Persönliche Schutzausrüstungen

PERSÖNLICHE SCHUTZAUSRÜSTUNGEN
Persönliche Schutzausrüstungen
Persönliche Schutzausrüstungen
Martin Brose
Karin Dauth
Renate Kaiser
Dr. Reinhard Lux
Martin Mehlem
Norbert Schilling
Christel Trautmann
Bildnachweise
Titel oben links: Pfalzwerke AG
Abbildung 3.1: Amith/Fotolia
Abbildung 3.1.6: UVEX GmbH
Abbildung 4.3.5: KCL GmbH
Abbildungen 5: EWS Schuhfabrik, Otter Schutz GmbH
Abbildungen 6.2, 6.3, 6.5, 6.6, 6.7, 6.8, 6.10: UVEX GmbH
Abbildung 6.6: 3M Deutschland GmbH
Abbildung 6.9: Sperian Protection Deutschland GmbH
Abbildung 7.1: Maurin/Fotolia
Abbildung 7.3.1: Rabe/Fotolia
Abbildung 7.4.1: frankoppermann/Fotolia
Abbildung 7.6.1: Bergringfoto/Fotolia
Abbildung 8.1.1: Pfalzwerke AG
Abbildung 8.3.1: Schuberth GmbH
Abbildung 10.3: LE Image/Fotolia
Abbildungen 12.1 und 12.2: 3M Deutschland GmbH, Sperian Protection Deutschland GmbH
Abbildung 12.3: 3M Deutschland GmbH
2
Inhalt
1.
2.
Vorwort
5
Einführung – Chancen und Grenzen des Einsatzes persönlicher
Schutzausrüstungen
6
Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Rechtsvorschriften und technische Regeln für die PSA-Herstellung und
Verpflichtungen des Herstellers für das Inverkehrbringen von PSA
PSA-Beschaffung und Bereitstellung sowie bestimmungsgemäße
PSA-Benutzung im Betrieb
18
3.
3.1
3.2
3.3
Schutz des Kopfes
Industrieschutzhelme
Anstoßkappen
Haarnetze
24
24
27
27
4.
4.1
4.2
4.3
Schutzhandschuhe
Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken
Schutzhandschuhe gegen thermische Risiken
Schutzhandschuhe gegen chemische und bakteriologische Risiken
28
29
31
33
5.
Fußschutz
37
6.
Schutz des Gesichtes und der Augen
46
7.
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
7.6
7.7
Schutz des Rumpfes
Kälteschutzkleidung
Regenschutzkleidung
Schweißerschutzkleidung
Chemikalienschutzkleidung
Warnkleidung
Schutzanzüge für den Umgang mit Kettensägen
Schutzkleidung gegen das Erfasstwerden sich bewegender Teile
59
61
62
64
66
70
71
71
2.1
2.2
9
9
3
8.
8.1
8.2
8.3
8.4
Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
Elektrisch isolierende Schutzkleidung
Handschutz
Elektrisch isolierende Schutzhelme
Elektrisch isolierende Schutzschuhe
73
74
75
76
77
9.
9.1
9.2
Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Auffangsysteme
PSA-Bestandteile von Auffangsystemen
79
81
89
10.
Schutz der Haut
103
11.
Atemschutz
118
12.
Schutz des Gehörs
128
4
Vorwort
Der Begriff „persönliche Schutzausrüstungen“ sagt es bereits – Ausrüstungen sollen
Menschen am Arbeitsplatz vor Gefahren
schützen. Gefahren durch scharfkantige Gegenstände, chemische Stoffe oder Gefahren
durch Absturz stellen dabei lediglich einen
kleinen Teil der vielfältigen Gefahren am
Arbeitsplatz dar, denen die Beschäftigten
ausgesetzt sein können. Persönlich müssen
die Schutzausrüstungen sein: Nur wenn jede
Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter über eine
eigene Schutzausrüstung verfügt, sind auch
ideale Voraussetzungen für deren Benutzung
gegeben.
Keinesfalls ist zu übersehen, dass persönliche Schutzausrüstungen nicht die erste
Wahl zur Herstellung eines ausreichenden
Arbeits- und Gesundheitsschutzes darstellen. Vielmehr liegt es in der Verantwortung
des Unternehmers, vorrangig durch sichere
konstruktive Gestaltungen baulicher und
technischer Einrichtungen sowie den Einsatz
sicherheitstechnischer Lösungen für sichere
Arbeitsplätze Sorge zu tragen. Somit stehen
persönliche Schutzausrüstungen nur dann
zur Diskussion, wenn aus betrieblichen
Gründen die zuvor beschriebenen primären
Maßnahmen nicht realisierbar sind.
Für nahezu jede betriebliche Tätigkeit bietet eine Vielzahl von Herstellern geeignete
Lösungen für den Einsatz persönlicher
Schutzausrüstungen an. Den Unternehmern
obliegt die Auswahlverantwortung für die
Beschaffung und den bestimmungsgemäßen
Einsatz der Ausrüstungen. Dabei erhöht
eine Beteiligung der Beschäftigten in der
Auswahlphase die Akzeptanz und damit die
Tragebereitschaft gegenüber persönlichen
Schutzausrüstungen nachhaltig.
Die vorliegende Broschüre gibt zahlreiche
Hilfestellungen zur Auswahl geeigneter persönlicher Schutzausrüstungen und deren
bestimmungsgemäßer Verwendung.
Köln, im Januar 2015
Dr. Reinhard Lux
5
1. Einführung – Chancen und Grenzen des Einsatzes
persönlicher Schutzausrüstungen
Dr.-Ing. Reinhard Lux
Eine Vielzahl von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, in der Sprache der gesetzlichen Unfallversicherung als Versicherte
bezeichnet, ist im Rahmen ihrer täglichen
Arbeit Gefährdungen ausgesetzt. Gefährdungen gibt es vielfältige, z. B. mechanische
Gefährdungen an Maschinen sowie anderen
technischen Einrichtungen oder Gefährdungen durch Gefahrstoffe, die im Rahmen des
Arbeitsprozesses eingesetzt werden oder
entstehen können. Darüber hinaus kann das
mit der einzelnen Gefährdung verbundene
Risiko auf sehr unterschiedlich hohem Niveau ausgeprägt sein. Zum einen sind sehr
unterschiedliche Verletzungsschweren bei
der Ausführung einer Tätigkeit denkbar, zum
anderen differieren die Erwartungswahrscheinlichkeiten derartiger Verletzungen
erheblich.
Wie auch immer – der Unternehmer ist
verpflichtet, im Rahmen einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung1 alle mit der
Verwendung eines Arbeitsmittels, mit der
Beschaffenheit eines Arbeitsplatzes und alle
mit der Durchführung eines Arbeitsverfahrens verbundenen Gefährdungen zu ermitteln, diese zu bewerten und die erforderlichen Schutzmaßnahmen und -einrichtungen
festzulegen.
durch organisatorische Maßnahmen beseitigt werden können.
(Zur verkürzten Schreibweise wird im Folgenden in dieser Broschüre die Abkürzung PSA
für persönliche Schutzausrüstungen verwendet.)
Diese vom Gesetzgeber vorgegebene Rangfolge der Schutzmaßnahmen2 trägt wesentlich dazu bei, dass die Lösung sicherheitsund gesundheitsrelevanter Problemstellungen in der betrieblichen Praxis nicht vordergründig mit Belastungen der Versicherten
aufgefangen wird. Auch wenn PSA in den
letzten Jahren einen nachhaltigen Entwicklungsschub erfahren haben, muss sachlich
festgehalten werden, dass einzelne Ausrüstungen, insbesondere Atemschutzgeräte
oder Chemikalienschutzanzüge, mit erheblichen Belastungen für die Benutzer verbunden sind. Leider werden in vielen Fällen auch
andere PSA, wie Schutzschuhe oder -handschuhe, von ihren Benutzern subjektiv als
störend empfunden. Hier sind auch weiterhin sachliche und positive Informationen
durch die PSA-Hersteller und die Unternehmer erforderlich – diese Broschüre möchte
ihren Beitrag dazu leisten.
1
Bei der Auswahl der erforderlichen Maßnahmen gilt als wichtigster Grundsatz: Persönliche Schutzausrüstungen stellen erst dann
eine akzeptable Maßnahme dar, wenn die
Gefährdungen weder durch technische noch
6
Die Verpflichtung zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ist u. a. verankert in § 5 ArbSchG,
§ 3 BetrSichV und § 3 UVV „Grundsätze der Prävention“ DGUV Vorschrift 1 (BGV A1)
2
§ 4 ArbschG führt aus, dass individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen anzuwenden sind.
1. Einführung – Chancen und Grenzen des Einsatzes persönlicher Schutzausrüstungen
PSA sind generell Ausrüstungen für die persönliche Verwendung einzelner Versicherter.
Allein mit Blick auf unterschiedliche körperliche Merkmale der Einzelnen, wie Körpergröße oder -gewicht, ergibt sich eine zwingende persönliche Zuordnung der Ausrüstungen. Die mit dem körperlichen Kontakt
der Ausrüstungen verbundenen hygienischen Anforderungen unterstreichen die
Notwendigkeit einer ausschließlich personenbezogenen Benutzung. Mit der persönlichen Zuordnung der PSA wird gleichzeitig
die Identifizierung der Versicherten mit
ihrer Ausrüstung gefördert – ein pfleglicher
Umgang ist die Folge.
Binden Sie als Unternehmer Ihre Beschäftigten doch in den Auswahlprozess für eine
maximal geeignete PSA ein. Niemand kennt
die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz
besser als die Beschäftigten, die bei ihrer
Einbindung durch die Vorgesetzten auch ein
deutlich gesteigertes Maß an Akzeptanz
bzgl. der ausgewählten PSA an den Tag
legen.
Selbstverständlich ist es Aufgabe des Unternehmers, die Kosten für die Beschaffung, Instandhaltung und Ersatzbeschaffung der PSA
zu tragen – er stellt die PSA kostenlos zur
Verfügung. Hiervon ausgenommen ist allerdings Arbeitskleidung ohne Schutzfunktion.
Die besten PSA erfüllen die ihr zugedachten
Schutzfunktionen nicht, sofern sie von den
Versicherten nicht korrekt angelegt und
getragen werden. Insbesondere zum Verständnis der Funktionsweisen der PSA sind
Unterweisungen erforderlich, bei komplexen
PSA oder bei PSA die gegen tödliche Risiken
schützen müssen, sind ergänzende regelmäßige Übungen unumgänglich.
Der ordnungsgemäße Zustand jeder PSA ist
Garant und gleichzeitig Basis der sicheren
Funktion der Ausrüstungen. Jeder Benutzer
sollte daher im Rahmen der Unterweisungen
so qualifiziert werden, dass er einfache
Mängel der PSA durch Inaugenscheinnahme
erkennen kann. Somit ist ein arbeitstäglicher
Check der Ausrüstung vor jeder Benutzung
ohne erheblichen Zeitaufwand möglich.
Diese Prüfungen durch Inaugenscheinnahme ersetzen nicht die regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen durch einen Sachkundigen.
Die Forderung nach wiederkehrenden Prüfungen ist u. a. in PSA-Benutzungsverordnung3 verankert. Hiernach ist der Unternehmer verpflichtet, durch Wartungs-, Reparaturund Ersatzmaßnahmen sowie durch ordnungsgemäße Lagerung dafür Sorge zu tragen, dass die PSA während der gesamten
Benutzungsdauer gut funktionieren und sich
in einem hygienisch einwandfreien Zustand
befinden. In Abhängigkeit von der Komplexität der einzelnen PSA und dem Grad der
3
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz
bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
bei der Arbeit (PSA-Benutzungsverordnung – PSA-BV)
vom 4. Dezember 1996 (BGBl I S. 1841)
7
1. Einführung – Chancen und Grenzen des Einsatzes persönlicher Schutzausrüstungen
durch die PSA zu vermeidenden Risiken sind
ggf. erhebliche Qualifizierungsmaßnahmen
für die mit den Prüfungen zu beauftragten
Sachkundigen erforderlich.
Der sorgsame Umgang im Rahmen der
Aufbewahrung und Lagerung von PSA sollte
selbstverständlich sein. Hierzu gehören
u. a.:
• Aufbewahrung in sauberen und trockenen
Behältnissen und/oder Räumen
• getrennte Aufbewahrung der PSA und verschmutzter Arbeitsmittel oder Arbeitsstoffen, wie z. B. Ölen oder Reinigungsmitteln
• Säuberung der PSA nach dem Gebrauch
nach Vorgabe des Herstellers
• Trocknung nasser PSA vor der Aufbewahrung.
In den nachfolgenden Kapiteln dieser Broschüre stellen wir Ihnen die gebräuchlichsten PSA vor. Wir bitten um Ihr Verständnis,
dass nicht jede nur denkbare PSA behandelt
werden kann. Die in dieser Broschüre enthaltenen Bilder und Skizzen stellen ausschließlich Beispiele zur Beschaffenheit und zur
Anwendung von PSA dar, die geeignet sind,
staatliche und berufsgenossenschaftliche
Anforderungen für den Einzelfall zu erfüllen. Die Beispiele schließen daher andere
Lösungen nicht aus, die die Sicherheit und
8
den Gesundheitsschutz der Beschäftigten in
gleicher Weise gewährleisten.
Die Berücksichtigung der in dieser Broschüre
dargelegten Anforderungen und Lösungsbeispiele befreien den Unternehmer jedoch
nicht von seinen Verpflichtungen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
(u. a. im Sinne § 5 Arbeitsschutzgesetz,
§ 3 Betriebssicherheitsverordnung,
§ 6 Gefahrstoffverordnung).
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Dr.-Ing. Reinhard Lux
Ist der Unternehmer in Folge seiner betriebsspezifischen Gefährdungsbeurteilung zu
dem Ergebnis gekommen, dass zum Schutz
der Versicherten der Einsatz von PSA unumgänglich ist, ergeben sich für ihn unterschiedliche Verpflichtungen. So hat er z. B.
die PSA abgestimmt auf die spezifischen Arbeitsplatzverhältnisse und Tätigkeitsabläufe
auszuwählen, einzukaufen und den Versicherten zur Verfügung zu stellen. Ergänzend
ist seinerseits sicherzustellen, dass die Beschäftigten hinsichtlich des bestimmungsgemäßen Umgangs mit der PSA qualifiziert
werden und organisatorisch wiederkehrende
Prüfungen und die Ersatzbeschaffung von
PSA sichergestellt sind.
Das PSA einsetzende Unternehmen muss
und darf im Rahmen der Beschaffung der
Schutzausrüstung davon ausgehen, dass
herstellerseitig die aktuellen Rechtsvorschriften und Regelwerke berücksichtigt
wurden. Der PSA-Benutzer kann unterstellen,
dass der Hersteller die erforderlichen Verfahren vor dem Inverkehrbringen seiner Produkte, wie z. B. die Baumusterprüfung oder erforderliche Kontrollverfahren zur Bewertung
der produzierten PSA, anwendet.
Zum Verständnis der in den Rechtsvorschriften beinhalteten Anforderungen zur Beschaffenheit und zur Verwendung von PSA werden
nachfolgend vorgestellt:
• die Verpflichtungen der Hersteller im Rahmen des Inverkehrbringens von PSA und
• die Pflichten des Unternehmers bei der
Beschaffung und Bereitstellung der PSA
sowie die Pflichten der Versicherten im
Rahmen der PSA-Benutzung
2.1 Rechtsvorschriften und technische
Regeln für die PSA-Herstellung und
Verpflichtungen des Herstellers für das
Inverkehrbringen von PSA
Die PSA-Herstellung unterliegt in der Bundesrepublik Deutschland dem Produktsicherheitsgesetz1. Hiernach dürfen die Hersteller von PSA ihre Produkte ausschließlich
dann auf dem Markt bereitstellen, wenn sie
die Anforderungen der europäischen Herstellungsrichtlinie für PSA2 erfüllen, die ihrerseits in Deutschland durch die PSA-Herstellungsverordnung3 in nationales Recht überführt wurde. Ergänzend muss herstellerseitig
sichergestellt sein, dass die Sicherheit und
die Gesundheit der späteren Verwender,
aber auch dritter Personen durch die Anwendung der PSA sichergestellt sind. Diese Forderungen haben die PSA sowohl bei bestimmungsgemäßer Verwendung, aber auch bei
1
2
3
• die wesentlichen Rechtsvorschriften und
technischen Regeln für die PSA-Herstellung
Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem
Markt vom 8. November 2011)
Richtlinie 89/686/EWG des Rates vom 21. Dezember
1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen
Achte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz
(Verordnung über die Bereitstellung von persönlichen
Schutzausrüstungen auf dem Markt – 8. GPSGV)
9
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Abb. 2.1.1: Übersicht der grundlegenden Anforderungen des ProdSG an PSA
vorhersehbaren Fehlanwendungen zu erfüllen. Für die Hersteller bedeutet dies:
• Im Rahmen der Konzipierung und Produktion der PSA-Produkte sind deren
10
spätere Verwendungsbedingungen genau
festzulegen. Diese sogenannten bestimmungsgemäßen Verwendungen werden
zur Information der PSA-Benutzer genau in
den Benutzungsanleitungen beschrieben.
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
• Ebenfalls sind hinreichende Informationen
darüber zu geben, wofür das jeweilige
PSA-Produkt nicht geeignet ist. Bei dieser
so genannten vorhersehbaren Verwendung handelt es sich im Sinne des
§ 2 ProdSG um eine „Verwendung eines
Produkts in einer Weise, die von derjenigen Person, die es in Verkehr bringt, nicht
vorgesehen, jedoch nach vernünftigem
Ermessen vorhersehbar ist.“
Der Hersteller einer PSA ist also stets gehalten, sich umfassende Gedanken über
die späteren Benutzungsrandbedingungen
seines Produktes zu machen und seine Kunden umfangreich über die Benutzungsanleitung zu informieren. Am Rande sei darauf
hingewiesen, dass zahlreiche PSA auch so
genannte Verbraucherprodukte4 darstellen. Beispielsweise werden Schutzbrillen,
Schutzhandschuhe oder auch Gehörschutz
von zahlreichen Verbrauchern gekauft und
4
Verbraucherprodukte sind neue, gebrauchte oder
wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher
bestimmt sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden können, selbst wenn sie nicht
für diese bestimmt sind. … (siehe § 2 Nr. 26 ProdSG)
Harmonisierte europäische Normen
Abb. 2.1.2: Übersicht der grundlegenden Anforderungen des GPSG an PSA
Harmonisierte Normen tragen wesentlich zum Konformitätsnachweis bei.
11
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
im Rahmen privater Aktivitäten benutzt. Da
Verbraucher generell als Laien einzustufen
sind, greift die Informationsverpflichtung
des Herstellers an dieser Stelle besonders.
Bei einem näheren Studium der Anforderungen der PSA-Herstellungs-Richtlinie, aber
auch der 8. GPSGV, wird schnell deutlich,
dass die Anforderungen dieser Rechtsvorschriften an die Beschaffenheit von
PSA-Produkten ausschließlich Schutzzielanforderungen darstellen. Konkrete Bau- und
Ausrüstungsanforderungen für die Herstellung sind, abgesehen von den grundlegenden Anforderungen für Gesundheitsschutz
und Sicherheit gemäß Anhang II der Richtlinie, nicht enthalten. Es bedarf somit eines
weiteren untergesetzlichen Regelungswerks,
das diese Aufgabe der Konkretisierung von
Beschaffenheitsanforderungen an PSA übernimmt. Die PSA-Herstellungs-Richtlinie führt
an dieser Stelle aus:
„Damit die Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen leichter nachgewiesen werden kann, müssen auf europäischer
Ebene harmonisierte Normen insbesondere
für die Gestaltung, die Herstellung, die Spezifikationen und die Methoden für die Erprobung der persönlichen Schutzausrüstungen
verfügbar sein, bei deren Einhaltung eine
Übereinstimmung mit den grundlegenden
Anforderungen angenommen werden kann.
Diese auf europäischer Ebene harmonisierten Normen werden von privatrechtlichen
12
Institutionen entwickelt und müssen unverbindliche Bestimmungen bleiben. Zu diesem
Zweck werden der Europäische Normungsausschuss (CEN) … als zuständige Gremien
anerkannt, um die harmonisierten Normen
… erlassen.“
Folge dieser europäischen Regelung ist der
Konformität auslösende Charakter der harmonisierten Normen. Stellt ein PSA-Hersteller ein Produkt unter konsequenter Beachtung der Anforderungen einer oder mehrerer
für sein Produkt relevanter harmonisierter
Normen her, kann er davon ausgehen, dass
sein Produkt ebenfalls die Anforderungen
der PSA-Herstellungs-Richtlinie erfüllt.
Dieser Zusammenhang führt zu einer erheblichen rechtlichen „Aufwertung“ der harmonisierten Normen, ohne deren Anwendung
ein Inverkehrbringen von PSA heutzutage
kaum noch möglich ist. Sämtliche harmonisierten Normen werden von den nationalen
Normungsorganisationen in die jeweiligen
nationalen Normenwerke übernommen.
In der Bundesrepublik Deutschland bedeutet
dies, dass eine europäisch verabschiedete
Norm mit der Bezeichnung EN XYZ in eine
deutsche Norm DIN EN XYZ überführt wird.
Dabei sind sämtliche nationalen Normen,
abgesehen von den unterschiedlichen
Sprachfassungen, inhaltsgleich mit der harmonisierten Norm. Die harmonisierte Norm
ist somit ein unmittelbares Handlungsinstrumentarium für einen reibungslosen Binnenmarkt in Europa.
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Für die PSA-Hersteller ergeben sich u. a.
nachfolgende Verpflichtungen im Rahmen
des Inverkehrbringens5 ihrer Produkte:
• Zusammenstellung der technischen Unterlagen6
• Durchführung eines Bescheinigungverfahrens
• Beauftragung einer Baumusterprüfung für
Kategorie-III-PSA
• Erstellung einer EG-Konformitätserklärung
• Erstellung einer Produktinformation für
den späteren Benutzer
• Qualitätssicherung der gefertigten PSA für
Kategorie-III-PSA
• Ausstattung jedes einzelnen PSA-Produkts
mit der CE-Kennzeichnung
Da für die Sicherheit und das Leben der Benutzer eine normenkonforme Herstellung der
PSA zwingende Voraussetzung ist, sind die
Produkte vor ihrer Herstellung einer EG-Baumusterprüfung7 durch eine prüfende Stelle
zu unterziehen. Von der EG-Baumusterprüfung sind ausschließlich einfache PSA-Modelle, bei denen der Konstrukteur davon
ausgeht, dass der Benutzer die Wirksamkeit
gegenüber geringfügigen Risiken selbst
beurteilen kann, ausgenommen. Zu dieser
PSA-Kategorie I gehören ausschließlich PSA
zum Schutz gegen:
• oberflächliche mechanische Verletzungen
(Handschuhe für Gartenarbeiten, Fingerhüte usw.)
• nur schwach aggressive Reinigungsmittel,
deren Wirkung ohne weiteres reversibel ist
(Schutzhandschuhe für verdünnte Waschmittellösungen usw.)
• Risiken bei der Handhabung heißer Teile,
deren Temperatur 50 °C nicht übersteigt
und die keine gefährlichen Stöße verursachen (Handschuhe, Arbeitsschürzen für
berufliche Zwecke usw.)
• Witterungsbedingungen, die weder außergewöhnlich noch extrem sind (Kopfbedeckungen, witterungsgerechte Kleidung,
Schuhe und Stiefel usw.)
• schwache Stöße und Schwingungen, die
nicht bis zu den Vitalzonen des Körpers
gelangen und keine irreversiblen Verletzungen bewirken können (leichte Kopfbedeckungen als Haarschutz, Handschuhe,
leichtes Schuhwerk usw.)
• Sonneneinstrahlung (Sonnenbrillen).
PSA der Kategorie III unterliegen nach Wahl
des Herstellers zur Kontrolle der fertigen
Produkte8 entweder einer „EG-Qualitätssicherung für das Endprodukt“ oder einem
EG-Qualitätssicherungssystem mit Überwachung“. Diese Kategorie erfasst komplexe
5
6
7
8
Gemäß § 2 Nr. 26 ProdSG ist Inverkehrbringen die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt:
die Einfuhr in den Europäischen Wirtschaft sraum steht
dem Inverkehrbringen eines neuen Produkts gleich.
Anforderungen an technische Unterlagen des Herstellers sind in Anhang III Richtlinie 89/686/EWG enthalten.
Nähere Regelungen zur EG-Baumusterprüfung siehe
Artikel 10 Richtlinie 89/686/EWG (PSA-Herstellungsrichtlinie)
Zur Kontrolle der fertigen PSA siehe Artikel 11 Richtlinie
89/686/EWG.
13
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Abb. 2.1.3: Übersicht der verschiedenen EU-Konformitätsbewertungsverfahren in Abhängigkeit von der
PSA-Kategorie (gemäß Richtlinie 89/686/EWG)
PSA, die gegen tödliche Gefahren oder
ernste und irreversible Gesundheitsschäden
schützen sollen. Gleichzeitig ist zu unterstellen, dass auftretende Mängel beim Gebrauch
der PSA von den Benutzern nicht rechtzeitig
14
erkannt werden können. Zu diesen PSA gehören ausschließlich:
• Atemschutzgeräte mit Filter zum Schutz
gegen Aerosole in fester/flüssiger Form
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Abb. 2.1.4: Beispiel für die Gestaltung einer Konformitätserklärung
oder gegen reizende, gefährliche, toxische
oder radiotoxische Gase
• vollständig von der Atmosphäre isolierende Atemschutzgeräte, einschließlich
Tauchgeräte
• PSA, die lediglich einen zeitlich begrenzten Schutz gegen chemische Einwirkungen
oder ionisierende Strahlungen gewährleisten können
15
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
• Ausrüstungen für den Einsatz in warmer
Umgebung, die vergleichbare Auswirkungen hat wie eine Umgebung mit einer Lufttemperatur von 100 °C oder mehr, mit oder
ohne Infrarotstrahlung, Flammen oder
großen Spritzern von Schmelzmaterial
• Ausrüstungen für den Einsatz in kalter Umgebung, die vergleichbare Auswirkungen
hat wie eine Umgebung mit einer Lufttemperatur von 50 °C oder weniger
• PSA zum Schutz gegen Stürze aus der Höhe
• PSA zum Schutz gegen Risiken der Elektrizi
tät und bei Arbeiten an unter gefährlichen
Spannungen stehenden Anlagen oder zur
Isolierung gegen Hochspannungen.
Bei PSA der Kategorie II handelt es sich um
Produkte, die weder der Kategorie I noch der
Kategorie III angehören.
Baumusterprüfungen werden von unabhängigen, gemeldeten Stellen durchgeführt und
sollen die Übereinstimmung der jeweiligen
geprüften PSA mit den Anforderungen der
Richtlinie und den im Einzelfall anzuwendenden harmonisierten Normen nachweisen.
Grundsätzlich ist es auch möglich, Kategorie-I-PSA einer Baumusterprüfung unterziehen zu lassen. In derartigen Fällen kommt
die Baumusterprüfung i. d. R. zum Zwecke
der Produktwerbung zum Einsatz.
Mit der Konformitätserklärung9 gibt der Hersteller eine Erklärung ab, die bescheinigt,
dass seine in Verkehr gebrachte PSA den Bestimmungen der PSA-Herstellungs-Richtlinie
16
entspricht. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erklärung keine Bescheinigung einer unabhängigen Stelle darstellt.
Vielmehr liegt es in der alleinigen, aber unmittelbaren Verantwortung des Herstellers,
ggf. unter Bekanntgabe aller baumusterprüfungsrelevanten Angaben, ein vollständiges
und ordnungsgemäßes Formular auszufüllen.
Jede Konformitätserklärung ist unter Angabe der unterschriftsberechtigten Person zu
unterzeichnen. Es sollte selbstverständlich
sein, dass ausschließlich für ein Unternehmen zeichnungsberechtigte Personen oder
leitende Führungskräfte, die die unmittelbare Verantwortung für die Konstruktion
und Fertigung der PSA tragen, die Erklärung
unterzeichnen.
Konformitätserklärungen sind für jede PSA
zu erstellen und verstehen sich als Bestandteil des Produktes selber. Sie sind daher
jeder Verpackung einer PSA beizufügen.
Jeder Hersteller einer PSA ist vor dem Inverkehrbringen seiner Produkte verpflichtet,
diese mit der CE-Konformitätskennzeichnug10
auszustatten. Diese besteht aus den Buchstaben „CE“, die nach einem fest vorgegebenen Schriftbild auszuführen sind. Dabei
müssen die verschiedenen Bestandteile
der CE-Kennzeichnung etwa gleich hoch
sein – die Mindesthöhe beträgt 5 mm. Bei
kleinen PSA kann von dieser Höhe abge9
Zur EG-Konformitäserklärung siehe auch Anhang VI
Richtlinie 89/686/EWG
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
pen, hinsichtlich der Bedeutung und des
Schriftbildes der CE-Kennzeichnung irregeführt werden könnten. Jede andere Kennzeichnung darf auf der PSA oder ihrer Verpackung angebracht werden, wenn sie die
Sicht- und Lesbarkeit der CE-Kennzeichnung
nicht beeinträchtigt.
Abb. 2.1.5: Beispiel für die Anbringung eines
CE-Kennzeichens mit Angabe der qualitätsüberwachenden Stelle auf einem Karabinerhaken
wichen werden. Handelt es sich um eine
Kategorie-III-PSA, und hat sich der Hersteller
zur Kontrolle seiner fertigen Produkte für die
Anwendung eines EG-Qualitätssicherungssystems mit Überwachung entschieden, ist
das „CE-Zeichen“ durch die Kennnummer
der gemeldeten Stelle zu ergänzen, die diese
Produktionsüberwachung sicherstellt (siehe
z. B. Abb. 2.1.5).
Das „CE-Zeichen“ ist auf jeder hergestellten PSA so anzubringen, dass es während
der voraussichtlichen Lebensdauer dieser
PSA gut sichtbar, leserlich und dauerhaft
erhalten bleibt. Ist eine entsprechende
Kennzeichnung aufgrund der besonderen
Merkmale eines PSA-Produktes nicht möglich, so kann die CE-Kennzeichnung auf der
Verpackung angebracht werden.
Ebenfalls sind die Hersteller verpflichtet, der
PSA eine schriftliche Information11 für den
Benutzer in deutscher Sprache beizufügen,
die u. a. folgende Angaben enthalten muss:
• Namen und der Anschrift des Herstellers
und/oder seines in der Gemeinschaft niedergelassenen Bevollmächtigten
• Anweisungen für Lagerung, Gebrauch,
Reinigung, Wartung, Überprüfung und Desinfizierung
• das mit den PSA zu verwendende Zubehör
sowie Merkmale passender Ersatzteile
• die den verschiedenen Risikograden entsprechenden Schutzklassen und die entsprechenden Verwendungsgrenzen
• das Verfalldatum oder die Verfallzeit der
PSA oder bestimmter ihrer Bestandteile;
• die Bedeutung etwaiger Markierungen
• Name, Anschrift und Kennnummer der
benannten Stellen, die in der Phase der
Planung der PSA eingeschaltet werden.
10
Weiterhin ist es verboten, auf der PSA Kennzeichnungen anzubringen, durch die spätere
Benutzer, aber auch andere Personengrup-
Anforderungen zum CE-Konformitätskennzeichnung
sind enthalten in Artikel 13 und Anhang IV Richtlinie
89/686/EWG.
11
Zur schriftlichen Information siehe auch Punkt 1.4
Anhang II Richtlinie 89/686/EWG
17
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
• Auswahl der erforderlichen PSA nach Anhörung
der Versicherten und
abgestimmt auf die spezifischen Arbeitsplatzverhältnisse sowie Tätigkeitsabläufe
• Einkauf der erforderlichen
PSA
Abb. 2.1.6: Beispiel für die Gestaltung einer Herstellerinformation,
die bebilderten Anlegehinweise zur PSA (hier gegen Absturz)
geben eine anschauliche Unterstützung von Textpassagen
Die Herstellerinformation bietet eine ausreichende Möglichkeit, die späteren PSA-Benutzer über die bestimmungsgemäße Verwendung zu unterrichten und ebenso vor möglichen Fehlanwendungen zu warnen. Generell
gilt, dass übersichtlich gestaltete und mit
Abbildungen angereicherte Herstellerinformationen eine größere Chance besitzen, von den
späteren PSA-Benutzern gelesen zu werden.
2.2 PSA-Beschaffung und Bereitstellung
sowie bestimmungsgemäße PSA-Benutzung im Betrieb
Ist in Folge der betriebsspezifischen Gefährdungsbeurteilung zum Schutz der Versicherten ein Einsatz von PSA unumgänglich, ergeben sich für den Unternehmer u. a. folgende
Verpflichtungen, die u. a. in der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“
aufgeführt sind:
18
• Erstellung von Betriebsanweisungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung
der PSA
• Unterweisung der Versicherten zur bestimmungsgemäßen Verwendung der Ausrüstung
• wiederkehrende Unterweisungen, ggf. einschließlich wiederkehrender Übungen, zur
sicheren Verwendung der PSA (z. B. zum
Atemschutz oder für PSA zum Retten)
• Organisation der ordnungsgemäßen Aufbewahrung von PSA
• Organisation und Dokumentation der wiederkehrenden Prüfungen der PSA
• Organisation der Ersatzbeschaffung beschädigter oder nicht weiter verwendbarer PSA
Die in Abschnitt 2.1 dargestellten Anforderungen an PSA-Hersteller führen letztendlich
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
im Rahmen der PSA-Benutzung nur dann
zum Erfolg, wenn der Unternehmer bei der
Produktauswahl ausschließlich vorschriftenkonforme PSA beschafft. In diesem Sinne
hat er sich davon zu überzeugen, dass die
zum Kauf anstehende PSA über eine Konformitätserklärung und Benutzerinformation
verfügt und für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet ist.
PSA wird im Sinne des Begriffs nur dann
zu einer persönlichen Schutzausrüstung,
wenn der Unternehmer sie in ausreichender
Anzahl zur persönlichen Verwendung für
die Tätigkeit am Arbeitsplatz zur Verfügung
stellt. Der klassische Fall einer PSA liegt
jedoch dann vor, wenn die Ausrüstung zur
ausschließlich persönlichen Benutzung an
den einzelnen Versicherten übergeben wird.
Mit diesem „Besitzübergang“ in die Hände
der Versicherten nimmt i. d. R. das Verantwortungsbewusstsein der Versicherten für
und damit der pflegliche Umgang mit der
PSA merklich zu.
Zur weiteren Förderung der Akzeptanz der
Schutzausrüstungen wird der Unternehmer
durch die UVV zur Anhörung der Versicherten im Rahmen der PSA-Beschaffung verpflichtet. Sicherlich sind dem Wunsch, bei
der PSA-Bereitstellung es „Allen recht zu
machen“ natürliche Grenzen gesetzt. Trotzdem ist es sinnvoll, möglichst rechtzeitig vor
der Neu- oder Wiederbeschaffung auf die
Erfahrungen der Beschäftigten zurückzugreifen. Die mit der Arbeit beauftragten Versi-
§ 29 Bereitstellung
gemäß PSABenutzV, Anhörung der Versicherten,
ausreichende Anzahl
8QIDOOYHUKWXQJVYRUVFKULIW
Grundsätze der
Prävention
§ 30 Benutzung
bestimmungsgemäße Benutzung,
Gebrauchsdauer
§ 31 Besondere Unterweisungen
Benutzungsinformation bei tödlichen Gefahren,
bleibenden Gesundheitsschäden
Abb. 2.2.1: Gliederung der Anforderungen zum Einsatz von PSA im Betrieb gemäß der
UVV „Grundsätze der Prävention“
19
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
cherten verfügen häufig über Erkenntnisse
über mögliche, mit der Tätigkeit verbundene
Gefährdungen, die anderen betrieblichen
Personengruppen nicht bewusst sind. Bei
der Anhörung der Versicherten geht es
also einerseits um Erkenntnisgewinn und
andererseits um Förderung des individuellen Gestaltungsspielraums der einzelnen
Beschäftigten.
Das Thema der bestimmungsgemäßen
Benutzung und vorhersehbaren Fehlanwendung von PSA wurde bereits in Abschnitt 2.1
angesprochen. Bauartbedingt verfügt jede
PSA nur über ein „bestimmtes Leistungsspektrum“, in dem der Hersteller für die
ordnungsgemäße Funktion seines Produktes
einsteht. Für die PSA-Benutzung in der betrieblichen Praxis ist daher eine ausreichende Qualifizierung der Versicherten zwingend
erforderlich, die u. a. erreicht werden kann
durch:
• Benutzung von PSA ausschließlich durch
körperlich geeignete Versicherte: Im Einzelfall ist sicherzustellen, dass der einzelne Beschäftigte zum Tragen spezieller PSA
körperlich in der Lage ist. Insbesondere
für die Benutzung von Atemschutz oder für
das Tragen von PSA gegen Absturz können
ausschließlich Beschäftigte eingesetzt
werden, deren körperliche Eignung zum
Beispiel durch eine arbeitsmedizinische
Untersuchung12 nachgewiesen wurde.
20
• Unterweisung der Versicherten vor der
erstmaligen Benutzung der PSA und anschließend in regelmäßigen Abständen:
Grundsätzlich lebt jede Unterweisung
von der Anschaulichkeit der Inhalte. In
diesem Sinne ist es dringend anzuraten,
die Benutzung der PSA anhand konkreter
Beispiele zu erläutern. Ist die PSA auf die
körperlichen Maße der Versicherten anzupassen, ist dieses Thema in der Unterweisung zu behandeln.
• Übungen13: Für jede PSA, die gegen tödliche Gefahren oder bleibende Gesundheitsschäden schützen soll, hat der Unternehmer die nach § 3 Abs. 2 der PSABenutzungsverordnung bereitzuhaltende
Benutzungsinformation den Versicherten
im Rahmen von Unterweisungen mit Übungen zu vermitteln. Die Übungen müssen
insbesondere sicherstellen, dass die Versicherten die PSA ordnungsgemäß und
damit funktionsgerecht anlegen können
sowie die Verwendung der PSA im späteren Arbeitsumfeld sicher beherrschen.
Auch für die Übungen gilt: Ihre Wirkung
hinsichtlich der Qualifikation der Beschäftigten ist nur durch regelmäßige Wiederholungen gegeben. Hier liegt es in der Ver12
Siehe u. a. Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem DGUV Grundsatz G26
„Atemschutzgeräte“ (DGUV Information 250-428) und
G41 „Arbeiten mit Absturzgefahr“ (DGUV Information
250-449)
13
Diese besonderen Unterweisungen werden in § 31
UVV „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1)
eingefordert.
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
antwortung des Unternehmers, mit Blick
auf die Komplexität des PSA-Einsatzes im
Arbeitsprozess, den Turnus der wiederkehrenden Übungen festzulegen.
Grundsätzlich ist es empfehlenswert, Unterweisungen und Übungen zum PSA-Einsatz
schriftlich zu dokumentieren. Hierzu gehören
sinnvollerweise auch die Unterschriften
der Versicherten. Einerseits trägt dies zur
Verdeutlichung der Verantwortung des Unterweisenden bei, andererseits verfügt er über
eine Dokumentation seiner erbrachten „Vorgesetztenpflichten“.
Jede ordnungsgemäß in Verkehr gebrachte
PSA unterliegt im Laufe ihrer Benutzung
unterschiedlichen Verschleißerscheinungen
und ggf. möglichen Beschädigungen. Die
Basis der sicheren Funktion jeder PSA, der
ordnungsgemäße Zustand, ist durch geeignete organisatorische Maßnahmen im
Betrieb aufrecht zu erhalten. Diese Maßnahmen beginnen bei den Leistungen, die jeder
PSA-Benutzer selber erbringen kann, die
Inaugenscheinnahme der PSA. Der Unternehmer informiert seine Beschäftigten im
Rahmen seiner Unterweisungen hinsichtlich
wesentlicher sicherheitsrelevanter Merkmale der PSA, so dass jeder Benutzer einfache Mängel der PSA durch Inaugenscheinnahme selber erkennen kann. Ein arbeitstäglicher Check der Ausrüstung ist somit vor
jeder Benutzung ohne erheblichen Zeitaufwand möglich. Es ist nochmals zu betonen,
dass Prüfungen durch Inaugenscheinnahme
nicht die regelmäßigen wiederkehrenden
Prüfungen durch Sachkundige ersetzen.
Unabhängig von den Prüfungen durch die
Beschäftigten kann der ordnungsgemäße
Zustand der PSA nur durch wiederkehrende
Prüfungen durch Sachkundige sichergestellt
werden. Sachkundige14 verfügen über die
erforderlichen Fachkenntnisse, die sie durch
Berufsausbildung, Berufserfahrung und
eine zeitnahe berufliche Tätigkeit erworben
haben. Die PSA-spezifischen Kenntnisse zur
Sachkundigenqualifikation können z. B.
durch Lehrgänge der PSA-Hersteller oder einzelner Berufsgenossenschaften15 erworben
werden. Die Sachkundigen sind vom Unternehmer schriftlich zu bestellen. Selbstverständlich kann der Unternehmer mit der
Prüfung von PSA auch externe Sachkundige
beauftragen. In seiner Prüftätigkeit darf der
Sachkundige dem Unternehmer gegenüber
nicht weisungsgebunden sein. Dies gilt insbesondere für seine Entscheidungen im Fall
nötiger Aussortierung defekter PSA.
Die wiederkehrenden Prüfungen sind unter
Berücksichtigung der Herstellerangaben in
regelmäßigen Abständen durchzuführen und
die Ergebnisse schriftlich zu dokumentieren.
14
Sachkundige zur Prüfung von PSA sind keine „befähigten“ Personen im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung. Die Regelungen in den Technischen Regeln Betriebssicherheit „Befähigte Personen“ (TRBS
1203) können jedoch sinngemäß angewandt werden.
15
Die Berufsgenossenschaft BG ETEM bietet z. B. ein
Seminar „Sachkundige für die Prüfung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz “an.
21
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
Abb. 2.2.2: Übersicht der Anforderungen an Sachkundige zur Prüfung von PSA
Auf die Dokumentation muss jederzeit
zurückgegriffen werden können – dies gilt
selbstverständlich auch für den Fall, dass
externe Sachkundige die wiederkehrenden
Prüfungen durchführen. Ebenfalls ist eine
Kennzeichnung der PSA hinsichtlich der
erfolgten Prüfung erforderlich. Hier ist es mit
Blick auf die Unterstützungsmöglichkeiten
durch die Benutzer sinnvoll, die PSA mit
einem Hinweis auf den nächsten Prüftermin
auszustatten.
Zahlreiche PSA-Produkte weisen aufgrund
ihrer Bauform oder der eingesetzten Werkstoffe nur eine zeitlich begrenzte Gebrauchsdauer auf. Auch im Rahmen der wiederkehrenden Prüfungen ist es i. d. R. nicht mög22
lich, die ausgewiesene Gebrauchsdauer zu
verlängern. Grundsätzlich verfügt auch augenscheinlich nicht beschädigte PSA nach
Ablauf der Gebrauchsdauer nicht mehr über
die erforderlichen Schutz-Eigenschaften.
Die Versicherten können einen erheblichen
Beitrag zum erfolgreichen Einsatz von PSA
leisten. Auf ihre Anhörungsrechte im Rahmen der Beschaffung der Schutzausrüstungen wurde bereits hingewiesen. Selbstverständlich können auch Hinweise und Kritik
zur Eignung bereits eingesetzter PSA einer
Optimierung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nur förderlich sein. Der Vollständigkeit halber ist nochmals auf die Versicherten-Pflichten hinzuweisen, PSA ausschließ-
2. Rechtliche Grundlagen für Herstellung, Bereitstellung
und Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen
lich bestimmungsgemäß zu benutzen,
regelmäßig auf ihren ordnungsgemäßen
Zustand zu prüfen (Prüfung durch Inaugenscheinnahme) und festgestellte Mängel dem
Unternehmer unverzüglich zu melden.
Der Unternehmer hat daher über regelmäßige Rettungsübungen sicherzustellen, dass
seine Beschäftigten für den Notfall über hinreichende Kenntnis, Handlungskompetenz
und die erforderlichen Rettungseinrichtungen verfügen.
Bitte beachten Sie, dass beschädigte oder
mangelhafte PSA einer weiteren Benutzung
sicher zu entziehen ist – nur so kann einem
möglichen folgeschweren Arbeitsunfall bei
der Weiterbenutzung der PSA durch einen
„unwissenden“ Kollegen sicher vorgebeugt
werden.
Im Rahmen seiner allgemeinen Verpflichtung
zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ist der Unternehmer auch zu einer
Bewertung angehalten, ob sich beim Einsatz
von PSA in speziellen Arbeitsbereichen Rettungssituationen ergeben können. Derartige
Fälle sind z. B. beim Einsteigen und bei der
Durchführung von Arbeiten in Behältern oder
bei Arbeiten in großer Höhe mit Absturzgefahr denkbar.
Abb. 2.2.3: Beispiel für eine Rettungsübung an
einer Steigleiter eines Antennenmastes
Erfreulicherweise treten Situationen, die
eine Rettung von Beschäftigten erfordern,
nur selten auf. Hiermit ist jedoch leider eine
häufige Fehleinsschätzung der Notwendigkeit von Rettungsübungen verbunden. Der in
den Notfallsituationen erforderliche kompetente Umgang aller an der Rettung beteiligten Personen mit der verwendeten PSA, z. B.
Atemschutzgeräten oder PSA gegen Absturz,
ist eine zwingende Voraussetzung für jede
erfolgreiche Rettung.
23
3. Schutz des Kopfes
Dipl.-Ing. Norbert Schilling
Überall dort, wo mit Kopfverletzungen durch
herabfallende Gegenstände, pendelnde
Lasten oder mit dem Anstoßen des Kopfes
gerechnet werden muss, ist Kopfschutz
erforderlich. Der Auswahl des Kopfschutzes
kommt eine besondere Bedeutung zu, da
Kopfverletzungen zu den folgenreichsten
Verletzungen gehören.
tung der Helme vor (Kopfband, Nackenband,
Tragkorb oder Bänder), während die neuere
DIN EN 14052 diese Anforderungen nicht
mehr enthält. Dadurch ist ein wesentlich größerer Gestaltungsspielraum für konstruktive
Weiterentwicklungen gegeben. Die neuere
DIN EN 14052 geht in ihren Anforderungen
über die DIN EN 397 hinaus. So simuliert
sie den Aufprall eines Ziegelsteins aus 10 m
Höhe, im Vergleich zur Simulation aus 5 m
Höhe in der älteren Norm. Die Energie eines
auftreffenden Gegenstandes wird immer teilweise durch eine Verformung der Helmschale aufgenommen, ohne dass dies nachher
in jedem Fall sichtbar ist. Deshalb darf ein
Helm nach einer solchen Belastung nicht
weiter verwendet werden.
3.1 Industrieschutzhelme
Abb. 3.1: Industrieschutzhelm
Dabei ist in Abhängigkeit von der Gefährdung und der Tätigkeit zu unterscheiden, ob
ein Industrieschutzhelm nach DIN EN 3971,
ein Hochleistungs-Industrieschutzhelm nach
DIN EN 140522 oder eine Industrie-Anstoßkappe nach DIN EN 8123 zum Einsatz kommt.
Die DIN EN 397 schreibt die Innenausstat-
Industrieschutzhelme werden sowohl aus
thermoplastischen als auch aus duroplastischen Kunststoffen hergestellt. Der Unterschied besteht darin, dass Thermoplaste
1
2
3
DIN EN 397 „Industrieschutzhelme“
DIN EN 14052 „Hochleistungs-Industrieschutzhelme“
DIN EN 812 „Industrie-Anstoßkappen“
Duroplastische Kunststoffe
Bezeichnung
Kurzzeichen
Faser verstärktes Phenol-Formaldehyd-Harz
PF-SF
Glasfaser verstärktes ungesättigtes Polyesterharz
UP-GF
24
3. Schutz des Kopfes
Thermoplastische Kunststoffe
Bezeichnung
Kurzzeichen
Polyethylen
PE
Polypropylen
PP
Glasfaser verstärktes Polypropylen
PP-GF
Polycarbonat
PC
Glasfaser verstärktes Polycarbonat
PC-GF
Acrylnitrit-Butadien-Styrol
ABS
unter Temperatureinwirkung ihre Eigenschaften sehr stark verändern, während Duroplaste kaum Veränderungen zeigen. Deshalb
sind z. B. für Schweißarbeiten Duroplasthelme vorzuziehen.
Thermoplastische Werkstoffe (z. B. Polyethylen) haben sich einen größeren Marktanteil
erobert, weil sie verhältnismäßig preiswert
hergestellt werden können. Allerdings altern
Abb. 3.1.1: Thermoplastischer Industrieschutzhelm nach DIN EN 397
Thermoplaste schneller als Duroplaste. Insbesondere unter UV-Bestrahlung im Freien
sollten Thermoplast-Helme nach spätestens
vier Jahren ersetzt werden.
Sind beim Zusammendrücken der Helmschale oder beim Biegen des Helmschirmes
Knackgeräusche wahrnehmbar, deutet dies
auf eine Versprödung der Helmschale hin.
Abb. 3.1.2: Kennzeichnung
25
3. Schutz des Kopfes
Abb. 3.1.3: Innenausstattung nach DIN EN 397
Abb. 3.1.6: Bergsteigerhelm nach DIN EN 12492,
gleichzeitig Industrieschutzhelm nach DIN EN 397
Abb. 3.1.4: Innenausstattung nach DIN EN 397
Abb. 3.1.5: Duroplastischer Industrieschutzhelm
nach DIN EN 397
26
Wenn die Gefahr besteht, dass der Helm bei
Überkopfarbeit herunterfällt, muss er zusätzlich mit einem Kinnriemen ausgestattet sein.
Neben den konventionellen Industrieschutzhelmen gibt es Industrieschutzhelme mit
dem Kinnriemen-System von Kletterhelmen.
Diese Helme sitzen wesentlich besser am
Kopf und fallen auch bei extremen Belastungen nicht herunter. Deshalb haben sie sich
im Freileitungsbau bereits durchgesetzt.
Auch für Elektroinstallateure auf Baustellen,
die eine Vielzahl von Arbeiten über Kopf
oder in Zwangshaltungen durchführen, sind
diese Helme besser geeignet als reine Industrieschutzhelme.
3. Schutz des Kopfes
3.2 Anstoßkappen
Dort, wo nicht mit herabfallenden Gegenständen oder pendelnden Lasten, sondern
nur mit dem Anstoßen des Kopfes gerechnet
werden muss, z. B. bei Montagearbeiten in
räumlicher Enge, gibt es die Möglichkeit,
Industrieanstoßkappen nach DIN EN 812 einzusetzen. Anstoßkappen werden in zwei verschiedenen Ausführungsvarianten angeboten. Die eine Variante ähnelt sehr stark
Abb. 3.2.1: Anstoßkappe nach DIN EN 812
einem Industrieschutzhelm, während die
andere Variante im Stile einer Schirmmütze
hergestellt ist. Die Schirmmützen-Variante
ist aufgrund des modischen Erscheinungsbildes weiter verbreitet. Allerdings kann
es gerade im Sommer zu einem Hitzestau
unter der nahezu vollständig geschlossenen
Kappe kommen.
Abb. 3.3.1: Sicherheits-Haarnetz bei der Arbeit an
rotierenden Maschinenteilen
3.3 Haarnetze
In der Nähe von bewegten Maschinenteilen
dürfen längere Haar oder Zöpfe aufgrund der
Einzuggefahr nicht offen getragen werden.
Die Haare müssen mit einem Haarnetz oder
durch Hochstecken unter eine Kappe gesichert werden.
Abb. 3.2.2: Innenausstattung und Kennzeichnung
nach DIN EN 812
27
4. Schutzhandschuhe
Dipl.-Ing. Norbert Schilling
Mehr als ein Drittel aller Unfälle am Arbeitsplatz führen zu einer Handverletzung. Die
Mehrzahl der Verletzungen sind mechanischer Art, also Risse, Schnitte, Stiche und
Quetschungen. Häufig sind auch Verbrennungen und Verletzungen infolge chemischer Einwirkungen. Dies führt zu einem sehr
breiten Angebot an Schutzhandschuhen, die
gegen unterschiedliche Risiken schützen.
Dabei müssen alle Schutzhandschuhe die
Anforderungen der DIN EN 4201 erfüllen (aus-
28
genommen isolierende Schutzhandschuhe
für Arbeiten an elektrischer Spannung und
medizinische Einmalhandschuhe). Den
Handschuhen müssen Gebrauchsinformationen mit Hinweisen zu Lagerung, Transport,
Reinigung, Handhabung und Entsorgung beigefügt werden. Die abgebildeten Piktogramme geben einen Überblick über die Vielfalt
bei Schutzhandschuhen.
1
DIN EN 420 „Schutzhandschuhe – Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren“
Schutzhandschuhe
gegen mechanische Risiken
Schutzhandschuhe gegen
chemische Risiken
VOLLWERTIG
Schutzhandschuhe
gegen chemische Risiken
EINFACH
Schutzhandschuhe
gegen bakteriologische Risiken
Schutzhandschuhe
gegen Kälte
Schutzhandschuhe
gegen ionisierende Strahlung
Schutzhandschuhe
gegen radioaktive
Kontamination
Schutzhandschuhe
gegen thermische Risiken
(Hitze und/oder Feuer)
4. Schutzhandschuhe
EN 60903
Isolierende Schutzhandschuhe
für Arbeiten unter
elektrischer Spannung
Schutz vor statischer Elektrizität
Schutzhandschuhe
für den Umgang mit
Handmessern
Schutzhandschuhe für
Benutzer handgeführter
Kettensägen
Abb. 4.1: Risiken, Piktogramme und Normen
4.1 Schutzhandschuhe gegen mechanische
Risiken
Meist werden gegen mechanische Risiken
Lederhandschuhe eingesetzt. Leder hat
mehrere positive Eigenschaften; so nimmt
es sehr gut Schweiß auf und transportiert die
Feuchtigkeit nach außen, die Isolationswirkung gegen Hitze und Kälte ist gut und Leder
ist insgesamt robust.
Abb. 4.1.1: Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken
29
4. Schutzhandschuhe
In einzelnen Disziplinen wie Abriebfestigkeit, Weiterreißfestigkeit, Schnitt- oder Stichfestigkeit gibt es Materialien, die im Vergleich zum Leder höhere Leistungsstufen
nach EN 3882 erreichen. Eine konkrete Aussage dazu macht die vierstellige Ziffer, die
ab Kategorie II zusätzlich zum Piktogramm
„Mechanische Risiken“ auf dem Handschuh,
auf der Verpackung und auf der Gebrauchsinformation angebracht ist.
2
DIN EN 388 „Schutzhandschuhe gegen mechanische
Risiken“
Abriebfestigkeit
1
Schnittfestigkeit
2
Weiterreißfestigkeit
3
Stichfestigkeit
4
min. 0; max. 4
min. 0; max. 5
min. 0; max. 4
min. 0; max. 4
Abb. 4.1.2: Kennzeichnung mit Leistungsstufen nach DIN EN 388
Prüfung
LS 1
LS 2
LS 3
LS 4
Abriebfestigkeit
(Zyklen)
100
500
2.000
8.000
Schnittfestigkeit
(Index)
1,2
2,5
5,0
10,0
Weiterreißfestigkeit
(Newton)
10
25
50
75
Stichfestigkeit
(Newton)
20
60
100
150
Tabelle 4.1.3: Kriterien für die Leistungsstufen nach DIN EN 388
30
LS5
20,0
LS = Leistungsstufe
4. Schutzhandschuhe
Sind einzelne Prüfungen nicht durchgeführt
worden oder ist der Handschuh nicht für eine
Anwendung vorgesehen, die von dieser Prüfung abgedeckt wird, so wird statt einer Ziffer
ein X eingetragen.
Leichte Lederhandschuhe liegen im unteren
Bereich der Leistungslevel, schwerere im
oberen Bereich.
4.2 Schutzhandschuhe gegen thermische
Risiken
In der DIN EN 4073 werden sechs verschiedene Eigenschaften mit entsprechenden
Leistungsstufen definiert, wobei der Hersteller nicht alle Eigenschaften prüfen muss:
1. Brennverhalten
2. Kontaktwärme
3. Konvektive Hitze (Flamme)
4. Strahlungswärme (Strahlungshitzequelle)
5. Beständigkeit gegen kleine Spritzer flüssigen Metalls
6. Beständigkeit gegen große Spritzer flüssigen Metalls
Abb. 4.1.4: Kennzeichnung von Schutzhandschuhen gegen mechanische Risiken
Extremen Schnittschutz bieten textile
Handschuhe, z. B. mit Hochleistungspolyethylen- oder Aramidfasern, wobei ohne
weitere Beschichtung die Stichfestigkeit bei
Null liegen kann. Dies wird dann zum Risiko,
wenn neben scharfen Kanten auch Spitzen
auftreten können, wie z. B. beim Umgang mit
Glas. Textile Handschuhe sind in Bezug auf
Atmungsaktivität, Tragekomfort und Fingerbeweglichkeit den traditionellen Lederhandschuhen oft überlegen.
Abb. 4.2.1: Schutzhandschuhe gegen thermische
Risiken
3
DIN EN 407 „Schutzhandschuhe gegen thermische
Risiken“
31
4. Schutzhandschuhe
Brennverhalten
1
Kontaktwärme
2
Konvektive Hitze
3
Strahlungswärme
4
Kleine Spritzer geschmolzenem Metalls
5
Große Mengen flüssigem Metall
6
min. 1; max. 4
min. 1; max. 4
min. 1; max. 4
min. 1; max. 4
min. 1; max. 4
min. 1; max. 4
Abb. 4.2.2.: Kennzeichnung mit Leistungsstufen nach DIN EN 407
Die am häufigsten geprüfte Leistungsstufe
ist die Kontaktwärme. Dabei darf beim Kontakt mit einer definierten heißen Oberfläche
Leistungsstufe
die Temperatur im Handschuh in 15 Sekunden maximal um 10 Grad Celsius ansteigen.
Kontakttemperatur
Schwellenwertzeit
1
100° C
≥ 15
2
250° C
≥ 15
3
350° C
≥ 15
4
500° C
≥ 15
Tabelle 4.2.3: Kriterien für die Kontakttemperatur nach DIN EN 407
32
4. Schutzhandschuhe
In der Praxis ist die exakte Kontaktdauer oft
schwer vorherzusehen und auch das Wärmeempfinden ist individuell sehr verschieden, so dass für Trageversuche zunächst
Handschuhe mit einem höheren Level eingesetzt werden sollten. Hat der Handschuh
die Leistungsstufe 1 oder 2 für das Brennverhalten, dann müssen die Herstellerinformationen eine deutliche Warnung enthalten,
dass der Handschuh nicht mit einer offenen
Flamme in Kontakt kommen darf.
4.3 Schutzhandschuhe gegen chemische
und bakteriologische Risiken
Seit der Neufassung der DIN EN 3744 im
Jahre 2003 wird zwischen Schutzhandschuhen gegen Chemikalien (in der Praxis auch
als vollwertiger Chemikalienschutzhandschuh bezeichnet) und Schutzhandschuhen
gegen spezielle Chemikalien (in der Praxis
auch als einfacher Chemikalienschutzhandschuh bezeichnet) unterschieden. Ein
Schutzhandschuh mit dem Symbol des
Becherglases (Abb. 4.3.3) gilt als flüssigkeitsdicht (DIN EN 374-2). Besteht das Handschuhmaterial auch den Permeationstest
4
DIN EN 347 „Schutzhandschuhe gegen Chemikalien
und Mikroorganismen“
(DIN EN 374-3) für eine Chemikalie, dann
schützt der Handschuh auch gegen geringe
chemische Gefährdungen. Die Prüfchemikalie wird mit einem Buchstaben unter dem
Symbol angegeben.
Wird ein Schutzhandschuh mit einem Erlenmeyerkolben gekennzeichnet (Abb. 4.3.2),
ist das Handschuhmaterial flüssigkeitsdicht
und hat die Permeationsprüfung für mindestens 3 Prüfchemikalien (DIN EN 374-3)
bestanden.
Permeation ist die molekulare Durchdringung des Handschuhmaterials und beginnt
mit dem ersten Kontakt mit der Chemikalie.
Es werden 6 Klassen der Beständigkeit gegen molekulare Durchdringung unterschieden:
Schutzindex 1: mind. 10 Min.
Schutzindex 2: mind. 30 Min.
Schutzindex 3: mind. 60 Min.
Schutzindex 4: mind. 120 Min.
Schutzindex 5: mind. 240 Min.
Schutzindex 6: mind. 480 Min.
Die Beständigkeit der Handschuhe gegen
Mikroorganismen wird mit dem Symbol gegen biologische Gefahren gekennzeichnet
(Abb. 4.3.4).
33
4. Schutzhandschuhe
Die Prüfchemikalien sind mit Kennbuchstaben versehen:
KennPrüfchemikalie
buchstabe
CAS-RN
Klasse
A
Methanol
67-56-1
Primärer Alkohol
B
Aceton
67-64-1
Keton
C
Acetonitril
75-05-8
Nitril
D
Dichloromethan
75-09-2
Chloriertes Paraffin
E
Kohlenstoffdisulfid
75-15-0
Schwefelhaltige organische Verbindung
F
Toluol
108-88-3
Aromatischer Kohlenwasserstoff
G
Diethylamin
109-89-7
Amin
H
Tetrahydrofuran
109-99-9
Heterozyklische und Etherverbindungen
I
Ethylacetat
141-78-6
Ester
J
n-Heptan
142-85-5
Aliphatischer Kohlenwasserstoff
K
Natriumhydroxid 40 %
1310-73-2
Anorganische Base
L
Schwefelsäure 96 %
7664-93-9 Anorganische Säure
Tabelle 4.3.1: Liste der Prüfchemikalien
Schutzhandschuhe gegen Chemikalien sind
mit einem Piktogramm nach Abbildung 4
gekennzeichnet. Die Prüfchemikalien für die
Permeation (molekulare Durchdringung)
sind ebenfalls Bestandteil der Kennzeichnung.
34
Um Verwechslungen zu vermeiden, beinhaltet die Kennzeichnung für Schutzhandschuhe gegen spezielle Chemikalien und
Schutzhandschuhe gegen Mikroorganismen
ein anderes Symbol.
4. Schutzhandschuhe
Abb. 4.3.2: Piktogramm für
Handschuhe zum Schutz gegen
Chemikalien
Abb. 4.3.3: Piktogramm für
Handschuhe zum Schutz gegen
spezielle Chemikalien
Abb. 4.3.4: Piktogramm für
Handschuhe zum Schutz gegen
Mikroorganismen
Chemikalienschutzhandschuhe werden aus
verschiedenen Materialien hergestellt. Die
folgende Tabelle gibt einen Überblick über
häufig eingesetzte Materialien.
Abb. 4.3.5: Beispiel für Chemikalienschutzhandschuhe, die gleichzeitig Schutz gegen Mikroorganismen und leichte mechanische Gefährdungen
bieten.
35
4. Schutzhandschuhe
Material
Eigenschaften
Latex
(Natural Rubber – NR)
Material ist elastisch, gleichzeitig jedoch nur in geringerem Maße chemikalien- und alterungsbeständig.
Durch die starke Dehnbarkeit ist ein hoher Tragekomfort gegeben, wobei die Fingerfertigkeit erhalten
bleibt.
Nitril-Kautschuk
(Nitril-Butyl-Rubber – NBR)
Material mit sehr gutem Abrieb-, Stich-, Schnitt- und
Reißfestigkeit. Schutzhandschuhe aus Nitril-Kautschuk werden von dünner bis hin zur kräftigen Ausführung angeboten.
Die Beschichtungen der verschiedenen Hersteller sind
firmenspezifisch entwickelt und weisen dadurch unterschiedliche Eigenschaften auf.
Polyvinylchlorid
(PVC)
Material ist wenig flexibel, deshalb werden bei der
Produktion Weichmacher zugesetzt. Kontakt von PVCMaterial mit Lösemitteln führt zum Auswaschen der
Weichmacher und zum Verspröden der Handschuhe
Polychloropren,
Neopren (CR)
Material mit guten physikalischen Eigenschaften.
Gute Witterungs- und Alterungsbeständigkeit
Tutylkautschuk (Butyl Rubber,
Polyisobuthylen Rubber -. IIR, IBR)
Meist sehr dick und schwer, häufig in Verbindung mit
schweren Chemikalienschutzanzügen verwendet
Fluorkautschuk (FKM)
Material mit weiterem Anwendungsbereich
Polyvinylalkohol (PVA)
Material mit eingeschränktem Anwendungsbereich,
wasserlöslich
Zweifache Materialmixe
Materialkombination für sehr hohe Beanspruchung
(z. B. bei Chemikaliengemischen)
Tabelle 4.3.6: Materialien für Schutzhandschuhe nach DGUV Information 212-007 (BGI/GUV-I 868)
36
5. Fußschutz
Dipl.-Ing. Renate Kaiser
Dieses Kapitel über den Schutz der Füße
gibt einen Überblick über die wichtigsten
Aspekte beim Einsatz von Sicherheits-,
Schutz- und Berufsschuhen. Umfassende
Informationen zu diesem Thema enthält die
DGUV Regel 112-191 (BGR 191) „Benutzung
von Fuß- und Knieschutz“.
Welche Arten von Fußschutz gibt es?
„Sicherheitsschuhe“ nach den Normen der
Reihe DIN EN ISO 203451 mit Zehenkappen
für hohe Belastungen, deren Schutzwirkung
mit einer Energie von 200 Joule geprüft
wurde (Kurzbezeichnung S).
Die Regel steht auf unserer Internetseite zum
Download bereit (www.bgetem.de, Webcode
12282701).
„Schutzschuhe“ nach den Normen der Reihe
DIN EN ISO 203462 mit Zehenkappen für
mittlere Belastungen, deren Schutzwirkung
mit einer Energie von 100 Joule geprüft
wurde (Kurzbezeichnung P).
Nach den Statistiken der gewerblichen Berufsgenossenschaften und den
Unfallverhütungsberichten der Bundesregierung sind rund 20 % aller gemeldeten
Arbeitsunfälle Fußverletzungen. Nach der
Rehabilitationsstatistik der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung entfallen
auf erstmals entschädigte Unfälle jährlich
ca. 6.000 Fußverletzungen.
„Berufsschuhe“ nach der Norm DIN EN ISO
203473 sind Schuhe mit schützenden Merkmalen, die jedoch keine Zehenkappen haben müssen. Berufsschuhe sind mit mindestens einem schützenden Bestandteil, z. B.
geschlossener Fersenbereich, Durchtrittsicherheit, profilierter Laufsohle ausgestattet.
Ein Unfallbeispiel mag für sich gelten:
Von einer Drehmaschine fielen während der
Arbeit große und ziemlich feste Drehspäne
ab. Der Dreher trug nur Sandalen. Bei einer
plötzlichen hastigen Bewegung geriet der
Dreher mit einem Fuß in die scharfkantigen
Drehspäne. Tiefe Schnitte in der Ferse und
eine durchtrennte Achilles-Sehne waren die
Folge.
1
2
3
DIN EN ISO 20345 „Persönliche Schutzausrüstung –
Sicherheitsschuhe“
DIN EN ISO 20346 „Persönliche Schutzausrüstung –
Schutzschuhe“
DIN EN ISO 20347 „Persönliche Schutzausrüstung –
Berufsschuhe“
Wird die Übereinstimmung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen durch Einhaltung der harmonisierten Normen gewährleistet, sind die
Schuhe zusätzlich zum CE-Zeichen nach
den Normen der Reihen EN ISO 20345 bis
EN ISO 20347 gekennzeichnet.
Bei allen Schuhausführungen wird nach der
Herstellungsart unterschieden zwischen der
Klassifizierungsart I und II:
I Schuhe aus Leder und anderen Materialien, hergestellt nach herkömmlichen
Schuhfertigungsmethoden und
37
5. Fußschutz
II im Ganzen vulkanisierte oder geformte
Schuhe (z. B. Gummi- oder Kunststoffstiefel).
Triangeln, Haken, Ösen
Lasche
Den Aufbau und die Formen von Sicherheitsschuhen zeigt Abb. 5.1.
Knöchelschutz, hier verbunden
mit Polsterkragen
Schaftvorderteil (Blatt)
Schafthinterteil
(Quartier)
Kantenabdeckung
der Zehenkappe
Verstärkung im
Fersenbereich
(Hinterkappe)
Zehenkappe
Quartierfutter
durchtrittsichere
Einlage,
wenn erforderlich
Blattfutter
Gelenkeinlage
Laufsohle mit Profil
Brandsohle
Gelenkbereich (Profil möglich)
Absatz
Schuhunterbau
B Stiefel niedrig
C Stiefel halbhoch
variable Verlängerung,
die an den Träger
angepasst werden kann
h
D Stiefel hoch
≤0,90
h
A Halbschuh
≥1,25
h
h
h
E Stiefel oberschenkelhoch
Abb 5.1: Aufbau und Formen von Sicherheitsschuhen; siehe auch DGUV Regel 112-191 (BGR 191) „Benutzung von Fuß- und Beinschutz“
38
5. Fußschutz
Kennzeichnung
Jeder als persönliche Schutzausrüstung vorgesehene Schuh muss vom Hersteller oder
Importeur mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden.
Mit dem Konformitätszeichen CE dokumentiert der Schuhhersteller, dass der Schuh
nach der einschlägigen EG-Richtlinie hergestellt und dies durch eine zugelassene unabhängige Prüfstelle an einem Baumuster
überprüft wurde (Baumusterprüfung).
Anhand der Kennzeichnung kann der Benutzer zusätzlich erkennen, vor welchen Gefahren der Schuh schützt (siehe hierzu Tabellen
auf den nachfolgenden Seiten).
Die Kennzeichnung umfasst:
• Größe
• Hersteller
• Typenbezeichnung
• Herstellungsdatum (mindestens Quartal
und Jahr)
• Europäische Norm mit Erscheinungsjahr
• Schutzfunktionssymbol
• CE-Kennzeichnung
• Kategorie
Kategorien und Zusatzanforderungen
Die Schutzeigenschaften von Fußschutz sind
in Kategorien und Zusatzanforderungen
entsprechend den nachfolgenden Tabellen
definiert.
Anmerkung: Der Zehenschutz (Schutzkappe)
gehört, außer bei Berufsschuhen, zu den
Grundanforderungen.
Firmenname XY
Gr. 42
Typ Z
DIN EN ISO 20345:2007
CE
2/2011
HI
S3
Abb. 5.2: Beispiel für die Kennzeichnung eines
Sicherheitsschuhs des Herstellers XY, vom Typ Z,
in Größe 42, hergestellt im 2. Quartal 2011.
Der Schuh entspricht Kategorie S3 (d. h. geschlossener Fersenbereich, Antistatik, Energieaufnahmevermögen im Fersenbereich, Wasserdurchtritt- und -aufnahme, Durchtrittsicherheit
und profilierte Sohle). Zusätzliche ist die Anforderung HI (Isolierung gegen Wärme) erfüllt.
39
5. Fußschutz
Kategorie
Grundanforderung
Zusatzanforderung
S
P
O
Sicherheitsschuhe
Schutzschuhe
Berufsschuhe
SB
PB
S1
P1
O1
I
Geschlossener Fersenbereich
Antistatik
Energieaufnahmevermögen im Fersenbereich
S2
P2
O2
I
wie S1, P1, O1,
zusätzlich Wasserdurchtritt und Wasser
aufnahme
S3
P3
O3
I
wie S2, P2, O2,
zusätzliche Durchtrittsicherheit,
profilierte Laufsohle
S4
P4
O4
II
Antistatik
Energieaufnahmevermögen im Fersenbereich
S5
P5
O5
II
wie S4, P4, O4,
zusätzliche Durchtrittsicherheit,
profilierte Laufsohle
I oder II
Tabelle 5.3: Kategorien von Fußschutz
40
5. Fußschutz
Anforderung
Symbol
Schuh im zusammengebauten Zustand
Durchtrittsicherheit
P
Leitfähige Schuhe
C
Antistatische Schuhe
A
Elektrisch isolierende Schuhe
I
Wärmeisolierung
HI
Kälteisolierung
CI
Energieaufnahmevermögen im Fersenbereich
E
Wasserdichtheit
WR
Mittelfußschutz
M
Knöchelschutz
AN
Schuhoberteil
Wasserdurchtritt und Wasseraufnahme
Schnittschutz
WRU
CR
Laufsohle
Verhalten gegenüber Kontaktwärme
Kraftstoffbeständigkeit
HRO
FO
Tabelle 5.4: Zusatzanforderungen für besondere Anwendungen
41
5. Fußschutz
Auswahl an Fußschutz
Die Hersteller von Fußschutz bieten eine
Vielzahl von Modellen an.
lungsarbeiten, Bauhöfe, Lagerplätze) ist ein
Sicherheitsschuh der Kategorie S 3 oder S 5
geeignet.
Wichtig ist, dass die Schuhe anhand der für
den Arbeitsplatz vorgenommenen Gefährdungsbeurteilung stets sorgfältig und zweckentsprechend ausgewählt werden. An
Sicherheitsschuhe auf Baustellen werden
z. B. andere Forderungen gestellt als an
Sicherheitsschuhe in einem Fertigungsbetrieb.
Galvanikbetriebe
Bei Arbeiten in Galvaniken wird die Benutzung von Gummistiefeln mit gleitsicherer
Profilsohle empfohlen (z. B. Berufsschuhe
O 4 mit geeigneter Sohle oder O 5). Besteht
die Gefahr von Fußverletzungen durch
schwere, herabfallende Teile, so sind Gummistiefel mit eingearbeiteter Zehenkappe zu
benutzen (z. B. Sicherheitsschuhe S 4 mit
geeigneter Sohle oder S 5).
Nachfolgend einige Hinweise für die Fußschutzauswahl. Die Entscheidung für den
jeweils benötigten bzw. geeigneten Fußschutz bedarf immer einer konkreten
Gefährdungsbeurteilung.
Montage-, Instandhaltungsarbeiten
im Trockenbereich
Für Arbeiten mit Fußgefährdung im Gebäude
(Trockenbereich) ist in der Regel ein Sicherheitsschuh der Kategorie S 1 ausreichend.
Außenarbeiten
Für Arbeiten mit Fußgefährdung, die teilweise auch außerhalb von Trockenbereichen
durchgeführt werden, ist ein Sicherheitsschuh der Kategorie S 2 oder S 4 geeignet.
Dies gilt nicht für Baustellen (siehe unten).
Arbeiten auf Baustellen
Für Arbeiten im Baustellenbereich (Rohbau, Tiefbau, Rohrleitungsbau, Gerüstbau,
Abbrucharbeiten, Ausbauarbeiten, Scha42
Antistatische Schuhe
Bei antistatischen Schuhen (Zusatzanforderung A) darf der elektrische Durchgangswiderstand nicht geringer als 105 Ohm und
nicht größer als 109 Ohm sein. Antistatik
gehört heute zu den Grundanforderungen
von Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhen.
5. Fußschutz
Sicherheitshalbschuh S 1 Gute Belüftung durch
Perforation und seitliche Öffnungen. Nur für Bereiche ohne Nässeeinwirkung geeignet!
Sicherheitshalbschuh S 1 für Damen
Sicherheitsschuh S 2
Für die meisten Arbeitsbereiche geeignet,
bequeme Ausführung, ganz ledergefüttert.
Sicherheitsschuh S 3 mit durchtrittssicherer Sohle
für Baustellen
Sicherheitsschuh S 2 für Heißbereiche (Zusatzanforderungen HI und HRO)
Sicherheitsschuhe in Turnschuhform
(erhältlich in vielen Ausführungen von S 1 bis S 3)
Abb. 5.5: Beispiele verschiedener Sicherheitsschuhe
43
5. Fußschutz
Elektrisch leitfähige Schuhe
Leitfähige Schuhe (Zusatzanforderung C)
dürfen einen elektrischen Durchgangswiderstand von maximal 105 Ohm haben. Dies
wird in Bereichen benötigt, in denen das
Auftreten elektrostatischer Entladungen mit
großer Sicherheit vermieden werden muss.
Leitfähige Schuhe dürfen nur eingesetzt werden, wenn eine Berührung spannungsführender Teile ausgeschlossen ist.
Elektrisch isolierende Schuhe
Isolierende Sicherheitsschuhe sind für Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen
oder in deren Nähe gedacht und sollen vor
allem Gefährdungen durch Körperdurchströmung und elektrischen Schock verhindern.
Hierzu erfolgen im Rahmen der Baumusterprüfung Tests auf Spannungsüberschläge
unter definierten Prüfspannungen.
Nach EN ISO 20345 bis 20347 erfolgt die
Kennzeichnung durch die Zusatzanforderung
I und Angabe der elektrischen Klasse.
• Klasse 00: Bis zu einer Nennspannung von
500 V Wechsel- und 750 V Gleichspannung
• Klasse 0: Bis zu einer Nennspannung von
1000 V Wechsel- und 1500 V Gleichspannung
Elektrisch isolierender Fußschutz nach EN
50321 (VDE 0682-331) ist demgegenüber gekennzeichnet durch das Doppeldreieck und
die elektrische Klasse (siehe oben). Für die
44
elektrische Klasse können die Farben rot
(Klasse 00) und beige (Klasse 0) verwendet
werden.
Isolierende Fußbekleidung ist trocken aufzubewahren und stets vor Gebrauch auf
offensichtliche Beschädigungen zu prüfen.
Außerdem ist sie in bestimmten Abständen
auch einer elektrischen Spannungsfestigkeitsprüfung nach DIN EN 50321 zu unterziehen. Prüfstelle und Prüfzeitpunkt sind
auf dem vorgesehenen Kennzeichnungsfeld
dauerhaft zu vermerken.
Orthopädischer Fußschutz
Mitarbeiter, die orthopädische Schuhe oder
orthopädische Einlagen benötigen, sind
in der Regel auch am Arbeitsplatz auf die
individuell erforderlichen Anpassungen angewiesen.
Aus rechtlichen Gründen darf aber baumustergeprüfte persönliche Schutzausrüstung
(darunter auch Berufs-, Schutz- und Sicherheitsschuhe) nicht ohne weiteres verändert
werden, da in einem solchen Fall die Baumusterprüfung erlischt. Damit der Orthopädieschuhmacher trotzdem rechtskonform
orthopädische Sicherheitsschuhe herstellen
oder industriell gefertigte Schuhe anpassen
(zurichten) kann, bieten verschiedene Hersteller baumustergeprüfte Systeme für orthopädische Anpassungen von Sicherheitsschuhen an.
5. Fußschutz
Systemlieferanten für verschiedene Erfordernisse sind auf den Internetseiten der
Berufsgenossenschaftlichen Zentrale für
Sicherheit und Gesundheit zu finden (Geben
Sie in Ihre Suchmaschine „Datenbank orthopädischer Fußschutz“ ein, um auf diese
Informationsseiten zu gelangen.)
Hinweise auf mögliche Kostenträger für die
gegenüber einem normalen Fußschutz
anfallenden Mehrkosten finden Sie in Anhang 2, Abschnitt 5 der DGUV Regel 112-191
(BGR 191) „Benutzung von Fuß- und
Knieschutz“.
45
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Dipl.-Phys. Martin Brose
In vielen Branchen und Arbeitsbereichen
ist trotz der vielen technischen Schutzmaßnahmen mit einer Gefährdung der Augen
und des Gesichtes zu rechnen. Im Bereich
der DGUV passierten 2007 mehr als 20.000
Augenunfälle. Durch die richtige Wahl der
geeigneten Augenschutzgeräte können fast
alle Unfälle verhindert werden. Die folgenden Informationen sollen dem Unternehmer
helfen, anhand der Gefährdungsermittlung
das richtige Augenschutzgerät auszuwählen.
Bei den Gefährdungen unterscheidet man:
UVA
ultraviolette Strahlung
700
sichtbare Strahlung
sichtbare Laserstrahlung
Abb. 6.1: Wellenlängenbereiche und ihre Bezeichnung
46
orange
rot
UVB
400
gelb
315
grün
UVC
280
Optische Gefährdungen
Optische Strahlung wird nach ihrer Wellenlänge in ultraviolette, sichtbare und infrarote
Strahlung unterschieden. Ziel ist es, dass die
gefährliche optische Strahlung unterhalb der
Expositionsgrenzwerte der OStrV (Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor
Gefährdungen durch künstliche optische
Strahlung) bleibt.
blau
Strahlenart
100
violett
380
Wellenlänge
nm
Mechanische Gefährdungen
Gefährdungen des Auges können sich durch
Fremdkörper, wie Stäube und Festkörper,
z. B. Späne, Splitter, Körner, ergeben, die
das Auge treffen und verletzen.
780
1400 3000
IRA IRB
1 mm
IRC
infrarote Strahlung
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Ultraviolette Strahlung
UV-Strahlung tritt z. B. beim Schweißen, bei
intensiver Sonnenstrahlung, bei der
Lacktrocknung oder der Kunststoffhärtung
auf. Sie ist gefährlich für die Haut und die
Augen. Bei der Einwirkung dieser Strahlung
auf die Augen kann es langfristig zum Augenkatarakt (Star) oder kurzfristig zu Horn- oder
Bindehautentzündungen („Verblitzen“) kommen. Beim Gesicht bzw. der Haut kann es
bei Überexpostionen zu Hautkrebs kommen.
Hier müssen die Expositionsgrenzwerte der
OStrV (GV 18, BG ETEM) eingehalten werden.
Licht
Licht ist sichtbare Strahlung, die ungehindert
die Netzhaut des Auges trifft und das Sehen
ermöglicht. Intensive sichtbare Strahlung
kann – ähnlich wie bei der Laserstrahlung
– die Netzhaut bleibend schädigen. Bei hohen Leuchtdichten oder unterschiedlichen
Leuchtdichten kann durch Blendung die visuelle Wahrnehmung behindert werden.
Infrarote Strahlung
IR-Strahlung geht z. B. von feuerflüssigen
Massen in der Metall- oder Glasindustrie
aus; sie tritt aber auch bei Schweißvorgängen auf. Sie kann Schädigungen der Netzhaut und Linse verursachen. Langwellige
IR-Strahlung kann zum grauen Star (Feuerstar) führen.
Beim Laser (Light amplification by stimulated emission of radiation) handelt es sich
um Strahlungsverstärkung durch angeregte
Strahlungsemission im Wellenlängenbereich zwischen 100 nm und 1 mm. Die hohe
Intensität des Laserstrahles, verbunden mit
großer Reichweite, kann das Auge bleibend
schädigen. Im Wellenlängenbereich zwischen 400 nm und 1 400 nm können schon
niedrige Leistungen die Netzhaut durch die
Fokussierungswirkung der Augenlinse schädigen.
Chemische Gefährdungen
Chemische Gefährdungen können von festen, flüssigen oder gasförmigen Substanzen,
z. B. Dämpfe, Nebel, Rauche, ausgehen.
Chemikalien können sich im Augenwasser
lösen. Säuren und Laugen können das Auge
schwer schädigen.
Thermische Gefährdungen
Hitze wird durch feste oder flüssige Körper
(Berührungswärme), über Gase (Konvektionswärme) oder durch Infrarotstrahlung
übertragen, wobei es durch Austrocknung zu
Hornhautreizungen kommen kann. Kälteeinwirkung, z. B. bei längerem Aufenthalt in kalter Witterung oder in Kühlhäusern, kann zum
Tränen der Augen und zu Erfrierungserscheinungen führen.
47
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Gefährdung durch Störlichtbögen
Bei Arbeiten an oder in der Nähe von elektrischen Anlagen oder Kurzschlüssen in elektrischen Energieverteilungsanlagen können
Störlichtbögen entstehen. Durch die entstehenden hohen Temperaturen und wegspritzenden Teilchen besteht die Gefahr, dass
Auge und Gesicht erheblich geschädigt
werden.
Korrektionsschutzbrillen
Handelsübliche Korrektionsbrillen haben
keine Schutzwirkung. Deshalb muss der
Unternehmer auch fehlsichtigen Versicherten geeigneten Augenschutz zur Verfügung stellen. Für kurzfristige Arbeiten über
wenige Minuten können z. B. Korb-, Überbrillen oder Visiere getragen werden. Bei länger
dauernder Tätigkeit sollten, wenn immer
möglich, Korrektionsschutzbrillen getragen
werden.
Abb. 6.2: Beispiel für den Einsatz eines Visiers
zum Störlichtbogenschutz
Auswahl der Schutzbrille bzw. des Visiers
Bei der Auswahl von Augen- und Gesichtsschutz hat der Unternehmer nach § 2 der
PSA-Benutzungsverordnung eine Beurteilung des von ihm vorgesehenen Augen- und
Gesichtsschutzes vorzunehmen, um festzustellen, ob dieser die Gefahr ausreichend
mindert.
Abb. 6.3: Korrektionsschutzbrillen
Für die Auswahl ist es zweckmäßig, Augenschutzgeräte vor Ort zu erproben. Dabei ist
eine Beeinträchtigung oder Belastung der
Träger oder eine Behinderung bei deren Arbeit so gering wie möglich zu halten.
48
Augenschutz gegen mechanische
Gefährdungen
Gegen allgemeine mechanische Gefährdungen des Auges sind Sicherheits-Sichtscheiben oder entsprechende Draht-oder Kunst-
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
stoffgewebe zu benutzen. Entsprechend der
kinetischen Energie (Funktion aus Masse
und Geschwindigkeit) der einwirkenden
Späne und Splitter gibt es verschieden
geprüfte Sichtscheiben mit den Kennzeichnungen S, F, B oder A.
Bei Schweißarbeiten können neben herkömmlichen auch elektrooptische Filter mit
umschaltbaren oder selbsttätig anpassenden Filtern eingesetzt werden. Bei diesen
Filtern ist der Basisschutz (UV-und IR-Strahlung) in der Regel immer gegeben.
Augenschutz gegen optische Gefährdungen
Bei optischen Gefährdungen des Auges sind
geeignete Schutzfilter in Abhängigkeit von
der jeweiligen Tätigkeit zu benutzen. Beim
Gas- und Lichtbogenschweißen, bei Lötund anderen vergleichbaren Arbeiten sind
Schweißer-Schutzfilter entsprechend einzusetzen. Die Einsatzgebiete für UV-, IR- und
Sonnenschutzfiltern ergeben sich aus den
Abschnitten 3 bis 5 in Anhang 2.
Augenschutz gegen chemische
Gefährdungen
Gegen Einwirkungen durch Gase, Dämpfe,
Nebel, Rauche und Feinstäube (Durchmesser
< 5 μm) schützen Korbbrillen mit der Kennzeichnung „5“. Bei chemischen Gefährdungen nur des Auges durch Flüssigkeitsspritzer
sind Korbbrillen mit der Kennzeichnung „3“
zu benutzen. Sind nicht nur Augen, sondern
auch Gesicht und Hals durch Flüssigkeitsspritzer gefährdet, sind Schutzschirme zu
benutzen.
In Abhängigkeit von der Strahlung wird unterschieden zwischen:
•
•
•
•
•
Schweißerschutzfiltern
Sonnenschutzfiltern
Schutzfiltern gegen ultraviolette Strahlung
Schutzfiltern gegen infrarote Strahlung
Schutzfiltern gegen Laserstrahlung
sowie ggf. Kombinationen daraus
Bei diesen Filterarten ist die Durchlässigkeit
(Transmission) für die ultraviolette, sichtbare
und infrarote Strahlung dem Einsatzzweck
entsprechend begrenzt, wobei die notwendige Schutzstufennummer mit der Intensität
der Strahlung steigt.
Augenschutz gegen Störlichtbögen
Bisher wurde zur Bewertung und Kennzeichnung des Elektriker-Gesichtsschutzes die
DIN EN 166 als alleinige Bewertungsgrundlage herangezogen. Aus vielen Versuchsreihen
der Vergangenheit ist bekannt, wie sich verschiedene Materialien und Materialstärken
der Sichtscheiben für Elektriker-Gesichtsschutz im Störlichtbogen hinsichtlich der
Standfestigkeit verhalten. Beurteilungskriterien waren in der Vergangenheit ausschließlich Formstabilität, Schmelzen, Abtropfen
und Entzündung. Dies führte dazu, dass zur
Bewertung der Eignung gegen Störlichtbogen eine Mindestdicke von 1,4 mm und eine
UV-Schutzstufe von 2-1,2 (Lichttransmission)
49
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
vorgeschrieben waren. Auf Grund neuerer
Erkenntnisse (2008) hat sich herausgestellt,
dass neben den Einflüssen aus der Plasmawolke ebenfalls die Wärmestrahlung, die
durch das Gesichtsschutzschild dringt, zu
Verbrennungen der Haut führt. Mit Blick auf
verschiedene Störlichtbogenintensitäten ist
bei den bisher zertifizierten Produkten nicht
zu erkennen, ob sie für den jeweiligen Anwendungsfall geeignet sind.
Die Prüfstelle Elektrotechnik der BG ETEM
hat bis zur Änderung der Normen einen
neuen Prüfgrundsatz GS-ET-29 „Zusatzanforderungen für die Prüfung und Zertifizierung
von Elektriker-Gesichtsschutz“ erstellt. Die
Zusatzanforderungen zur DIN EN 166 beziehen sich auf die Aspekte:
• Thermischer Schutz
• Lichttransmission bei unterschiedlichen
Lichtquellen
• Kennzeichnung/Benutzerinformation
Thermischer Schutz
Bei einer Einteilung des Gesichtsschutzes
unter Berücksichtigung verschiedener
Störlichtbogenintensitäten ist es sinnvoll,
sich an der Klassifizierung für Schutzkleidung gegen die thermischen Gefahren eines
elektrischen Lichtbogens (DIN EN 61482-1-2)
zu orientieren. Diese Norm definiert zwei
Schutzklassen mit folgenden Leistungsparametern: Klasse 1: 135 kJ/m2
Klasse 2: 423 kJ/m2
50
Lichttransmission bei unterschiedlichen
Lichtquellen
Die praktische Anwendung des ElektrikerGesichtsschutzes hat gezeigt, dass neben
Arbeiten bei Tageslicht ebenfalls Arbeiten
in Räumen mit Fremdbeleuchtung erledigt
werden müssen. Wurde nach DIN EN 166 der
Lichttransmissionsgrad (VLT) ausschließlich
mit einer Normlichtart A (Tageslichtnachbildung) überprüft, beschreibt der Prüfgrundsatz Zusatzprüfungen mit zwei weiteren,
unterschiedlichen Lichtquellen. Es werden
Messungen des VLT bei Normlichtart A,
Leuchtstofflampe (Tageslichtspektrum) und
Weißlicht-LED durchgeführt.
Hieraus ergeben sich drei Transmissionsklassen:
Klasse 0: VLT (D65) ≥ 75 %
Klasse 1: VLT (D65) 65 % ≥ VLT (D65) < 75 %;
Klasse 2: VLT (D65) < 65 %).
Diese Grenzwerte gelten für transparente
und getönte Sichtscheiben.
Kennzeichnung/Benutzerinformation
Um den Anwendungsbereich deutlich
herauszustellen, mussten die Kennzeichnung sowie der Inhalt der Benutzerinformation nach DIN EN 166 ergänzt werden. Die
Kennzeichnung der DIN EN 166 wird durch
die zusätzlichen Klassenziffern für Störlichtbogenklasse und Lichttransmissionsklasse
erweitert.
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Beispiel: 8 – 1 – 0
8: Schutz gegen Störlichtbogen gemäß
DIN EN 166
1: Störlichtbogenklasse (135 kJ/m2)
0: Lichttransmissionsklasse (VLT ≥ 75 %)
In die Benutzerinformation werden zusätzlich die Erläuterung der Kurzzeichen für Störlichtbogenklasse und Lichttransmissionsklasse sowie der Hinweis auf eine Mindestbeleuchtungsstärke am Arbeitsplatz gefordert. Diese muss hinter dem Gesichtsschutz
eine Beleuchtungsstärke von mindestens
30 Lux gewährleisten. Es ist beabsichtigt,
die Festlegungen des Prüfgrundsatzes in die
Überarbeitung der EN 166 einzubringen und
die Anforderungen an Elektriker-Gesichtsschutz in diesen Punkten zu erweitern.
Abb. 6.4: Elektriker-Schutzhaube mit Filter gegen
Störlichtbogen
Augenschutz gegen die optische Schweißstrahlung
Bei fast allen Schweißverfahren werden die
Expositionsgrenzwerte (zulässige Werte) für
UV-Strahlung und IR-Strahlung überschritten,
deshalb ist in diesem Wellenlängenbereich immer ein Schutz notwendig. Je nach
Schweißverfahren kommt es zu sehr hohen
Leuchtdichten, die zur Blendung führen.
Deshalb müssen die verschiedenen Augenschutzgeräte beim Schweißen entsprechend
ihrer Schutzstufe vor der Blendung schützen
und somit das sichtbare Licht abschwächen.
Gegen die Strahlung des Lichtbogens muss
sich sowohl der Schweißer als auch der Helfer
schützen. Beim Lichtbogenschweißen werden
dafür im Allgemeinen Schweißerschutzschirme
mit Schweißerschutzfiltern verwendet. Die
Schweißerschutzfilter sind Sichtscheiben mit
Filterwirkung gegenüber den auftretenden
Strahlen und sind gemäß EN 175 in Schutzstufen eingeteilt. Beim Schutzgasschweißen
und bei Plasmaverfahren braucht man z. B.
einen Schutzschirm mit Schweißerschutzfiltern nach DIN EN 169. Den unterschiedlichen
Schutzstufen der Filter sind jeweils bestimmte Strahlungsdurchlässigkeiten (Dunkeltönungen) zugeordnet. Bei der Auswahl ist in
erster Linie ein ausreichender Blendschutz
maßgebend, bei dessen Einhaltung zugleich
auch die infrarote und die ultraviolette Strahlung genügend gedämpft werden.
Die Schweißerschutzfilter müssen dauerhaft
gekennzeichnet sein, z. B.: 12 XY 1 DIN L
51
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
An vielen Arbeitsplätzen werden häufig auch
selbstverdunkelnde Schweißerschutzhauben verwendet. Kern ist eine SchutzfilterKassette als Sichtfenster, die nach ca. 0,5
bis 2 ms entsprechend der vorgewählten
Schutzstufe auf „Verdunkeln“ umschaltet.
Dieser Effekt wird durch eine dünne Flüssigkristallschicht im Schutzfilter erreicht. Auch
in der Hellstufe ist der UV-und IR-Schutz
gewährleistet. Die Anforderungen an solche
Schutzfilter sind in der EN 379 festgelegt.
Augenschutz gegen Sonnenstrahlung
Schutz vor Blendung
Abb. 6.5: Beispiel für eine Schweißerschutzbrille
für einen Schweißhelfer
Abb. 6.6: Beispiel für ein automatisches
Schweißerschutzvisier
52
Abb. 6.7: Beispiel für eine Schutzbrille mit wegklappbarem optischen Filter
Das menschliche Auge sieht optimal bei
einer Helligkeit bzw. Beleuchtungsstärke von
10 000 Lux. In Städten mit vielen hellen Fassaden und anderen reflektierenden Flächen,
am Wasser, in großer Höhe oder in schneebedecktem Gelände kann es zu wesentlich
höheren Helligkeiten mit bis zu 10facher
Strahlungsintensität kommen. Unsere Augen
können sich auf unterschiedliche Helligkeiten einstellen (Pupille). Wird die Umgebung
jedoch zu hell, kann man unabhängig vom
Sehvermögen nichts mehr erkennen. Diese
Blendung lässt sich mit einem Licht dämpfenden Filter senken, dessen Stärke durch
die Tönung bestimmt ist.
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Abb. 6.8: Sonnenschutzbrille mit Gelbtönung zur
Kontrastverbesserung
Schutz vor UV-Strahlung
Beim Sonnenschutz muss nicht nur das
sichtbare Licht abgedämpft, sondern vor
allem auch die unsichtbare UV-Strahlung
abgehalten werden. Die Filterung der
UV-Strahlung findet im eigentlichen Glasbzw. Kunststoffmaterial statt und ist unabhängig vom Tönungsgrad.
Schutz vor IR-Strahlung
Die normale Infrarot-Strahlung stellt für das
Auge keine Gefährdung dar. Gläser mit reduzierter IR-Durchlässigkeit sind v. a. für geschlossene Ski-, Alpin- und Ballonfahrerbrillen empfohlen zur Sicherstellung der
visuellen Wahrnehmung. Wer auf der Straße
unterwegs ist, sollte jedoch auch mit Sonnenschutzbrille über eine optimale visuelle
Wahrnehmung verfügen. Eine verkehrstaugliche Sonnenschutzbrille darf nicht zu dunkel sein (18-43 % Lichtdurchlässigkeit) und
die Signalfarben nicht verfärben.
Farbe der Gläser
Braune, graue und grüne Gläser verfälschen
die Farbwahrnehmung am wenigsten. Bei
anderen Glastönungen werden Farben verändert wahrgenommen bzw. braucht das
Gehirn eine gewisse Zeit, um die durch die
Brille verschobenen Farbtöne (zumindest
teilweise) wieder zu neutralisieren.
Farbe der Brillengläser und Farbwahrnehmung
Braun Angenehm warmer Farbton, leichte Farbverfälschungen, filtert Blaulicht
Grau
Neutrale Farbwiedergabe
Grün
Leichte Farbverfälschung, Verstärkung des natürlichen Grüns
Gelb
Kontrasterhöhend (Schießen, Skifahren), wegen Farbverfälschung im Verkehr ungeeignet
Blau,
Rot,
Manchmal geeignet, nicht in jeder Form
Violett
53
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Sonnenfilter Kategorie nach EN 1836
Filterkategorie
Transmission in %
0
80-100
1
43-80
2
18-43
3
8-18
4
3-8
Die Kategorie 0 gilt nur für phototrope (bei
Licht eindunkelnde) Gläser, für den Einsatz im Verkehr sind nur die Kategorien 1-3
erlaubt.
Augenschutz gegen Laserstrahlung
Bei Arbeiten im Gefahrenbereich des Lasers
(Laserbereich) müssen häufig Laser-Schutzbrillen oder Laser-Justierbrillen eingesetzt
werden. Die Ermittlung der notwendigen
Schutzstufe ist oft eine komplexe Analyse,
falls der Hersteller der Anlage nicht eine
Empfehlung vorgegeben hat. Diese wird ausführlich in der berufsgenossenschaftlichen
Information 5092 „Auswahl und Benutzung
von Laser-Schutzbrillen und Laser-Justierbrillen“ dargestellt.
Wichtig ist die Unterscheidung nach LaserSchutzbrillen; sie dienen dem Schutz der
Augen gegen Laserstrahlung für die jeweils
betreffende Wellenlänge im ultravioletten,
sichtbaren und infraroten Spektralbereich
für mindestens 5 s. Laser-Justierbrillen sind
54
Abb. 6.9: Modell einer Laserschutzbrille
auf den Wellenlängenbereich zwischen 400
nm und 700 nm beschränkt. Sie sollen die
Laserstrahlung auf den Wert der Klasse 2
(maximal 1 mW, mit C6=1) bzw. auf 0,6
Klasse 2 (siehe Tabelle 6 der BGI 5092)
abschwächen. Laser-Justierbrillen dienen
dem Zweck, diffuse Reflexionen dieser
Laserstrahlung sicher beobachten zu können.
Wurde die notwendige Schutzstufe des
Laserschutzes bestimmt, muss als nächstes
je nach Einsatz ein entsprechendes Gestell
ausgewählt werden.
Je nach Einsatzzeit und Anforderung an die
Sehaufgabe sollen unterschiedliche
Gestellformen ausgewählt werden. Muss
zum Beispiel die Laser-Schutzbrille im Laufe
des Jahres nur kurz (weniger als 50 Stunden
im Jahr) getragen werden und müssen keine
Arbeiten mit hohen Sehanforderungen
durchgeführt werden, kann in der Regel ein
Korbgestell gewählt werden.
Müssen häufiger Arbeiten mit der Brille
durchgeführt werden, erhöht sich bei schwe-
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
ren hermetisch abgeschlossenen Fassungen
die Gefahr, dass die Brillen beschlagen und
die Möglichkeit von Sekundärunfällen erhöht
wird. Deshalb sollten nach Möglichkeit
leichte Bügelgestelle gewählt werden.
Wird jedoch an Hochleistungslasern von
mehreren kW gearbeitet, müssen in der
Regel hermetisch abgeschlossene und daher
schwerere Fassungen verwendet werden.
Wichtige Punkte, die überprüft werden müssen, sind:
• maximale Tageslichttransmission
(je höher, desto besser)
• Prüfung, ob Filter Farbverfälschung hervorrufen. Müssen bestimmte Farben erkannt
werden, sollten, wenn technisch machbar,
Filter ausgesucht werden, die eine geringe
Farbverfälschung hervorrufen (wichtig bei
der Erkennung von Warnsignalen).
• Frage klären, ob die Schutzbrille über eine
Korrektionsbrille passen muss.
• Wenn die Schutzbrille nicht mit einer Korrektionsbrille (Sehhilfe) kombiniert werden muss, ist eine Bügelbrille wegen besserer Hinterlüftung vorzuziehen.
• Wird die Brille von wechselnden Personen
z. B. für Besucher getragen, ist eine möglichst universelle Passform anzustreben.
Hier empfehlen sich ggf. Korbbrillenvarianten. Hinweis: Dann sind die Brillen vor
jedem Gebrauch zu desinfizieren und zu
reinigen.
• Um den Tragekomfort zu erhöhen, sollte
unter Beachtung der notwendigen Schutz-
stufen für die jeweilige Laserbetriebsart
und Wellenlänge Schutzausrüstung von
möglichst geringem Gewicht ausgesucht
werden.
• Auf den sicheren Sitz der Brille muss
geachtet werden, da die jeweiligen Träger
unterschiedliche Kopfformen haben. Hier
müssen bei der Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) unbedingt
die persönlichen Belange des Trägers mit
berücksichtigt werden, um die Trageakzeptanz von Laserschutzprodukten zu
erhöhen.
Benutzung
Um die Informationen für die Benutzung
nach § 2 Abs. 3 der PSA-Benutzungsverordnung verfügbar zu machen, sollte der Unternehmer für die Benutzung von Augenschutz
unter Berücksichtigung der Informationsbroschüre des Herstellers eine Betriebsanweisung erstellen. Sie soll alle für den sicheren
Einsatz erforderlichen Angaben enthalten,
insbesondere über:
• die Gefahren entsprechend der Gefährdungsermittlung
• das Verhalten bei der Benutzung des
Augen- und Gesichtsschutzes
• das Verhalten bei festgestellten Mängeln
• Lagerung
• Pflege
• Reinigung
55
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
Abb. 6.10: Aufbewahrungsbox für Schutzbrillen
In Erfüllung der Grundpflichten nach § 3
Arbeitsschutzgesetz hat der Unternehmer
die Benutzung des Augen- und Gesichtsschutzes zu überwachen.
Tragen von Kontaktlinsen
Nach den heute vorliegenden Informationen
und wissenschaftlichen Erkenntnissen sind
Träger von Kontaktlinsen bei Arbeiten durch
Lichtbögen nicht gefährdet. Die immer wieder in Diskussion stehende Verklebung der
Kontaktlinse mit der Linse des Auges gilt
als „Falschmeldung“. Wichtig ist jedoch,
dass geeigneter Augenschutz gemäß dem
Gefährdungspotenzial am Arbeitsplatz zum
Einsatz kommt.
Normen
DIN EN 165
DIN EN 166
DIN EN 167
DIN EN 168
DIN EN 169
DIN EN 170
DIN EN 171
DIN EN 172
DIN EN 174
DIN EN 175
DIN EN 207
DIN EN 208
56
Persönlicher Augenschutz; Wörterbuch
Persönlicher Augenschutz; Anforderungen
Persönlicher Augenschutz; Optische Prüfverfahren
Persönlicher Augenschutz; Nichtoptische Prüfverfahren
Persönlicher Augenschutz; Filter für das Schweißen und verwandte Techniken;
Transmissionsanforderungen und empfohlene Anwendung
Persönlicher Augenschutz; Ultraviolettschutzfilter; Transmissionsanforderungen und empfohlene Anwendung
Persönlicher Augenschutz; Infrarotschutzfilter; Transmissionsanforderungen
und empfohlene Verwendung
Persönlicher Augenschutz; Sonnenschutzfilter für den betrieblichen Gebrauch
Persönlicher Augenschutz; Skibrillen für den alpinen Skilauf
Persönlicher Augenschutz; Geräte für Augen- und Gesichtsschutz beim
Schweißen und bei verwandten Verfahren
Persönlicher Augenschutz; Filter und Augenschutz gegen Laserstrahlung (Laserschutzbrillen)
Persönlicher Augenschutz; Augenschutzgeräte für Justierarbeiten an Lasern
und Laseraufbauten (Laserjustierbrillen)
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
DIN EN 379
DIN EN 1731
DIN EN 1836
Persönlicher Augenschutz; Automatische Schweißerschutzfilter
Persönlicher Augenschutz; Augen-und Gesichtsschutzgeräte aus Gewebe
Persönlicher Augenschutz; Sonnenbrillen und Sonnenschutzfilter für den
allgemeinen Gebrauch
Begriffe
Antibeschlag (beschlagsarm)
Es gibt spezielle Beschichtungstechnologien, die die Scheibe außen extrem kratzfest
und beschlagsarm bis -frei gewährleisten.
Diese Scheiben tragen die Kennzeichnung K
und N nach EN 166.
Erweiterungsteile
sind Teile, die am Tragkörper zum Schutz vor
besonderen Gefahren zusätzlich befestigt
werden können (Seitenschutz, Hochklappteil).
Fassung
ist der Teil des Tragkörpers, der die Sichtscheiben hält.
Gestellbrillen
sind Schutzbrillen, die mit Ohrbügeln oder
mit Traghilfen für die Befestigung am Schutzhelm ausgerüstet sein können. Für den seitlichen Schutz sind sie mit Seitenschutzkörben
oder Seitenschutzplatten versehen. Haben
die Sichtscheiben einer Gestellbrille auch
optisch korrigierende Wirkung, werden solche Schutzbrillen als Korrektionsschutzbrillen bezeichnet.
Korbbrillen
sind Schutzbrillen, bei denen der Tragkörper
korbartig ausgebildet ist und aus weichem,
elastischem Material besteht, so dass der
Brillenkorb den Augenraum umschließt und
sich an das Gesicht anschmiegt (Kopfhalterung, Helmhalterung).
Schutzschirme
schützen das Gesicht und je nach Länge und
Erweiterungsteilen, z. B. Schürzen, auch
Teile des Halses. Sie werden mit Traghilfen
am Schutzhelm oder direkt am Kopf getragen. Sichtscheiben können an den Traghilfen
starr, leicht auswechselbar oder hochklappbar befestigt sein.
Schutzschilde
schützen ebenfalls Gesicht und Teile des
Halses. Sie werden mit der Hand gehalten.
Am häufigsten anzutreffen sind die Schweißerschutzschilde, die so groß sein müssen,
dass das gesamte Gesicht geschützt ist.
Schutzschilde sind aus lichtdichten, gegen
mechanische und thermische Einwirkungen
genügend widerstandsfähigen Werkstoffen
hergestellt. Im Schild ist ein Fenster für eine
Filterscheibe eingearbeitet. Freisichtschilde
haben außerdem ein Beobachtungsfenster,
57
6. Schutz des Gesichtes und der Augen
das lichtdicht geschlossen und für
bestimmte Arbeitsvorgänge geöffnet werden
kann.
Vorstecker
sind Tragkörper mit Fassungen für Sicherheits- oder Filtersichtscheiben. Sie werden
auf eine Korrektionsbrille aufgesteckt.
Vorstecker zählen im weitesten Sinne auch
zu den Schutzbrillen. Bei Vorsteckern gibt
es auch Konstruktionen, die hochklappbar sind. Es wird jedoch nicht die gleiche
Schutzwirkung erreicht wie mit einer kompletten Schutzbrille.
58
Traghilfen
sind Teile des Tragkörpers, die zum Befestigen am Ohr des Trägers oder am Schutzhelm
dienen (Ohrbügel, Kopfband, Kopfhalterung,
Helmhalterung). Fassung ist der Teil des
Tragkörpers, der die Sichtscheiben hält.
Verbindungselemente
sind Teile des Tragkörpers, die Einzelteile
miteinander verbinden (Scharniere, Gelenke,
Haken, Ösen, Nieten).
7. Schutz des Rumpfes
Dipl.-Ing. Norbert Schilling
Schutzkleidung bedeckt die persönliche
Bekleidung oder sie ersetzt die persönliche
Bekleidung und soll dem Rumpf, den Armen
und Beinen Schutz gegen eine oder mehrere
Gefährdungen bieten.
Wenn die Schutzkleidung mit anderer PSA,
z. B. Chemikalienschutzstiefel, Atemschutz,
eine durchgängige Einheit bilden muss, so
ist besonderes Augenmerk auf den Schutzgrad der Anschluss-Stellen zu richten.
Schutzkleidung muss so gestaltet sein, dass
sie vom Anwender korrekt angelegt werden
kann und für die vorgesehene Gebrauchszeit
einen guten Sitz gewährleistet. Dies gilt unter Berücksichtigung der Bewegungen und
Körperhaltungen, die der Träger einnehmen
könnte. Deshalb muss sich die Schutzkleidung durch Verstellsysteme oder verschiedene Größenbereiche an die Statur des Anwenders anpassen lassen.
Der Tragekomfort der Schutzkleidung soll
möglichst hoch sein, er ist abhängig von:
Abb. 7.1: Schutzanzug zum einmaligen Gebrauch
• Schutzgrad gegen die Gefährdung
• Umgebungsbedingungen
• Körperlicher Betätigung/Belastung des
Anwenders
• Anwendungsdauer
Die Anwender sollten durch Handhabungsund Trageversuche in die Auswahl mit einbezogen werden. Dabei ist darauf zu achten,
dass keine rauen, harten oder scharfen
Oberflächenelemente vorhanden sind, die
den Anwender oder Dritte verletzen könnten.
Kein Teil darf so eng anliegen, dass die Blutzirkulation eingeschränkt wird und kein Teil
darf so locker und/oder so schwer sein, dass
die Bewegungen behindert werden.
Wo immer möglich, muss Schutzbekleidung
aus Materialien mit geringem Wasserdampfwiderstand und/oder hoher Luftdurchlässigkeit bestehen (oder ausreichend belüftet
sein), um thermische Belastungen herabzusetzen.
59
7. Schutz des Rumpfes
Wenn auf Grund des erforderlichen Schutzgrades Belastungen für den Anwender nicht
zu vermeiden sind, muss die Anwendungsdauer entsprechend zeitlich begrenzt werden.
Wenn der Hersteller angibt, dass die Schutzkleidung gewaschen oder chemisch gereinigt werden darf, dann darf die Längenänderung sowohl in der Länge als auch in der
Breite +/- 3 % nicht überschreiten.
Jeder Teil der Schutzkleidung muss auf den
Artikel selbst oder auf einem Etikett lesbar
und widerstandsfähig gegen eine geeignete
Anzahl Pflegezyklen gekennzeichnet sein mit
folgenden Angaben:
•
•
•
•
•
•
•
• Name, Handelsname oder Code
• Nummer der einschlägigen EN-Norm
• Piktogramm und Leistungsstufen, falls
zutreffend
• Pflegehinweise/-kennzeichnung
•
Ist die Schutzkleidung nur für den einmaligen
Gebrauch bestimmt, ist sie mit dem Warnhinweis „Nicht wieder verwenden“ versehen.
•
Die Hinweise am Produkt selber müssen in
einer schriftlich beiliegenden Information
des Herstellers wiederholt werden, zusätzlich sind zu vermerken:
• Name und Anschrift der Herstellers/autorisierten Vertreters
• Name, Adresse und Identifizierungsnummer der anerkannten Stelle, die in die
60
•
•
•
Typenzulassung und/oder Qualitätssicherung einbezogen ist
EN-Norm, Veröffentlichungsjahr
Erläuterung der Piktogramme und Leistungsstufe
Wesentliche Ausgangsmaterialien
Gebrauchsanleitung (Prüfung vor Gebrauch,
passender Sitz, An- und Ablegen, Hinweise
zur geeigneten Verwendung, Gebrauchseinschränkungen (Temperatur), Anleitung zur
Lagerung und Wartung, Höchstabstände
für Wartungsüberprüfungen
Anleitung für Pflege und/oder Dekontamination
Warnhinweise vor möglichen Problemen
Einzelheiten zu Bestandteilen von Schutzkleidung, die zusätzlich verwendet werden
müssen, um den vorgesehenen Schutz zu
erreichen
Informationen zu allen im Produkt verwendeten Materialien, die allergische Reaktionen hervorrufen können oder möglicherweise karzinogen, reproduktionstoxisch
oder mutagen wirken
Einzelheiten zu allen wesentlichen ergonomischen Beeinträchtigungen, die die Verwendung des Produktes mit sich bringen,
wie z. B. Einschränkungen des Sehfeldes,
der Hörschärfe oder das Risiko einer Wärmebelastung
Anleitungen zum Erkennen von Alterung
und Leistungsverlust des Produktes
Falls es hilfreich ist, sind Illustrationen,
Nummern der einzelnen Teile usw. beizufügen
Anweisungen zur Reparatur
7. Schutz des Rumpfes
• Hinweise auf Zubehör und Ersatzteile, falls
von Bedeutung
• Geeignete Verpackungsart für den Transport, falls erforderlich
• Je nach Erfordernis, Anleitungen zur Wiederaufbereitung, sicheren Zerstörung und
Entsorgung (z. B. mechanische Trennung
oder Verbrennen des Produktes)
Feuchte und Wind bei einer Lufttemperatur
von – 5° charakterisiert.
Dies stellt einen Anhaltswert für kurzzeitige
Arbeiten dar; je nach Art und Dauer der Tätigkeit sowie den weiteren Umgebungsbedingungen, kann der Einsatz von Kälteschutzkleidung bereits bei höheren Temperaturen
angezeigt sein.
7.1 Kälteschutzkleidung
In der Norm DIN EN 3421 wird eine kalte
Umgebung durch eine Kombination aus
Abb. 7.1.1: Kälteschutzkleidung
1
DIN EN 342 „Schutzkleidung – Kleidungssysteme und
Kleidungsstücke zum Schutz gegen Kälte“
So kann stärkerer Wind die Konvektionswärmeverluste deutlich erhöhen. Deshalb ist
der Grad der Luftdurchlässigkeit der äußeren
Lagen ein entscheidender Faktor. Völlig
undurchlässige Kleidung führt sehr schnell
zum Schwitzen. Dies sollte bei längerem
Aufenthalt in der Kälte unbedingt vermieden
werden. Es ist in der Regel wirkungsvoller,
Feuchtigkeit durch Ventilationsöffnungen abzuführen als durch Diffusion durch mehrere
Bekleidungslagen. So kann bei sehr großer
Kälte durch Kondensation in der Bekleidung
nur sehr wenig Wasserdampf nach außen
gelangen. Deshalb ist der Wasserdampfdurchgangswiderstand eine wichtige Einflussgröße.
Die wichtigste Eigenschaft von Kälteschutzkleidung ist das Wärmeisolationsvermögen,
die Grundwärmeisolation. Bei der Ermittlung
der erforderlichen Isolation macht es einen
sehr großen Unterschied, ob der Träger
der Kleidung eine nur stehende Tätigkeit
ausführt (z. B. Sicherungsposten) oder sich
bewegt. So ermöglicht Kälteschutzkleidung
mit dem höchsten Isolationsvermögen eine
61
7. Schutz des Rumpfes
stehende Tätigkeit über eine Schicht (8 h)
bis – 7° C, während bereits bei leichten
Tätigkeiten über eine Schicht mit der gleichen Kleidung bis – 19° C gearbeitet werden
kann.
Bei wechselnden Temperaturen über eine
Schicht (am frühen Wintermorgen dunkel
und sehr kalt, mittags wolkenloser Himmel
und Sonnenschein) hat sich das „Zwiebelprinzip“ bewährt, d. h. es werden mehrere
Lagen Kleidung übereinander getragen, die
aufeinander abgestimmt sein müssen. Dies
beginnt mit der Unterwäsche, die direkt auf
der Haut getragen wird und Feuchtigkeit von
der Haut weg transportieren soll.
EN 342
7.2 Regenschutzkleidung
Die wichtigste Eigenschaft von Regenschutzkleidung ist die Wasserdichtheit, in der entsprechenden Norm DIN EN 3432 als „Wasserdurchgangswiderstand“ bezeichnet. Allerdings sind einige wasserdichte Materialien
undurchlässig gegen Wasserdampfdurchtritt.
Dies kann zu erheblichen physiologischen
Belastungen führen, insbesondere bei
hohen Temperaturen und/oder hoher Luftfeuchtigkeit, da der Schweiß nicht nach außen transportiert werden kann. Deshalb ist
bei der Auswahl von Regenschutzkleidung
auch der Wasserdampfdurchgangswiderstand ein entsprechendes Kriterium.
Wasserdichtheit – Wasserdurchgangswiderstand
Entsprechend dem Wasserdurchgangswiderstand werden die Kleidungsstücke in 3 Klassen eingeteilt. Die geringsten Anforderungen
werden an Kleidungsstücke der Klasse 1 gestellt. Klasse 1 ist erfüllt, wenn das neuwertige Kleidungsstück einen Druck von
Abb. 7.1.2: Kälteschutzkleidung wird mit dem
Symbol „Schneeflocke“ gekennzeichnet.
2
62
DIN EN 343 „Schutzkleidung gegen Regen“
7. Schutz des Rumpfes
Wasserdurchgangswiderstand
Material vor der Vorbehandlung
Material nach jeder Vorbehandlung
Klasse
1
2
3
mind. 80 cm
Wasserhöhe
entfällt
entfällt
entfällt
mind. 80 cm mind. 13 cm
Wassersäule Wassersäule
Tabelle 7.2.1: Wasserdurchgangswiderstand
ca. 80 cm Wassersäule standhält (8000 Pa).
Kleidungsstücke nach Klasse 2 halten ebenfalls 80 cm Wassersäule stand, allerdings
nach 5 x Waschen und einer Beaufschlagung
mit einem Scheuermittel. Klasse 3 entspricht
in der Vorbehandlung der Klasse 2, hält
aber anschließend einer Wassersäule von
ca. 1,3 m stand (13000 Pa).
Wasserdampfdurchgangswiderstand
Der Widerstand gegen Wasserdampfdurchgang ist das Maß für die Atmungsaktivität
der Regenschutzkleidung. Sie wird in 3 Klassen eingeteilt:
Klasse 1:
Klasse 2:
Klasse 3:
hoch
mittel
niedrig
Durch den hohen Wasserdampfdurchgangswiderstand sind Kleidungsstücke der
Klasse 1 wenig atmungsaktiv. Deshalb ist
die Tragedauer entsprechend der Tabelle zu
begrenzen:
Umgebungstemperatur (°C)
Klasse 1
Klasse 2
Klasse 3
25
60 Min.
105 Min.
205 Min.
20
75 Min.
250 Min.
–
15
100 Min.
–
–
10
240 Min.
–
–
5
–
–
–
Tabelle 7.2.2: Tragedauer von Regenschutzkleidung
63
7. Schutz des Rumpfes
Abb. 7.2.1: Piktogramm Regenschutzkleidung
___ Kennzahl für den Wasserdurchgangswiderstand
___ Kennzahl für den Wasserdampfdurchgangswiderstand
Das Piktogramm muss am Kleidungsstück
angebracht sein (Etikett, Aufdruck, Aufnäher). Bei der Wasserdurchgangswiderstandsklasse 1 muss der Zahl die Warnung
„Begrenzte Tragedauer“ hinzugefügt werden.
Abb. 7.3.1: Schweißerschutzkleidung
7.3 Schweißerschutzkleidung
Schutzkleidung für das Schweißen und verwandte Verfahren3 soll den Träger gegen
kleine Spritzer geschmolzenen Metalls, kurzzeitigen Kontakt mit Flammen sowie Strahlungswärme schützen. Schweißerschutzkleidung kann sowohl aus Leder als auch aus
textilem Material bestehen. Heiße Teilchen
oder Schweißperlen müssen von der Schutzkleidung abfallen.
3
DIN EN ISO 11611 „Schutzkleidung für Schweißen und
verwandte Verfahren“
64
Neben dem Schutz des Rumpfes, der Arme
und Beine umfasst Schweißerschutzkleidung
auch Hauben zum Schutz des Kopfes sowie
Gamaschen zum Schutz der Füße.
Schweißerschutzkleidung wird in 2 Klassen
eingeteilt:
Klasse 1 bietet eine niedrigere Schutzwirkung für weniger gefährdende Schweißverfahren und Arbeitsplatzsituationen mit
weniger Schweißspritzern und niedrigerer
Strahlungswärme, z. B.:
7. Schutz des Rumpfes
• Lichtbogenhandschweißen mit rutilumhüllter Elektrode
• WIG/MIG – Schweißen
• Gasschmelzschweißen
• Mikroplasmaschweißen
• Punktschweißen
• Hartlöten
• Arbeit an Maschinen zum
– Sauerstoffschneiden
– Plasmaschneiden
– Widerstandsschweißen
– Thermisches Spritzschweißen
Die Schutzkleidung nach Klasse 2 hat eine
höhere Schutzwirkung gegen stärker gefährdende Schweißverfahren und Arbeitssituationen mit mehr Spritzern und stärkerer
Strahlungswärme, z. B.:
• Lichtbogenhandschweißen mit basisch
umhüllter Elektrode
• Lichtbogenhandschweißen mit Cellulose
umhüllter Elektrode
• MAG-Schweißen
• MIG-Schweißen mit Starkstrom
• Manuelles Plasmaschneiden
• Manuelles Fugenhobeln
• Manuelles Sauerstoffschneiden
• Manuelles thermisches Sprühschweißen
• Arbeit an Maschinen
– in engen Räumen
– mit Überkopfschweißen oder -schneiden
Anzug oder Overall oder zweiteilig als Jacke
und Hose ausgeführt sein. Bei der zweiteiligen Ausführung muss die Jacke die Hose in
allen beim Schweißen üblichen Körperhaltungen um mindestens 20 cm überlappen.
Schweißerschutzkleidung schützt den Träger
gegen die UV-Strahlung, die bei allen Verfahren mit elektrischen Lichtbogen in hoher
Intensität auftritt.
Durch Verschleiß/Abnutzung kann dieser
Schutz beeinträchtigt werden. Ob die
Schutzwirkung noch vorhanden ist, kann
festgestellt werden, indem man das Kleidungsstück in ca. einem Meter Entfernung
gegen das Licht einer starken Lichtquelle,
entsprechend einer 100 Watt-Glühlampe
hält. Ist ein Lichtschimmer zu sehen, dringt
auch UV-Strahlung durch.
Abb. 7.3.2: Piktogramm für Schutz gegen Gefährdungen beim Schweißen
Schweißerschutzanzüge müssen neben
dem Rumpf, den Armen und Beinen auch
den Hals bedecken. Sie können einteilig als
65
7. Schutz des Rumpfes
7.4 Chemikalienschutzkleidung
Dipl.-Ing. Christel Trautmann
Chemikalien sowie gegen biologische Einwirkungen schützen.
Chemikalienschutzanzüge haben die Aufgabe, den menschlichen Körper vor der
schädigenden Wirkung chemischer Stoffe
zu schützen. Diese Schutzkleidung soll
dem menschlichen Körper eine Schutzhülle bieten, unter der noch ein erträgliches
Klima herrscht. In der Gebrauchsanleitung
vorgegebene Tragezeitbegrenzungen sind zu
beachten.
Die harmonisierten Normen für Chemikalienschutzkleidung enthalten Anforderungen
an das verwendete Material, Nähte und
Verbindungen sowie Anforderungen an die
gesamte Schutzkleidung.
Chemikalienschutzkleidung soll gegen flüssige oder feste oder beide (partikelförmige)
Abb. 7.4.1: Chemikalienschutzkleidung
66
Die Chemikalienschutzkleidung wird in verschiedene Typen unterteilt: Typ 1 bis Typ 6.
Typ 1 bedeutet höchste Dichtheit (gasdicht),
Typ 6 begrenzte Dichtheit, wie z. B. Einwegschutzanzüge, die gegen Tropfen und Spritzer für eine begrenzte Zeitspanne schützen.
7. Schutz des Rumpfes
Welcher Typ der Schutzkleidung bei Tätigkeiten mit Chemikalien notwendig ist, kann nur
durch eine Gefährdungsbeurteilung des konkreten Arbeitsplatzes festgestellt werden.
Die Anforderungen an den Schutzanzug dienen als Basis zur Auswahl des notwendigen
Typs.
Ausrüstungstyp
Beschreibung
Teilkörperschutz Typ 6
Schürze, Kittel
begrenzt dichter Schutz für Teile des Körpers
Teilkörperschutz Typ 4
Schürze, Kittel
Schutz für Teile des Körpers mit sprühdichten Übergängen
Teilkörperschutz Typ 3
Schürze, Kittel
Schutz für Teile des Körpers mit flüssigkeitsdichten Übergängen
Typ 6
begrenzt dichter Anzug, Spritzschutz für Arbeiten mit kleineren
Mengen flüssiger Chemikalien
Typ 5
Staubschutzanzug, Schutz gegen partikelförmige
Chemikalien/Aerosole
Typ 4
Anzug mit sprühdichten Übergängen, Schutz gegen Sprühnebel
Typ 3
Anzug mit flüssigkeitsdichten Übergängen, Schutz gegen Flüssigkeitsstrahl
Typ 2
belüfteter Schutzanzug mit nicht gasdichten Übergängen
Typ 1
belüfteter oder unbelüfteter Schutzanzug mit gasdichten Übergängen
Tabelle 7.4.2: Ausrüstungstypen bei Chemikalienschutzkleidung
Bei der Auswahl der Chemiekalienschutzkleidung ist außerdem die chemische Beständigkeit als Barriere gegen konkrete, am
Arbeitsplatz vorkommende Chemikalien zu
beachten.
Eine Aussage über die Barrierewirkung des
Materials erhält man durch die Leistungsstufe und die Klassifizierung.
67
7. Schutz des Rumpfes
Die Leistungsstufe beschreibt, wie das Material der Schutzkleidung die Chemikalie
abweisen kann und wann das Material durch
die Chemikalie „durchlöchert“ ist. (Index der
Penetration und Abweisung der Chemikalie).
auf molekularer Ebene (Permeation). Dabei
unterscheidet man zwischen Klasse 1 (Durchbruchzeit zwischen 10 und 30 Minuten) und
Klasse 6 (Durchbruchzeit mehr als 8 Stunden). Die Durchbruchzeit ist nicht mit der
Tragezeit gleichzusetzen. Die Durchbruchzeit
kann in der Praxis kürzer sein, z. B. durch
erhöhte Temperatur, mechanische Beanspruchung usw.
Hersteller von Chemikalienschutzkleidung
können bei der Auswahl geeigneter Kleidung
Empfehlungen geben, wenn Angaben zu
den Chemikalien, zum Einsatzort und Umgebungsbedingungen vorgelegt werden.
Abb. 7.4.3: Penetration (Loch im Material) ist die
makroskopische Durchdringung des Materials.
Die Kennzeichnung, die Benutzerinformation, Pflegehinweise, Prüfungen und sonstige
Herstellerangaben sind zu beachten.
• Kennzeichnung allgemein:
– Name des Herstellers
– Typ
– Größe
– CE-Kennzeichen
Abb. 7.4.4: Permeation ist die molekulare Durchdringung eines Materials.
• Jedes Teil der Schutzkleidung:
– Hersteller/Händler
– Typ, Handelsname, Code
– Größe
– Nummer der Norm
– Piktogramm
• Textil- und Pflegekennzeichnung
Die Klassifizierung beschreibt die Durchbruchzeit der Chemikalie durch das Material
68
7. Schutz des Rumpfes
Ist die geeignete Chemikalienschutzkleidung
bereitgestellt, müssen vom Anwender folgende Punkte beachtet werden:
• Trageversuch
• Prüfung nach Herstellerangaben
• Betriebsanweisung für das Tragen von
Schutzkleidung, z. B. Tragedauer, Einsatzgrenzen, Gefahren, Warnung vor falschem
Gebrauch, Lagerung, maximale Nutzungsdauer
• Unterweisung
• Lagerung, eventuell Reinigung
Hinweis:
Chemikalienschutzkleidung wird fast ausschließlich in Kombination mit Atemschutz
verwendet. Voraussetzung für das Tragen von
Atemschutzgeräten der Klassen 2 und 3 sind
Pflichtuntersuchungen nach der Verordnung
zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), für das Tragen von Atemschutzgeräten
der Klasse 1 sollen Untersuchungen angeboten werden.
Weitere Hinweise sind in der DGUV Regel
112-189 (BGR 189) „Benutzung von Schutzkleidung“ zu finden.
Spezielle Normen zu Chemikalienschutzkleidung:
DIN EN 14605
Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien
– Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzanzüge mit flüssigkeitsdichten (Typ 3)
oder spraydichten (Typ 4) Verbindungen zwischen den Teilen der Kleidung, einschließlich der Kleidungsstücke, die nur einen
Schutz für Teile des Körpers gewähren (Typ
PB (3) und PB (4))
DIN EN ISO 13982-1
Schutzkleidung gegen Teilchen fester Chemikalien –
Teil 1: Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzkleidung, die für den gesamten
Körper einen Schutz gegen schwebende Teilchen fester Chemikalien gewähren (Typ 5)
DIN EN 13034
Schutzkleidung gegen flüssige Chemikalien
– Leistungsanforderungen an Chemikalienschutzkleidung mit eingeschränkter Schutzleistung gegen flüssige Chemikalien (Typ 6
und Typ PB (6))
DIN EN 943-1
Schutzkleidung gegen flüssige und gasförmige Chemikalien, einschließlich Flüssigkeitsaerosole und feste Partikel –
Teil 1: Leistungsanforderungen für belüftete
und unbelüftete „gasdichte“ (Typ 1) und
„nicht gasdichte“ (Typ 2) Chemikalienschutzanzüge
DIN EN 943-2
Schutzkleidung gegen flüssige und gasförmige Chemikalien, einschließlich Flüssigkeitsaerosole und feste Partikel –
Teil 2: Leistungsanforderungen für gasdichte
(Typ 1) Chemikalienanzüge für Notfallteams
69
7. Schutz des Rumpfes
7.5 Warnkleidung
Personen, die außerhalb von Gehwegen und
Absperrungen im Verkehr eingesetzt oder
neben dem Verkehrsbereich tätig und
nicht durch eine geschlossene Absperrung
(Absperrschranken oder Bauzäune) von die-
sem getrennt sind, müssen Warnkleidung
nach DIN EN ISO 20471 tragen. Entsprechend
der Mindestflächen an fluoreszierendem
Hintergrundmaterial und reflektierendem
Material wird die Warnkleidung in 3 Klassen
eingeteilt:4
Material
Klasse 1
Klasse 2
Klasse 3
Hintergrundmaterial
0,14 m2
0,50 m2
0,80 m2
Retroreflektierendes Material
0,10 m2
0,13 m2
0,20 m2
Tabelle 7.5.1: Klassen der Warnkleidung, entsprechend der Mindestflächen an fluoreszierendem Hintergrundmaterial
Für Arbeiten im öffentlichen Verkehrsraum
ist die Klasse 1 nicht zulässig. Klasse 2 ist
zulässig auf Straßen mit ausreichenden
Sichtverhältnissen und geringer Verkehrsbelastung mit Geschwindigkeiten bis ca.
60 km/h. Bei Arbeiten an Straßen mit
schlechten Sichtverhältnissen oder großer
Verkehrsbelastung oder Geschwindigkeiten
über 60 km/h muss Warnkleidung der
Klasse 3 getragen werden. In Deutschland
zulässige Farben für Arbeiten im öffentlichen
Verkehrsraum sind orange-rot und fluoreszierend gelb (laut Verwaltungsvorschrift
zur StVO5 § 35 Abschnitt 6). Für Arbeiten im
Bereich der Deutschen Bahn AG ist lediglich
orange-rot zulässig. Fluoreszierendes Gelb
ist dort den Sicherungsposten vorbehalten.
4
5
DIN EN 471 „Warnkleidung-Prüfverfahren und Anforderungen“
Straßenverkehrsordnung (StVO)
70
Abb. 7.5.1: Warnkleidung
7. Schutz des Rumpfes
7.6 Schutzkleidung für den Umgang mit
Kettensägen
Kettensägen kommen hauptsächlich bei
Baumarbeiten/Ausästarbeiten zum Einsatz.
Grundvoraussetzung für sicheres Arbeiten in
diesem Bereich ist eine entsprechende
Fachkunde. Darüber hinaus ist umfassende
PSA zu tragen (Schutzhelm, Gehörschutz,
Gesichts- oder Augenschutz, Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Sicherheitsschuhe
mit Schnittschutzeinlage).
Abb. 7.6.2: Piktogramm Schnittschutzkleidung
7.7 Schutzanzüge gegen das Erfasstwerden
durch sich bewegende Teile
Für Arbeiten an konventionellen Werkzeugmaschinen und generell für Arbeiten in der
Nähe von bewegten Maschinenteilen sind
Maschinen-Schutzanzüge nach DIN EN 5107
konzipiert. Diese Anzüge sind mit einem
sinnfälligen Symbol gekennzeichnet.
Abb. 7.6.1: Kettensägeschutzanzug
Die Wirkungsweise von Schnittschutzkleidung basiert darauf, dass bei Kontakt mit der
laufenden Kette einer Kettensäge Fasern aus
der Kleidung herausgerissen werden, das
Kettenrad blockieren und die Kette zum Stillstand bringen. Entsprechend der DIN EN 3816
wird die Schnittschutzkleidung mit einem
Kettenpiktogramm gekennzeichnet.
Abb. 7.7.1: Piktogramm Maschinen-Schutzanzug
nach DIN EN 510
6
Im Handel sind üblicherweise verschiedene
Ausführungen der Schnittschutzklasse 1 (Kettengeschwindigkeit bis 20 m/s) erhältlich.
7
DIN EN 381 „Schutzkleidung für die Benutzer von
handgeführten Kettensägen“
DIN EN 510 „Festlegungen für Schutzkleidung für Bereiche, in denen ein Risiko des Verfangens in beweglichen Teilen besteht“
71
7. Schutz des Rumpfes
Abb. 7.7.2: Maschinen-Schutzanzug
Maschinen-Schutzanzüge zeichnen sich
dadurch aus, dass
• keine außen liegenden Taschen vorhanden sind
• Knopfleisten und Reißverschlüsse abgedeckt sind
• Ärmel- und Beinabschlüsse eng am Körper
anliegen
72
Abb. 7.7.3: Eng anliegender Ärmel, verdeckte
Knopfleiste
8. Persönliche Schutzausrüstungen für
elektrische Arbeiten
Dipl.-Ing. Martin Mehlem
Im Zusammenhang mit den Arbeiten an oder
in der Nähe von elektrischen Anlagen muss
mit den Gefährdungen durch einen elektrischen Schlag und den Auswirkungen eines
Störlichtbogens gerechnet werden.
letzungen nach einem Störlichtbogenunfall
sind Verbrennungen. Die Folgeverletzungen
durch herausgeschleuderte Teile oder die
Druckwelle dürfen aber auch nicht vergessen
werden.
Bei oben genannten Arbeiten kann es bewusst oder unbewusst zur Berührung von
aktiven, unter Spannung stehenden Leitern
kommen. Der Schutz vor dem elektrischen
Schlag wird durch die isolierenden Eigenschaften einer PSA erreicht.
Eine komplette persönliche Schutzausrüstung für elektrische Arbeiten besteht immer
aus einer Kombination mehrerer einzelner
Schutzmittel. Beim Gebrauch muss darauf
geachtet werden, dass die Schutzmittel zusammen passen und die Übergangsbereiche
ebenfalls geschützt sind.
Im Fehlerfall kann es zur Zündung eines Störlichtbogens kommen. Dabei kommt es unter
anderem zur starken Hitzebildung, es werden heiße Teile der Anlage und giftige Gase
herausgeschleudert und eine Druck- und
Schallwelle entsteht. Die gravierendsten Ver-
Für die persönlichen Schutzausrüstungen
für Elektriker gibt es eigene Normen, die die
besonderen Gefährdungen beim Arbeiten an
oder in der Nähe von elektrischen Anlagen
berücksichtigen.
Abb. 8.1.1: Schutz beim Arbeiten unter Spannung
73
8. Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
8.1 Elektrisch isolierende Schutzkleidung
DIN EN 502861 gilt für elektrisch isolierende
persönliche Schutzkleidung, die von Fachpersonal bei Arbeiten unter Spannung oder
in der Nähe unter Spannung stehender Teile
bis 500 V Wechselspannung bzw. 750 V
Gleichspannung verwendet wird. Die Schutzkleidung ist nicht leitend und verhindert den
Durchgang des elektrischen Stromes, wenn
der Träger mit einer unter Spannung stehenden Leitung in Berührung kommt. Die Schutzkleidung besteht aus Jacke mit Kapuze und
Hose oder aus Overall mit Kapuze.
An der Schutzkleidung dürfen keine außen
liegenden Metallteile sein und es müssen
Klettverschlüsse verwendet werden.
Jedes Kleidungsstück muss auf der Innenseite mit dem Namen des Herstellers, Jahr
und Monat der Herstellung, der Serienund Typnummer, dem Namen dieser Norm
(EN 50286), der Größenbezeichnung und der
Reinigungsanleitung versehen sein.
Die Außenseite der Patten auf den Taschen
von Jacke, Hose und Overall muss mit dem
Doppeldreieck und dem Schriftzug „Klasse
00“ beschriftet sein.
Der Hersteller gibt in seiner Gebrauchsanleitung Informationen über die Lagerung, Reinigung und Wartung mit Angabe der zeitlichen
Intervalle für die Wiederholungsprüfung an.
Diese müssen auf jeden Fall beachtet werden,
74
denn nur so können die elektrischen Eigenschaften der Schutzkleidung erhalten bleiben.
Die Taschen dürfen nur für nicht leitfähige
Gegenstände verwendet werden. Werkzeuge
müssen in einem separaten Behälter mitgeführt werden.
DIN IEC 61482-22 gilt für Schutzkleidungen,
die für elektrotechnische Arbeiten verwendet
werden, bei denen die Gefahr eines elektrischen Lichtbogens besteht. Sie beschreibt
Anforderungen und Prüfverfahren von Materialien und Kleidungsstücken für Schutzkleidungen für Elektrotechniker, die den
thermischen Gefahren eines elektrischen
Lichtbogens ausgesetzt sind.
Es werden zwei Klassen definiert, die die
Schutzwirkung der Kleidung gegen unterschiedliche Wärmeenergien beschreiben.
Klasse 1: 135 kJ/m2
Klasse 2: 423 kJ/m2
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist
zu ermitteln, welche Kleidung für die Arbeiten ausgewählt werden muss. Eine Unterstützung bei der Auswahl der PSA gegen die
thermischen Auswirkungen von Störlichtbogen bietet BGI 5188.
1
2
DIN EN 50286 (VDE 0682-301) „Elektrisch isolierende
Schutzkleidung für Arbeiten an Niederspannungsanlagen“
DIN IEC 61482-2 (VDE 0682-306-2) „Arbeiten unter
Spannung – Schutzkleidung gegen die thermischen
Gefahren eines Lichtbogens – Teil 2: Anforderungen“
8. Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
die üblicherweise zusammen mit Schutzhandschuhen aus Leder verwendet werden
sollten. Die Lederhandschuhe werden über
den isolierenden Handschuhen getragen,
um mechanischen Schutz zu bieten:
Die Schutzwirkung der Kleidung ist nur
gewährleistet, wenn die Kleidung entsprechend der Hinweisen des Herstellers getragen und gepflegt wird.
Nachträglich angebrachte Accessoires, wie
Reflexstreifen oder Embleme, können ebenfalls zum Verlust der Schutzwirkung führen.
Hierzu ist der Hersteller zu befragen.
• isolierende Drei-Fingerhandschuhe mit
mechanischem Schutz zur Verwendung
ohne Überhandschuhe.
Isolierende Handschuhe werden in elektrische Klassen eingeteilt, entsprechend der
Nennspannung der Teile, an denen Arbeiten
unter Spannung oder Arbeiten in der Nähe
unter Spannung stehender Teile durchgeführt werden (siehe Tabelle 8.2.1).
8.2 Handschutz
DIN EN 609033 gilt für
• isolierende Handschuhe als Fünf-Fingerund isolierende Drei-Fingerhandschuhe,
3
DIN EN 60903 (VDE 0682-311) „Handschuhe aus
isolierendem Material“
Isolierender Handschuh
Klasse
Höchste Betriebsspannung des Netzes
kV (Effektivwert)
kV (Gleichspannung)
00
0,5
0,75
0
1,0
1,5
1
7,5
11,25
2
17,0
25,5
3
26,5
39,75
4
36,0
54,0
Tabelle 8.2.1: Elektrische Klassen
75
8. Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
Die Beständigkeit der isolierenden Handschuhe gegen besondere Umgebungseinflüsse wird mit der Kennzeichnung durch
einen Kennbuchstaben für die entsprechende Kategorie auf dem Handschuh deutlich
gemacht.
Kategorie
beständig gegen
A
Säure
H
Öl
Z
Ozon
R
Säure, Öl, Ozon
C
extrem niedrige Temperaturen
Anmerkung: Jede Kombination der Kategorien darf angewendet werden.
Tabelle 8.2.2: Kategorien der isolierenden Handschuhe
Jeder isolierende Handschuh muss mit dem
Doppeldreieck, der Norm (EN 60903), dem
Hersteller, der Kategorie, der Größe, der
Klasse, der Serien- oder Losnummer und
dem Monat und Jahr der Herstellung gekennzeichnet sein. Mehrschichtige Handschuhe
werden zusätzlich mit dem Hammersymbol
gekennzeichnet.
Um den ordnungsgemäßen Zustand des
Handschuhs zu kontrollieren, müssen regelmäßige Wiederholungsprüfungen durchgeführt werden. Zur Angabe des Datums der
durchgeführten Inspektion oder Prüfung
muss ein Feld auf dem Handschuh vorhanden sein.
Vor jedem Gebrauch sollten die Handschuhe einer Sichtprüfung unterzogen und zur
76
Feststellung von Löchern, soweit möglich,
aufgeblasen werden. Bestehen Zweifel
am ordnungsgemäßen Zustand der Handschuhe, dürfen diese nicht verwendet
werden.
Die Informationen des Herstellers zur Lagerung, Gebrauch, Reinigung, Pflege, Instandhaltung und Desinfektion müssen beachtet
werden.
8.3 Elektrisch isolierende Schutzhelme
DIN EN 503654 gilt für elektrisch isolierende
Helme zum Arbeiten unter Spannung oder
in der Nähe unter Spannung stehender Teile
4
DIN EN 50365 (VDE 0682-321) „Elektrisch isolierende
Helme für Arbeiten an Niederspannungsanlagen“
8. Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
Helm mit der Nummer der Norm (EN 50365),
dem Doppeldreieck, der Klasse und der Serien- oder Losnummer gekennzeichnet sein.
Die Informationen des Herstellers über Lagerung, Benutzung, Reinigung und Wartung,
die in der Gebrauchanleitung zu finden sind,
müssen beachtet werden. So muss der Helm
in einem geeigneten Karton oder Behälter
aufbewahrt werden. Eine regelmäßige Sichtprüfung vor dem Gebrauch ist durchzuführen
und eventuelle Verunreinigungen sind nach
dem Gebrauch entsprechend der Herstellerempfehlung sorgfältig zu entfernen.
8.4 Elektrisch isolierende Schutzschuhe
bis AC 1000 V oder DC 1500 V und beschreibt
– aufbauend auf Helmen, die die Anforderung der EN 397 oder der EN 443 erfüllen –
zusätzliche Anforderungen an die Schutzwirkung gegen den elektrischen Schlag.
DIN EN 503215 gilt für elektrisch isolierende
Schuhe zum Arbeiten unter Spannung oder
in der Nähe unter Spannung stehender Teile
bis 1000 V Wechselspannung, die bei Verwendung mit anderen elektrisch isolierenden persönlichen Schutzausrüstungen, wie
z. B. Handschuhen, eine gefährliche Körperdurchströmung über die Füße verhindern.
Die Helme sind in die Klasse 0 eingeteilt.
Das bedeutet, dass sie geeignet sind für
Arbeiten unter Spannung oder in der Nähe
unter Spannung stehender Teile an Anlagen
mit einer Nennspannung bis AC 1000 V und
DC 1500 V.
Die isolierenden Schuhe sind entweder in
die Klasse 00 oder in die Klasse 0 eingeteilt.
Das bedeutet, dass sie geeignet sind für
Arbeiten unter Spannung oder in der Nähe
unter Spannung stehender Teile bis zu den
Spannungsgrenzen aus Tabelle 8.2.1.
Abb. 8.3.1: elektrisch isolierender Schutzhelm
Zusätzlich zu den in den Helmnormen EN 397
oder EN 443 geforderten Kennzeichnungen
wie Hersteller und Typbezeichnung muss der
5
DIN EN 50321 (VDE 0682-331) „Elektrisch isolierende
Schuhe für Arbeiten an Niederspannungsanlagen“
77
8. Persönliche Schutzausrüstungen für elektrische Arbeiten
Zusätzlich zu den in den Normen DIN EN 344,
EN 345, EN 346 und EN 347 genannten Anforderungen wird für diese Schuhe die Schutzwirkung gegen den elektrischen Schlag
nachgewiesen.
Zusätzlich zu der in den Schuhnormen
EN 344, EN 345, EN 346 und EN 347 geforderten Kennzeichnung wie Hersteller und
Typbezeichnung muss jeder Schuh mit der
Nummer der Norm (EN 50321), dem Doppeldreieck, der Klasse und der Serien- oder
Losnummer gekennzeichnet sein.
Die Informationen des Herstellers über Lagerung, Benutzung, Reinigung und Wartung,
die in der Gebrauchanleitung zu finden sind,
müssen beachtet werden. Eine regelmäßige
Sichtprüfung vor dem Gebrauch ist durchzuführen und eventuelle Verunreinigungen
sind nach dem Gebrauch entsprechend der
Herstellerempfehlung sorgfältig zu entfernen.
Der Hersteller beschreibt in seiner
Gebrauchsanleitung auch die durchzuführende Wiederholungsprüfung und in welcher
Weise diese auf dem Kennzeichnungsfeld
am Schuh zu vermerken ist.
8.5. Gesichtsschutz
siehe unter 6.
78
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Dr.-Ing. Reinhard Lux
Persönliche Schutzausrüstungen gegen
Absturz1 sind Auffangsysteme zur Sicherung
von Personen an einem Anschlagpunkt und
zwar in der Weise, dass ein Absturz entweder ganz verhindert oder die Person sicher
aufgefangen wird. Dabei wird der Fallweg
begrenzt und die auf den Körper wirkenden
Stoßkräfte auf ein erträgliches Maß reduziert.
Zur verkürzten Schreibweise in dieser Broschüre wird im Folgenden die Abkürzung
PSAgA für persönliche Schutzausrüstungen
gegen Absturz verwandt.
Bevor in diesem Kapitel einzelne Bauformen von PSAgA, deren Zusammenwirken in
Auffangsystemen und Beispiele für einen
bestimmungsgemäßen Einsatz näher vorgestellt werden, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass zur Sicherung der Beschäftigten
bauliche oder kollektiv wirkende Lösungen
vor der Verwendung von PSA auszuwählen
sind. Zur Berücksichtigung dieser Prioritäten2 kann u. a. auf folgende Möglichkeiten
zurückgegriffen werden:
• Bei Brüstungen oder fest installierten
Geländern handelt es sich um bauseitig
Abb. 9.0.1: Systematik zur Auswahl von Schutzeinrichtungen und -maßnahmen zum Schutz gegen
Absturz im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“
1
Zur Begriff sbestimmung von PSA gegen Absturz siehe
auch BG-Regel für Sicherheit und Gesundheit bei der
Arbeit „Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz“ (DGUV Regel 112-198 (BGR 198)
2
Die Prioritäten der anzuwendenden Schutzmaßnahmen sind u. a. festgelegt in § 12 UVV „Bauarbeiten“
(DGUV Vorschrift 38 (BGV C 22)).
79
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
vorhandene Einrichtungen, die bei geeigneter Ausführung einen Absturz sicher
verhindern. Werden hochgelegene Arbeitsplätze zur Durchführung regelmäßiger
Tätigkeiten eingerichtet, sind Brüstungen
und Geländer die erste Wahl zum Schutz
gegen Absturz.
• Schutzgerüste sind temporär erstellte Einrichtungen, die bei entsprechender Ausführung einen Absturz über Absturzkanten
sicher verhindern können.
• Auffanggerüste kommen i. d. R. bei Arbeiten auf geneigten Dächern zum Einsatz
und verhindern einen Absturz der Beschäftigten an der Dachtraufe. Da beim Einsatz
von Auffanggerüsten auf der Dachfläche
ungesichert gearbeitet wird, sind in Abhängigkeit der Dachneigung die Gefährdungen durch ein Herabrutschen auf dem
Dach und durch das Aufprallen im Auffanggerüst zu berücksichtigen und keinesfalls
zu unterschätzen. Auch bei Arbeiten am
Ortgang3 ist auf eine entsprechende Sicherung durch Gerüste zu achten.
• Auffangnetze gehören zu den auffangenden Einrichtungen und stellen wie Auffanggerüste kollektiv wirkende Schutzeinrichtungen dar. Sie finden insbesondere bei
Dacharbeiten auf Flachdächern ohne tragfähige Dachflächen oder bei der Errichtung
von Dächern im Industriebau Verwendung.
3
Als Ortgang wird der unmittelbare Dachbereich an der
Giebelseite von Satteldächern bezeichnet.
80
In der Abbildung 9.0.1: Systematik zur Auswahl von Schutzeinrichtungen und -maßnahmen wird verdeutlicht, dass PSAgA als
persönliche Schutzmaßnahme in der Auswahlhierarchie immer an „letzter Stelle“
stehen. Diese Einstufung stellt jedoch keineswegs eine Abwertung dieser bewährten
PSA dar. Zahlreiche Weiterentwicklungen der
PSAgA in den vergangenen Jahren haben im
Zusammenspiel mit einer kompetenten Anwendung durch die Benutzer zu einem zuverlässigen Schutz gegen Absturz geführt.
Abb. 9.0.2: Arbeiten an einem Dachständer auf
einem Satteldach unter Verwendung einer Hubarbeitsbühne.
Es sei auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Hubarbeitsbühnen bei der Durchführung von Arbeiten in der Höhe hingewiesen.
Die professionelle Aufstellung der Geräte
vorausgesetzt, kann mit ihrem Einsatz eine
Vielzahl von Absturzgefährdungen bereits
bei der Arbeitsplanung ausgeschlossen werden. Zum einen sind Arbeitsplätze ohne z. T.
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
aufwändige Sicherungsmethoden auf dem
Zugangsweg zu erreichen, zum anderen sind
die Bau- oder Instandhaltungstätigkeit ohne
einen komplexen Einsatz von PSAgA durchführbar. Es lohnt sich also durchaus, auch
im betriebswirtschaftlichen Sinne, über den
Einsatz von Hubarbeitsbühnen bei der Planung eines Arbeitsauftrages nachzudenken.
9.1 Auffangsysteme
PSAgA bestehen nicht aus einer einzelnen
Ausrüstung – vielmehr kommen unterschiedliche PSAgA-Komponenten in einem Auffangsystem ganzheitlich zum Einsatz. Allein
die einschlägig bekannten Hersteller bieten
hunderte PSAgA-Produkte an. Generell gilt:
Nicht jedes Produkt kann mit einem beliebig
anderen zu einem Auffangsystem verknüpft
werden. Bauartspezifische Anforderungen
aller PSAgA-Komponenten sind in europäisch harmonisierten Normen aufgeführt.
Hiernach bestehen Auffangsysteme4 aus
einem Auffanggurt und weiteren verschiedenen verbindenden Teilsystemen zu Auffangzwecken.
Generell handelt es sich bei PSAgA um persönliche Schutzausrüstungen der Kategorie
III gemäß der PSA-Herstellungsrichtlinie
(89/686/EWG), die zwingend für das Inverkehrbringen aller Ausrüstungen zum Schutz
gegen Absturz eine erfolgreich bestandene
4
Zu Auff angsystemen siehe Norm „Persönliche Absturzschutzausrüstung –Persönliche Absturzschutzsysteme“ (DIN EN 363)
Baumusterprüfung sowie nachfolgende Qualitätssicherungsmaßnahmen voraussetzt.
Jeder Käufer einer PSAgA wird daher in den
beiliegenden Unterlagen des jeweiligen PSAProdukts eine Konformitätserklärung vorfinden, die auf eine bestandene Baumusterprüfung verweist. Gleichzeitig sind in den
Benutzerhinweisen des Herstellers wichtige
Informationen zur Kombinierbarkeit des
PSA-Produkts mit anderen PSAgA enthalten,
die berücksichtigt werden sollten.
Nachfolgend erhalten Sie eine Einführung in
die vier derzeit üblichen Auffangsysteme:
• Auffangsystem mit Falldämpfer
• Auffangsystem mit mitlaufendem Auffanggerät an beweglicher Führung
• Auffangsystem mit Steigschutzeinrichtung
an fester Führung
• Auffangsystem mit Höhensicherungsgerät
Auffangsysteme mit Falldämpfer stellen die
die einfachste Art des Schutzes gegen
Absturz durch eine PSAgA dar, bei der sich
die Beschäftigten über einen Auffanggurt mit
Falldämpfer und ein Verbindungsmittel an
einem Anschlagpunkt sichern. In der Prinzipskizze von Abb. 9.1.1 ist der möglichst oberhalb der zu sichernden Person befindliche
Anschlagpunkt zu erkennen. Da mit Blick auf
die Beweglichkeit der zu sichernden Personen eine ausreichende Verbindungsmittellänge (max. 2 m incl. der Länge des Falldämpfers) zugestanden werden muss,
nimmt die mögliche Absturzhöhe entspre81
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Abb. 9.1.1: Auffangsystem mit Falldämpfer. Das Bildbeispiel verdeutlicht die Funktion der PSAgA hier in
der Anwendung als Y-Seil, beim Besteigen eines Freileitungsgittermastes.
chend der Verringerung der Anschlagpunkthöhe zu.
Sichert sich der Versicherte im Extremfall an
einem Anschlagpunkt in Bodenhöhe, beträgt
die mögliche Absturzhöhe 2 m zuzüglich der
Höhe des Anschlagpunktes an seinem Körper – in Summe also ca. 3,5 m. Unabhängig
von der Wirkungsweise der PSAgA ist stets
nach Anschlagpunkten zu suchen, die eine
möglichst geringe Absturzhöhe sicherstellen. Die max. Verbindungslänge zwischen
Auffanggurt und Anschlagpunkt von 2 m
findet ihre Begründung in den bauartspezifischen Eigenschaften der PSAgA, die generell
82
für Abstürze bis zu einer Höhe von 4 m ausgelegt sind. Diese Höhe ist gleichzeitig Basis
für alle Baumusterprüfungen, die PSAgA zu
bestehen haben.
Die Betrachtungen werden in Abb. 9.1.2 verdeutlicht. Es wird davon ausgegangen, dass
sich die hintere Anschlagöse des Auffanggurtes in ca. 1,5 m befindet. Bei einer
ungünstigen Befestigung des Sicherungsseils an einem Anschlagpunkt in Bodenhöhe
kommt es im Falle eines Absturzes in einem
ersten Schritt zu einer Fallhöhe von 3,5 m. Da
die Bandfalldämpfer aufreißen und sich hiermit verlängern, kann sich die Fallhöhe auf
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
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Abb. 9.1.2: Grafische Darstellung der zu berücksichtigenden Fallhöhen bei Verwendung eines
Auffangsystems mit Falldämpfer.
über 5,5 m verlängern. Bitte beachten Sie,
dass in dieser Situation noch die Beine des
Abgestürzten zusätzlich nach unten ragen.
Die Betrachtungen unterstreichen die Notwendigkeit einer Mindestarbeitshöhe, die jederzeit die Wirkung einer PSAgA vollständig
gewährleistet.
Generell gilt für diese Schutzausrüstung wie
für jede andere PSAgA: nach einem Absturz
ist die Ausrüstung einer weiteren Verwendung zu entziehen. In der Regel kann auch
der Sachkundige mögliche Schäden nicht
abschließend bewerten und wird die PSAgA
ausmustern.
Auffangsysteme mit mitlaufendem Auffanggerät an beweglicher Führung ermöglichen
im Vergleich zu einfachen Auffangsystemen
mit Falldämpfern eine deutlich gesteigerte
Bewegungsfreiheit. An einem Sicherungsseil
(Verbindungsmittel), das an einem Anschlagpunkt befestigt wird und das eine
beliebige Länge aufweisen kann, bewegt
sich das mitlaufende Auffanggerät. Über seinen Auffanggurt und das mitlaufende Auffanggerät verbindet sich der Benutzer mit
dem Sicherungsseil.
Die Skizze in Abb. 9.1.3 verdeutlicht, dass
sich der Anschlagpunkt bei diesem Auffangsystem möglichst oberhalb des Benutzers befinden sollte. Insbesondere bei vertikalen Bewegungsabläufen der PSAgA-Benutzer ist dies i. d. R. gewährleistet. So ermöglicht z. B. ein vertikal in einem Gittermast
verspanntes Sicherungsseil einen gesicherten Bewegungsablauf beim Besteigen der
Mastkonstruktion. Die Verbindungsmittellänge zwischen Auffanggurt und der beweglichen Führung darf maximal 1 m betragen5
und stellt damit nur minimale Absturzhöhen
sicher.
Wesentlich problematischer stellt sich die
horizontale Verwendung dieses Auffangsystems, z. B. im Rahmen von Tätigkeiten auf
Dächern, dar. Hierbei bietet das System zwar
den Vorteil, unterschiedlich weit von einem
5
Siehe Norm „Persönliche Schutzausrüstung gegen
Absturz – Mitlaufende Auff angeräte einschließlich
beweglicher Führung“ (DIN EN 353-2)
83
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Abb. 9.1.3: Auffangsystem mit mitlaufendem Auffanggerät an beweglicher Führung
Anschlagpunkt gelegene Arbeitsstellen
erreichen zu können, gleichzeitig besteht
durch „Schlaffseilbildung“ die erhebliche
Gefahr eines Absturzes über die Dachkante. Zur Schlaffseilbildung kommt es immer
dann, wenn der Beschäftigte eine Seillänge
einstellt, die größer als der Abstand vom
Anschlagpunkt zur Absturzkante ist.
Die Hersteller bieten z. T. recht unterschiedliche Auffanggeräte an, die sich z. B. in folgenden Attributen unterscheiden können:
• Das Auffanggerät ist fest mit der beweglichen Führung verbunden.
84
• Die Konstruktion kann von der Führung
getrennt werden – ein Lösen aus dem Auffangsystem ist an beliebiger Stelle möglich.
• Das Auffanggerät bewirkt die erforderliche
Falldämpfung im System. Hier rutscht im
Falle eines Absturzes ein Teil der beweglichen Führung durch das Auffanggerät –
Bewegungsenergie wird in Reibungswärme umgesetzt.
• Die Falldämpfung ist durch einen Falldämpfer zwischen Auffanggerät und Auffanggurt sicherzustellen.
• Die Falldämpfung wird durch einen Falldämpfer zwischen Anschlagpunkt und
beweglicher Führung erreicht.
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Allein die Vielzahl der hier vorgestellten
Varianten lässt erahnen, dass nicht jedes
Auffanggerät zu einer beliebigen Führung
passt. Erschwerend kommt hinzu, dass das
Wechselspiel zwischen Auffanggerät und
beweglicher Führung sehr unterschiedlich
sein kann. Deshalb gilt immer: Nur die im
Rahmen der Baumusterprüfung als erfolgreich bewerteten Seil-Auffanggeräte-Kombinationen dürfen zum Einsatz kommen. Somit
passt noch lange nicht jedes 16 mm Seil in
ein beliebiges für 16 mm Führungen vorgesehenes Auffanggerät. Hier sind die Angaben
in den Bedienungsanleitungen der Hersteller
konsequent zu beachten.
Auffangsysteme mit Höhensicherungsgerät
eignen sich insbesondere für Zugangssituationen und Arbeiten, bei denen sich der Anschlagpunkt konsequent oberhalb der zu
sichernden Personen befindet. Das Höhensicherungsgerät6 gewährleistet ein kontinuierlich gespanntes Sicherungsseil, das aus
einem Stahl- oder Chemiefaserseil, aber
auch aus einem Gurtband bestehen kann.
Gefährdungen durch „Schlaffseilbildung“
sind damit weitgehend ausgeschlossen. Im
Falle eines Absturzes blockiert eine Fliehkraftbremse das weitere Ausziehen des
Sicherungsseils – gleichzeitig übernimmt
das Gerät die Falldämpfung. Das kontinu-
Abb. 9.1.4: Auffangsystem mit Höhensicherungsgerät. Die Abbildung zeigt ein Produkt mit ausziehbarem Stahlseil.
85
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
ierlich gespannte Sicherungsseil wird von
einigen Nutzern z. T. als unangenehm und
hinderlich bei der Durchführung von Arbeiten eingestuft.
Ob im Stahlbau oder auch bei beliebigen
Arbeiten auf Flachdächern7: die Versuchung,
Höhensicherungsgeräte auch im horizontalen Auszug einzusetzen, ist groß. Der Verstellaufwand im Vergleich zu mitlaufenden
Auffanggeräten an beweglicher Führung
ist nicht gegeben, das Sicherungsseil stets
gespannt. Für derartige Einsätze sollten
jedoch ausschließlich Höhensicherungsgeräte ausgewählt werden, die herstellerseitig
für den horizontalen Einsatz konzipiert wurden und ihre Eignung im Rahmen einer Baumusterprüfung nachweisen konnten.
Generell gilt für sämtliche Arbeiten mit
Absturzgefahr an Absturzkanten: Die Verbindungsmittel sind ggf. durch die Scharfkantigkeit der Absturzkante (z. B. Betonkanten
oder Stahlprofile) gefährdet. In derartigen
Fällen ist der Einsatz von Verbindungsmitteln, die „scharfkantengeeignet“8 sind, dringend angezeigt. Eine erhöhte Gefährdung ist
generell bei Arbeiten an Trapezblechkanten
zu erwarten. Hier sollte dringend auf den Einsatz von Höhensicherungsgeräten verzichtet
werden.
Auffangsysteme mit Steigschutzeinrichtung
und fester Führung9 greifen auf fest installierte Führungen zum Einsatz mitlaufender
Auffanggeräte zurück. Als feste Führungen
86
haben sich in den vergangenen Jahren Schienensysteme, aber auch gespannte Stahlseilsysteme bewährt. Beide konstruktiven
Lösungen unterstützen Zugangswege und
ggf. auch Arbeitsplätze mit Absturzgefährdungen durch eine baulich vorgegebene
„Hilfseinrichtung“, die einen einfachen und
gleichzeitig komfortablen Einsatz von PSAgA
ermöglicht. Dabei entfällt die individuelle
Entscheidung des PSA-Benutzers bei der
Auswahl von Anschlagpunkten. Der Anschlagpunkt „begleitet“ ihn gewissermaßen
entlang seines gesamten Weges zum und am
Arbeitsplatz. Das mitlaufende Auffanggerät
für den Einsatz an Schienensystemen kann
als
• kraftschlüssig wirkende Konstruktion oder
als formschlüssig wirkendes Produkt ausgeführt sein.
• Kraftschlüssig wirkende Auffanggeräte
bremsen einen Absturz durch Klemmwirkung auf den festen Führungen ab. Bei
formschlüssig wirkenden Konstruktionen
6
7
8
9
Siehe auch DIN EN 360 „PSA gegen Absturz – Höhensicherungsgeräte“
Als Flachdächer werden Dächer mit Neigungen bis 20°
bezeichnet.
Scharfe Kanten sind i. d. R. bei einem Kantenradius kleiner 0,5 mm zu erwarten. Die Eignung der Verbindungsmittel in dieser Hinsicht wird von den prüfenden Stellen
in einem gesonderten Prüfverfahren nachgewiesen.
Siehe auch DIN EN 353-1 „PSA gegen Absturz – Teil 1:
Auff anggeräte einschließlich fester Führung“.
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
greifen Auffangnocken des jeweiligen mitlaufenden Auffanggerätes in Ausnehmungen der festen Führungen ein. Die Vielfalt
der möglichen konstruktiven Gestaltungen
ist recht groß – in jedem Fall ist sicherzustellen, dass ausschließlich das für
die spezielle feste Führung vorgesehene
mitlaufende Auffanggerät zum Einsatz
kommt. I. d. R. lässt die konstruktive
Ausformung der Führungen lediglich den
Einsatz des zugehörigen Auffanggerätes
zu. Mit Blick auf einen überschaubaren
Umfang von PSAgA empfiehlt es sich, in
einem Unternehmen möglichst nur einen
Typ eines Auffangsystems mit fester Führung einzusetzen.
Abb. 9.1.5: Auffangsystem mit Steigschutzeinrichtung und fester Führung. Das Foto zeigt eine Einholmsteigleiter mit mittiger Steigschutzschiene.
87
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Kommen Stahlseilsysteme als feste Führungen zum Einsatz, beruht die Wirkung des
mitlaufenden Auffanggerätes generell auf
seiner Klemmwirkung am Stahlseil. Bei zahlreichen Systemen können die Auffanggeräte
an beliebigen Stellen des Stahlseils gelöst
und wieder befestigt werden. Dies erleichtert
die Zugänglichkeit von Arbeitsstellen, bei
denen die festen Führungen durch die Versicherten verlassen werden müssen. Auch
Schienensysteme gestatten dieses Verlassen
der Führung, erfordern hierzu jedoch den
Einbau spezieller „Weichenelemente“.
Weiterhin ist u. a. auf folgende Merkmale
von Auffangsystemen mit festen Führungen
hinzuweisen:
• Die Auffangeigenschaften der Auffanggeräte sind jeweils nur in einer Laufrichtung
gewährleistet. Die Systeme müssen daher
so gestaltet sein, dass Auffanggeräte ausschließlich in Wirkungsrichtung eingesetzt
werden können. Diese Anforderung gilt für
alle Ein- und Ausfädelstellen sowie für alle
Weichensysteme.
Abb. 9.1.6: Feste Führung in Form eines gespannten Stahlseils. Das System ist leicht nachzurüsten, z. B. an Freileitungsgittermasten. Das
mitlaufende Auffanggerät bietet an jeder Stelle
die Möglichkeit zur Lösung aus dem System.
88
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
• Ist ein Verlassen des Systems ausschließlich durch ein Lösen des Versicherten vom
Auffanggerät möglich, muss sichergestellt
sein, dass dieses selbsttätig in der Position des „Verlassens“ verbleibt.
• Bei der Montage von Schienensystemen
ist auf einen kontinuierlichen Führungsverlauf an den Stoßstellen der Schienenschüsse zu achten. Unfälle mit schwersten
Verletzungsfolgen mussten in der Vergangenheit durch Herausrutschen der beweglichen Auffanggeräte an den Stoßstellen
der Führungen beklagt werden.
• Jedes Verlassen dieses Auffangsystems
in Bereichen mit Absturzgefahr setzt eine
vorherige Sicherung durch ein anderes
Auffangsystem voraus. Wird z. B. entsprechend Abb. 9.1.6 das System des gespannten Stahlseils zum Besteigen einer
Gittermasttraverse verlassen, muss sich
der Monteur zuvor an einem Mastbauteil
sichern.
Die zuletzt beschriebene Notwendigkeit
einer kontinuierlichen Sicherung gegen
Absturz gilt für jeden Wechsel zwischen
unterschiedlichen Auffangsystemen.
9.2 PSA-Bestandteile von Auffangsystemen
Nachfolgend wird ein Überblick über die
wesentlichen und gebräuchlichen PSABestandteile gegeben, die in Auffangsystemen zum Einsatz kommen. In Abhängigkeit
der Absturzgefährdungen, die sich aus unterschiedlichen baulichen und konstruktiven
Bedingungen am Arbeitsplatz und der Art
mannigfaltiger Tätigkeiten sehr vielfältig darstellen können, muss der Unternehmer die
geeigneten PSA-Bestandteile auswählen.
9.2.1 Auffanggurte
Der zentrale Bestandteil jedes Auffangsystems ist der Auffanggurt10. Er muss ein sicheres Auffangen des menschlichen Körpers
im Absturzfall sowie ein risikoarmes Halten
nach dem Absturz gewährleisten. Jeder Auffanggurt verfügt i. d. R über vergleichbare
Konstruktionselemente:
•
•
•
•
Bauchgurt mit Schnalle
Schultergurte
Bein- und Sitzgurtbänder
Auffangöse (i. d. R rückenseitig angeordnet) und
• Einstellmittel zur Anpassung der Gurte
In Abhängigkeit der Anforderungen, die sich
aus der Art der durchzuführenden Arbeiten
ergeben sowie mit Blick auf die Wünsche an
den Tragekomfort sind die Ausstattungsvarianten von Auffanggurten recht vielfältig.
Übliche Ausstattungsvarianten beinhalten
u. a. folgende konstruktive Ergänzungen:
• Im Bereich der Beckenknochen erhält der
Auffanggurt eine Ausstattung mit jeweils
10
Zu Auff anggurten siehe auch DIN EN 361 „PSA gegen
Absturz – Auff anggurte“
89
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
• Der Bauchgurt wird auf der Rückseite mit
einer Rückenstütze ausgestattet, die das
zuvor beschriebene Arbeiten unter Nutzung der Haltefunktion wesentlich komfortabler und ermüdungsfreier ermöglichen.
gen in und Lösen aus dem Karabinerhaken
ermöglicht. In Abhängigkeit der Lage des
Anschlagpunktes kann die Nutzung der
brustseitigen Auffangöse zum Verlauf des
Verbindungsmittels im Gesichtsfeld des
Beschäftigten führen und hierdurch bei
der durchzuführenden Tätigkeit hinderlich
sein. Erfahrungsgemäß fühlen sich Beschäftigte bei einem freien Hängen im Gurt
bei einer Sicherung an der brustseitigen
Auffangöse wesentlich wohler. Dies erklärt
sich durch den jederzeit möglichen Blick
auf den Anschlagpunkt sowie die verbesserte Möglichkeit, bei einer erfolgenden
Rettung aktiv mitwirken zu können.
• Der Gurt wird um eine brustseitige Auffangöse ergänzt, die ein leichteres Einhän-
• Eine Integration einer Steigschutzöse in
den Bauchgurt ermöglicht eine gleichzeiti-
einer seitlichen Halteöse. Diese Ausführung ermöglicht die Verwendung des Gurtes in der so genannten Haltefunktion. Hierbei positioniert sich der Beschäftigte durch
ein Halteseil, das von einer Halteöse um
ein tragfähiges Bauteil am Arbeitsplatz zur
nächsten Halteöse geführt wird. Hierdurch
können Arbeiten bei einer in den Gurt gelehnten Körperhaltung ausgeführt werden.
Abb. 9.2.1.1: Produktbeispiel für einen umfangreich ausgestatteten Auffanggurt
90
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Grundsätzlich sollte stets die Möglichkeit zur
Erprobung von Auffanggurten in Anspruch
genommen werden. Selbst aufwändig ausgestattete und z. T. hochpreisige Gurte sind
nicht für Jedermann gleich geeignet. Hängeversuche tragen daher zur Überzeugung
der Beschäftigten hinsichtlich der Eignung
einzelner Auffanggurtmodelle bei.
9.2.2 Verbindungsmittel
Verbindungsmittel11 stellen die Verbindung
zwischen Auffanggurt und dem jeweiligen
Anschlagpunkt her. Hierzu weisen sie geeignete Endverbindungen, z. B. zur Aufnahme von
Abb. 9.2.1.2: Hersteller bieten z. T. auch in Kleidungsstücke integrierte Auffanggurte an.
ge Verwendungsmöglichkeit des Auffanggurtes bei der Benutzung von festen Führungen mit mitlaufenden Auffanggeräten
(z. B. Steigschutzeinrichtungen an Steigleitern). Keinesfalls eignen sich seitliche
Halteösen zur Verwendung von mitlaufenden Auffanggeräten.
• Befestigungsösen ergänzen gut ausgestattete Auffanggurte. Selbstverständlich sind
sie nicht zur Sicherung des Gurtbenutzers
gegen Absturz zu verwenden, aber sie bieten z. B. eine komfortable Möglichkeit zur
Aufnahme von Werkzeugtaschen.
Abb. 9.2.2.1: Wird die Verbindung zwischen
Anschlagpunkt und Auffanggurt über eine bewegliche Führung mit mitlaufendem Auffanggerät
hergestellt, besteht die Gefahr der Bildung von
„Schlaffseil“. Eine ausreichende Sicherheit ist
daher nur bei korrekt eingestellter Seillänge und
einer gradlinigen Annäherung an die Absturzkante (hier Dachkante) möglich.
11
Zu Verbindungsmitteln siehe DIN EN 354 „PSA gegen
Absturz – Verbindungsmittel“
91
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Karabinerhaken, auf. Die Länge jedes Verbindungsmittels darf einschließlich eines ggf. vorhandenen Falldämpfers sowie der Endverbindungen mit Karabiner nicht mehr als 2 m betragen. Nur über diese Festlegung und deren
strikte Berücksichtigung bei der Verwendung
von PSAgA kann eine maximal zulässige Fallhöhe12 von 4 m sichergestellt werden. Die maximale Fallhöhe darf keinesfalls überschritten
werden, da alle Komponenten der PSAgA ausschließlich für diese Belastung geprüft sind.
Bei der Betrachtung der maximal zulässigen
Fallhöhe sind insbesondere Kombinationen
aus beweglichen Führungen mit mitlaufenden Auffanggeräten kritisch zu bewerten.
Hier besteht die Gefahr, durch eine falsche
Einstellung des mitlaufenden Auffanggerätes an der beweglichen Führung eine freie
Seillänge einzustellen, die im Einzelfall eine
unzulässige Fallhöhe ermöglicht. Derartige
Gefährdungen ergeben sich leicht bei der
Verwendung dieser PSAgA-Kombinationen,
z. B. beim Begehen von Flachdächern oder
bei Arbeiten auf Freileitungsmasttraversen.
Verbindungsmittel können unterschiedliche
Konstruktionsformen, z. B. als Einfachseil
oder als Y-Seil aufweisen und dürfen aus
einem Chemiefaserseil, einem Drahtseil,
einem Gurtband oder einer Kette bestehen.
Die Verwendung von Naturfasern scheidet
generell aus.
Abb. 9.2.2.2: Einsatz eines Y-Seils als Verbindungsmittel für das gesicherte Besteigen eines
Freileitungsgittermastes
teten Karabinerhaken, einem Augenspleiß
oder einer eingenähten Schlaufe (bei Gurtbändern) bestehen. Verbindungsmittel aus
textilen Werkstoffen müssen einer statischen
Belastung von mindestens 22 kN, im Falle
metallischer Werkstoffe von mindestens
15 kN standhalten. Im Rahmen der nach den
Normen DIN EN 354 und DIN EN 36413 durchzuführenden Prüfungen dürfen durch die
Belastungen keine Risse oder Brüche in
allen Einzelteilen der Verbindungsmittel
auftreten.
12
Die Endverbindungen können aus einem
Verbindungselement, z. B. einem eingearbei92
Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Auff angsystemen in Abschnitt 9.1 und Abb. 9.1.2
13
Grundlegende Anforderungen an Prüfungen sind festge legt in DIN EN 364 „PSA gegen Absturz – Prüfverfahren“
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Verbindungsmittel sind im klassischen Sinne
so einzusetzen, dass ein Anschlagpunkt
möglichst oberhalb der zu sichernden Person
ausgewählt wird. Mit Blick auf die beschriebene maximale Länge der Verbindungsmittel
kann hiermit eine möglichst geringe Restabsturzhöhe realisiert werden. Im nebenstehenden Bildbeispiel kommt ein Y-Seil zum
Einsatz, das die abwechselnde Schaffung eines Anschlagpunktes ermöglicht und damit
ein kontinuierlich gesichertes Besteigen,
z. B. eines Gittermastes, ermöglicht.
9.2.3 Falldämpfer
Die im Falle eines Absturzes auftretenden
Fangstoßkräfte durch die PSAgA sind ohne
zusätzliche Dämpfungsmaßnahmen für den
menschlichen Körper nicht verträglich. Europaweit besteht derzeit Einigkeit, dass die
Fangstoßkräfte einen Wert von 6 kN nicht
überschreiten dürfen. Die Verwendung von
Falldämpfern, die eine Überschreitung die-
ser maximalen Fangstoßkraft sicher ausschließen, ist daher in jedem Auffangsystem
eine zwingende Verpflichtung.
Kommt eine PSAgA ohne Falldämpfer zum
Einsatz, nehmen die Fangstoßkräfte bei
einem „Minimalabsturz von 1 m“ bereits
Werte von ca. 7 – 8 kN an. Mit zunehmender
Fallhöhe steigen die Fangstoßkräfte weiter
merklich an.
Durch die Stoßbelastung kommt es zwangsläufig zu einer Längenänderung der Falldämpfer. DIN EN 355 gibt für das Prüfverfahren vor, dass die Auffangstrecke kleiner
als die doppelte Länge von Falldämpfer
einschließlich des Verbindungsmittels zuzüglich 1,75 m betragen muss.
Abb. 9.2.3.2: Beispiel für einen Bandfalldämpfer
Falldämpfer14 stellen nach der zugehörigen
europäischen Norm ein Einzelteil oder einen
Bestandteil eines Auffangsystems dar. NachAbb. 9.2.3.1: Stoßkräftediagramm für Abstürze in
PSAgA ohne und mit Falldämpfer
14
Zu Anforderungen an Falldämpfer siehe auch
DIN EN 355 „PSA gegen Absturz – Falldämpfer“
93
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
folgende konstruktive Lösungen für Falldämpfer haben u. a. Einzug in die betriebliche Verwendungspraxis gefunden:
• Falldämpfer als Einzelteile finden die häufigste Verwendung. Dabei liegt der Bandfalldämpfer eindeutig an erster Stelle der
Käufer- und Anwendergunst. Bandfalldämpfer (siehe Abb. 9.2.3.2) bestehen
in der Regel aus miteinander verwebten
Lagen einzelner Gurtbänder, die im
Absturzfall aufreißen und die kinetische
Sturzenergie umwandeln. Das Gurtpaket
ist i. d. R. von einer Kunststoff- oder Gewebehülle umgeben, die keine falldämpfende Funktion besitzt.
Abb. 9.2.3.3: Produktbeispiel für einen Reibungsfalldämpfer
• Reibungsfalldämpfer (siehe Abb. 9.2.3.3)
wandeln die Sturzenergie in Reibungswärme um. Hierbei rutscht im Absturzfall
das Verbindungsmittel mehrfach umgelenkt durch ein metallisches Konstruktionselement.
94
• Bandfalldämpfer als integraler Bestandteil in einem Verbindungsmittel finden
ebenfalls häufig Verwendung. Hierbei
kann auf die Verbindung des Falldämpfers
mit dem Verbindungsmittel durch einen
Karabinerhaken verzichtet werden. Dies
spart Gewicht – gleichzeitig ist das fertig
konfektionierte Verbindungsmittel mit Falldämpfer i. d. R. max. 2 m lang.
• Vereinzelt werden Auffanggurte mit integrierten Falldämpfern angeboten. Derartige
PSAgA stellen sicher, dass die Verwendung des Falldämpfers nicht vergessen
werden kann. Wie bei allen anderen
PSA-Produkten mit integrierten Bestandteilen besteht auch hier im Fall einer Beschädigung i. d. R. die Notwendigkeit, das
Gesamtprodukt auszusondern.
• Die falldämpfende Funktion eines Auffangsystems kann auch durch die Wirkungsweise eines mitlaufenden Auffanggerätes realisiert sein. Hierbei rutscht das
Auffanggerät im Absturzfall eine kurze
Strecke über die bewegliche Führung und
reduziert die Fallenergie. Hier sind die Herstellerangaben genauestens zu berücksichtigen.
• In Abhängigkeit der Länge einer beweglichen Führung, insbesondere bei der
Verwendung von Kernmantelseilen, kann
diese die falldämpfende Funktion übernehmen. Auch hier sind die Herstellerangaben genauestens zu berücksichtigen.
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
9.2.4 Verbindungselemente
Verbindungselemente15 sind öffenbare Konstruktionselemente und dienen in einem
Auffangsystem zur Verbindung der einzelnen
Bestandteile und zur Verbindung des Systems mit einem Anschlagpunkt. Die derzeit
am Markt erhältlichen unterschiedlichen
Konstruktionsformen, die abgesehen von
Schraubverschluss-Verbindungselementen
selbstschließende Verschlüsse aufweisen
müssen, lassen sich nach DIN EN 362 in vier
Verbindungselement-Klassen einteilen:
Abb. 9.2.4.1: Produktbeispiel für einen Karabinerhaken (Verbindungselement-Klasse M)
• Mehrzweck-Verbindungselemente (Klasse
M), auch als Karabiner bezeichnet, sind
Elemente, die sich sowohl zur Verbindung
von PSA-Einzelteilen als auch zum Einhängen in einen Anschlagpunkt eignen. Derartige Karabiner werden in einer großen
Produktvielfalt angeboten.
15
Zu Anforderungen an Verbindungselemente siehe auch
DIN EN 362 „PSA gegen Absturz – Verbindungselemente“
Abb. 9.2.4.2: Produktbeispiel für ein AbschlussVerbindungselement (Klasse T)
• Abschluss-Verbindungselemente (Klasse
T) sind für eine feste Verbindung mit einem Verbindungsmittel vorgesehen. Sie
werden i. d. R. bereits herstellerseitig über
ihre geschlossene Öse mit einem Sicherungsseil oder einem Falldämpfer verbunden.
Sowohl Mehrzweck- als auch AbschlussVerbindungselemente sind in unterschiedlichen Ausführungen zum Schutz gegen ein
unbeabsichtigtes Öffnen erhältlich. Dabei
sind mindestens zwei, voneinander unabhängige Betätigungen zum Öffnen des Karabiners erforderlich. Vor der Klappbewegung
des Verschlusses ist z. B. eine federbelastete
Sicherungshülse zurückzuziehen. Einzelne
Karabinermodelle verfügen über schraubbare Sicherungshülsen. Bei derartigen Produkten besteht grundsätzlich die Gefahr, dass
sie im ungesicherten Zustand verbleiben,
da die Betätigung der zusätzlichen Schraubsicherung vollständig vom Verhalten der
Benutzer abhängt.
95
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Zwischenzeitlich wurde eine weitere Entwicklung von Karabinern vorgestellt, die
über eine zweifache Sicherung gegen ein
unbeabsichtigtes Öffnen verfügen. Derartige, auch als Trilook-Karabiner bezeichnete
Verbindungselemente erfordern z. B. ein
Zurückziehen und ein anschließendes Drehen der Sicherungshülse, bevor der Karabinerverschluss aufgeklappt werden kann.
Trilook-Karabiner sind ungeachtet ihres hohen Sicherheitsniveaus i. d. R. nur mit zwei
Händen zu bedienen. Hierdurch eignen sie
sich insbesondere für alle Verbindungen, die
nur selten zu lösen sind.
• Auch Verankerungs-Verbindungselemente
(Klasse A) werden häufig fest mit einem
Sicherungsseil verbunden und sind dafür
konstruiert, mit einer besonderen Verankerung verbunden zu werden. Häufig handelt
es sich bei den Verankerungen um Konstruktions- und Bauteile, z. B. um unter-
schiedliche Profile von Freileitungs- oder
Antennenmasten. Die Verbindungselemente werden z. T. auch als so genannte
„Klapphaken“ ausgeführt und gestatten
unter Verwendung einer Stange ein Einhängen in Bauteile weit oberhalb des
Standortes der zu sichernden Personen.
Abb. 9.2.4.4: Produktbeispiel für ein Schraubverschluss-Verbindungselement der Klasse Q
• Schraubverschluss-Verbindungselement
(Klasse Q) sind Elemente, die mittels einer
Überwurfmutter verschlossen werden.
Durch das vollständige Zuschrauben wird
die Mutter zu einem lasttragenden Teil des
Verbindungselements. Diese Verbindungselemente sind nicht für ein wiederkehrendes Öffnen und Schließen vorgesehen. Ihr
Einbau in ein Auffangsystem sollte den
Herstellern vorbehalten bleiben.
9.2.5 Höhensicherungsgeräte
Abb. 9.2.4.3: Produktbeispiele für Verbindungselmente der Klasse A
96
Bedingt durch die begrenzte Länge der
Verbindungsmittel auf maximal 2 m ermöglichen die meisten bereits vorgestellten Auffangsysteme nur eine begrenzte Beweglich-
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
keit ihrer Benutzer. Das mehr „Bewegungsspielräume“ anbietende System aus mitlaufendem Auffanggerät und beweglicher
Führung erfordert zumindest eine kontinuierliche Anpassung des Systems an die jeweilige Position seines Benutzers. Eine quasi
„selbsttätige“ Bewegung des mitlaufenden
Auffanggerätes kann in der Regel nur bei
vertikal gespannten beweglichen Führungen
(Sicherungsseilen) erzielt werden. Die seit
vielen Jahren im Einsatz befindlichen Höhen-
sicherungsgeräte16 weisen die gewünschten
„Bewegungsspielräume“ für ihre Benutzer
auf, stellen aber insbesondere durch ihr
Gewicht auch kein Allheilmittel gegen alle
Absturzgefährdungen dar.
Höhensicherungsgeräte sind nach europäischer Norm als Auffanggeräte mit einer
selbsttätigen Blockierfunktion und einer
automatischen Spann- und Einziehvorrichtung für das Verbindungsmittel definiert.
Dabei darf die falldämpfende Funktion in
dem Gerät selber eingebaut sein oder das
einziehbare Verbindungsmittel verfügt über
eine integrierte Falldämpfung. Das einziehbare Verbindungsmittel kann aus einem
Chemiefaserseil, einem Drahtseil oder aus
einem Gurtband bestehen.
Der federkraftbetätigte Wickelmechanismus
gestattet es, die für die Durchführung der jeweiligen Arbeiten erforderliche Verbindungsmittellänge aus dem Höhensicherungsgerät
herauszuziehen. Das Seil oder Band passt
sich in seiner Länge automatisch den Bewegungsvorgängen des Benutzers an. Selbstverständlich sind die nutzbaren Seil- und
Bandlängen durch die Baugröße der Höhensicherungsgeräte begrenzt. Übliche Verbindungsmittellängen liegen bei 10 bis 30 m.
Wird das Seil mit hoher Geschwindigkeit,
dies ist bei einem Absturz der Fall, aus dem
16
Abb. 9.2.5.1: Blick auf ein Höhensicherungsgerät
mit teilweise aufgetrenntem Gehäuse
Zu Anforderungen an Höhensicherungsgeräte siehe
auch DIN EN 360 „PSA gegen Absturz – Höhensicherungsgeräte“
97
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Gerät gezogen, blockiert der Wickelmechanismus formschlüssig durch eine Fliehkraftbremse. Dieser Funktionsmechanismus
erklärt das generelle Verwendungsverbot
von Höhensicherungsgeräten bei der Begehung von oder Arbeiten in der Nähe von
Stoffen, bei denen die Gefahr des Versinkens
besteht. Höhensicherungsgeräte sind daher
für die Sicherung von Personen bei Arbeiten
in Silos grundsätzlich nicht zulässig.
Die Vielzahl der derzeit angebotenen Geräte
ist herstellerseitig für eine möglichst vertikal
über dem Nutzer gelegene Positionierung
ausgelegt. Immer wieder ist jedoch die
nahezu horizontale Verwendung von Höhensicherungsgeräten, insbesondere bei Arbeiten auf Flachdächern, zu beobachten. In jüngerer Vergangenheit wurden einzelne Produkte von den Herstellern auch für derartige
Einsätze konzipiert und die Eignung der
Geräte auch im Rahmen von Baumusterprüfungen nachgewiesen. Allen Anwendern von
Höhensicherungsgeräten wird daher eine
Beratung durch die Hersteller sowie die
Beachtung der Bedienungsanleitungen dringend empfohlen.
Mit Blick auf die Gehäusegrößen der Höhensicherungsgeräte sind verständlicherweise
der Dimensionierung der Seile und Bänder
Grenzen gesetzt. In der Vergangenheit waren
wiederholt Unfälle zu beklagen, bei denen
Beschäftigte über Kanten verschiedener
Baukörper abstürzten und die PSAgA durch
durchtrennte Seile oder Gurte von Höhen98
sicherungsgeräten versagten. Die auf das
Verbindungsmittel einwirkenden Kräfte
können zum einen durch die Umlenkung
an der Absturzkante und zum anderen
durch die Scharfkantigkeit des Baukörpers
zu einer Durchtrennung des Seils oder des
Gurtbandes führen – i. d. R. mit tödlichen
Absturzfolgen. Auch hier gilt: Besteht die
Gefahr eines Absturzes über eine Kante, dürfen ausschließlich Höhensicherungsgeräte
eingesetzt werden, die für eine derartige Verwendung durch den Hersteller ausdrücklich
freigegeben sind.
Die Funktion des Höhensicherungsgerätes
muss eine maximale Fangstoßkraft von 6 kN
sicherstellen. Die maximale Bremskraft muss
vom Gerät auch bei vollständig ausgezogenem Verbindungsmittel sicher aufgenommen
werden.
Wiederkehrende Prüfungen von Höhensicherungsgeräten können i. d. R. nur von den
Herstellern vollständig durchgeführt werden,
da neben einer äußeren Begutachtung auch
die Bewertung des inneren Zustandes des
Gerätes erforderlich ist.
9.2.6 Anschlageinrichtungen
Die ordnungsgemäße Funktion jedes Auffangsystems hängt letztendlich von der Eignung des ausgewählten Anschlagpunktes
ab. Anschlagpunkte können dabei einerseits
ausgewählte bauseitige Konstruktionselemente, wie z. B. Holz-, Stahl- oder Beton-
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
träger, und andererseits spezielle für das
Anschlagen von PSAgA konzipierte und
hergestellte Konstruktionselemente sein.
Die letzt genannten Konstruktionselemente
werden in der europäischen Normung als
Anschlageinrichtungen17 bezeichnet.
Anschlageinrichtungen sind Einrichtungen
mit einem oder mehreren Anschlagpunkten
zum Anschlagen und Befestigen von Auffangsystemen18. Im Einzelfall können auch
speziell für den Einbau in Dächer vorgesehene Einzelteile19, z. B. Dachspiralen und
Sicherheitsdachhaken, als Anschlageinrichtungen dienen. Nach DIN EN 795 werden
folgende Klassen von Anschlageinrichtungen unterschieden:
Klasse A1: Anker zur Befestigung an vertikalen, horizontalen und geneigten Flächen
– z. B. Wänden, Säulen, Stürzen.
Diese Anschlageinrichtungen sind i. d. R. als
Einzelanschlagpunkt ausgeführt und für die
Sicherung einer Person gegen Absturz konzipiert. Für eine sichere Aufnahme der Fangstoßkräfte im Falle eines Absturzes sind die
herstellerseitig beschriebenen Anforderungen für den Einbau zwingend einzuhalten.
In der Einbauanleitung sind z. B. die Bauelemente und deren Materialbeschaffenheit zu
beschreiben und genaue Angaben zur Verwendung von Montagehilfsmaterial, wie z. B.
Dübel und Schrauben, zu unterbreiten.
Erfahrungen mit Unfällen haben wiederholt
gezeigt, dass Anschlageinrichtungen unzureichend eingebaut wurden. Ein besonderer
Augenmerk ist auf Anschlagpunkte zu richten, die in Flachdächern eingebaut sind. Hier
sind z. T. umfangreiche Maßnahmen zu treffen, um eine ausreichende Verankerung des
Anschlagpunktes bei gleichzeitiger Dichtheit
des Daches sicherzustellen.
17
Abb. 9.2.6.1: Anschlagpunkt mit fest zu verklebender Stahlhülse und einem lösbaren Bolzen mit
Anschlagöse. Bei entfernter Anschlagöse ist der
Anschlagpunkt unauffällig in Wände und Decken
zu integrieren.
Nähere Regelungen zu Anschlageinrichtungen sind u. a.
enthalten in DIN EN 795 „Persönliche Schutzausrüstung
– Anschlageinrichtungen“
18
Zu Anschlageinrichtungen siehe auch „BG-Regel „Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen gegen
Absturz“ (BGR 198)
19
Zum Einsatz von Einzelteilen auf Dächern als Anschlageinrichtungen siehe u. a. DIN EN 516 „Vorgefertigte
Zubehörteile für Dacheindeckungen; Einrichtungen
zum Betreten des Daches; Laufstege, Trittflächen und
Einzeltritte“ und DIN EN 517 „Vorgefertigte Zubehörteile
für Dacheindeckungen; Sicherheitsdachhaken“
99
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Abb. 9.2.6.2: Beispiel für einen Anschlagpunkt
auf einem Flachdach (Klasse A1). Zum Schutz vor
Witterungseinflüssen kommt eine Schutzkappe
zum Einsatz.
Für alle Anschlageinrichtungen gilt gleichermaßen: eine Beurteilung der ausreichenden
Tragfähigkeit vor Ort ist ohne weiteres kaum
möglich.
Eine reine Inaugenscheinnahme scheidet
aus – lediglich stark korrodierte oder „wackelige“ Anschlagpunkte können hierdurch
erkannt werden. Auch Belastungsprüfungen
können Nachteile aufweisen. Sie sind im
Einzelfall nicht auf Abruf durchführbar, erfordern eine umfangreiche Sachkunde der
Prüfer und können ggf. zu Beschädigungen
der Anschlagpunkte führen.
Klasse A2: Anker zur Befestigung an
geneigten Dächern
Leider weisen geneigte Dächer nur in Ausnahmefällen Anschlagpunkte auf. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass z. B.
100
Abb. 9.2.6.3: Dachspiralen als Anschlageinrichtung der Klasse A2. Neben der Funktion als
System bietet jede Dachspirale auch einen
Einzelanschlagpunkt.
Kamine, Tragkonstruktionen für Antennen
oder Fotovoltaikanlagen i. d. R. nicht als Anschlagpunkte geeignet sind.
Die derzeit verbreitetsten Anschlagpunkte
stellen Sicherheitsdachhaken nach DIN EN
517 dar, die jedoch nicht als Anschlageinrichtungen nach DIN EN 795 eingestuft sind.
Diese auch als Anschlagpunkt geeigneten
Sicherheitsdachhaken sollten auf keinen Fall
mit handelsüblichen Dachhaken verwechselt
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
werden, die hauptsächlich zur Aufnahme
von Dachleitern vorgesehen sind.
Ein neues System zur Sicherung gegen Absturz auf geneigten Dächern hält seit kurzem
Einzug in die Praxis – Dachspiralen (siehe
Abb. 9.2.6.3) ermöglichen ein vollständig
gesichertes Begehen von Dachflächen. Die
in Abständen von ca. 1 bis 1,5 m installierten
Dachspiralen ermöglichen durch spiralförmige Bolzen ein einfaches Einfädeln von Sicherungsseilen (bewegliche Führungen) bei
gleichzeitiger Benutzung eines mitlaufenden
Auffanggerätes. Mit einigen Spiralen bis zum
Dachfirst und weiteren Spiralen parallel zum
Dachfirst kann ein vollständig gegen Absturz
geschütztes Begehen von Dächern realisiert
werden.
Klasse B: Transportable, vorübergehend
angebrachte Anschlageinrichtungen (z. B.
Querträger, Trägerklemmen, Dreibein
Temporär einsetzbaren Anschlageinrichtungen ist eine hohe Bedeutung zuzumessen,
da zahlreiche mit Absturzgefährdungen
behaftete Arbeitsplätze über keine festen
Anschlagpunkte verfügen. Die zugehörigen
Bildbeispiele verdeutlichen die universellen
Einsatzmöglichkeiten dieser Anschlageinrichtungen. Selbstverständlich sind nur solche Baukörper und Konstruktionselemente
zum Einsatz der Anschlageinrichtungen auszuwählen, die die Belastungen im Fall eines
Absturzes sicher aufnehmen können.
Türtraversen lassen sich daher ausschließlich an Zargen tragfähiger Wände einsetzen.
Die in Abb. 9.2.6.4 vorgestellte Trägerklemme bietet vielseitige Verwendungsmöglichkeiten zur Sicherung an Stahlträgern. Die
C-förmigen Halteklammern lassen sich auf
dem Tragkörper vielstufig verstellen und bieten aufgrund ihrer Kunststoffauskleidung ein
Abb. 9.2.6.4: Verschiebbare Trägerklemme zum
Einsatz als temporärer Anschlagpunkt auf Stahlträgern
gutes Gleitverhalten auf Stahlträgern. Die
Trägerklemme kann sowohl als über Kopf
gelegener Anschlagpunkt einsetzt werden
als auch auf einem Stahlträger zum Einsatz
kommen.
Zur Klasse C gehören Anschlageinrichtungen mit horizontalen beweglichen Führungen, die um höchstens 15° von der Horizontalen abweichen.
Klasse D: Anschlageinrichtungen mit horizontalen starren Führungsschienen
101
9. Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Diese Anschlageinrichtungen empfehlen
sich für die Ausstattung von Zugangswegen, die wiederkehrend zum Erreichen von
Arbeitsplätzen, z. B. von funktechnischen
Einrichtungen auf Dächern oder Antennenträgern, benutzt werden. Die starren
Führungsschienen geben einen eindeutigen
Zugangsweg vor und lassen eine individuelle
Entscheidung des Beschäftigten über zu
treffende Sicherungsmaßnahmen nicht zu.
Werden zahlreiche Zugänge zu unterschiedlichen Arbeitsplätzen mit den gleichen Systemen ausgestattet, verringert sich gleichzeitig
der Umfang der einzusetzenden PSAgA.
Die Systeme haben sich in der Vergangenheit
durch eine hohe Resistenz gegen Witterungseinflüsse ausgezeichnet. Absturzunfälle sind
102
bei einer sachgerechten Benutzung so gut
wie ausgeschlossen.
Bei Klasse E-Anschlageinrichtungen handelt
es sich um durch Eigengewicht gehaltene
Einrichtungen zur Benutzung auf horizontalen Flächen, die um höchstens 5° von der Horizontalen abweichen. Beispiele für derartige
Anschlageinrichtungen sind z. B. mit Wasser
zu befüllende Konstruktionen. Der zeitliche
Aufwand zum Aufbau dieser Anschlagreinrichtungen ist erfahrungsgemäß hoch – teilweise verfügen die Deckenkonstruktionen
nicht über die erforderliche Tragfähigkeit
zum Einsatz der Einrichtungen. Klasse E-Anschlageinrichtungen sind daher in der Praxis
eher selten anzutreffen.
10. Schutz der Haut
Dipl.-Ing. Christel Trautmann
Hautschutzmittel gehören zur persönlichen
Schutzausrüstung. Für Gefährdungen durch
den Hautkontakt mit hautgefährdenden
Stoffen und Feuchtarbeit sind in der TRGS
(Technische Regel für Gefahrstoffe) 401 Regelungen zu finden. Konkrete Anleitungen
zur Anwendung von Hautschutz sind in der
BG ETEM-Broschüre „Hautschutz“ (MB 003)
zusammengefasst.
Die Hautschutzmittel werden im Gegensatz
zu anderen PSA, z. B. Handschuhe, direkt
auf die Haut aufgetragen.
Mit einer Oberfläche von etwa 2 m2 und
einer Dicke von 1 bis 4 mm ist die Haut ein
wichtiges Organ des Menschen. Neben dem
Schutz vor physikalischen, chemischen und
bakteriellen Einwirkungen hat sie wichtige
Aufgaben im Stoffwechsel und bei der Wärmeregulierung zu erfüllen. Die Haut vermittelt auch Sinneseindrücke wie Tastsinn,
Berührungsempfindung, Schmerzempfindung und Temperaturempfindung. Die Hornschicht ist die Barriereschicht der Oberhaut
und ist ca. 0,02 mm dick.
Der Anteil der berufsbedingten Hauterkrankungen an den Berufskrankheiten ist sehr
hoch.
Abb. 10.1: Aufbau der Haut
Zwei Beispiele:
Beispiel 1
Kühlschmierstoffe (KSS) werden in der spangebenden Metallbearbeitung zum Kühlen,
Schmieren und Spülen der Bearbeitungs-
Kühlschmierstoffe,
Lösemittel, Öle
Reibemittel- oder
lösemittelhaltige
Hautreinigungsmittel
UV-Strahlung,
Hitze, Kälte
Feuchtes
Milieu
Ständige
mechanische
Beanspruchung,
Verschmutzung
Hauterkrankungen können viele Ursachen
haben. Sie können bei offensichtlich aggressiven Stoffen auftreten oder bei sensibilisierenden Stoffen, die eine Allergie auslösen
können.
Gießharze,
Acrylate,
Isocyanate
Säuren,
Laugen
Bakterien, Pilze
Abb. 10.2: Belastungen der Haut
103
10. Schutz der Haut
stelle benötigt. Bei unsachgemäßem
Umgang mit ihnen können sie auf vielfältige
Weise zu Hautschäden führen.
• Öle entfetten die Haut, sie wird rau und
rissig
• durchnässte Arbeitskleidung oder Schutzschuhe werden nicht gewechselt
• Gehörschutzstöpsel in Lärmbereichen werden mit verschmutzten Händen angefasst
und in den Gehörgang eingeführt
• Bestimmte Additive wirken Haut reizend
und allergisierend
• Späne im gebrauchten KSS führen zu Mikroverletzungen der Haut
• Bakterien und Keime können über Mikroverletzungen der Haut eindringen und zu
Entzündungen führen
Kühlschmierstoffe können auch auf indirektem Wege – bei mangelnder Hygiene – zu
Hauterkrankungen führen.
Ursachen hierfür sind u. a.:
• Maschinenputzlappen werden in die
Hosentaschen gesteckt
Abb. 10.4: Härter
Beispiel 2
Gießharze, z. B. Polyester- und Epoxidharze,
kommen aIs 2-Komponentensysteme (Harz
und Härter) zur Anwendung.
Bei Hautkontakt mit den flüssigen Monomeren (Harz) und auch den Härtern besteht die
Gefahr von Hautreizungen oder allergischen
Hautreaktionen.
Bestimmte Härter oder Zusatzstoffe sind zudem stark ätzend (z. B. organische Peroxide)
bzw. können durch Hautresorption in den
Körper (z. B. tertiäre Amine) gelangen.
Abb. 10.3: Einsatz von Kühlschmierstoffen
104
10. Schutz der Haut
Vor der Auswahl des geeigneten Hautschutzes steht wie bei allen anderen PSA die
Gefährdungsbeurteilung.
Folgende Gefährdungen sind zu prüfen:
• Physikalische (Späne), chemische (Säuren, Laugen) und biologische (Bakterien,
Keime) Einwirkungen
• Haut schädigende Eigenschaften von Stoffen, z. B. sensibilisierend
• Häufigkeit und Umfang der Haut gefährdenden Tätigkeit
• Klimafaktoren
• Feuchtarbeit, z. B. das Tragen von flüssigkeitsdichten Handschuhen
Die TRGS 401 bietet einen Ansatz der Gefährdungsbeurteilung gemäß den Risiko-Sätzen
(R-Sätze/H-Sätze) für Stoffe, die als Gefahrstoffe eingestuft sind.
Auswahl des Hautschutzes
Es gibt keinen universellen Hautschutz.
Die Auswahl muss auf die Ergebnisse der
Gefährdungsbeurteilung abgestimmt sein.
Z. B. müssen für wassermischbare und
nichtwassermischbare Arbeitsstoffe, teerhaltige, stark anhaftende Verschmutzungen,
Farbmittel, UV-Strahlung usw. unterschiedliche Hautschutzmittel eingesetzt werden.
Der Hautschutz funktioniert mit 3 Sorten
Hautmitteln in 3 Stufen:
1. Mittel für den Schutz der Haut gegen einen
bestimmten Stoff/Einwirkung.
Dieses (Hautschutz-)Mittel soll eine Barriere zwischen Haut und Stoff/Einwirkung
bilden und wird vor der Arbeit aufgetragen.
2. Mittel für die Reinigung der Haut
Dieses Mittel soll den auf der Haut anhaftenden schädigenden Stoff und das
Hautschutzpräparat wieder von der Haut
entfernen. Die Reinigung der Haut soll so
gründlich wie nötig und so schonend wie
möglich erfolgen. Es sollen keine scharfkantigen Reibemittel oder Lösemittel wie
Waschbenzin, Kaltreiniger, Ottokraftstoff
o. ä. als Reinigungsmittel für die Haut
benutzt werden. Die Reinigung der Haut
erfolgt nach der Arbeit, vor der Pause und
zum Feierabend.
3. Mittel für die Pflege der Haut
Diese Mittel dienen der natürlichen Regeneration der Haut und enthalten Fett und
Feuchtigkeit.
Bei der Auswahl der Hautschutz-Präparate
sollte der Rat des Betriebsarztes hinzugezogen werden. Die Präparate für „speziellen
Hautschutz“, „Hautreinigung“ und „Hautpflege“ müssen einer bestimmten Einwirkgruppe zugeordnet werden können.
105
10. Schutz der Haut
Die Reihenfolge der Anwendung und die
Übersicht, welche Schutzmittel an welchem
Arbeitsplatz verwendet werden sollen, wird
in einem Hautschutzplan dargestellt.
Sinnvoll ist die Bereitstellung in Spendern
mit entsprechender Kennzeichnung.
Die bestimmungsgemäße Anwendung der
Hautschutzmittel ist einmal jährlich zu
unterweisen. Bei der Unterweisung sollen
den Beschäftigten die Gefährdungen und die
Hilfsmittel
für die Praxis
Funktion der Schutzmaßnahmen erklärt werden. Der Hautschutzplan ist dabei hilfreich.
Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sind Pflichtuntersuchungen bei Hautgefährdung vor
Beginn der Tätigkeit u. a. durchzuführen bei:
• Tätigkeiten mit hautresorptiven Stoffen
und direktem Hautkontakt
• Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als vier
Stunden und mehr pro Tag (auch das Tragen von wasserdichten Handschuhen)
Hautschutzplan
Bitte ergänzen Sie diesen Hautschutzplan durch die notwendigen Angaben aus der Gefährdungsbeurteilung.
Verantwortlich für den Hautschutzplan:
• Tätigkeiten mit Isocyanaten und regelmäßigem Hautkontakt
Stand:
Betriebsbereich:
Arbeitsplatz:
Hautgefährdende Tätigkeit/Arbeitsvorgang:
Hautschädigender Arbeitsstoff/Material:
Besondere Gefährdungen durch Arbeitsstoff/Arbeitsvorgang:
Allergie auslösend (sensibilisierend)
mechanische Abnutzung (abrasiv)
Feuchtarbeit
Gefahrstoffaufnahme durch die Haut (hautresorptiv)
reizend/ätzend
UV-Strahlen
Sonstiges:
Schutzmaßnahmen
WANN
WIE
VOR Arbeitsbeginn
(nach Pausen)
WOMIT
Hautschutzpräparat
• Tätigkeiten mit Gefährdungen durch unausgehärtete Epoxidharze
auftragen
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
Schutzhandschuhe
Hautschutz benutzen
WÄHREND der Arbeit
tragen
Möglichst keine gepuderten Handschuhe oder Latexhandschuhe verwenden.
Handschuhe nur während der hautgefährdenden Tätigkeit tragen. Durchdringungszeiten
beachten. Vorher auf Dichtigkeit und Sauberkeit des Handschuhinneren prüfen.
Hautreinigungsmittel
verwenden
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
(vor Pausen und
zum Arbeitsschluss)
Hände waschen
NACH der Arbeit
Hände nie mit Lösungsmitteln, Kaltreinigern o. ä. reinigen. Nach Möglichkeit
keine Reinigungsmittel mit Reibmitteln, Duft- oder Konservierungsstoffen verwenden!
Hautpflegepräparat
auftragen
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
(nach dem
Hände waschen!)
Untersuchungen sind den Beschäftigten
(immer wieder) anzubieten, zum Beispiel bei
Feuchtarbeit (Tragen von wasserdichten Handschuhen) von mehr als 2 Stunden pro Tag.
Menge und Einwirkzeit nach Herstellerangaben beachten.
Hautpflege benutzen
Information/Einweisung
zum Hautschutz/
praktische Übungen
Unterweisung durch Frau/Herrn
Tel.
Einsatz von Medien der BG ETEM (www.bgetem.de/medien)
Verhalten im Gefahrfall und bei besonderen Hautveränderungen
Bei Benetzung mit dem hautschädigenden Produkt:
• durchtränkte Kleidung sofort ausziehen
• benetzte Körperpartien ausgiebig mit
reinigen/abspülen.
Bei besonderen Hautveränderungen sofort die/den Betriebsärztin/-arzt
oder die/den D-Ärztin/D-Arzt / Fachärztin/-arzt
Immer die/den Vorgesetze/n
Tel.
aufsuchen.
informieren.
BG Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse · 50968 Köln · Gustav-Heinemann-Ufer 130 · Telefon 0221 3778-0 · Fax 0221 3778-1199 · www.bgetem.de
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12 · 3(25) · 10 · 11 · 4
Alle Rechte beim Herausgeber – Gedruckt auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft
Abb. 10.5: Hautschutzplan, Bestell-Nr. S 003
106
Es wird darauf hingewiesen, dass gemäß
TRGS 401, 6.4.2 (10) Einmalhandschuhe aus
Latex mit einem Proteingehalt von 30 μg/g
Handschuhmaterial nicht verwendet werden
dürfen.
10. Schutz der Haut
Leitfaden zur Gefährdungsbeurteilung für
die dermale Exposition nach TRGS 401
durch hautschädigende Gefahrstoffe und bei
Feuchtarbeit.
Hilfestellung bei der systematischen Ermittlung der Gefährdungen und daraus abzuleitender Schutzmaßnahmen bei Einwirkung
Konkretisierung der Gefährdungsbeurteilung
nach Gefahrstoffverordnung bei dermalen
Gefährdungen.
Ersteller:
Verantwortlicher:
Datum:
Arbeitsbereich:
Tätigkeit:
Beschreibung der Tätigkeiten
Tätigkeit am Arbeitsplatz, ggf. Hinweis auf bestehende Gefährdungsbeurteilung nach GefStoffV
Informationsermittlung
Dermale Gefährdungen
durch Feuchtarbeit oder Tätigkeiten mit hautgefährdenden, hautresorptiven oder hautsensibilisierenden Gefahrstoffen
Feuchtarbeit
wenn regelmäßig mehr als 2 Stunden mit den Händen Arbeiten im feuchten Milieu ausgeführt oder
einen entsprechenden Zeitraum feuchtigkeitsdichte Schutzhandschuhe getragen oder häufig bzw.
intensiv die Hände gereinigt bzw. desinfiziert werden müssen
Ja, durch
Zeitdauer (pro Schicht):
Nein
Bezeichnung
Kennzeichnung
R-Sätze/H-Sätze
Arbeitsplatz/
Arbeitsbereich
Hautgefährdende Stoffe?
Stoffe mit ätzender oder irritativer Wirkung
R-Sätze: 34, 35, 38 oder 66
H-Sätze: H314, H315, EUH066
pH-Wert ≤ 2 oder ≥ 11,5
mechanische Einwirkungen
107
10. Schutz der Haut
Bezeichnung
Kennzeichnung
R-Sätze/H-Sätze
Arbeitsplatz/
Arbeitsbereich
Hautresorptive Stoffe?
Stoffe, die aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften über die Haut aufgenommen werden können
R-Sätze: 21, 24, 27
H-Sätze: H312, H311, H310
Kennzeichnung mit dem Buchstaben »H« in der
TRGS 900 »Arbeitsplatzgrenzwerte«
Hautsensibilisierende Stoffe?
Stoffe und Zubereitungen, die bei Hautkontakt Überempfindlichkeitsreaktionen hervorrufen können
R-Satz 43
H-Satz H317
KMR-Stoffe, Kat. 1 bis 3 bzw. 1A bis2?
R-Sätze: 40, 45, 46, 60, 61, 62, 63 und 68
H-Sätze: H351, H350, H340,
H360F, H360D, H361f, H361d, H341 (s. auch TRGS 905)
Sonstige Eigenschaften
R-Sätze: R 68/21, 39/24, 39/27, 48/21, 48/24
H-Sätze: H371, H370, H373, H372
Können diese über die Haut aufgenommen werden?
Liegen aktuelle Sicherheitsdatenblätter vor, kann auf diese Angaben verwiesen werden.
Es kann auch auf Angaben im betrieblichen Gefahrstofffverzeichnis verwiesen werden.
Sind einschlägige TRGS, BGR, BGI zu Tätigkeiten mit dem Arbeitsstoff vorhanden?
Substitution möglich (Spaltenmodell nach TRGS 600)?
Beschreibung des Hautkontaktes
Art des Hautkontaktes (z. B. Spritzer, Aerosole, Benetzung):
Ausmaß des Hautkontaktes
(betroffene Hautflächen, Häufigkeit, Intensität des Hautkontaktes):
Dauer des Hautkontaktes
kurzzeitig (l 15 Minuten/Schicht):
langzeitig (L 15 Minuten/Schicht):
Sind bisherige Hautschutzmaßnahmen getroffen und ausreichend wirksam?
Liegen Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen vor (z. B. G 24)?
108
10. Schutz der Haut
Beurteilung
Die Beurteilung der Gefährdung durch Hautkontakt erfolgt nach drei Kategorien (s. TRGS 401):
g
m
h
geringe Gefährdung durch Hautkontakt
mittlere Gefährdung durch Hautkontakt
hohe Gefährdung durch Hautkontakt
Gefährdungsmatrix
Bei Datenlücken sind die unterstellten Gefährlichkeitsmerkmale nach Nummer 3.2 Abs. 3 und 4,
TRGS 401 zu berücksichtigen.
Dauer/Ausmaß des Hautkontaktes
kurzfristig ( < 15 Minuten)
Eigenschaft Kennzeichnung
der Stoffe/
kleinflächig
großflächig
Zubereitungen mit * (Spritzer)
längerfristig ( > 15 Minuten)
kleinflächig
(Spritzer)
großflächig
R 66 / EUH 066
g
g
g
m
hautreizend
R 38 / H315
g
m
m
m
ätzend
pH ≤ 2 bzw. pH ≥ 11,5
m
m
m
h
R 34 / H314
m
m
m
h
R 35 / H314
m
h
h
h
hautresorptiv
R 21 / H312/H311
g
m
m
h
R 24 / H310/H311
m
m
m
h
R 24 (in Kombination
mit R 34 bzw. R 35)/
H310/H311 und H314
h
h
h
h
R 27 / H310
h
h
h
h
hautresorptiv R 40 **, R 68 ** /
und sonstige H351, H341
Eigenschaften R 62 **, R 63 ** / H361
R 45 **, R 46 **,
R 60 **, R 61 ** /
H340, H350, H360
sensibilisierend
R 43, (R 42/43), sensibilisierende Gefahrstoffe nach Anlage 3
sowie nach Nummer
3.2.1 Abs. 2 oder 3)*** /
H317,(H317 und H334)
m
m
m
h
m
m
m
m
h
h
h
h
g
m
m
h
*** Die schwach gedruckten H-Sätze sind nicht Bestandteil der TRGS 401 und damit nicht rechtsverbindlich. Sie wurden aus der Umwandlungstabelle im Anhang VII der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entnommen und können eine Orientierungshilfe sein, wenn die R-Sätze nicht zu ermitteln sind. R- und H-Sätze lassen sich allerdings nicht immer
1:1 ineinander überleiten, so dass Hersteller in Abhängigkeit von den vorliegenden Daten zu einer abweichenden Einstufung gemäß CLP-Verordnung kommen können.
*** wenn hautresorptiv
*** Abweichend liegt bei allen Tätigkeiten mit dermaler Gefährdung durch Stoffe, bei denen praktische Erfahrungen zeigen, dass diese Stoffe oder Zubereitungen eine Sensibilisierung bei einer erheblichen Anzahl von Beschäftigten durch Hautkontakt hervorrufen können (z. B. unausgehärtete Epoxidharzsysteme), eine hohe Gefährdung vor.
109
10. Schutz der Haut
Schutzmaßnahmen/Wirksamkeit
Maßnahmen Gefährdungsgrad »g«
Allgemeine Hygienemaßnahmen nach TRGS 500
Waschgelegenheiten schaffen
Wechseln verschmutzter Kleidung
Reinigung der Schutzkleidung über
das Unternehmen
Maschinenputzlappen nicht zur Händereinigung
benutzen
Gehörschutzstöpsel nicht mit verschmutzten
Händen anfassen
keine Löse- und Reinigungsmittel
zur Händereinigung
Maßnahmen Gefährdungsgrad »m«
Maßnahmen entsprechend »g« und zusätzlich:
Substitutionsgebot
Verwenden von technischen Hilfsmitteln,
die einen Hautkontakt ausschließen
Schutzhandschuhe
Hautmittel – Schutz, Reinigung, Pflege
Hautschutzplan
ggf. arbeitsmedizinische Angebotsuntersuchungen
bei Feuchtarbeit > 4 Stunden Pflichtuntersuchungen
Maßnahmen Gefährdungsgrad »h«
Maßnahmen entsprechend »m« und zusätzlich:
geschlossene Anlage
Arbeitsverfahren
ggf. arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen
(Auszug aus Broschüre S 017, Kapitel 3)
110
Betriebliche
Umsetzung
Wirksamkeit/
Prüfung
10. Schutz der Haut
Eine weitere Gefährdung der Haut und der
Augen kann bei Tätigkeiten mit Exposition
durch inkohärente künstliche optische Strahlung erfolgen (IR und UV-Bereich). Regelungen und Informationen dazu findet man in
der Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher
optischer Strahlung (OStrV) und in den entsprechenden Regeln TROS-IOS.
Die biologische Wirkung der optischen Strahlung entsprechend der jeweiligen Wellenlänge ist in der folgenden Tabelle dargestellt.
Wellenlängenbereich
Auge
Haut
UV-C
Bindehautentzündung
Hornhautentzündung
Verbrennung der Haut
Hautkrebs
UV-B
Bindehautentzündung
Hornhautentzündung
Trübung der Augenlinse
Beschleunigte Hautalterung
Verbrennung der Haut
Hautkrebs
UV-A
Trübung der Augenlinse
Beschleunigte Prozesse der
Hautalterung
Verbrennung der Haut
Hautkrebs
Sichtbare Strahlung
Schädigung der Netzhaut
(Photothermische und photochemische) Blaulichtschädigung
Photosensitive Reaktionen
(lichtempfindlich)
Thermische Schädigung der
Haut
IR-A
Thermische Schädigung der
Netzhaut
Trübung der Augenlinse
Verbrennung der Haut
IR-B
Trübung der Augenlinse
Thermische Schädigung der
Hornhaut
Verbrennung der Haut
IR-C
Verbrennung der Hornhaut
Verbrennung der Haut
111
10. Schutz der Haut
Sowohl für die Exposition künstlicher optischer Strahlung als auch für die solare
UV-Exposition von Arbeitnehmern im Freien
müssen zuerst technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz geprüft
und wenn möglich durchgeführt werden.
Hinweise dazu findet man in der TROS-IOS
Teil 3 und auf der folgenden Seite: http://
www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Optische-Strahlung/Solare-UV-Exposition.html .
Als persönliche Schutzmaßnahme sind entsprechende Kleidung (Abdeckung der Haut)
und geeignete Brillen zum Schutz der Augen
anzulegen (siehe Kapitel Augenschutz). In
Ausnahmefällen ist der Einsatz von geeigneten Hautschutzmitteln möglich.
112
In der ArbMedVV wird im Anhang Teil 3 eine
Pflichtvorsorge gefordert, wenn bei Tätigkeiten mit Exposition durch inkohärente künstliche optische Strahlung am Arbeitsplatz die
Expositionswerte nach § 6 der OstrV überschritten werden und eine Angebotsvorsorge, wenn die Expositionswerte überschritten
werden können.
Hierbei wird das Tragen von persönlicher
Schutzausrüstung wie bei Lärm nicht berücksichtigt. Zur Zeit liegt die entsprechende Untersuchungsempfehlung G17 als Entwurf vor.
10. Schutz der Haut
Weitere Informationsquellen
Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit –
Unfallverhütungsvorschriften
Bezug über www. bgetem.de, Webcode 12282701
E-Mail: [email protected]
DGUV Vorschrift 1 (BGV A1) Grundsätze der Prävention
Berufsgenossenschaftliche Regeln (BG-Regeln), berufsgenossenschaftliche Informationen
(BG-Informationen)
Bezug über www.bgetem.de, Webcode 12282701 bzw. www.dguv.de/publikationen
DGUV Information 204-022 (BGI/GUV-I 509) Erste Hilfe im Betrieb
DGUV Information 212-007 (BGI/GUV-I 868) Chemikalien-Schutzhandschuhe
DGUV Information 203-035 (BGI 5006) Expositionsgrenzwerte für künstliche optische Strahlung
DGUV Information 203-042 (BGI 5092) Auswahl und Benutzung von Laser-Schutz- und Justierbrillen
DGUV Information 212-017 (BGI/GUV-I 8620) Allgemeine Präventionsleitlinie Hautschutz
DGUV Regel 109-003 (BGR/GUV-R 143) Tätigkeiten mit Kühlschmierstoffen
DGUV Regel 112-189 (BGR 189) Benutzung von Schutzkleidung
DGUV Regel 112-190 (BGR/GUV-R 190) Benutzung von Atemschutzgeräten
DGUV Regel 112-192 (BGR 192) Benutzung von Augen- und Gesichtsschutz
DGUV Regel 112-195 (BGR 195) Benutzung von Schutzhandschuhen
Gesetze, Verordnungen und andere staatliche Arbeitsschutzvorschriften
Diese Schriften finden Sie im Internet unter: www.gesetze-im-internet.de bzw. www.baua.de
• Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen Chemikaliengesetz (ChemG)
• Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
• Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV)
• Verordnung Arbeitsmedizinische Vorsorge (ArbMed VV)
• Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) und Verordnungen zum GPSG
113
10. Schutz der Haut
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS):
TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
TRGS 401 Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen
TRGS 500 Schutzmaßnahmen
TRGS 551 Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material
TRGS 555 Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten
TRGS 600 Substitution
TRGS 610 Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich
TRGS 611 Verwendungsbeschränkungen für Wasser mischbare bzw. Wasser gemischte
Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können
TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte
TRGS 903 Biologische Grenzwerte
TRGS 905 Verzeichnis Krebs erzeugender, Erbgut verändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe
TRGS 906 Verzeichnis Krebs erzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach §3 Abs. 2
Nr. 3 GefStoffV
TRGS 907 Verzeichnis sensibilisierender Stoffe
Bekanntmachungen zu Gefahrstoffen (BekGS)
220 Sicherheitsdatenblatt
408 Anwendung der GefStoffV und TRGS mit dem Inkrafttreten der CLP-Verordnung
901 Kriterien zur Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten
Online-Hilfen
BASIS – Branchen- und Arbeitsplatz-Informationssystem der BG ETEM: Modul „Hand- und
Hautschutz“ (http://www.basis-bgetem.de)
114
10. Schutz der Haut
Informationsmaterial
Bestellung Medien: www. bgetem.de, Webcode 12201321,
E-Mail: [email protected],
• Arbeitsschutz konkret – Informationen für Fachkräfte
MB 011 Sicher Arbeiten mit Gefahrstoffen
MB 027 Sicher arbeiten mit Kühlschmierstoffen
MB 029 Betriebsanweisungen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
MB 031 Hauterkrankungen der Zahntechniker
• Tipps – Informationen für Fachkräfte
T 006
Hautschutz
T 020
Hautschutz bei Tätigkeit im Freien
T 021
Sicher arbeiten mit Kühlschmierstoffen
T 029
Arbeiten in zahntechnischen Laboratorien
• Hilfsmittel/Kontrolle der Arbeitssicherheit/Gefährdungsbeurteilung
S 003
Hautschutzplan
S 015
Gefahrstoffe in der Galvanotechnik und der Oberflächenveredelung
S 017
Leitfaden zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung
S 020
Haut- und Handschutz – Tipps konkret
• Muster-Betriebsanweisungen (B 001 bis B 116) zum Download
unter: www.bgetem.de,Webcode 12201321-Betriebsanweisungen
• Multimedia-Unterweisungen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
PU 013 SF6-Anlagen
PU 014 Kühlschmierstoffe
PU 015 Galvanotechnik
PU 016 Spritzlackieren
PU 017 Reinigen und Entfetten
PU 018 Kleben und Vergießen
• Multimedia (DVD-/CD-ROM)
CD 003 Praxisgerechte Lösungen (CD-ROM)
115
10. Schutz der Haut
Gefahrenpiktogramme (für Gemische noch gültig bis 01. 06. 2015)
116
T+
E
Sehr giftig
Explosionsgefährlich
T
F+
Giftig
Hochentzündlich
Xn
F
Gesundheitsschädlich
Leichtentzündlich
C
O
Ätzend
Brandfördernd
Xi
N
Reizend
Umweltgefährlich
10. Schutz der Haut
Gefahrenpiktogramme nach GHS
Totenkopf mit
gekreuzten Knochen
Ausrufezeichen
Gesundheitsgefahr
Ätzwirkung
Umwelt
Gasflasche
Flamme
Flamme über einem Kreis
Explodierende Bombe
117
11. Atemschutz
Dipl.-Ing. Christel Trautmann
Wird bei der Gefährdungsbeurteilung eines
Arbeitsplatzes festgestellt, dass die Atemluft
• Schadstoffe in gesundheitsgefährlicher
Konzentration (z. B. Grenzwertüberschreitung) oder
tische Bearbeitung) die Gefahr beseitigen
oder mindern können. Ist das nicht möglich,
ist den Mitarbeitern Atemschutz zur Verfügung zu stellen.
• zu wenig Sauerstoff (unter 17 Vol %) enthält,
Bei unbekannten Umgebungsverhältnissen,
Veränderungen der Umgebungsatmosphäre
oder Zweifel am ausreichenden Schutz von
Filtergeräten sind Isoliergeräte zu nutzen.
so ist vor Aufnahme der Tätigkeit zunächst
zu prüfen, ob technische und/oder organisatorische Maßnahmen (Absaugung, automa-
Auswahl von Atemschutz
Grundsätzlich sollen u. a. folgende Punkte
beachtet werden:
Abb. 11.1: Übersicht der Atemschutzgeräte
118
11. Atemschutz
• CE-Kennzeichnung
Beispiel: CE 0121 EN 149:2001+A1:2009
FFP2 NR D
0121 = Die vierstellige Nummer der notifizierten Stelle, die die Qualitätsüberwachung durchführt; 0121 ist die Nummer
des IFA.
EN 149 2001+A1:2009 = Europäische
Norm, nach der geprüft wird
FFP2 = filternde Halbmaske für Partikel der
Klasse 2 (entspricht mittlerem Abscheidevermögen bzw. Einsatz bis zu 10 des
VdGW, Vielfachen des Grenzwertes)
NR = nur für eine Schicht verwenden (non
reusable)
D = Dolomitstaubprüfung, geeignet für
sehr staubige Umgebung
• Auswahl entsprechend den Einsatzbedingungen:
Zu beachten ist:
Umgebungsatmosphäre (Sauerstoffgehalt,
Schadstoffkonzentration, Temperatur usw.),
Bewegungsfreiheit (Art des Einsatzortes),
Dauer und Schwere der Arbeit,
äußere Einflüsse wie Chemikalien, Klima,
Transport
Flucht, Rettung
Atemschutz für biologische Arbeitsstoffe:
Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung medizinischen Sachverstandes,
Grund: keine Grenzwerte vorhanden
Bei weniger als 17 Vol % Sauerstoff in der
Umgebungsatmosphäre dürfen keine Fil-
tergeräte eingesetzt werden; für spezielle
Einsätze und CO-Filter gilt mindestens 19
Vol % Sauerstoffgehalt.
• Auswahl entsprechend individuellen
Bedürfnissen:
ausreichend lange Benutzungsdauer,
anpassungsfähig an den Träger,
einfach zu bedienen,
frei von unzumutbaren Störungen wie
Geruch, Druckstellen, reizende Wirkung
auf die Haut,
frei von unzumutbaren Einschränkungen
wie Sehen, Hören, Bewegung,
eventuell kombinierbar mit anderen PSA
Gesichtshaare, tiefe Narben, ungewöhnliche Kopfformen verhindern das dichte
Abschließen von Atemschutzmasken,
ebenso kann das für Brillenträger problematisch sein. Das Tragen von Kontaktlinsen
birgt Gefahren: bei Augenreizung oder Verrutschen ist der Zugriff nicht sofort möglich.
Organisatorische Maßnahmen
sind bereits bei der Auswahl mit zu beachten:
• nur zur persönlichen Benutzung
• Wartung und Reinigung, Instandhaltung,
Prüfung
Wartungsintervalle und Reinigung entsprechend der Gefährdungsbeurteilung festlegen
oder nach den Vorgaben der BGR 190, Tabellen 4 bis 11.
119
11. Atemschutz
Die Wartung und Instandhaltung, Prüfung
usw. sollte eine befähigte Person mit den
entsprechenden Kenntnissen durchführen.
Entsprechend der TRBS 1203 muss die befähigte Person u. a. Erfahrungen über die
Durchführung der anstehenden Prüfung
oder vergleichbarer Prüfungen gesammelt
haben. Die befähigte Person muss über
Kenntnisse zum Stand der Technik hinsichtlich des zu prüfenden Gegenstandes
und der zu betrachtenden Gefährdungen
verfügen.
• Tragezeitbegrenzung
Überlastung des Geräteträgers ist zu vermeiden, Einsatzdauer, Erholungsdauer
und Anzahl der Einsätze ist abhängig vom
Atemschutzgerät, Arbeitsschwere und
persönlichen Faktoren des Geräteträgers.
Wichtige Hinweise für die Tragezeitbegrenzung sind im Anhang 2 der BGR 190 zu
finden. Dort wird zu den unterschiedlichen
Geräten/Schutzausrüstungen zwischen
Tragedauer, Erholungsdauer, Einsätze pro
Schicht und Schichten pro Woche unterschieden.
Die geräteabhängige Tragezeitbegrenzung
ist nach Herstellerangaben und Einsatzbedingungen zu berücksichtigen.
• Betriebsanweisung
Ist vor Einsatz des Atemschutzes zu erstellen und muss alle Informationen für
den sicheren Einsatz enthalten (s. Muster:
Abb. 11.1).
120
• Unterweisung
Bei der ersten Unterweisung vor dem
Benutzen von Atemschutz ist immer eine
theoretische Unterweisung und eine praktische Übung durchzuführen. Inhalt und
Dauer sind davon abhängig, ob es sich um
Filtergeräte, Isoliergeräte oder Flucht-/und
Rettungsgeräte handelt.
Besonders wichtig sind Informationen an
die Geräteträger:
– sichere und dichte Anwendung der
Geräte,
– Wahrnehmung des Filterdurchbruches
und Tragezeitbegrenzung,
– Kontrolle, Prüfung, Wartung, Reparatur,
Reinigung
– Verhalten bei der Anwendung.
Die Unterweisung ist mindestens einmal
im Jahr, bei Bedarf öfter, durchzuführen
und zu dokumentieren.
• Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung
Nach der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sind :
Pflichtuntersuchungen durchzuführen für
das Tragen von Atemschutzgeräten der
Gruppe 2 und 3 .
Angebotsuntersuchungen für das Tragen
von Atemschutzgeräten der Gruppe 1.
11. Atemschutz
Firma
Betriebsanweisung
Nr.
1. Anwendungsbereich
Benutzung von Atemschutz (Filtergeräte)
Arbeitsstelle/Tätigkeit: Schweißen und Brennschneiden an Altmaterial im Freien
2. Gefahren für Mensch und Umwelt
• Schweißrauche können Schwermetalle, Phosgen, Phenole, Phthalate, Blausäure, Schwefeldioxid, nitrose Gase
und Anderes enthalten, die in die Lunge gelangen und den menschlichen Körper schädigen können.
• Es besteht die Gefahr von Atemwegserkrankungen, die sich in Form von Lungenödem oder Krebserkrankung
äußern können.
3. Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln
• Halbmaske mit Filter ABEK1-P2 (G26-2 Untersuchung erforderlich) oder Gebläsefiltergerät TH2A2P (mit Helm)
benutzen. Bartträger dürfen nur Gebläsefiltergeräte verwenden. Nicht Benutzen oder falsches Benutzen kann zu
schweren körperlichen Schädigungen führen.
• Vor der Benutzung Atemschutz auf augenscheinliche Mängel und Funktionsfähigkeit, z. B. richtige(r) Filter,
Filterverfalldatum, Akkuladezustand überprüfen.
• Beim Anlegen des Atemschutzgerätes gemäß Unterweisung und Übung auf ausreichenden Dichtsitz achten.
• Nach Filterdurchbruch oder -erschöpfung sofort Filter wechseln.
• Filter vor Flammen und Schweißperlen schützen (Lebensgefahr durch Filterschwelbrand)
• Tragedauer für Halbmaske mit Filter höchstens 105 min., Erholungsdauer mindestens 30 min., Tragedauer für
Gebläsefiltergerät ist nicht eingeschränkt.
4. Verhalten bei Störungen und im Gefahrfall
• Defekte Atemschutzgeräte sind sofort auszutauschen.
• Im Gefahrfall und bei Atembeschwerden sofort Arbeiten einstellen, den Arbeitsplatz verlassen, das Atemschutzgerät ablegen und den Vorgesetzten informieren.
5. Verhalten bei Unfällen, Erste Hilfe
• Jeder Unfall ist im Verbandbuch einzutragen. Es liegt aus im Meisterbüro.
• Bei Atembeschwerden unbedingt folgenden Arzt aufsuchen: Dr. Musterarzt
6. Lagerung, Instandhaltung und Entsorgung
• Atemschutzgeräte bei Arbeitsunterbrechung in dafür vorgesehenen Behältern trocken aufbewahren.
• Atemanschlüsse sind nach jeder Schicht zu reinigen und wöchentlich zu desinfizieren.
• Keine Instandhaltungsarbeiten des Atemschutzgerätes am Arbeitsplatz durchführen.
• Erschöpfte Filter im vorgesehenen Entsorgungsbehälter vor Meisterbüro ablegen.
7. Folgen der Nichtbeachtung
• Gesundheitliche Schäden möglich.
• Disziplinarische Maßnahmen (Abmahnung) wahrscheinlich.
Datum:
Unterschrift:
Abb. 11.1: DGUV Regel 112-190 (BGR 190), Anhang 4: Muster einer Betriebsanweisung zur Benutzung von
Atemschutz
121
11. Atemschutz
Die Pflichtuntersuchung ist Voraussetzung
für das Arbeiten mit Atemschutzgeräten
der Gruppen 2 und 3;
Gruppe 3: über 5 kg, hoher Atemwiderstand (bis 6 mbar), z. B. Isoliergeräte,
Schutzanzüge mit Geräten der Gruppe 3.
Gruppe 1: bis 3 kg, Atemwiderstand gering,
z. B. P1, P2, Gebläse, Frischluft-Schlauchgeräte
Die Vorsorgeuntersuchung dürfen nur
Fachärzte für Arbeitsmedizin durchführen.
Gruppe 2: bis 5 kg, erhöhter Atemwiderstand, z. B. P 3, Gasfilter, Schutzanzüge
mit Schlauch- und Filtergeräten.
• Sicherung von Geräteträgern
Im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung
kann es notwendig sein, den Geräteträger
zu sichern. Dann sind Sicherungsposten
Partikelfilterklassen
(DIN EN 143)
Schutz gegen
Rückhaltevermögen
P1
feste Partikel
klein
P2
feste und flüssige Partikel
mittel
P3
feste und flüssige Partikel
groß
(Gas) Filterklassen
(DIN EN 141)
Aufnahmevermögen
Prüfgaskonzentration in Luft
1
klein
0,1 Vol.-%
2
mittel
0,5 Vol.-%
3
groß
1,0 Vol.-
Vollmasken
(DIN EN 136)
Aufwendungsbereich
Klasse 1
geringe Beanspruchung
Klasse 2
normale Beanspruchung
Klasse 3
spezielle Anwendung mit
höchster Beanspruchung
Tabelle 11.2: Benutzung von Atemschutz – Unterscheidung in Klassen
122
11. Atemschutz
Geräteart
VdGW
Bemerkungen/Einschränkungen
Halb-/Viertelmaske mit P1-Filter
partikelfilternde Halbmaske
FFP!
4
nicht gegen Krebs erzeugende und
radioaktive Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe der
Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme
Halb-/Viertelmaske mit P2-Filter
partikelfilternde Halbmaske
FFP2
10
nicht gegen radioaktive Stoffe und
luftgetragene biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 3 und
Enzyme
Halb-/Viertelmaske mit P3-Filter
partikelfilternde Halbmaske
FFP3
30
Vollmaske oder Mundstückgarnitur
mit P1-Filter
4
Als Atemschutz nicht sinnvoll, da
der hohe Filterdurchlass den Vorteil der geringen Maskenleckage au
hebt.
nicht gegen Krebs erzeugende und
radioaktive Stoffe sowie luftgetragene
biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme
Vollmaske oder Mundstückgarnitur
mit P2-Filter
15
nicht gegen radioaktive Stoffe und
luftgetragene biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 3 und Enzyme
Vollmaske oder Mundstückgarnitur
mit P3-Filter
400
Gasfilternde Halbmasken
30
Halb-/Viertelmasken mit Gasfilter
30
Vollmaske oder Mundstückgarnitur
mit Gasfilter
400
Tabelle 11.3: Beispiele für die Anwendung von Masken für Partikelfilter und Gasfilter entsprechend
VdGW (DGUV Regel 112-190 (BGR 190))
123
11. Atemschutz
auszubilden, auszurüsten und einzusetzen. Auch Notfallübungen mit Rettungsmaßnahmen können notwendig sein.
In der DGUV Regel 112-190 (BGR/GUV-R 190)
findet man in den Tabellen 1, 2 und 3 eine
Auflistung der Gerätearten mit der entsprechenden Prüfnorm, dem Schutz gegen das
Vielfache des Grenzwertes (VdGW) und
Bemerkungen/Einschränkungen.
Partikelfiltrierende
Halbmaske
Atemanschluss und
Filterteil bilden eine
untrennbare Einheit.
Abb. 11.2: Halbmaske
Vollmaske mit Partikelfilter
Abb. 11.3: Vollmaske mit
Partikelfilter
124
Die Faktoren zum VdGW werden den Klassen
zugeordnet. Der Grenzwert entspricht in
der Regel dem Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)
eines Gefahrstoffes/Schadstoffes.
Informationen zu Grenzwerten findet man
u. a. in Sicherheitsdatenblättern, Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900),
Gefahrstofflisten.
Beispiele für die Anwendung von Masken
für Partikelfilter und Gasfilter entsprechend
VdGW DGUV Regel 112-190 (BGR/GUV-R 190):
siehe Tabelle 11.3.
11. Atemschutz
Gasfilter werden nach ihren Hauptanwendungsbereichen in Gasfiltertypen unterteilt
und durch Kennbuchstaben und Kennfarben
unterschieden.
Typ
Kennfarbe
Hauptanwendungsbereich
Hauptanwendungsbereich
A
braun
organische Gase und Dämpfe mit Siedepunkt > 65°C
B
grau
anorganische Gase und Dämpfe, z. B. Chlor, Schwefelwasserstoff, Blausäure
nicht gegen Kohlenstoffmonoxid
E
gelb
Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff, und andere saure Gase
K
grün
Ammoniak und organische Ammoniakderivate
AX
braun
Niedrig siedende organische Verbindungen
(Siedepunkt ≤ 65 °C) Herstellerangabe
SX
violett
Herstellerangabe
NO-P3
blau-weiß
nitrose Gase, z. B. NO, NO2, NOX
Hg-P3
rot-weiß
Quecksilber
CO
schwarz
Kohlenstoffmonoxid
Reaktor
Reaktor P3
orange
orange-weiß
Radioaktives Jod und Jodmethan
Tabelle 11.4: Gas- und Spezialfilter und ihre Hauptanwendungsbereiche, DGUV Regel 112-190 (BGR 190)
Hinweise zur Nutzung der Atemschutzgeräte
Partikelfilter:
Gasfilter:
• gegen radioaktive Stoffe und biologische
Arbeitsstoffe nur einmal einsetzen
• Filter gegen Verschmutzung und Feuchte
schützen
• bei hohem Atemwiderstand Wechsel des
Filters
• Durchbruch des Gases/Dämpfe muss der
Geräteträger riechen und schmecken können, ggf. Informationen vom Filterhersteller
• Ist das nicht möglich, Einsatzregeln aufstellen (oder Isoliergeräte benutzen)
• nicht in Behältern und engen Räumen anwenden
125
11. Atemschutz
AX-Filter:
Filtergewichte:
• nur innerhalb einer Schicht nutzbar
• nicht gegen Gemische anwendbar (Ausnahme: Gesamtkonzentration liegt unter
der maximalen Einsatzkonzentration für
die kritischste Gaskomponente)
• Filter ab 300 g nicht unmittelbar an Mundstücke, Halb- und Viertelmasken anbringen.
• Filter ab 500 g nicht unmittelbar an Vollmasken der Klassen 2 und 3 anbringen.
• An Vollmasken der Klasse 1 nur Filter, die
vom Hersteller dafür vorgesehen sind.
• Schwerere Filter nur mittels Atemschlauch
verwenden und mit Tragevorrichtung.
SX-Filter:
• nur fabrikmäßig versiegelte Filter verwenden, die unmittelbar vor dem Einsatz
entsiegelt werden.
Filtergeräte mit Gebläse, Atemanschluss
und Filter:
Verwendungsdauer und Wiederverwendung
• Partikelfilter sollen aus hygienischen
Gründen nur eine Arbeitsschicht verwendet werden.
• Bei Nutzungsdauer weniger als 30 Minuten dürfen sie wiederverwendet werden,
wenn sie sauber aufbewahrt werden
können. Wechsel bei Erhöhung des
Atemwiderstandes.
• Gasfilter haben begrenzte Lagerfähigkeit.
• Wiederverwendung von Gasfilter selten
möglich und nur dann, wenn diese sehr
wenig gebraucht und gasdicht aufbewahrt
werden können.
• Für Kombinationsfilter gelten die Anforderungen an Gas- und Partikelfilter.
• Auf mögliche Entzündung der Filter
bei Arbeiten mit offener Flamme oder
Schweißperlenflug achten.
126
• gefilterte Luft wird mit Hilfe des (Batterie
betriebenen) Gebläses zum Atemanschluss befördert
• vor jedem Einsatz Mindest-Nennvolumenstrom des Gebläses prüfen (Herstellerangabe)
• Vorteil: geringer Einatemwiderstand, bei
normalen bis erhöhten Umgebungstemperaturen
Filtergeräte mit Gebläse, Maske und Filter
(TM):
• Voll-, Halb- oder Viertelmaske als Atemanschluss mit Ausatemventil
• bei Ausfall der Gebläseunterstützung
muss ausreichend Möglichkeit bestehen,
aus der Gefahrzone heraus zu gelangen.
11. Atemschutz
Filtergeräte mit Gebläse, Helm oder Haube
und Filter (TH):
• relativ „offene“ Atemanschlüsse
• ungeeignet bei schwerer Arbeit, starker
Luftbewegung
• Ausfall des Gebläses durch Warneinrichtung angeben (TH3)
Isoliergeräte
Schlauchgeräte bei stationären Arbeiten
• Bei Frischluftschlauchgeräten darf der
Frischluftzuführungsschlauch nicht
zusammengesetzt sein; Ansaugstelle frei
von Schadstoffen auswählen
• Bei Frischluft-Druckschlauchgeräten
erfolgt die Zuführung der Frischluft mit
leichtem Überdruck.
• Druckluft-Schlauchgeräte: Die Luftzufuhr
erfolgt über druckfeste DruckluftZuführungsschläuche mit bis zu 10 bar
Überdruck. Am Träger wird entweder über
Regelventil oder atemgesteuerte Dosiereinrichtung die Luft zugeführt. Bei
Anschluss über vorhandene DruckluftNetze ist die Qualität der Atemluft sicherzustellen und die Temperatur zu berücksichtigen. Wird die Luft aus Druckluftflaschen zur Verfügung gestellt, muss ein
akustisches Warnsignal das Ende des
Luftvorrates vorwarnen.
• Niemals anstelle von Druckluft Drucksauerstoff verwenden.
Frei tragbare Isoliergeräte
• Für den Einsatz dürfen nur ausreichend
gefüllte Druckgasflaschen (mind. 90 %
des Nennfülldruckes und ungebrauchte
Regenerationspatronen) verwendet werden.
• Regenerationsgeräte binden das CO2 der
Ausatemluft und führen Sauerstoff aus
dem Vorrat des Gerätes der Atemluft zu.
Sie haben eine hohe Gebrauchsdauer und
sind deshalb für länger dauernde Arbeiten
geeignet.
Atemschutzgeräte für Selbstrettung und
Flucht
• Diese Geräte müssen leicht erreichbar,
leicht zu nutzen und die (luftdichte) Verpackung leicht entfernbar sein.
• Der Gebrauch von Fluchtgeräten muss
unterwiesen werden.
TIPP
Prüfung auf dichten Sitz des Atemanschlusses:
Nach Anlegen des Atemanschlusses sind die
Geräteanschlussstücke mit den Händen zu
schließen. Durch Ein- oder Ausatmen entsteht entweder ein Unterdruck oder ein Überdruck, der erhalten bleiben muss. Strömt
Luft ein oder aus, sitzt die Maske nicht dicht.
Prüfungen auf dichten Sitz können auch mit
Geruchs- und Geschmackstoffen oder Messgeräten durchgeführt werden.
127
12. Schutz des Gehörs
Dipl.-Ing. Karin Dauth
Lärm umgibt uns täglich, sowohl bei der
Arbeit als auch in der Freizeit. Die Gefahren
für das Gehör werden sehr oft unterschätzt.
Dauerhafte Lärmbelastung kann zu Hörminderungen und in der Folge zu Lärmschwerhörigkeit führen. Lärm schädigt jedoch nicht
nur das Gehör, sondern wirkt sich auch auf
Körper und Psyche des Menschen aus, mindert die Konzentration und die Leistungsfähigkeit.
Lärmschwerhörigkeit ist die häufigste
Berufskrankheit. Lärm stellt aber nicht nur
im Beruf eine Gesundheitsgefahr dar, bereits
jeder vierte Jugendliche ist durch Freizeitlärm
dauerhaft hörgeschädigt.
Gehörschutz ist wichtig, weil Lärmschwerhörigkeit so verhindert werden kann. Schwerhörigkeit ist nicht heilbar.
Unterer Auslösewert:
Die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (LärmVibrationsArbSchV) definiert
Lärm als Schall, der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der
Beschäftigten führen kann.
Die Verordnung legt Auslösewerte für Lärm
fest, bei deren Erreichen oder Überschreiten
Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Lärmexposition getroffen werden
müssen.
Die Auslösewerte beziehen sich auf den so
genannten Tages-Lärmexpositionspegel.
Dies ist die auf eine Achtstundenschicht
bezogene Lärmexposition. Er umfasst alle
am Arbeitsplatz auftretenden Schallereignisse:
Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h
Spitzenschalldruckpegel
Oberer Auslösewert:
128
oder
LpC,peak = 135 dB(C)
Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h
Spitzenschalldruckpegel
= 80 dB(A)
= 85 dB(A)
LpC,peak = 137 dB(C)
oder
12. Schutz des Gehörs
Werden die Auslösewerte am Arbeitsplatz
erreicht oder überschritten, sind Maßnahmen des Arbeitsschutzes notwendig. Vorrangig muss versucht werden, die Lärmquellen
zu beseitigen oder durch technische Maßnahmen die Lärmexposition zu verringern.
Gelingt dies nicht und bringen auch organisatorische Maßnahmen keinen Erfolg, müssen persönliche Schallschutzmittel (PSA) zur
Verfügung gestellt werden.
Bei Erreichen des unteren Auslösewertes
muss der Unternehmer:
• den Mitarbeiter informieren und unterweisen
• dem Mitarbeiter arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen (Angebotsuntersuchung)
• dem Mitarbeiter Gehörschutz zur Verfügung stellen (Angebot)
Unter Einbeziehung des Gehörschutzes darf
der maximal zulässige Expositionswert LEX,8h
von 85 dB(A) oder LpC,peak von 137 dB(A) am
Ohr des Beschäftigten nicht überschritten
werden.
Auswahl von Gehörschutz
Es ist wichtig, den richtigen Gehörschutz auszuwählen. Der Gehörschutz soll den auf das
Ohr einwirkenden Lärm so weit abschwächen,
dass das Gehör keinen Schaden nimmt. Es
ist jedoch nicht sinnvoll, den Schall so stark
zu dämmen, dass Sprache oder auch Warnsignale nicht mehr gehört werden.
Die Schalldämmung des Gehörschutzes darf
also weder zu klein noch zu groß sein.
Auch sollte der Gehörschutz möglichst angenehm zu tragen sein, damit er von den
Beschäftigten nicht abgelehnt wird.
Bei Erreichen des oberen Auslösewertes
muss der Unternehmer:
Es werden verschiedene Arten von Gehörschutz angeboten:
• den Mitarbeiter informieren und unterweisen
• dem Mitarbeiter arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen, die
dieser wahrnehmen muss (Pflichtuntersuchung)
• dem Mitarbeiter Gehörschutz zur Verfügung stellen (Tragepflicht)
• den Lärmbereich kennzeichnen
• ein Lärmminderungsprogramm planen
und durchführen
1. Kapselgehörschützer
sind alle Gehörschützer mit Kapseln, die
beide Ohrmuscheln umschließen. Sie werden wie Kopfhörer über die Ohren gesetzt.
Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen:
• konventionelle Kapselgehörschützer mit
unterschiedlichen Bügelkonstruktionen
(Kopf-, Nacken-, Universalbügel)
129
12. Schutz des Gehörs
• spezielle Kapselgehörschützer, z. B. mit
pegelabhängiger Schalldämmung, mit
Kommunikationseinrichtung oder mit
UKW-Radio
Kapselgehörschützer können mit anderen
persönlichen Schutzausrüstungen kombiniert werden. Sie können z. B. an dafür vorgesehenen Industrieschutzhelmen befestigt
werden. Dabei sollten allerdings nur geprüfte
und zugelassene Kombinationen verwendet
werden.
Kapselgehörschützer
mit Universalbügel
Kapselgehörschützer
mit Kommunikationseinrichtung
2. Gehörschutzstöpsel
sind alle Gehörschützer, die im Gehörgang
oder in der Ohrmulde getragen werden. Es
sind folgende Arten zu unterscheiden:
• Fertig geformte Gehörschutzstöpsel werden in einer Vielzahl verschiedener Ausführungen angeboten und können
sofort, ohne vorherige Formgebung, in
den Gehörgang eingesetzt werden. Sie
sind in der Regel für den mehrmaligen
Gebrauch gedacht.
• Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel aus polymerem Schaumstoff
werden vor dem Einsetzen in den Gehörgang zu einer dünnen Rolle zusammengedrückt und dehnen sich im Gehörgang
wieder aus, so dass dieser akustisch gut
abgeschlossen wird. Sie sind sowohl
zum einmaligen als auch zum mehrfachen Gebrauch bestimmt.
• Bügelstöpsel bestehen aus fertig
geformten Gehörschutzstöpseln, die an
Bügeln befestigt sind. Sie eignen sich
besonders zum schnellen Ein- und Absetzen.
Kapselgehörschützer
Kapselgehörschützer
an einem dazu passenmit eingebautem
den Arbeitschutzhelm
Radiogerät
Abb. 12.1: Verschiedene Kapselgehörschützer
130
• Gehörschutzstöpsel mit Verbindungsschnur bestehen aus fertig geformten
oder vor Gebrauch zu formenden Gehörschutzstöpseln, die an den Enden einer
Trageschnur befestigt sind.
12. Schutz des Gehörs
• Otoplastiken sind eine Sonderform der
fertig geformten Gehörschutzstöpsel.
Sie werden individuell dem Ohr des Trägers angepasst und zeichnen sich durch
gute Passform und Tragekomfort aus.
Gehörschutzstöpsel
zum mehrmaligen
Gebrauch
Gehörschutzstöpsel
zum einmaligen
Gebrauch
Bügelstöpsel
Stöpsel mit Verbindungsschnur
Otoplastik
Abb. 12.2: Verschiedene Gehörschutzstöpsel
3. Schallschutzanzüge
Schallpegel über 130 dB(A) erfordern
einen zusätzlichen Schutz des Körpers, da
das Innenohr auch Schallwellen registriert,
die über den Körper aufgenommen werden. Des Weiteren können durch
hohe Schalleinwirkung auf innere Organe
Übelkeit, Erbrechen oder Gleichgewichtsstörungen hervorgerufen werden. In solchen Fällen werden außer dem Gehörschutz Schallschutzanzüge, beispielsweise als Leder-Kombinationen, getragen.
Man findet sie auf Flughäfen oder bei der
Armee.
Auswahlkriterium Schalldämmung
Der am Ohr des Benutzers wirksame Lärmexpositionspegel darf die Schädigungsgrenze
von LEX,8h 85 dB(A) bzw. LpC, peak 137 dB(C)
nicht überschreiten. Die auf der Packung der
Gehörschützer angegebenen Dämmwerte
werden durch Verschleiss oder unsachgemäßer Benutzung in der Praxis oft nicht
erreicht. Daher ist neben dem vom Hersteller
angegebenen Dämmwert noch ein Sicherheitszuschlag KS zu berücksichtigen und
somit ggf. ein Gehörschützer mit höherem
Dämmwert auszuwählen. Eine Überprotektion sollte jedoch vermieden werden. Lärmexpositionspegel am Ohr < 70 dB(A) führen
dazu, dass Sprach- und Signalerkennung
nicht mehr im ausreichenden Maße möglich
sind, und können ein Gefühl der Isolation
hervorrufen.
131
12. Schutz des Gehörs
Typ
Kennfarbe
Sicherheitszuschlag
KS
Gehörschützerwirkung
zu formende Stöpsel
(Einwegstöpsel
9 dB(A)
Mehrfach verwendbare Stöpsel
5 dB(A)
Bügelstöpsel
5 dB(A)
Kapseln
5 dB(A)
Otoplastiken
6 dB(A)
Otoplastiken mit Funktionskontrolle
3 dBA)
Tabelle 12.3: Sicherheitszuschlag KS beim Gehörschutz
Die Schalldämmung ist in unterschiedlichem
Maße frequenzabhängig. Daher ist es wichtig, die Lärmquelle hinsichtlich ihrer Fre-
LOhr < 70
Überprotektion
LOhr 70 – 80
empfehlenswert
LOhr 81 – 85
nicht empfehlenswert
LOhr > 85
nicht zulässig
Tabelle 12.4: Gehörschützerwirkung
quenz zu beurteilen. Eine einfache und
in der Regel ausreichende Methode ist
der HML-Check. Durch Hörprobe wird das
Geräusch als mittel- bis hochfrequent oder
als tieffrequent eingestuft. (Etwa 85 % aller
Geräusche am Arbeitsplatz sind mittel- bis
hochfrequent.) Hilfreich für die Einstufung
des Geräuschs sind auch nachfolgende
Tabellen:
Brennschneider
Rollenrotations-Hochdruck-Pressen
Dragiertrommeln
Rüttelformmaschinen
Druckluftdüsen
Schlagschrauber
Elektro-Nagler
Schleifmaschinen
Falzmaschinen
Schmiedehämmer
Getränkeabfüllanlagen
Spinnmaschinen
Gussputzarbeiten
Strick- und Wirkmaschinen
Holzbearbeitungsmaschinen
Trennschleifmaschinen
Honmaschinen
Webmaschinen
Hydraulikpumpen
Zentrifugen
Tabelle 12.5: Geräuschquellen der Geräuschklasse HM – mittel- bis hochfrequent
132
12. Schutz des Gehörs
Bagger
Konverter-Anlagen
Elektro-Schmelzöfen
Kupol-Öfen
Elektro-Umformersatz
Metall-Druckgießmaschinen
Feuerungen
Planierraupen
Hochofenanlagen
Strahlanlagen
Kollergänge
Verbrennungsöfen
Kompressor-Anlagen (Kolben)
Tabelle 12.6: Geräuschquellen der Geräuschklasse L – überwiegend tieffrequent
Wenn der Schallpegel des Geräuschs bekannt ist und das Geräusch als mittel-, hochoder tieffrequent eingestuft wurde, lässt sich
mit Hilfe der Herstellerangaben zur Dämmwirkung des Gehörschutzes der am Ohr wirksame Schallpegel errechnen.
HML-Check
Hoch- (high), mittel- (middle) und tieffrequenter (low) Bereich
1. Einordnung des Geräuschs als hoch-,
mittel- oder tieffrequent
· Hörprobe
2. Berechnung des am Ohr wirksamen
Schallpegels
hoch-, mittelfrequentes Geräusch:
LOhr = LEX,8h – M - KS ≤ 85 dB(A)
tieffrequentes Geräusch:
LOhr = LEX,8h – L - KS ≤ 85 dB(A)
Auswahlkriterium Arbeitsumgebung
Bei der Auswahl der Gehörschutzarten ist
auch die jeweilige Arbeitsumgebung zu berücksichtigen:
• Exposition im Dauerlärm oder wiederholte
kurzzeitige Lärmexposition
• Auftreten von Spitzenschalldruckpegeln
im Bereich der Auslösewerte
• Wichtige Arbeitsgeräusche, die Informationen enthalten
• Warnsignale
• Ortung von Schallquellen
• Sprachkommunikation
• Hohe Temperaturen
• Staub
• Persönliche Unverträglichkeiten des
Benutzers
133
12. Schutz des Gehörs
Kapselgehörschützer sind zu empfehlen,
wenn
• Häufiges Auf- und Absetzen des Gehörschutzes erforderlich ist (hier sind auch
Bügelstöpsel geeignet)
• Gehörschutzstöpsel vom Benutzer nicht
vertragen werden
Kapselgehörschützer sind nicht zu empfehlen, wenn
• Gutes Richtungshören erforderlich ist, sie
erschweren die Ortung von Schallquellen
Gehörschutzstöpsel sind zu empfehlen
• An Arbeitsplätzen mit andauernder Lärmwirkung
• Bei zu starkem Schwitzen unter Kapselgehörschützern
• Bei gleichzeitigem Tragen von Brille und
Gehörschutz
• Wenn gleichzeitig andere persönliche
Schutzausrüstung, z. B. Helm, Gesichtsschutz usw. getragen werden müssen
Gehörschutzotoplastiken sind besonders
bequem zu tragen und daher zu empfehlen,
wenn
• Kapselgehörschützer wegen täglicher
mehrstündiger Tragezeiten abgelehnt
werden und andere Gehörschutzstöpsel
wegen Unverträglichkeit nicht getragen
werden können.
• Aufgrund arbeitsmedizinischer Befunde
ein besonders sicherer Schutz vor Lärmeinwirkung erforderlich ist.
Richtige Anwendung von Gehörschutzstöpseln
Gehörschutzstöpsel aus Schaumstoff müssen vor dem Einsetzen in den Gehörgang
durch Drehen zwischen den Fingerspitzen zu
einer dünnen Rolle geformt werden.
Der gerollte Gehörschutzstöpsel muss sofort
in den Ohrkanal eingesetzt werden. Nur so
kann man ihn mit reduziertem Durchmesser
richtig positionieren.
Bügelstöpsel sind zu empfehlen, wenn häufiges Auf- und Absetzen erforderlich ist.
Gehörschutzstöpsel mit Verbindungsschnur
sind zu empfehlen, wenn ein Verlust der
Stöpsel zu Produktionsstörungen führen
kann. Sie dürfen nicht getragen werden,
wenn in der Nähe bewegter Maschinenteile
gearbeitet wird.
Abb. 12.3: Anwendung von Gehörschutzstöpseln
134
12. Schutz des Gehörs
Auswahl Gehörschutz
Kapselgehörschützer
Stöpsel zum
einmaligen
Gebrauch
Stöpsel zum Stöpsel mit
Bügel- Otomehrmaligen Verbindungsstöpsel plastiken
Gebrauch
schnur
hohe Temperaturen
und/oder hohe
Feuchtigkeit
Starke
Staubbelastung
Schmutz, Staub
oder Metallspäne
an den Händen
Arbeiten in der
Nähe bewegter
Maschinenteile
Vibrationen
Wiederholte kurzzeitige Lärmexposition
Sprachkommunikation, Warnsignale
Ortung von
Schallquellen
geeignet
Einzelfallprüfung geeignet / ungeeignet
nicht geeignet
135
12. Schutz des Gehörs
Gehörschutzstöpsel lassen sich besser in
den Ohrkanal einführen, wenn dieser durch
Ziehen am Ohr begradigt wird.
Nach dem Einsetzen in den Gehörgang ist
der Stöpsel so lange mit dem Finger zu fixieren, bis er sich vollständig an den Gehörgang
angelegt hat (mindestens 10 Sekunden bzw.
nach Herstellerangaben).
Pflege und Hygiene
Pflege:
Um Hautreizungen und andere Ohrprobleme
zu vermeiden, müssen zum mehrfachen
Gebrauch bestimmte Gehörschützer regelmäßig gewartet und gereinigt werden. Es
sollten die Reinigungsangaben des Herstellers genau befolgt werden. Beschädigte
Dichtungskissen nicht weiter verwenden.
136
Hygiene:
Gehörschutzstöpsel sollen nicht mit verschmutzten Fingern eingesetzt werden.
An Schmutzarbeitsplätzen empfiehlt sich
daher der Einsatz von Gehörschutzstöpseln
zur einmaligen Verwendung.
An staubigen Arbeitsplätzen bildet sich gelegentlich zwischen dem Dichtungskissen und
der Haut eine Schmutzschicht, die zu Hautreizungen führen kann. (Hinweis: Zwischenlage für Kapselgehörschutz verwenden.)
Weitere Informationen:
DGUV Information 212-024 (BGI/GUV-I 5024)
Gehörschutzinformationen
DGUV Regel 112-194 (BGR/GUV-R 194) Benutzung von Gehörschutz
Berufsgenossenschaft
Energie Textil Elektro
Medienerzeugnisse
Gustav-Heinemann-Ufer 130
50968 Köln
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