nicht explizit angegeben werden.) Die Geschwindigkeit ist die Gruppengeschwindigkeit des Bloch-Wellenpaketes: ~v (~k) = vg (~k) = h¯1 ∇k E(~k). h 2 i−1 E(k) ¯ 2 d dk (c) Die Definition der effektiven Masse ist m∗e = h , dabei ist E(k) die Energiedispersion 2 des Kristallelektrons. ¨ Die zweite Ableitung von E(k) ist die Anderung des Anstiegs von E(k), also die Bandkr¨ ummung, je st¨ arker die Bandkr¨ ummung (je steiler das Band), desto geringer ist m∗ . Die effektive Masse beschreibt den Einfluß der Kristallkraft auf die Bewegung des Kristallelektrons. Letztere kann nicht gemessen werden, die effektive Masse ist dagegen meßbar. Verlauf von E(k) und m∗ (k) f¨ ur ein Kristallelektron in einem eindimensionalen periodischen Potential in der 1. Brillouin-Zone (−π/a ≤ k < +π/a): siehe z.B. Gross/Marx, Abb. 9.3 (S. 388). Im Zentrum der Brillouin-Zone ist E(k) ∝ k 2 , damit m∗ = const (m∗ = me , falls die Kr¨ ummung h ¯2 gleich 2m ist), das Kristallelektron verh¨ a lt sich wie ein freies Elektron, es sieht das Gitter nicht. e An der Grenzen der Brillouin-Zone wird der Anstieg von E(k) (Maß f¨ ur die Geschwindigkeit) null, das Kristallelektron wird Bragg-reflektiert, m∗ ist negativ, weil die Bandkr¨ ummung negativ ist. Am Wendepunkt von E(k) ist die Bandkr¨ ummung null, also m∗ → ±∞, d.h. das Kristallelektron wird an dieser Stelle weder beschleunigt noch verz¨ogert (a = Fext /m∗ = 0), die Kristallkraft ist hier ohne Einfluß auf seine Bewegung. 2. Gegeben sind zwei Siliciumscheiben, eine ist mit Bor (3-wertig) dotiert, die andere mit Arsen (5wertig). 2 (a) Zeichnen Sie (ohne Maßstab) jeweils das Energieb¨anderschema und bezeichnen Sie die Bandkanten, die Fremdionenniveaus sowie die Lage des chemischen Potentials f¨ ur den Fall der St¨orstellenersch¨ opfung. 5 (b) Nun werden die Scheiben in Kontakt gebracht. Beschreiben Sie die Vorg¨ange, die am Kontakt ablaufen und zeichnen Sie den Bandverlauf E(z) u ¨ber dem Kontakt in Normalenrichtung im station¨ aren Zustand (z sei die Ortskoordinate, und es sei z = 0 am Kontakt). 3 (c) Schließlich wird die Anordnung mit einer Spannungsquelle verbunden, wobei einmal die Bordotierte Scheibe und zum Anderen die Arsen-dotierte Scheibe auf h¨oherem Potential liegen. Beschreiben Sie wieder die Vorg¨ ange am Kontakt und skizzieren Sie die Abh¨angigkeit der Stromst¨ arke I von der Spannung U u ¨ber dem Kontakt. L¨ osung (a) Zeichnung: siehe z.B. Gross/Marx, Abb. 10.14a (S. 515). (b) Elektronen aus dem n-Gebiet und L¨ocher aus dem p-Gebiet diffundieren zum jeweils anderen Gebiet und rekombinieren in der Grenzschicht, es entstehen Verarmungsrandschichten und ein inneres Feld Ei zwischen den Raumladungen der ortsfesten positiven Ionen (Gitteratomr¨ umfen) im n-Gebiet und der negativen Ionen im p-Gebiet. Weil die Gesamtladung erhalten bleiben muß, setzen simultan Generationsprozesse von ElektronLoch-Paaren in der Grenzschicht ein, wobei die Paare im Feld Ei getrennt und in die Bahngebiete beschleunigt werden. Im station¨ aren Gleichgewicht sind der Diffusionsstrom Id und der Feldstrom If gleich groß und kompensieren sich. Das bedeutet, daß unabh¨angig vom Ort Zust¨ande gleicher Energie auch gleiche Besetzung haben, d. h. die chemischen Potentiale sich angleichen und ein einheitliches chemisches Potential entsteht. Da die Austrittsarbeiten Φn und Φp feste Werte sind, muß das Termsystem des n-Gebietes “absinken”, d.h. es addiert sich auf der n-Seite die potentielle Energie −eVd zu allen Termen (Vd Diffusionspotential). Bandverlauf u ¨ber dem Kontakt: siehe z.B. Gross/Marx, Abb. 10.14b (S. 515) (c) Das ¨außere Feld Ea liegt praktisch nur u ¨ber dem Kontakt, weil er den h¨ochsten Widerstand hat. Bor-dotierte Scheibe (p-Gebiet) auf h¨oherem Potential (Durchlaßrichtung): Ea ↑↓ Ei , Diffusionsbarriere | − eVd | wird kleiner, Id > If , der Strom I der Majorit¨atsladungstr¨ager (Elektronen aus dem n-Gebiet, L¨ ocher aus dem p-Gebiet) steigt exponentiell mit der Spannung (bis er schließlich durch den Widerstand der Bahngebiete begrenzt wird). Arsen-dotierte Scheibe auf h¨ oherem Potential (Sperrichtung): Ea ↑↑ Ei , Diffusionsbarriere | − eVd | wird gr¨ oßer, Id < If , der Strom I der Minorit¨atsladungstr¨ager (Elektronen aus dem p-Gebiet, L¨ocher aus dem n-Gebiet) wird durch die thermisch in der Grenzschicht generierten Elektron-Loch-Paare getragen, er ist viel kleiner als der Strom in Durchlaßrichtung und konstant. Abh¨ angigkeit der Stromst¨ arke I von der Spannung U (Kennlinie): siehe z.B. Gross/Marx, Abb. 10.16 (S. 522). 3. Rechts ist die Struktur von Bariumtitanat (BaTiO3 ) dargestellt. Das linke Diagramm zeigt die Abh¨angigkeit der Dielektrizit¨ atszahl von der Temperatur. Bariumtitanat ¨ zeigt bei TC = 108 ◦ C einen Ubergang von einer ferroelektrischen Phase mit tetragonaler Symmetrie in die paraelektrische Phase mit kubischer Symmetrie. Das rechte Diagramm zeigt analoge Messungen an Strontiumtitanat SrTiO3 im paraelektrischen Bereich. (SrTiO3 hat die gleiche Struktur, mit einem Sr2+ -Ion im Zentrum der Elementarzelle.) 3 (a) Was heißt Ferroelektrizit¨ at? Skizzieren Sie in je einem Diagramm die Abh¨angigkeiten der Polarisation P u ¨ber der Temperatur T und u ¨ber einem externen elektrischen Feld Eext und erl¨autern Sie Ihre Skizzen. 4 (b) Erkl¨ aren Sie mit Hilfe der Lyddane-Sachs-Teller-Relation und dem rechten Diagramm, warum die statische Dielektrizit¨ atszahl bei Ann¨aherung an den Phasen¨ ubergang vom paraelektrischen Bereich aus stark ansteigt und ungew¨ohnlich groß wird (st ≈ 15000)? 3 aßigkeit zeigt sich oberhalb des Phasen¨ ubergangs, und wie kann man aus der (c) Welche Gesetzm¨ Abh¨ angigkeit 1/ von T im paraelektrischen Bereich das induzierte Dipolmoment mel berechnen. Geben Sie dazu Gleichungen an. Die Dichte ρ und die molare Masse mmol seien bekannt. L¨ osung (a) Ferroelektrizit¨ at bezeichnet das Auftreten einer spontanen Polarisation, ohne daß ein externes Feld vorhanden ist. In der Elementarzelle ferroelektrischer Kristalle kompensieren sich die Ladungen positiver und negativer Ionen nicht vollst¨andig, dadurch entsteht ein permanentes Dipolmoment pro Volumeneinheit. P (T ): Die Polarisation nimmt ab, weil die thermische Bewegung die Dipolorientierung st¨ort und verschwindet schließlich bei der Curie-Temperatur TC . P (Eext ): Mit einem ausreichend großen Gegenfeld (dem Koerzitivfeld) kann die Polarisation umgekehrt werden. Wird Eext kontinuierlich ver¨andert, entsteht eine charakteristische Hystereseschleife. Zeichnungen: siehe z.B. Gross/Marx Abb. 12.40, S. 745 (ohne die T 3/2 -Kurve, und Pspo statt M als Ordinateneinheit) und Gross/Marx Abb. 12.33, S. 735 (P u ano¨ber Eext statt M u ¨ber Bext , die ph¨ menologischen Abh¨ angigkeiten entsprechen denen der Ferromagnetika.) (b) In Ionenkristallen werden in einem elektromagnetischen Strahlungsfeld transversal-optische (TO) Phononen angeregt. Die Phononenfrequenz ωt ist u ¨ber die Lyddane-Sachs-Teller-Relation mit der Diω2 s . Bei Ann¨aherung an den Phasen¨ ubergang aus dem paraelektrielektrizit¨ atszahl verkn¨ upft: ω`2 = ∞ t schen Gebiet wird s sehr groß, weil die TO-Phononenfrequenz gegen Null geht (rechtes Diagramm). Am Phasen¨ ubergang stellt sich schließlich eine statische Ionenverschiebung ein, die Ba2+ - und das 4+ Ti -Ion sind dann gegen¨ uber den O2− -Ionen parallel zu (001)-Richtung verschoben, wie im Bild dargestellt. (Die TO Phononen “frieren ein”, weil die auslenkende Kraft auf ein Ion im lokalen Feld F~loc antiparallel zur elastische R¨ uckstellkraft F~elast und damit in Richtung der Auslenkung wirkt, also die Auslenkung der Ionen bef¨ ordert - mit anderen Worten q das Gitter also “weicher” macht, d.h. den ω Elastizit¨ atsmodul verringert und wegen vph ≡ k = G ρ auch die transversale Phononenfrequenz (G Schubmodul, ρ Dichte) verringert. Das geht solange, bis am Phasen¨ ubergang schließlich F~loc und F~elast sich das Gleichgewicht halten.) (c) Oberhalb des Phasen¨ ubergangs ist ∝ (T − Θ)−1 , das ist das (elektrische) Curie-Weiss-Gesetz, dabei ist Θ die paraelektrische Curie-Temperatur. Das induzierte Dipolmoment folgt aus dem Anstieg des Geraden: der Anstieg ist gerade das Inverse der Curie-Konstante: 1 = C1 (T − Θ). Die Curie-Konstante ist mit dem induzierten Dipolmoment mel u ¨ber C = ρNA Dipolkonzentration folgt aus n = mmol . nm2el 30 kB verkn¨ upft. Die 4. Mangan (Mn) hat die Elektronenkonfigurationen [Ar]3d5 4s2 . In ionischer Bindung kann Mangan als vierwertiges Ion vorliegen, dabei werden die Elektronen der 4s-Unterschale sowie zwei Elektronen aus der 3d-Unterschale abgegeben. Der experimentell bestimmte Wert des magnetischen Moments des Mn4+ -Ions ist mmg = 3.8µB . 2 (a) Skizzieren Sie die Abh¨ angigkeit der Magnetisierung M eines paramagnetischen Mangan-Salzes von der magnetischen Feldst¨ arke H bei konstanter Temperatur u `nd geben Sie eine N¨aherung f¨ ur hinreichend kleine Feldst¨ arken an (Gleichung). 2 (b) Bestimmen Sie den spektroskopischen Grundzustand des Mn4+ -Ions. 4 (c) Berechnen Sie das magnetisches Moment mmg des Mn4+ -Ions in Einheiten von µB . Zeigen Sie, ¨ daß man unter einer bestimmten Voraussetzung zu sehr guter Ubereinstimmung von Experiment und Theorie gelangt. Wie kann man das Ergebnis verstehen und warum trifft diese Voraussetzung f¨ ur Mn4+ zu? 2 (d) Bei hinreichend genauen Messungen w¨ urde man finden, daß das gemessene magnetische Moment stets etwas geringer ist als das erwartete paramagnetische Moment. Wie kann man diesen Sachverhalt verstehen? Erkl¨ aren Sie. Hinweis: Land´e-Faktor: gJ = 1 + J(J+1)+S(S+1)−L(L+1) 2J(J+1) L¨ osung (a) M (H) wird durch die Brillouin-Funktion beschrieben. F¨ ur hinreichend kleine Feldst¨arken ist M ∝ H, der Proportionalit¨ atsfaktor ist die magnetische Suszeptibilit¨at χmg . Zeichnung: siehe z.B. Gross/Marx Abb. 12.7, S. 681 (b) Das 3d-Orbital repr¨ asentiert einen Zustand mit l = 2, es enth¨alt 3 Elektronen. Die Anwendung der Hundschen Regeln ergibt ml +2 +1 0 −1 −2 ms ↑ ↑ ↑ ⇒ S = 32 ; 2S + 1 = 4, L = 3 (F -Zustand), Die Schale ist weniger als halbvoll, also J = |L − S| = 32 , der spektroskopische Grundzustand ist also 4 F 32 . p (c) mmg = gJ J(J + 1)µB , gJ = 0.40, ⇒ mmg = 0.775µB . Der Wert ist viel kleiner als erwartet. Offenbar ist der Bahndrehimpuls weitgehend ausgel¨oscht, d. h. nur die Spins orientieren sich im Magnetfeld. Die Ausl¨oschung des Bahndrehimpulses wird durch das Kristallfeld (das elektrische Feld der Nachbarionen) verursacht. Da bei Mn4+ die abschirmende Wirkung der 4s-Unterschale fehlt, sind die f¨ ur die paramagnetischen Eigenschaften verantwortlichen Elektronen der 3d-Unterschale dem Kristallfeld in voller St¨arke ausgesetzt. In der Tat ergibt eine Rechp nung mit mmg = gS S(S + 1)µB den Wert mmg = 3.87µB , der sehr gut mit dem experimentellen Wert u ¨bereinstimmt. (d) Die Ursache f¨ ur diesen Effekt ist der Diamagnetismus. Da sich die H¨ ullelektronen um den Kern bewegen, kommt es im magnetischen Feld zu einer Pr¨azessionsbewegung der H¨ ullelektronen (die Gesamtdrehimpuls-Achse weicht der Lorentzkraft seitlich aus). Mit der Drehimpuls¨anderung ist ein (dia)magnetisches Moment verkn¨ upft, das nach dem Lenzschen Gesetz entgegengesetzt zum paramagnetischen Moment gerichtet ist. Bewertung: 38/40 (95%) sehr gut (1), 31/40 (77%) gut (2), 23/40 P. (58%) befriedigend (3), 16/40 P. (40%) ausreichend (4) Quellen der Abbildungen: Ch. Kittel, Einf¨ uhrung in die Festk¨ orperphysik, 14. Aufl., M¨ unchen (Oldenbourg) 2006, Bild 16.13, S. 516; K.-H. Hellwege, Einf¨ uhrung in die Festk¨ orperphysik, 3. Aufl., Berlin (Springer) 1988, Abb. 31.10, S. 347 und 31.2, S. 342.
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