Diskussionsbeiträge zum Positionspapier der DGMSR

Beitrag von C.D., FA für Radiologie
Der Beitrag beleuchtet vor allem die Konsequenzen aus der Tatsache, dass MSK Leistungen
in erster Linie im ambulanten Bereich erbracht werden.
Die Redaktion
…..Durch meine langjährige Tätigkeit in der Orthopädie - die schon mit diversen Famulaturen begann
- habe ich viele gute Kontakte zu den klinischen Kollegen, sowohl in Klinik, als auch in Praxen. Aus
vielen Gesprächen, auch außerhalb des täglichen Alltags sehe ich….. einen großen Bedarf an
fachkompetenten Radiologen, die die immer spezieller werdenden Fragestellungen mit der
gewünschten Klarheit beantworten können. Die medizinische Welt um uns herum wird immer
spezialisierter und effizienter und die Radiologie kann es sich nicht leisten, ihre ureigenen
Kompetenzen abzugeben und in die Situation zu kommen, in der der Kliniker die Bilder besser
befunden kann, als der Radiologe!
- der Bärenanteil der MSK Bildgebung, rein quantitativ betrachtet, liegt in der Hand der
Niedergelassenen. Die Assistenzärzte in vielen Unikliniken sehen in ihrer Ausbildung kaum ein
"normales" MRT der LWS oder Kniegelenkes und müssen dann plötzlich in der Praxis Lumbago und
vorderen Knieschmerz beurteilen. Die große Gruppe der Niedergelassenen darf bei den Betrachtungen
nicht vergessen werden. Auch wenn Forschung und Lehre in den großen Zentren und Unikliniken
betrieben wird, müssen wir an der Basis erst einmal die Spreu vom Weizen trennen. Wir müssen
erkennen, wann ein Befund weiter abzuklären ist und wann es sich um eine harmlose Normvariante
handelt. Es werden viele Ressourcen und Gelder verschwendet, weil Bildgebung wegen
unzureichender Primärdiagnostik wiederholt werden muss. Ich sehe einen großen Bedarf, auch in der
ambulanten Radiologie Spezialisierungen zu fördern. Die meisten Praxen sind inzwischen Zentren mit
großen personellen und technischen Möglichkeiten. Also sollten auch die Niedergelassenen eine
Spezialisierung erwerben können, die nicht ganz so stark akademisch ausgerichtete Inhalte hat, wie die
von Ihnen angestrebte Subspezialisierung im Großen.
- die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit und Verknüpfung zwischen ambulanter und
stationärer Medizin. Dazu wäre es aus meiner Sicht wünschenswert, es gäbe Netzwerke, die z.B die
Möglichkeit bieten, unbürokratisch schwierige Befunde zu diskutieren - sicherlich ist das eine Vision,
die an zeitlichen und technischen Schwierigkeiten scheitert. Ich persönlich wäre schon froh, in dieser
neu gegründeten Gesellschaft Ansprechpartner zu haben, natürlich in erträglichem zeitlichen
Rahmen….
Beitrag von C.M., FA für Radiologie
Der Beitrag argumentiert für ein ortspezifisches, abgestuftes Angebot der Radiologie.
Die Redaktion
…….Inwieweit wir eine Subspezialisierung brauchen wird sicherlich ortsspezifisch abhängig sein.
Wenn ich es einfach beschreiben möchte, würde es so sein, dass wenn ich ein Kreiskrankenhaus
betrete und sehe im Eingangsbereich die Übersichtstafel der behandelnden Ärzte und Abteilungen
so wird bei 3 oder 4 Grundabteilungen Innere Medizin, Chirurgie, Anästhesie und evtl. Gynäkologie
eine Facharzt für Radiologie ausreichend sein. Betrete ich hingegen den Eingangsbereich einer
großen städtischen Klinik oder einer Uniklinik und sehe dort die Übersichtstafel, so wird es jedem
klar sein, dass bei Abteilungen für Unfallchirurgie, Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie und
Knochentumorchirurgie 1 bzw. 2 ausgebildete MSK RadiologenInnen notwendig sein, um auf
Augenhöhe tätig sein zu können. Dies gilt übertragen auch auf den niedergelassenen Bereich.
Arbeite ich mit hochspezialisierten Orthopäden, Unfallchirurgen etc. zusammen so kann Radiologie
nicht ohne MSK Spezialisierung auskommen, wenn eine subtile MSK Diagostik notwendig ist. Also
allgemein ausgedrückt , abhängig von vorgebenen Situation vor Ort im Krankenhaus oder in der
Niederlassung müssen wir den vorgegebenen "Schildern im Eingangsbereich eines Krankenhauses
oder in der Niederlassung" hinterhergehen, besser noch für unseren Bereich vorausgehen und
selber Akzente setzen…..
Beitrag von L.R., FA für Radiologie, Schwerpunkt Neuroradiologie
In diesem ausführlichen, auf persönlichen Erfahrungen beruhendem Statement wird auf
die Situation in den Niederlanden und auf die Notwendigkeit einer verbesserten
Ausbildung hingewiesen. Auch auf die Struktur der Radiologie und die Rolle der Radiologen
in den NL wird eingegangen.
Die Redaktion
Ich begrüße Ihre Initiative und stimme Ihrem Thesenpapier voll zu.
Zu dem Vorhaben einer Subspezialisierung gehört eine verbesserte Ausbildung. Die
Facharztausbildung in zumindest einzelnen europäischen Ländern ist wesentlich gründlicher, als ich
sie in Deutschland kennengelernt habe.
Gerne möchte ich mit der Schilderung meiner diesbezüglichen Erfahrungen aus meinen Berufsjahren
an einer Uniklinik in den Niederlanden zur Diskussion beitragen.
Dort wird der Ausbildung ein immenser Wert beigemessen und sehr viele Ressourcen dafür
eingesetzt. So wie ich es auch aus dem angloamerikanischen Raum kenne, wird ein Oberarzt in den
Niederlanden tatsächlich dafür gefördert und geschätzt, dass er gut lehrt. Lehre und Ausbildung sind
in Deutschland meist eine ungewünschte, lästige Bürde, die von keiner Seite tatsächlich honoriert
wird, außer von den Ärzten in Weiterbildung - aber auch das nur, wenn bei diesen schon ein
Bewusstwerdungsprozess stattgefunden hat.
Zuletzt (seit 2004 bis 2012) erfuhr die Radiologische Facharztausbildung in den Niederlanden große
Veränderungen: Sektionierung (Subspezialisierung), Einführung entsprechender Fellowships am Ende
oder im Anschluss an die Facharztausbildung sowie die Zusammenlegung der Radiologie mit der
Nuklearmedizin.
Die gleichen Diskussionen, die auch in Ihrem Thesenpapier aufgeführt wurden, gab es in der
Niederländischen Gesellschaft für Radiologie und in jeder Klinik. Im Ende hat sich die Sektionierung in
Teilgebiete der Radiologie durchgesetzt, in Anlehnung an die Europäischen Gesellschaften für
Neuroradiologie (incl. Kopf-Hals Radiologie), Kinderradiologie, Muskuloskelettale Radiologie, Cardiac
Imaging, Abdomen, Thorax, Mamma, Interventionen. Europäische Diplome in Neuroradiologie,
Neurointerventionen und Muskuloskelettaler Radiologie sind durch Absolvierung mehrjähriger
Programme schon seit längerem zu erwerben. Sie geben den Fortbildungsaktivitäten einen
mittelfristigen Focus, welcher bei der Breite unseres Faches notwendig ist.
In den Niederlanden wurden entsprechend 8 Fellowships geschaffen, wobei die meisten der 8
Unikliniken nur in der Lage sind, 2 - 4 davonanzubieten. Nicht spezialisierten Radiologen ist allerdings
die Ausführung und Abrechnung der „spezialisierten“ Verrichtungen keineswegs untersagt.
In größeren Abteilungen wird erwartet, oder ist das Ziel, dass jeder Oberarzt 2 Teilgebiete
beherrschen sollte. Um Dienstpläne / Verfügbarkeit planen und Standards einhalten zu können, stößt
man damit ab einer gewissen Abteilungsgröße an Grenzen. Eine allgemeinradiologische
Einsetzbarkeit muss erhalten bleiben,
wenngleich einzelne Radiologen Schwierigkeiten empfinden, ihre angestammten Nischen zu
verlassen.
All das wurde in unserem Nachbarland mehr oder weniger offen besprochen, um eine Balance
zwischen Anforderungen und Machbarkeit zu finden, der Prozess ist noch nicht ganz abgeschlossen.
Das meiner Ansicht nach hohe Niveau der Radiologie in den Niederlanden
wurde erreicht durch die sehr gut strukturierte Ausbildung mit vielen Lehrmomenten, internen, mit
einem festgelegten Curriculum gut geplanten Fortbildungsvorträgen, regelmäßigen kurzen
Beurteilungen der Assistenten durch die Oberärzte, dem Führen eines Logbuchs für jeden
Assistenten, Zeit zum Selbststudium, Freistellung zu und Finanzierung von Kongressen, etc..
Assistenten können jedoch auch nach 1 oder 3 Jahren noch aus der Ausbildung entlassen werden
(jedoch nicht ohne Vorankündigungen und konkret benannte Maßnahmen, um Defizite zu
bewältigen), das hängt aber nicht vom Gutdünken des Chefs ab. Kettenverträge gibt es nicht mehr,
wenn man einen Ausbildungsplatz hat. All dies wird obendrein von einer
Fortbildungskommission verlangt und jede Klinik alle 5 Jahre sehr streng und
ehrlich geprüft. Assistenten suchen ihren Ausbildungsplatz nach der Rangliste in den
Fortbildungsstatistiken. Oberärzte werden mehrfach zu mehrtägigen „teach the teacher” - Kursen
geschickt. Assistenten sind keine Arbeitspferde, weder in der Diagnostik noch der Forschung.
Eine maximale Anzahl von Arbeitstagen der Assistenten in der Befundung ist festgelegt und wird
ebenso wie eine feste Rotation durch ausnahmslos alle Teilbereiche der Radiologie (incl.
Interventionen) absolut strikt eingehalten. Auf diese Art ist es auch möglich, mehr Wissenschaft auf
die Beine zu stellen.
Daher denke ich, dass zu den Plänen auch ein intensiver Kampf um die
Ressourcen gehört, um Ausbildung und Weiterbildung zu fördern. Man
braucht zum einen mehr Stellen, zum anderen auch finanzielle Unterstützung. Zum Beispiel erhält in
den Beneluxländern und Skandinavischen Ländern ein angestellter Fach-/Oberarzt ein
Fortbildungsbudget von 4-5000€ /Jahr, das er für Bücher und mindestens 2 Kongresse / Jahr
verbrauchen muss. Dazu gehören 10 Fortbildungstage / Jahr, deren Aufnahme in den
Weiterbildungsvertrag nicht ein nie einklagbares „Kann“ wie in Deutschland, sondern eine
Selbstverständlichkeit sind. Deutsche Teilnehmer sind auf internationalen Fortbildungen /
Kongressen nicht nur in Relation zur Größe unseres Landes stark unterrepräsentiert. Viele „ärmere”
europäische Länder sind wesentlich stärker vertreten als Deutschland.
Auch eine angemessene Anerkennung von Fortbildungen und wissenschaftlichen Arbeiten sollte
Anreize schaffen: das ESSR Diplom wird bisher von der
Ärztekammer nicht mit Fortbildungspunkten honoriert, für eine wissenschaftliche Arbeit erhält man
unverhältnismäßig wenig Fortbildungspunkte. Was, wenn ein eigenes Paper mit 20 und eine KoAutorenschaft mit 5 Punkten belohnt werden würde? Man setze diese Leistungen in Relation zum
Fortbildungswert und der pauschal erworbenen Punktezahl durch den Bezug der RöFo. Es würde
dem Wert und dem Fortbildungsaspekt einer solchen Arbeit auf jeden Fall entsprechen und wäre ein
Anreiz zu wissenschaftlicher Arbeit auch für die Mehrheit der Radiologen, die nicht auf dem Weg zur
Habilitation sind. Die Kenntnis der englischen Sprache ist sicher Voraussetzung zum Besuch
europäischer Kongresse, aber auch zum Lesen der Fachliteratur in der täglichen Praxis. Ich bin froh,
dass die RöFo wenigstens engl. Abstracts eingeführt hat.
In den Niederlanden sind Radiologen wesentlich akzeptierter und integrierter in den
Krankenhausbetrieb, abfällige Bemerkungen über Radiologen habe ich dort nie gehört. Zugleich
erhält ein Radiologe dort wesentlich fundiertere klinische Informationen. Radiologen sollten sich
einfach mal Deutschlandweit eine Woche lang weigern, unzureichend ausgefüllte Überweisungen
anzunehmen. Und dann müssten wir das Echo aushalten und auch da nachbessern, wo es von uns
gefordert wird. Die Rolle der Radiologen wurde in NL oft als „spider in the web” bezeichnet - ein Bild,
das mir besser gefällt, als das eines Allgemeinarztes für Diagnostik. Die Fachübergreifende Kenntnis
und entsprechend das Erkennen solcher Pathologien ist eine entscheidende Kompetenz des
Radiologen, die wir für uns in Anspruch nehmen und nutzen sollten.
Zuletzt möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Rolle der deutschen Radiologen im
muskuloskelettalen Ultraschall, und entsprechend den MSK Interventionen richten. Mir scheint die
deutschen niedergelassenen Radiologen sind die einzigen in Europa, die kaum MSK Ultraschall
machen, und entsprechend auch keine Punktionen oder Arthrographien, wenngleich das Rüstzeug
ganz bei uns läge. Das mag sich in den verschieden Regionen Deutschlands allerdings etwas
unterscheiden. Die KV-Zulassung zum MSK Ultraschall wurde mir verwehrt, Auflage seien 2 Jahre
Fortbildung in der Orthopädie (als Neuroradiologe braucht man nur 1 Jahr Neurologie oder
Neurochirurgie…). Mir scheint, da haben die Orthopäden ganze Arbeit geleistet. Ich habe mich
neulich am Knie von einem Orthopäden schallen lassen: der durfte das, konnte es aber nicht und
hatte auch kein adäquates Gerät.
Beitrag von F.R, FA für Radiologie,
Der Beitrag beleuchtet noch einmal die Konsequenzen aus der Tatsache, dass MSK
Leistungen in erster Linie im ambulanten Bereich erbracht werden.
Die Redaktion
…..Ein Punkt bezüglich der Ursachen der geringen Akzeptanz von MSK in der akademischen
Radiologie, der nicht erwähnt ist und meiner sehr persönlichen Meinung essentiell ist, ist die
Trennung unseres Gesundheitswesens in eine ambulante und stationäre Versorgung, wobei
die akademische Seite primär in der stationären Versorgung repräsentiert ist …. Die MSK
Radiologie ist aber geschätzt zu 90% in ambulanter Hand (deshalb ja u.a. auch die
Notwendigkeit die Ausbildung zu verbessern, da die niedergelassenen Radiologen so häufig
mit dem Thema befasst sind). Eine Verzahnung der Ausbildung mit Integration der
niedergelassenen Radiologen ist vermutlich zwingend, da die akademische Seite dies
wahrscheinlich nicht leisten kann, da hier einfach die Fallzahlen, abgesehen von der
Tumordiagnostik an wenigen Zentren, zu gering sind (z.B. Sportorthopädie).
Dies erklärt unter anderem auch warum so wenig MSK Forschung stattfindet in Deutschland.
Forschung in Praxen ist schwierig umzusetzen, wenn auch nicht unmöglich (Ziel:
Kooperationen mit Universitätskliniken). Hierfür ist es schwierig Antworten zu finden.
Dennoch stimme ich 100% überein, wie auch vom ECR und RSNA wiederholt formuliert,
dass die Radiologie als Fach nur überleben kann mit weiterer Subspezialisierung, um als
echter Partner der klinischen Fächer wahrgenommen zu werden. Die Rolle und
Wahrnehmung als Großgerätebetreiber und Bilderproduzent ist etwas was wir als Radiologie
vermeiden müssen, und Kompetenz ist hier der einzige Weg…..