Unterwegs»-Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014

Sondernummer zum Geschäftsbericht | 26. März 2015
Die SBB.
2014
So sehen es
Kunden
Lob und Kritik von Urs Weishaupt
und Valérie Dussex Silvestri.
Seite 6
Wo die SBB steht: Das sagen
Andreas Meyer und Ulrich Gygi.
Seite 12
Schwarze Zahlen beflügeln
das Cargo-Team in Cadenazzo.
Seite 26
Die SBB 2014
+ 0,2 %
Kundenzufriedenheit
CO2-Emissionen
+1,6
– 37 %
Kundenpünktlichkeit
87,7 %
Punkte
im Vergleich zu 1990
von 100
Die SBB ist die pünktlichste
Bahn Europas.
Onlineverkäufe
Personenverkehr
+19 %
Gewinn
373
2014
Mio. CHF
1,18 Mio.
+57 %
2013
+ 3,7 %
Reisende pro Tag
Gütertransp
orte
+ 7,7 %
+ 2,6 %
SBB Cargo
210 0 0 0
Nettotonnen
pro Tag
Netznutzung
10 268
auf dem SBB Netz pro Tag
Mitarbeitende
Züge
32 730
inkl. vollständige Integration
der Login AG
+ 5,7 %
Inhalt & Editorial
36
Fotos: Daniel Winkler, Beat Schweizer, Alessandro Della Bella, Raphaël Leibundgut
Engagieren
12
Geschichten
und Gesichter
26
Die SBB bewegt die Schweiz – und
ist selbst in voller Fahrt: Wir wollen
bis 2016 top werden bei der Kundenzufriedenheit. Dazu müssen unsere
Leistungen stimmen, Tag für Tag.
Gleichzeitig gilt es, Effizienzpotenziale
dort zu realisieren, wo die Kunden
es nicht spüren. Und es braucht den
vorausschauenden Blick auf neue
Mobilitätsbedürfnisse, um sich im
Markt richtig zu positionieren.
04 Smarte Mobilität
24 Mister Gotthard
Peter Jedelhauser: der Mann, der den
Tunnel zum Netz vervollständigt
05 Lisa Guyaz
Voll auf den Kunden fokussiert
26 SBB Cargo in Cadenazzo
Die Schwarze Null und ihre Folgen
06 So sehen Kunden die SBB
Mit Urs Weishaupt und Valérie
Dussex Silvestri unterwegs
29 Gewinn – weshalb?
Gewinnt die SBB, gewinnen alle
11 Die Flotte erneuern
So komplex ist die Beschaffung
Nutzen
30 Nachhaltige SBB
12 VR-Präsident und CEO
Ulrich Gygi und Andreas Meyer
über das SBB Geschäftsjahr 2014
31 Christina Meier
Unermüdliche Kämpferin für die Natur
Erfahren
32 Drehscheibe Bahnhof
Fotostory: 24 Stunden in Basel SBB
18 Die Bahn baut
36 Bewegliche Mitarbeitende
Andrea Gian Mordasini, Thomas Burri,
Sofie Züblin: Mobilität in der DNA
19 Martin Gautschi
Stolz auf neue Betriebszentrale
20 Erkämpfte Hochleistung
Wie die SBB das Schienennetz
laufend erneuert und ausbaut
38 Energiesparzüge
Cyril Holewa rüstet Züge mit neuer
Software aus
Jetzt App für iPad herunterladen:
sbb.ch/unterwegs-app (sbb, benefit)
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
Die ganze Jahresberichterstattung:
geschaeftsbericht.sbb.ch
2014 haben wir auf diesem Weg
einiges erreicht und auch vieles gelernt.
Davon erzählt diese Sonderausgabe
«Unterwegs», die zugleich Mitarbeitermagazin und Geschäftsbericht ist.
Wie konkretisieren sich unsere
Herausforderungen im SBB Alltag?
Wie erleben unsere Kunden diese
intensive Zeit? Und was heisst das für
unseren Weg zum Ziel 2016?
Geben wir dazu unseren Mitarbeitenden und Kunden das Wort.
Lassen Sie sich von den Geschichten
und Gesichtern 2014 inspirieren.
Und tanken Sie dabei selber Motivation
und Kraft für die eigene Arbeit. Nur
gemeinsam erreichen wir das Ziel.
Kathrin Amacker
Leiterin Kommunikation,
Mitglied der Konzernleitung
3
4
ÖV der Zukunft
Wie sich die Mobilität verändert
Viele Menschen, viele Bedürfnisse: Den einen ist das Reiseerlebnis
wichtig, für andere steht der effiziente Weg von Tür zu Tür im Vordergrund.
Neue Verkehrsmittel werden auftauchen. Aus Transport- wird
Mobilitätsmanagement, das Schlüsselwort heisst «smarte Mobilität».
Text: Martin Stutz | Infografik: Laetitia Buntschu
Smarte Mobilität
Smarte Mobilität verändert
Unternehmen und
Arbeitsmarkt. Sie bietet
Chancen für neue Geschäftsmodelle, erschliesst neue
Rekrutierungspotenziale,
gibt den Mitarbeitenden
mehr Flexibilität und macht
sie produktiver.
Smarte Mobilität macht
die Arbeitswelt energieeffizienter. Die neue, schreibtischunabhängige Art zu
arbeiten verändert aber auch
die Gesellschaft. Sie verbessert die Work-Life-Balance
und sorgt für neue Lebensund Arbeitsmodelle.
ÖV-Mobilitätsberatung
Drehscheibe Bahnhof
Das Mobilitätssystem
Kundeninformation basiert auf Echtzeitdaten, wird immer individueller und führt
punktgenau an den richtigen Ort. Sie deckt
die ganze Reisekette ab und wird zur
eigentlichen Mobilitätsberatung im öffentlichen Verkehr. Sie erlaubt die effiziente
Kombination aller Verkehrsmittel und Services.
Kurz: Genau die Informationen, die Kunden
benötigen – just in time, just smart.
Bahnhöfe verbinden verschiedenste
Verkehrssysteme zu einem sinnvollen
Ganzen. Hier wird gearbeitet, gelebt
und eingekauft. Am Business Point
finden zwischen zwei Firmenstandorten
Sitzungen statt, anschliessend gibt
man seinen Anzug in die Reinigung. Am
Bahnhof erfolgt der Umstieg auf andere
Verkehrsmittel.
Schiene gegen Strasse: Diese Betrachtungsweise ist von vorgestern. Neu werden
alle Verkehrsmittel smart kombiniert. Ein
Ticket für alles, das ist die Vision. Viele
Hersteller arbeiten daran: Selbstfahrende
Autos sind mehr als Zukunftsmusik.
Sie werden mit ihrer künstlichen Intelligenz
den öffentlichen Verkehr individualisieren
und lassen sich ins öV-System integrieren.
Foto: Stefan Walter
Engagieren
5
Sie will ihre Liebe
zum Reisen auf die
Kunden übertragen:
Lisa Guyaz.
Aus Leidenschaft
Organisatorin
von Alltagsfluchten
Lisa Guyaz blättert in Katalogen. Sie sucht ein Angebot für
das Paar, das ihr im SBB Reisebüro Lausanne gegenübersitzt. Das gespannt wartende Paar will eine Reise nach
Mailand mit Zug und Hotel buchen sowie eine Rundreise
durch Schottland, mit Flugzeug, Mietwagen, Hotel in den
Highlands und Karten für das Edinburgher Tattoo.
Der wichtigste Teil der Arbeit sei das Zuhören, sagt die
23-jährige Reisekauffrau. «Ich muss die Wünsche der
Kunden und Kundinnen erfassen, herausfinden, wovon sie
träumen und wie sie sich ihren idealen Ferienaufenthalt
vorstellen. Und dann ein Angebot vorlegen, das ihren
Gemessen:
die Leistung
der SBB
im Jahr 2014
Vorstellungen rundum entspricht.» Ein echtes Vertrauensverhältnis sei für das Organisieren einer «Alltagsflucht»
notwendig.
Lisa Guyaz hat vor drei Jahren beschlossen, eine Ausbildung zur Reisekauffrau zu machen. Aus Liebe zum Reisen
und zum Entdecken neuer Länder. Aus Leidenschaft für
ihre Kundinnen und Kunden. Kehren diese zurück, ruft sie
Lisa Guyaz kurz an, um zu erfahren, ob die Reise den
Erwartungen entsprochen hat und um sie zu einem Kaffee
ins Büro einzuladen. «Ich liebe es, ihre Geschichten zu
hören und zu erfahren, dass die Reise den Erwartungen
entsprochen hat.» Es sei ein Privileg ihres Berufs, den
Kundinnen und Kunden zu einem schönen, erholsamen
Aufenthalt zu verhelfen. Und Lisa? Geht sie auch in die
Ferien? «Ja klar, ich liebe das. Ausflüge, Wanderungen und
das Entdecken neuer Gegenden! In einigen Tagen mache
ich mich auf nach Kolumbien.» Text: Jean-Philippe Schmidt
→ Kundenzufriedenheit
→ Konzernimage
→ Personalmotivation
Der Gesamtwert ist
um 1,6 Punkte
gestiegen. Im
Personenverkehr nahm er
leicht von 75,7 auf 75,9 Punkte
(von 100) zu. Besser beurteilt
wurden Sauberkeit, Platzangebot und Preis/Leistung;
schlechter Fahrplan und
Pünktlichkeit. Die CargoKunden waren mit 74,4 statt
66,4 Punkten klar zufriedener.
Das Image der SBB
hat sich von 63,7
auf 64,7 von 100
Punkten verbessert. Einen
positiven Effekt hatte im
ersten Quartal die FABI-Abstimmung. Im Sommer
ging der Wert wegen Störungen mit Auswirkungen
auf die Pünktlichkeit zurück.
Zugelegt hat die SBB
bei der Glaubwürdigkeit.
Die Motivation lag
mit 75 Punkten drei
Punkte höher als bei
der letzten Vollbefragung
2012. Die Zufriedenheit der
Mitarbeitenden verbesserte
sich sogar um vier Punkte.
Mit 66 von 100 Punkten
erreichte sie einen Höchststand, liegt allerdings gegenüber vergleichbaren Unternehmen noch zurück.
Neun Ziele messen
den Erfolg der SBB.
→ Die weiteren Ziele
auf den Seiten 19 und 31
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
6
Engagieren Kundenzufriedenheit
Die Arbeitspendlerin:
Valérie Dussex
Silvestri, 42,
Re
eis
sen
e de pro
o Tag
ag
weiss als Kundenbeirätin und Langdistanzpendlerin ,
wo Verbesserungen
möglich sind.
Kundenzufriedenheit Engagieren
Der Freizeitreisende: Urs
Weishaupt, 61,
hat als Pensionär
einen besonders
entspannten Blick
auf die SBB-Dienstleistungen. Er will
Komfort und Stil.
Die SBB
der Kunden
Kundenzufriedenheit auf dem Prüfstand:
Die Kundenbeirätin Valérie Dussex Silvestri
und der ehemalige St. Galler Informationschef Urs Weishaupt reisen mit der SBB und
vermitteln ihre Sicht.
Text: Ruedi Eichenberger | Fotos: Stefan Walter
7
8
Engagieren Kundenzufriedenheit
Vor Urs Weishaupt, 61, steht ein Espresso im Porzellantässchen und auf einem weissen Tischtuch.
Der Ende 2013 zurückgetretene Informationschef
der Stadt St. Gallen sitzt um 11 Uhr im Speisewagen
des aus München kommenden Eurocity 196 – einer seiner Lieblingszüge: «So hats Stil. Und der
Zug fährt von St. Gallen nonstop nach Winterthur,
ohne die Zwischenhalte, welche die Fahrt gefühlt
um eine Viertelstunde verlängern.»
Valérie Dussex Silvestri, 42, würde sich ebenfalls
einen Kaffee wünschen. Doch im Interregio von
Brig nach Genf Flughafen gibt es keinen Speisewagen und keine Minibar – ein Service, den sie
vermisst, diesen frühen Morgen besonders. «Im
Kundenbeirat hat man uns gesagt, es sei nur eine
regionale Verbindung, dabei dauert die gesamte
Fahrt zwei Stunden und 40 Minuten.»
Der Kundenbeirat ist 2009 geschaffen worden und war
ein erstes Symbol für die Zuwendung der SBB zu den
Kunden. Seine 26 Mitglieder beraten das Unternehmen
aus Kundensicht. Sie gestalten mit, besitzen aber keine
Entscheidkompetenz. Valérie Dussex hat sich vor drei
Jahren für die Teilnahme beworben; sie ist Sprecherin
für die Romandie und das Tessin.
«Le Matin» in der Luftseilbahn
Urs Weishaupt wohnt am nördlichen Stadtrand
St. Gallens, er will in der Sammlung Rosengart in
Luzern wieder einmal Picasso und Klee ansehen.
Valérie Dussex‘ Zuhause liegt 1300 Meter über
Meer hoch in Vercorin VS, über Sierre im Rhonetal.
Sie arbeitet bei Swisscom als Business-Analystin
und fährt heute zur Arbeit nach Lausanne. Er,
pensioniert und teilzeitlich noch auf Mandatsbasis
tätig, benützt den Öffentlichen Verkehr mehr und
mehr als Freizeitreisender. Sie ist als Pendlerin
unterwegs – meist zwei Tage pro Woche, einen
weiteren arbeitet sie von zu Hause aus.
Die Reise von Valérie Dussex beginnt punkt 6 Uhr
früh in der Luftseilbahn von Vercorin ins Tal hinunter nach Chalais. Es ist die erste Fahrt des Tages;
die Betriebsleiterin und Kassiererin in Personalunion hängt in der 15-plätzigen Kabine soeben
noch den druckfrischen «Le Matin» und den
«Nouvelliste» auf – die einheimische Kundschaft
schätzt den Service. Urs Weishaupt startet vier
Stunden später mit dem Stadtbus, an der Endhaltestelle einer Zweiglinie direkt neben der Siedlung,
2016
will die SBB bei der
Kundenzufriedenheit zu
den Topunternehmen
der Schweiz gehören.
in der er wohnt. Ob Luftseilbahn, Bus und Bahn im
Wallis oder Bus /Zug / Zug von St. Gallen nach Luzern: Beide Transportketten sind perfekt verzahnt,
die Umsteigezeiten kurz, der Takt dicht. Das ist,
worum die halbe Welt die Schweiz beneidet und
was SBB Kunden heute erwarten.
Billette: zu kompliziert
Der Billettkauf ging noch voraus. Dussex und
Weishaupt besitzen beide ein Halbtaxabo. Sie hat
ihr Ticket zuhause mit dem iPhone gelöst, er benützt meist ebenfalls den SBB Mobile Shop, heute
jedoch einen Billettautomaten in der St. Galler
Bahnhofhalle. Und ärgert sich etwas: «Zehn Klicks
bis zum Billett, dies ist einfach zu kompliziert.
Schauen Sie» – er zeigt zu einem anderen Automaten –, «dieses junge Paar war bereits längere
Zeit vor mir da und hat es noch immer nicht
geschafft.»
Valérie Dussex findet die Mobile Tickets praktisch.
Erst nach der Billettkontrolle – Zugchef Bernard
Biaggi scannt mit seinem neuen Zugpersonalgerät
den Code auf ihrem Bildschirm – verfinstert sich
ihre Miene: «Warum muss ich jedes Mal zusätzlich
mein Halbtaxabo zeigen und zudem noch umdrehen? Dies begreife ich nicht.» Weishaupt kennt
Dussex nicht, beanstandet aber unabhängig von
ihr das Gleiche: «Da kommt bei mir immer wieder
die Erinnerung an alte Zeiten hoch, als Passagiere
noch Transportgut waren und nicht Kunden.»
Eine SBB, die von den Kunden her denkt, von innen
nach aussen, statt umgekehrt: Genau auf diesem Weg
befindet sie sich. Dies mit dem Ziel, bis Ende 2016 bei
der Kundenzufriedenheit zu den Topunternehmen der
Schweiz zu gehören. «Die Kundenbrille aufsetzen», das
beginnt oben in der Hierarchie: 3000 Kaderleute fassen
an 60 «Top SBB II»-Workshops die Aufgabe, als Kunden
zum Beispiel online Plätze zu reservieren, mit sperrigem
Gepäck eine Reise anzutreten oder in einem grossen
Bahnhof Blumen und eine Flasche Wein zu kaufen. Oft
gar nicht so einfach – weil sie auf Dinge stossen, die nur
von innen her gedacht worden sind statt vom Kunden.
Anstösse zum Handeln gibt auch die Marktforschung.
Bei den «Basisleistungen» wie Sicherheit, Sauberkeit
und Pünktlichkeit sieht sich die SBB mehrheitlich auf
Kurs, Schwächen decken die Erhebungen zur Kundenzufriedenheit etwa in der Kundeninformation bei
Störungen oder der Pünktlichkeit auf. Diese geht sie an.
Darüber hinaus sollen sich die Kunden von der SBB verstanden fühlen und sich über Aufmerksamkeit freuen.
Verspätungen, Schmutz oder überfüllte Züge sind
für beide Reisenden kaum ein Thema. Schon
eher ist es der Komfort. Den IC-Doppelstockzug
von Zürich nach Luzern empfindet Urs Weishaupt als wenig komfortabel: «Für Strecken bis
zwei Stunden mag er angehen, aber ein echter
Kundenzufriedenheit Engagieren
9
Liebt Reisen mit
Stil, möglichst
ohne Zwischenhalte:
Urs Weishaupt.
«Ein echter Fernverkehrszug muss komfortabel
sein – ansonsten genügt
es mir, vom Personal
vernünftig behandelt
zu werden.» Urs Weishaupt
Nutzt die Zeit
unterwegs für
ihre Arbeit:
Valérie Dussex.
«Ich wünsche mir
von der SBB, dass sie
den Kundenbeirat
noch stärker mit
einbezieht als bisher.»
Valérie Dussex Silvestri
26
Beiräte zeigen der
SBB die Kundensicht auf – Valérie
Dussex Silvestri ist
eine von ihnen.
S BB
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
10
Engagieren Kundenzufriedenheit
Fernverkehrszug ist dies nicht.» Oft verbarrikadiere
Gepäck mangels Ablagemöglichkeiten die Durchgänge.
Haltung und Verhalten? Die Ansprüche von Valérie
Dussex Silvestri sind diesbezüglich bescheiden.
Als Pendlerin erwartet sie keine besondere Aufmerksamkeit. Aber auch der Freizeitreisende Urs
Weishaupt denkt ähnlich. «Reisen ist für mich primär Zweck und der Zug ein Massentransportmittel. Meist fühle ich mich vom Personal vernünftig
behandelt, das genügt.» Von der SBB und ihrem
Personal erwartet er Kulanz. Wenn schon, dann
hätte Dussex lieber dies: «Ein Fitnesswagen auf
der Reise nach Zürich, das wäre super.» Oder eine
bessere Netzverbindung auf der Gotthardstrecke.
Zudem wünscht sie sich, dass die SBB noch mehr
auf den Kundenbeirat höre.
Perfekt verzahnte Transportketten: von der Seilbahn
bis zum Fernverkehr.
Videointerviews mit Urs Weishaupt und Valérie
Dussex Silvestri finden Sie in der iPad-Ausgabe
von «Unterwegs».
Das Kundenversprechen
von SBB Cargo
SBB Cargo schreibt zum zweiten Mal schwarze Zahlen.
Ihr Erfolg und der Erfolg ihrer Kunden sind nahe Verwandte. «Wir tragen zum Erfolg unserer Kunden bei», heisst
der Leitsatz des 2014 abgegebenen Kundenversprechens.
Die Nähe zu den Güterkunden und die Haltung ihnen
gegenüber sind für Cargo-Chef Nicolas Perrin entscheidend: «Die Menschen bei SBB Cargo sind neben der
Leistung ein wesentlicher Faktor.»
Noch sehen Partner Spielraum nach oben. «Die Grundleistung ist sehr gut», lobt Christian Kempter-Imbach,
Geschäftsführer von Imbach Logistik. Doch: «Verbesserungspotenzial gibt es bei Unregelmässigkeiten. SBB Cargo
muss sich noch vermehrt mit den Kunden und ihren Dienstleistungen identifizieren.» Ähnlich spricht Daniel Brenner
von Novelis Switzerland: «Im Verkauf nehme
ich die SBB als sehr kundenorientiert wahr, im Tagesbereich
aber als relativ kompliziert. Sie sollte auch die Sprache der
Kunden reden statt nur jene der Bahn.»
Hier gibt das Versprechen Gegensteuer. Es baut auf den
fünf Werten der SBB auf und versteht zum Beispiel den
Wert «ambitioniert» so: «Wir verstehen unsere Kunden
und sind Partner auf Augenhöhe.» Oder «respektvoll»:
«Wir handeln unkompliziert, schnell und freundlich.»
Dass die Kunden unterschiedlich ticken, kalkuliert die
SBB ein. Sie arbeitet mit sechs modellhaften Kundentypen. Die SBB will die Zufriedenheit nicht nur mit
Kosmetik steigern, sondern sie will sich umfassend
für die Kunden und den Nutzen für sie einsetzen. Dies
beginnt mit den Chefs und setzt sich mit allen anderen
Mitarbeitenden fort: Alle sollen sich ihrer Rolle in der
Wertschöpfungskette bewusst werden. «Denn die Mitarbeitenden im direkten Kontakt mit den Kunden können
nur so stark sein wie jene hinter ihnen, welche die Voraussetzungen schaffen», sagt Karin Grundböck, die den
Blickwechsel mitverantwortet. Bald geht es in die Breite:
Auf die im März abgeschlossenen Workshops der 3000
Kaderleute folgen nun Sicherheits- und Qualitätswerkstätten für alle Mitarbeitenden, in denen Kundenorientierung grossgeschrieben wird.
100 Minuten nach der Abfahrt im Bahnhof St. Gallen
hat Urs Weishaupt demnächst Zug erreicht. In
der gleichen Zeit nach dem Türschliessen in der
Luftseilbahn nähert sich Valérie Dussex Silvestri
ihrem Ziel Lausanne.
«Ausstieg in Fahrrichtung links», tönt Zugchef
Biaggi aus dem Lautsprecher. Sie lächelt – mit
dem Kundenbeirat hat sie diese Neuerung bewirken können, als Hilfe für viele Reisende mit
Kinderwagen oder anderem grossem Gepäck.
3000
SBB Kaderleute
haben an Workshops
die Kundenbrille
aufgesetzt.
Flottenerneuerung Engagieren
Komplexe Käufe
Neue Züge für eine moderne SBB beschaffen:
Das geht ins Geld und hat nicht selten Tücken.
Text: Lea Hornstein | Bild: Stadler Rail AG, NOSE Design AG
In Daniel Novaks Büro in Bern stapeln sich die Ordner. Hier befinden
sich alle Unterlagen zum neuen Zug für den Nord-Süd-Verkehr der SBB.
Novak leitet das Projekt für dessen Beschaffung. Er ist zufrieden: «Im
Mai 2014 hat die SBB den Auftrag für 29 Züge vergeben, im Oktober
konnten wir die Verträge trotz Einsprachen bereits unterzeichnen. Das
ging relativ schnell.» Der Zug hat nun auch einen Namen: «Giruno» –
abgeleitet vom rätoromanischen Wort für «Mäusebussard».
Die SBB zählt zu den besten Eisenbahnen der Welt. Dazu investiert sie
jährlich rund eine Milliarde in neue Züge und in die Modernisierung der
bestehenden Flotte. 2014 waren es 676 Millionen Franken. Die Beschaffung von neuem Rollmaterial ist komplex. Dies zeigt das Beispiel des
neuen Doppelstockzugs für den Fernverkehr (FV-Dosto). Das Projekt
ist mittlerweile rund drei Jahre verspätet. Im November 2014 konnten
Bombardier und SBB nun die offenen Fragen zur bisherigen Verzögerung klären. Jetzt endlich geht es ganz um die Hauptsache: die Produktion und Tests der Züge.
Vergangenes Jahr wurde zudem ein Meilenstein in einem weiteren
Beschaffungsprojekt erreicht. Die ersten der acht zusätzlichen Züge des
Typs ETR 610 kamen pünktlich an und fahren im Nord-Süd-Verkehr
bereits. Der Ausblick auf 2015 stimmt auch bei den anderen Projekten
positiv: Im Frühjahr wird die SBB zwei Testzüge des neuen FV-Dosto
prüfen. Sofern die Qualität stimmt, können die ersten Züge ab 2017
produktiv fahren. Bei «Giruno» beginnt bereits im Frühjahr die Maquettenphase: Interessen- und Anspruchsgruppen begehen ein Holzmodell
und geben Rückmeldungen.
250 km/h
schnell, 2 × 200 m lang,
2 × 400 Sitzplätze: Der «Giruno»
für den Nord-Süd-Verkehr.
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
3 Fragen an
Jeannine Pilloud,
Leiterin Personenverkehr
Rechnen sich hohe Investitionen
in die Flotte?
Damit können wir unseren Kunden
mehr Komfort und bis 2030 60 Prozent
mehr Sitzplätze anbieten. Neben
Neuanschaffungen investieren wir
auch viel in die bestehende Flotte,
um so deren Lebensdauer erhöhen zu
können. Die moderne, funktionierende Flotte ist der zentrale Basisfaktor.
Ohne Rollmaterial – keine SBB.
Kann sich die SBB dies leisten?
Ja, wir können und müssen uns das
leisten. Ansonsten können wir den
Erwartungen unserer Fahrgäste nicht
mehr gerecht werden. Im schlimmsten
Fall hätte dies eine Rückverlagerung
auf die Strasse zur Folge, was wir
unbedingt verhindern müssen. Denn
unser Auftrag aus der Politik verlangt,
dass möglichst viel Verkehr auf der
Schiene abgewickelt wird.
Turbulenzen bei der Rollmaterialbeschaffung Anfang 2014: Ihr Fazit?
Öffentliche Ausschreibungen sind
für alle Beteiligten anspruchsvoll. Dank
der Professionalität aller Beteiligten
konnte die Situation in den verschiedenen Projekten jedoch stabilisiert und
alle Rechtsfragen geklärt werden, so
dass wir uns nun auf das Wesentliche
konzentrieren können: das Bauen der
Züge. Foto: Daniel Winkler
11
12
Engagieren Rückblick 2014
«Wir arbeiten
an smarter Mobilität»
Mehr Passagiere und Güter transportiert, bei Sicherheit
und Pünktlichkeit zugelegt; gestiegene Kundenzufriedenheit und ein
höheres Konzernergebnis: Verwaltungsratspräsident
Ulrich Gygi und CEO Andreas Meyer blicken auf 2014 zurück – und
werfen einen Blick in die Zukunft, in der die Mobilität smart
wird und wo gleichzeitig handfeste Aufgaben gelöst sein wollen.
Text: Martin Stutz, Andreas Stuber | Fotos: Beat Schweizer
Herr Gygi, wie beschreiben Sie das Geschäftsjahr
2014 in einem Satz?
Ulrich Gygi: Die SBB ist 2014 gut vorangekommen –
aber noch nicht am Ziel.
Und welchen Satz wählen Sie, Herr Meyer?
Andreas Meyer: Wir haben grundsätzlich positiv
abgeschlossen, und besonders freue ich mich
über die verbesserte Kundenzufriedenheit und
die gestiegene Motivation der Mitarbeitenden.
Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Erfolge?
Gygi: Mit der gestiegenen Kundenzufriedenheit
sind wir gut unterwegs auf dem Weg zum Ziel
2016, nämlich zu den geschätztesten Dienstleistern in der Schweiz zu gehören. Wir haben
das am intensivsten genutzte Schienennetz der
Welt – und sind gleichzeitig die pünktlichste
Bahn Europas. Darauf dürfen wir stolz sein. Mit
dem Ja zu FABI haben die Stimmberechtigten eine starke Basis für den Schienenverkehr
gelegt.
Meyer: Bei der Sicherheit konnten wir deutlich zulegen, die Pünktlichkeit ist in einem anspruchsvollen Jahr mit vielen Baustellen leicht höher.
Grosse Projekte sind planmässig vorangekommen. Die erste Etappe der Durchmesserlinie
in Zürich etwa bringt den Kunden ein deutlich
höheres Angebot und verbesserte Qualität. Der
Spatenstich zum zehn Jahre dauernden Grossprojekt Léman 2030 markiert den Beginn eines
wahren Quantensprungs im Bahnverkehr der
Romandie. Die grossen Rollmaterialbeschaffungen sind wieder aufgegleist.
Welche Leistung für Kunden streichen Sie
speziell heraus?
Meyer: Die Mobilfunkverbindungen in Schweizer
Fernverkehrszügen. Hier sind wir top, wie
der Netztest des führenden Fachmagazins «Connect» ergeben hat. Davon profitieren unsere
Kunden, denn Verbindungen aus und in die
Züge sind heute gleich wichtig wie die Zugsverbindungen selbst. Mobilfunkverbindungen
sind die Basis für den Bahnverkehr von morgen
– besonders im Hinblick auf die zunehmende
Digitalisierung. Zudem haben wir mit dem SwissPass eine wichtige Weiche gestellt und zahlreiche
Bahnhöfe modernisiert, so etwa den schönsten
Bahnhof der Schweiz, Genf Cornavin.
Rückblick 2014 Engagieren
Rund zwei Drittel der
Schweizer Bevölkerung
zählt die SBB zu ihren
Kunden.
13
14
Engagieren Rückblick 2014
Mit ihrem Ja zu FABI haben die Stimmbürger
einen wegweisenden Entscheid gefällt. Wie geht
es nun weiter?
Gygi: FABI bedeutet vor allem eine gesicherte
Finanzierung der gesamten Bahninfrastruktur.
Und es gilt der Grundsatz: Unterhalt und Substanzerhalt geht vor Neubau. Dort, wo ausgebaut
wird, soll dies mit Augenmass und nicht nach
dem Giesskannenprinzip erfolgen. Also Ausbau
nur dort, wo wir grosse Engpässe beseitigen
und attraktive Angebote gestalten können. Wir
müssen auch den Kostendeckungsgrad im
Auge behalten. Eine Vollkostendeckung ist im
Öffentlichen Verkehr zwar kaum möglich. Aber
wir sollten darauf achten, dass der Anteil der
effektiven Verkehrserträge an der Kostendeckung gesteigert und nicht geringer wird. Das
ÖV-System muss für Bund und Kanton bezahlbar bleiben.
Meyer: Bei Ausbauten müssen Kundenbedürfnisse, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit ein hohes
Gewicht erhalten. Zudem hat der Ausbauschritt
2030 einen Horizont bis rund 2100. Wir müssen
uns also heute intensiv mit den Kundenbedürfnissen und dem Mobilitätsverhalten in der Zukunft befas«Der Netzzustand liegt
sen – sonst investieren wir am
mir am Herzen. Wir sind falschen Ort.
aber noch lange nicht
am Ziel.» Andreas Meyer, CEO
Das Konzernergebnis ist
gestiegen, auch weil die Sparund Effizienzprogramme
greifen?
Gygi: Die Verbesserung von Effizienz und Rentabilität eines Unternehmens ist eine Daueraufgabe.
Zudem müssen wir differenzieren. Die Ergebnissteigerung erklärt sich zur Hauptsache aus
den Immobilienverkäufen. In unserem Kerngeschäft Transportleistungen haben wir weit
weniger zugelegt. Die finanzielle Lage bleibt
angesichts der eher schwachen Ertragskraft und
der hohen Unterhaltskosten anspruchsvoll.
Meyer: Der Fokus auf Kundenzufriedenheit und
Ergebnis /Finanzierung ist wichtig und richtig.
Deshalb freue ich mich sehr, dass der Güterverkehr die schwarzen Zahlen trotz kompetitivem
Marktumfeld bestätigen konnte. Allerdings
wird es gerade für den Güterverkehr schwierig
werden wegen des starken Frankens. Bei der
373
Mio. CHF
betrug das Konzernergebnis 2014.
135 Mio. mehr als
im Vorjahr.
2013
2014
Alle
1081
Wagen des Fernverkehrs wurden
mit Signalverstärkern für bestmöglichen
Mobilfunkempfang ausgerüstet.
Infrastruktur konnten wir das Defizit verringern,
trotz fast 100 Millionen Franken, die wir selber
für den Unterhalt des Schienennetzes bezahlt
haben. Der Netzzustand liegt mir am Herzen.
Wir sind hier noch lange nicht am Ziel: Der
Nachholbedarf ist 2014 weiter gestiegen, um
rund 200 Millionen Franken auf 2,5 Milliarden.
Wie schätzen Sie die Frankenstärke ein,
Herr Gygi?
Gygi: Sie erschwert uns das Geschäft vor allem
im internationalen Güterverkehr und im
touristischen Verkehr. Die Konzernleitung hat
umgehend Massnahmen zum Schutz unserer
Ergebnisse eingeleitet. So werden beispielsweise die Investitionsprogramme überprüft.
Möglicherweise muss auch der geltende Einstellungsstopp auf Bereiche mit Euro-Umsätzen
ausgeweitet werden.
Keine gute Nachrichten für die Mitarbeitenden…
Meyer: Wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtert, müssen wir reagieren. Für uns ist aber
klar: Wir werden eine attraktive und verlässliche
Arbeitgeberin bleiben, mit sichereren Arbeitsplätzen im Vergleich mit andern. Mit den
Sozialpartnern sind wir im Dialog für weitere
Massnahmen der SBB zur Stabilisierung der
Pensionskasse, auch wenn dies vor dem Hintergrund von Frankenstärke und Negativzinsen
sehr anspruchsvoll ist.
Und für die Kunden?
Meyer: Von der Frankenstärke sind auch die Kunden betroffen. Deshalb werden wir uns dafür
einsetzen, dieses Jahr auf Preiserhöhungen
zu verzichten. Bei allen Sparanstrengungen ist
klar: Die Kunden dürfen davon nichts spüren.
Das heisst, Qualitätseinbussen bei unseren
Basisleistungen wie Sicherheit, Pünktlichkeit
und Sauberkeit akzeptieren wir nicht. Bei der Sicherheit haben wir 2014 ein Topergebnis erzielt.
Doch der Unfall von Rafz hat uns im Februar
Rückblick 2014 Engagieren
2015 vor Augen geführt: Im Sicherheits- und
Qualitätsmanagement dürfen wir nie nachlassen.
Die Verkehrsnachfrage steigt aber stetig. Wie
kann das Bahnsystem dies bewältigen?
Gygi: Wo sich die Nachfrage dynamisch entwickelt, werden wir das Bahnnetz weiter ausbauen
und allfällige Engpässe beseitigen. Insgesamt
aber sind unsere Züge nur zu rund einem Drittel
ausgelastet. Wenn wir das Bahnsystem immer
nur mit Blick auf die Spitzenzeiten ausbauen,
ist das teuer und auf Dauer nicht finanzierbar.
Es braucht Anstrengungen, um die Nachfrage
regelmässiger über den Tag zu verteilen.
Meyer: Wir können die Bahn smarter nutzen.
Flexible, ortsunabhängige Arbeitsformen können die Hauptverkehrszeiten entlasten – auf
bestimmten Zügen um bis zu 30 Prozent. Die
Technologie dazu ist längst da. So rüsten wir
bis Ende 2015 alle Mitarbeitenden mit einem
Smartphone oder Minitablet aus. Zusammen
mit anderen grossen Arbeitgebern unterstützen
wir die «Work Smart»-Initiative zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Davon profitieren
Mitarbeitende mit einer besseren Work-LifeBalance – und Unternehmen von motivierten
Mitarbeitenden. Auch die Besteller sind gefordert, die Auslastung besser zu verteilen, so wie
es zum Beispiel der Kanton Bern mit späterem
Start der Schulzeiten auf der Oberstufe plant.
Ein smarterer Umgang mit der Mobilität – was
heisst das für die SBB?
Meyer: Die Basisleistungen müssen stimmen,
heute und auch in Zukunft. Deshalb investieren wir einerseits rund eine Milliarde Franken
jährlich in neues Rollmaterial und bauen das
Schienennetz wo sinnvoll weiter aus. Gleich-
Frankenstärke: So sind
SBB und die Schweiz betroffen
Kosten in Franken – Erträge in Euro. Wer so aufgestellt ist, bekommt die Frankenstärke zu spüren.
Dies betrifft die Schweizer Exportwirtschaft – und
auch die SBB, beispielsweise im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Zudem: Ferien in der Schweiz
sind für Touristen aus Europa deutlich teurer
geworden. Zu erwarten sind deshalb Auswirkungen
auf den Personenverkehr. Klar ist weiter: Die
Hochpreis- und Hochlohninsel Schweiz steht mit
der Frankenstärke unter zusätzlichem Druck.
Hinzu kommt, dass die Konjunktur in Europa nach
wie vor schwächelt.
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
zeitig verändern sich die Kundenbedürfnisse
rasant. Die sogenannte «Wired Generation»
will unterwegs arbeiten, sich informieren, in
sozialen Netzwerken kommunizieren oder sich
unterhalten lassen. Deshalb brauchen wir auch
Investitionen in neue Technologien, etwa für
den Mobilfunkempfang in Zügen. Zudem nutzen wir die Chancen der Digitalisierung: SBB
Online ist mit fünf Millionen Downloads die
erfolgreichste App der Schweiz. Wir arbeiten an
der smarten Mobilität.
Neue Kundenbedürfnisse bringen auch neue
Kundenansprüche mit sich – kann die SBB
diesen gerecht werden?
Gygi: Der Kunde will heute im Zug alle Optionen
haben: lesen, schlafen, die Landschaft geniessen, aber eben auch ununterbrochen via
Netz mit der Welt verbunden sein. Letzteres ist
technisch in Zügen anspruchsvoll und kostspielig, aber völlig unumgänglich. Reisezeit ist
eben auch Arbeitszeit. Immer wichtiger wird
es, den Kunden in seiner ganzen Reisekette von
Tür zu Tür zu assistieren und noch bestehende
Schranken abzubauen.
Verwaltungsratspräsident Ulrich
Gygi: den Kunden
in der ganzen
Reisekette zur
Seite stehen.
15
16
Engagieren Rückblick 2014
Top-Unternehmen bei der Kundenzufriedenheit
gehören. Dies wird gelingen, wenn sich alle Mitarbeitenden auf die Kundenbedürfnisse ausrichten, und wir gleichzeitig unser Ergebnis und die
notwendigen Finanzierungen sicherstellen.
Meyer: Ende Jahr wird der Fahrplanwechsel 2015/16
– der anspruchsvollste seit Bahn 2000 – zahlreiche Verbesserungen und Veränderungen für die
Kunden bringen. Für die SBB ist er eine besondere Herausforderung, und wir bereiten uns seit
mehreren Jahren darauf vor. Mit der zweiten
Etappe Durchmesserlinie und der erneuerten
Nord-Süd-Achse stehen eigentliche Jahrhundertvorhaben vor ihrer Vollendung. Beide sind
Leuchtturmprojekte für
SBB, und auf beide
«Das System des Direkt- die
dürfen wir stolz sein. Mit
dem neuen Gotthardverkehrs wollen wir
wird die SBB 2016
mit dem nötigen Tempo tunnel
auf der Nord-Süd-Achse
Geschichte schreiben. Eine
ausbauen.» Ulrich Gygi, VRP
einmalige Chance für die
Schweiz und die SBB. 2017 wird das Jahr von
West-Ost werden, weil dann nämlich gemäss
Lieferplan von Bombardier endlich die ersten
Fernverkehrs-Doppelstockzüge rollen werden.
CEO Andreas
Meyer: die Bahn
spielt eine
wichtige Rolle
bei der Ausgestaltung eines
neuen, smarten
Mobilitätssystems.
Meyer: Die Technik ist smart, die Kunden sind es
auch, also muss die Mobilität smart werden.
Wir möchten es allen Kunden ermöglichen,
die Stärken der verschiedenen Verkehrsträger
optimal zu verbinden. Dazu gehören nicht
zuletzt ein einfacher Zugang zum ÖV-System
und faire Nutzungsbedingungen. Hier besteht
noch Handlungsbedarf. Als grösstes der rund
250 Verkehrsunternehmen der Schweiz sind wir
in der Branche und mit den Verbünden besonders gefordert. Ganz entscheidend ist zudem
die Kundeninformation, die wir schrittweise
ausbauen werden. Sie basiert auf Echtzeitdaten,
wird persönlicher, punktgenauer, schneller und
wird zur persönlichen Mobilitätsberatung.
Welche Meilensteine erwarten die SBB 2015
und in den Jahren danach?
Gygi: Grundsätzlich gilt es, den Weg der SBB in
Richtung mehr Kundenorientierung weiterzuführen. Ich bin überzeugt, es wird gelingen. Die
SBB hat rund 33000 motivierte Mitarbeitende,
moderne Arbeitsbedingungen, eine dynamische
Führung und legt den Fokus klar auf Kundenzufriedenheit. Bis 2016 will die SBB zu den
Welche Herausforderungen sehen Sie, wenn
Sie etwas weiter in die Zukunft blicken?
Meyer: Sicher ist, es werden uns neue Konkurrenten erwachsen. Die Fernbusse etwa sind
schon da und Vorboten für weitere Veränderungen. Selbstfahrende Autos sind mehr als nur
Zukunftsmusik: Sie haben das Potenzial, den
Mobilitätsmarkt nachhaltig zu verändern. Und
sie bieten uns Chancen für die Tür-zu-TürMobilität und die Entwicklung eines öffentlichen Individualverkehrs. Hier gilt es, sich auf
die Stärken der Eisenbahn in Kombination mit
anderen Verkehrsträgern zu konzentrieren. Und
wir brauchen in der Schweiz eine Diskussion
über die Mobilität der Zukunft. Bei deren Ausgestaltung werden wir eine wichtige Rolle spielen.
Bei allen Anstrengungen zur Verbesserung der
Kundenzufriedenheit und von Ergebnis /Finanzierung müssen wir uns stets vor Augen halten:
Es zählt nur, was auf der Schiene und bei den
Kunden ankommt.
Gygi: Eine grosse Herausforderung besteht darin,
mit unseren über 200 Partnern das System des
Direktverkehrs mit dem nötigen Tempo auszubauen. Der SwissPass als Eintrittskarte zum
schrankenlosen ÖV! Gleichzeitig sind politische
Bestrebungen im Gang, sowohl international,
national und regional, Wettbewerbselemente im
ÖV-System einzubauen. Die Eisenbahnunternehmen werden sich dieser neuen Umgebung
anpassen müssen.
SBB Stimmen Engagieren
«Die Kundeninformation von SBB Cargo
greift seit dem Fahrplanwechsel 2014
besser. Das freut mich sehr. Neben dem
Ordermanagement ist die Operative Steuerung der Regionalen Cargo Produktion
direkte Ansprechpartnerin der Kunden.
Sie kann sich nun bestmöglich auf deren
Bedürfnisse einstellen. Wichtig ist jetzt
eine gute Ausbildung und Schulung aller
Mitarbeitenden.»
Peter Gähwiler, Mitarbeiter
Operative RCP Steuerung, Wil
Wo steht die SBB?
Was bleibt zu tun?
Die Standortbestimmung der Mitarbeitenden
«Uns Lokführer beschäftigt derzeit
intensiv die Strategie Zugführung 2020.
Im Arbeitspaket Technologie geht es
darum, den technologischen Wandel zu
beherrschen und die Führerstände zu
standardisieren. Wir fahren alles! Ich bin
froh, dass die angespannte Personalsituation beim Lokpersonal erkannt
wurde. Bis die Massnahmen greifen, wird
es aber noch einige Zeit dauern.»
Olivier Buntschu, Lokführer,
Basel
«Die Infrastruktur weiterzuentwickeln,
das fordert uns heraus. Wir müssen die
personellen und finanziellen Ressourcen
sichern, aber auch die Ressourcen im
Bereich der betrieblichen Massnahmen.
Ausserdem möchten wir den Fahrplan
ausbauen. Und dabei – ganz wichtig –
die Erwartungen der Kunden an die
Pünktlichkeit der Züge erfüllen. Also Arbeit genug! Doch ich bin zuversichtlich.»
Astrid Dinger,
Projektleiterin Infrastruktur,
Projekte Westschweiz, Lausanne
«Mitarbeitende, die durch eine Restrukturierung ihre Stelle verlieren, unterstützt
die SBB weiterhin bei ihrer beruflichen
Neuorientierung – eine super Sache!
Noch besser wäre es, wenn die SBB
bei der Stellenbesetzung diese Fachleute
mit ihrem Potenzial an Fähigkeiten
und Erfahrungen konsequent berücksichtigt. Jüngste Beispiele zeigen, dass
dies funktioniert.»
Heinz Flüeli, IT-Spezialist,
Arbeitsmarktcenter Olten
«Für uns Reisezugbegleiter auf der NordSüd-Achse war es anstrengend: Die Personalknappheit stellte uns auf eine harte
Probe. Trotzdem ist es uns insgesamt
gelungen, einen qualitativ hochwertigen
Service anzubieten. Mit den neuen
Verbindungen und neuem Rollmaterial
hat sich die Lage verbessert. Die neuen
ELAZ-Zugpersonalgeräte erleichtern
uns die Arbeit.»
Marco Trapletti, Reisezugbegleiter Nord-Süd-Achse, Chiasso
«Ich habe alle Renovierungsetappen am
Bahnhof Genf Cornavin miterlebt, vom
Spatenstich bis zur Eröffnung im Herbst
2014. Sie alle waren intensiv und haben
bewiesen, dass die Zusammenarbeit
zwischen allen Divisionen notwendig
und möglich ist. Dass diese Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Ziele
klappte, werten Kollegen als Ausnahme.
Warum eigentlich?»
Myriam Marsala,
kaufm. Assistentin, SBB Immobilien,
Geschäftsführung, Genf
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
17
18
Nord-Süd-Achse
Wichtige Projekte:
1
Basel
1
Bözbergtunnel
Für den 4-Meter-Korridor wird
der doppelspurige Bözbergtunnel
neu gebaut. Termin: 2020
2
Die SBB saniert diese Strecke.
Zwischen Walchwil am Zugersee
und Arth-Goldau entsteht zudem
eine neue Doppelspur. Termin: 2018.
Zürich
4-Meter-Korridor
Von Basel bis zur italienischen Grenze
wird das Profil erweitert. So können
Sattelauflieger mit einer Eckhöhe von
vier Metern mit der Bahn fahren.
3
Termin: 2020
Axenstrecke
Zwischen Brunnen und Flüelen am
Vierwaldstädtersee wird das seeseitige
Gleis umfassend saniert. Termin: 2019
Zug
2
4
Von Basel bis Chiasso:
Die Bahn baut
Gotthardbasistunnel
Längster Eisenbahntunnel der Welt
(57 km) mit zwei Personenzügen und
vier bis fünf Güterzügen pro Stunde
und Richtung. Termin: Dezember 2016
Arth-Goldau
2016 geht der neue Gotthardtunnel
in Betrieb. Und mehr als das: Von Basel
bis Chiasso und Luino wird um- und
ausgebaut sowie unterhalten – für Sicherheit, Kapazität und Komfort. Auf dem
gesamten Schweizer Streckennetz ist
viel los. Kunden sollen möglichst wenig
spüren. Text: Sara Riesen | Infografik: Laetitia Buntschu
Zug – Arth-Goldau
3
Erstfeld
4
Biasca
5
Der Personenbahnhof und der
Güterbahnhof S. Paolo werden
aus- und umgebaut und ihre
Kapazität gesteigert. Termin: 2019
Wer baut wo?
Für Bau und technische Ausrüstung
von Gotthard- und Ceneribasistunnel ist die Alptransit Gotthard AG
zuständig. Die Arbeiten auf den
Zulaufstrecken – inklusive 4-MeterKorridor – sind Aufgabe der SBB
und ihrer Projektorganisation
Nord-Süd Achse Gotthard (PONS).
Knoten Bellinzona
6
Ceneribasistunnel
Mit ihm wird die «Flachbahn» im
Güterverkehr Realität. Die Reisezeit
zwischen Zürich und Lugano sinkt
auf unter zwei Stunden. Das Tessin
rückt zusammen. Termin: 2019
7
5
Luino
Bellinzona
6
Lugano
Südtessin
Diverse Strecken- und Tunnelausbauten sowie Stellwerkerneuerungen.
Termin: etappiert bis 2020
7
Chiasso
Foto: Valentina Verdesca
Erfahren
19
Martin Gautschi: Die neue Betriebszentrale Mitte in Olten
ist auch sein Kind.
Vordenker, Ausbilder
und Gastgeber
Der Lift kommt nicht. Kurzerhand erklimmt Martin
Gautschi die Treppen zu seinem künftigen Arbeitsplatz
im vierten Stock. Der 1900 Quadratmeter grosse Kommandoraum der Betriebszentrale (BZ) Olten ist fast menschenleer. «Aber bald gehts hier rund!»
Als gelernter Betriebsdisponent und derzeitiger Teamleiter
in der Betriebsleitzentrale Luzern weiss Gautschi, worauf
es dann ankommt. Seit vergangenem Herbst reist er ein bis
zwei Mal pro Woche nach Olten, um die künftigen Mitarbeitenden der BZ Mitte für ihre neuen Jobs zu schulen.
«Wir haben die BZ haargenau auf die Bedürfnisse des
Betriebs abgestimmt», schwärmt der 35-Jährige. «Dass
Gemessen:
die Leistung
der SBB
im Jahr 2014
Wie sicher, wie wirtschaftlich, wie
pünktlich? Von den
neun Konzernzielen
der SBB bilden
diese drei den Kern.
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
dabei meine Vorstellungen eingeflossen sind, macht mich
extrem stolz!» Sein komplettes Team wechselt den Arbeitsort von Luzern nach Olten. Auch die Kollegen in den
Stellwerken von Bern, Basel, Luzern und Olten ziehen in
die neue BZ Mitte. Hier wird Gautschi weiter als Teamleiter
tätig sein, und er freut sich auf die neue Zusammenarbeit
mit kurzen Abstimmungswegen: «Zugverkehrsleitende
und Disponenten werden auf einem neuen Level zusammen- arbeiten.» So viel Innovation lockt Publikum an. Im
Besucherraum mit grosser Panoramascheibe nebenan
wird Gautschi bald Gästen aus aller Welt erklären, wie die
BZ Mitte funktioniert: «Sie ist das Vorzeigeobjekt einer
Betriebszentrale in der Schweiz.» Für Gautschi, der gern
einen Schritt weiter denkt, startet die BZ Mitte gerade
rechtzeitig: «Die Effizienz, die wir hier herausholen,
benötigt die SBB dringend für ihre anstehenden Bauprojekte der kommenden Jahre.» Text: Heiko Meyer
→ Sicherheit
→ Jahresergebnis
→ Kundenpünktlichkeit
Ein hohes Sicherheitsniveau ist die
Geschäftsgrundlage
der SBB. 2014 lag es auf einem
Höchststand: Noch nie seit
2004 gab es so wenige Zug-,
Rangier- und Berufsunfälle.
Eine Streifkollision in Rafz im
Februar 2015 verdeutlichte,
dass Sicherheit weiterhin
jeden Tag von Neuem zu
erarbeiten ist.
2014 steigerte die
SBB das Ergebnis
CHF
von 238 auf 373
Millionen Franken. Der
Gewinn ermöglicht es, dass
sie Investitionen tätigt, die
Verschuldung begrenzt und
sich an der Stabilisierung der
Pensionskasse beteiligt. Jeder
Franken fliesst ins Bahnsystem zurück. Mehr darüber
lesen Sie auf Seite 29.
SBB Kunden wollen
pünktlich ankommen: Ihre Ansprüche sind hoch. Trotz mehr
Bautätigkeit verbesserte sich
die Kundenpünktlichkeit um
0,2 Prozentpunkte auf 87,7
Prozent. Die kundengewichtete Anschlusspünktlichkeit
betrug 97,1 Prozent; hier hat
die SBB 0,2 Prozentpunkte
eingebüsst.
fahren täglich im
Durchschnitt über
jedes Hauptgleis.
Sie machen den Streckenabschnitt für die nächsten 30 Jahre fit: Gleismonteure an der Arbeit in Rotkreuz.
lang ist das am
dichtesten befahrene
Schienennetz
der Welt.
Bahninfrastruktur Erfahren
Hochleistungsschienennetz
Die SBB betreibt das weltweit
meistgenutzte Schienennetz.
Es unter laufendem Betrieb
in Schuss zu halten, ist eine
Riesenaufgabe. Aus- und Neubauten kommen noch hinzu.
Text: Sara Riesen | Fotos: Daniel Winkler
Tag 3 auf der Gleisbaustelle in Rotkreuz nahe
dem Zugersee. Unter Baustellenchef Refik
Shabanis wachsamen Augen hat das Gleisbauteam bereits einen halben Kilometer Gleis
und Schotter ersetzt. Nun müssen noch die
alten Schienen durch neue ausgewechselt
werden. Diese liegen in der Mitte des Gleises
bereit. Zügig lösen die Gleismonteure die
Schwellenschrauben der alten Schienen. Der
Bagger übernimmt die Schwerarbeit, hebt die
alten Schienen heraus und die neuen hinein.
Festschrauben, verlaschen. In der Nacht
rücken die Schweisser an. Dann werden die
Schienen geerdet, die Baustelle aufgeräumt
und wieder für den Bahnverkehr freigegeben. Shabanis Team ist im Zeitplan.
«Schärfere Brille» hat Folgen
Das Schienennetz der SBB ist 3173 Kilometer lang und mit 101 Zügen pro Hauptgleis
und Tag das am dichtesten befahrene der
Welt. Müsste man die Bahninfrastruktur von
Grund auf neu bauen, würde sie gemäss
letztjährigem Netzzustandsbericht mehr als
92 Milliarden Franken kosten. Grund genug,
die Anlagen und das bestehende Netz gut
zu pflegen. So wie in Rotkreuz. Nach etwa
20 Jahren wollte der Gleisuntergrund nicht
mehr richtig mitmachen. «Wir sind immer
wieder für kleine Unterhaltsarbeiten ausgerückt. Mit der Erneuerung sind die Probleme
behoben, und das Gleis ist fit für die nächsten 30 Jahre», sagt Refik Shabani.
Die SBB weiss genau, wie es um den Zustand
des Schienennetzes steht: Schienen, SchwelSondernummer zum Geschäftsbericht 2014
len und Schotter haben eine Standardlebensdauer. Je nach Witterung oder eingesetztem
Rollmaterial kann sich diese aber verkürzen.
Deshalb untersucht die SBB den Zustand des
Schienennetzes regelmässig mit Streckeninspektoren und einem Diagnosefahrzeug und
die Schienen zusätzlich mit einem speziellen Schienenprüfzug mit Ultraschall. Diese
«schärfere Brille» macht auch kleinste Schienenfehler sichtbar. Dadurch erhöhte sich
zwar nach dem ersten Einsatz im Jahr 2013
auf einen Schlag der Bedarf an Unterhaltsund Erneuerungsarbeiten, dafür sollten böse
Überraschungen nun ausbleiben.
Shabanis Baustelle in Rotkreuz zeigt beispielhaft, was es für Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten braucht: Notwendig ist zuerst
ein Intervall, also ein Zeitfenster, in dem der
Zugverkehr auf diesem Abschnitt gesperrt ist.
Dann braucht es Personal und die richtigen
Maschinen. In Rotkreuz arbeiten neben Shabani sechs Gleismonteure, ein Bagger- und
zwei Baulokführer. All dies kostet.
Neu bauen – von Zürich bis Genf
Die Zahl der Reisenden ist 2014 erneut gestiegen, ebenso die Menge an Gütertransporten.
Neben einem gut gepflegten Schienennetz
sind deshalb auch Ausbauten von Bahnknoten und Neubauten von Strecken nötig. Dazu
gehört beispielsweise die Durchmesserlinie in Zürich mit dem Weinbergtunnel und
dem neuen unterirdischen Bahnhof Zürich
Löwenstrasse. Ab Dezember fährt auch der
Fernverkehr hier durch und über die neuen
Brückenbauwerke Richtung Altstetten.
Im Tessin hat die SBB im Dezember 2014 den
Schweizer Teil der Ferrovia Mendrisio–Varese eröffnet. Sie ermöglicht den Pendlern
im Mendrisiotto eine bessere Anbindung an
die Tessiner Zentren. Und die Arbeiten für
den Gotthard-Basistunnel sowie den CeneriBasistunnel laufen auf Hochtouren.
Auch die Westschweiz steht vor einem
Quantensprung im Bahnangebot: Im Raum
Genf entsteht die grenzüberschreitende
S-Bahn-Linie von Genf Cornavin nach
«Mit der Erneuerung ist das Gleis
in Rotkreuz fit
für die nächsten
30 Jahre.»
Baustellenchef Refik Shabani
21
Erfahren Bahninfrastruktur
3 Fragen an Philippe Gauderon,
Leiter SBB Infrastruktur
Letztes Jahr wurde der «Nachholbedarf» bei der
Fahrbahn heiss diskutiert. Ist Besserung in Sicht?
Der Nachholbedarf, also der Rückstand bei der Erneuerung, wird noch bis 2016 anwachsen. Wenn alles ideal
läuft, erreichen wir bis 2020 eine Stabilisierung. Dann
erwarten wir bis 2035 einen «Courant normal» beim
Unterhalt und Erneuern.
Ist der zusätzliche Aufwand finanzierbar?
Bis 2016 haben wir eine Finanzierungslösung, bei der
Bund, Konzern SBB und SBB Infrastruktur die Kosten zu
je einem Drittel übernehmen. Am 1. Januar 2016 wird
FABI in Kraft treten, was uns bessere Rahmenbedingungen bei der Finanzierung bringt. Die Leistungsvereinbarung 2017–20 stellt die erste Konkretisierung von
Fabi dar. Im Moment gehen die Positionen der SBB und
des Bundes noch auseinander. Mit dem neuen Trassenpreissystem, welches den Verschleiss der Fahrbahn
miteinrechnet, werden künftig auch die Eisenbahnunternehmen ihren Teil zum Unterhalt beitragen.
Annemasse (Ceva). Ein noch grösseres
Ausbauprojekt ist «Léman 2030». Es umfasst
den Ausbau der Bahnhöfe Lausanne, Renens
und Genf sowie des Schienennetzes, was
schliesslich doppelt so viele Sitzplätze und
den Viertelstundentakt im Regionalverkehr
ermöglicht.
«Damit holt die Westschweiz fast 20 Jahre
Infrastrukturausbau auf – und davon profitiert letztlich die ganze Schweiz», erzählt
Programmleiter Laurent Staffelbach.
Bei «Léman 2030» gilt es eine besondere
Herausforderung zu meistern: den Ausbau
unter laufendem Betrieb. «Anders als bei
anderen Ausbauprojekten können wir weder
mit dem Bahnbetrieb noch mit den Bauarbeiten ausweichen. Wir werden beispielsweise
den Bahnhof Lausanne komplett umbauen,
ohne den Verkehr einzuschränken.»
Deshalb hat das Projektteam eine umfassende Risikoanalyse durchgeführt und die
Bauarbeiten minutiös geplant. Staffelbach ist
optimistisch. «‹Léman 2030› ist ein komplexes Programm. Aber wir können auf ein tolles
und hochmotiviertes Team zählen.»
Im Infopavillon in Renens: Mit «Léman 2030» verdoppelt
sich das bisherige Bahnangebot.
Ausbauten, Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten erfolgen oft unter laufendem Betrieb: Funktioniert das?
Die Fahrplanplaner machen einen sehr guten Job,
sodass die Kapazitäten grundsätzlich vorhanden sind.
Es kann aber lokale und regionale Häufungen von
Bau- und Unterhaltsarbeiten geben. Wir sind gefordert,
sogenannte «Hotspots» rechtzeitig zu erkennen und
rasch die Kundeninformation und allenfalls einen Baufahrplan umzusetzen. Foto: François Gribi
Foto: Guy Perrenoud
22
Qualität Erfahren
Sicher, sauberer,
nicht ganz pünktlich
Bei den zentralen Werten der Bahn
fällt die Bilanz für 2014 etwas
durchzogen aus. Text: Ruedi Eichenberger
Sicherheit, Pünktlichkeit, Sauberkeit: Diese drei stehen bei
der SBB oben. Es sind sogenannte Basisfaktoren – Eigenschaften, welche die Kunden von ihr ganz einfach erwarten oder sogar voraussetzen.
Punkto Sicherheit war 2014 ein gutes Jahr für die Bahn,
die ohnehin eines der sichersten Verkehrsmittel überhaupt
ist. Es gab gerade mal zwei Zugsereignisse, also Unfälle mit
Zügen; in einem Fall wurde eine Reisende leicht verletzt.
Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass das Sicherheitsniveau
hoch ist und die gehäuften Ereignisse 2013 einen Ausreisser bildeten. Das jährliche Sicherheitsprogramm trägt
zum guten Safety-Resultat wesentlich bei.
Auch bei der Sicherheit von Kunden und Mitarbeitenden
in Zügen sowie Bahnhöfen (Security) zeigt sich die Lage
stabil. Vergangenes Jahr haben die gemeldeten Ereignisse um 14 Prozent abgenommen. Die SBB ruht aber nicht,
weder bei der Security noch bei der Safety: Sie setzt ihre
Bemühungen für eine sichere Bahn auf der ganzen Linie
fort. Dies verlangen der dichtere Verkehr auf Schienen wie
auch gesellschaftliche Entwicklungen. Dasselbe bei der
Sauberkeit, welche die Kunden besser beurteilen als in den
Vorjahren.
Frühzeitig erkennen, langfristig koordinieren
Bei der Pünktlichkeit schloss die SBB leicht besser ab als
im Vorjahr (siehe Seite 19) und hat ihre Spitzenposition
in Europa gehalten. Bei ihr gilt ein Zug bereits dann als
verspätet, wenn er drei Minuten zu spät ankommt, zudem
misst sie die Pünktlichkeit kundengewichtet.
Der Kommentar von Sarah Tischhauser, Verantwortliche
für die Kundenpünktlichkeit: «Trotz vielen Baustellen sowie Erdrutschen konnten wir uns leicht verbessern – auch
weil die Störungen an Anlagen und Fahrzeugen leicht
zurückgegangen sind.» Allerdings, so ergänzt Tischhauser
diesen Befund: Grosse Teile des Netzes sind ausgelastet,
deshalb könne sich der Betrieb nach Störungen nur allmählich erholen.
Im Visier sind nun jegliche Risiken, die den Bahnbetrieb
und die Pünktlichkeit beeinträchtigen könnten. Frühzeitiges Erkennen und langfristiges Koordinieren sollen
die Auswirkungen klein halten. Pünktlichkeit bleibt ganz
oben auf der Liste, betont auch Sarah Tischhauser: «Die
Ansprüche der Kundinnen und Kunden sind hoch; dem
wollen wir gerecht werden.»
Fotos: Raffael Waldner, Daniel Winkler
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
Bessere Werte für Sauberkeit und trotz Baustellen
Europarekord bei der Pünktlichkeit: Die SBB
arbeitet hart an der Qualität ihrer Dienstleistungen.
23
24
Erfahren Nord-Süd
Der Entwickler
Am Gotthard entsteht Grossartiges: Ein Bahnnetz wird neu erfunden.
Die komplexen Aufgaben werden von Peter Jedelhauser koordiniert.
Er hält sozusagen ein Uhrwerk in Gang. Text: Bruno Habegger | Fotos: Claudio Bader
Die Sonne. Der Sand. Flimmernde Luft. Sind wir
verloren in der Wüste? Und all das nur, weil Halil
zu wenig Benzin in den Tank des Wüstenjeeps
gefüllt hatte! Peter Jedelhauser, 56, schaut sein
Gegenüber verschmitzt an, als er dieses Gleichnis
für die Wichtigkeit eines jeden in einem Team
erzählt. Seine Augen verraten es: Er sehnt sich mit
einem Stück seines Herzens immer noch zurück
in jene Zeit, die ihn als jungen Ingenieur in den
Jemen brachte, wo ihn das Schicksal zum Baustellenleiter beförderte und ihn in
die unangenehme Lage brachte,
von Halil, seinem Fahrer, nur
noch «Sir» genannt zu werden.
«‹Ich bin immer noch derselbe›,
habe ich ihm damals erklärt, du
bist genauso wichtig wie ich.»
Weil nur er ihn aus der Wüste
zurückbringen könne.
findet Peter Jedelhauser faszinierend. Heute ist er
unterwegs, um sich am Tor zum Tessin über den
Stand der Bauarbeiten zu erkundigen. «Probleme ansprechen, Verbindlichkeit einfordern, klare
Ziele vereinbaren», nennt er die Formel, die die
Inbetriebnahme des Gotthardbasistunnels schon
Ende 2016 erlaubt hat. Früher als geplant. «Dieses
Ziel hat grosse Kräfte im Team freigesetzt», sagt er.
Ohne seine Teilprojektleiter gehe nichts.
Die Schweiz stärken
Für den Erfolg tut Peter Jedelhauser alles. Sogar althergebrachte Projektorganisationen
auflösen und bereichs- und
divisionenübergreifende «Arbeitspakete» durchsetzen. Er
schmunzelt. Man sieht in seinem Gesicht mit der funktionalen Brille den jungen Ingenieur,
Jedes Detail muss stimmen
der leidenschaftlich für seine
Peter Jedelhauser erzählt die
Bewässerungsprojekte kämpfte.
Anekdote aus seinem reichen
Mit derselben Energie setzt er
Ingenieursleben, das ihn an viesich für das Gelingen des Gottle exotische Orte brachte, nicht
hardprojektes ein, letztlich für
einfach so. Unterwegs nach
die Stärkung der Schweiz auf
Bellinzona illustriert er damit
der Nord-Süd-Achse.
sein Verständnis von Führung
Damit dies gelingt, braucht es
und Teamarbeit und beschreibt
den Ceneri-Basistunnel und
«Es ist doch so:
den Schlüssel zur Lösung des
den 4-m-Korridor – JedelEine Richtlinie
Gotthardproblems: Mit seiner
hauser ist längst mit diesen
Projektorganisation Nord-Südnächsten grossen Meilensteizu zitieren, ist keine
Achse Gotthard, kurz PONS,
nen des Nord-Süd-Projektes
Kundenorientierung.»
einem Team von Ingenieuren
2019 und 2020 befasst, der
Peter Jedelhauser, Gesamtprojektleiter
und anderen Fachleuten in den
damit verbindenden zeitlichen
Nord-Süd-Achse Gotthard
Divisionen komplettiert er den
und räumlichen Ballung von
fertig gebauten GotthardbasisBaustellen: «Letztere bergen das
tunnel und den noch im Bau beRisiko, Kundenerwartungen zu
findlichen Ceneri zu einem neuen Bahnnetz. Für
enttäuschen.» Nicht die einfache Lösung, sondern
den Tunnelbau ist die SBB Tochter ATG zuständig.
die für den Kunden beste Lösung fordert er ein.
Er für das ganze System. «Und dabei müssen alle
Schon im Ansatz sollen die Auswirkungen auf die
Menschen und ihre Fähigkeiten wie Zahnräder
Kunden mit einbezogen werden. «Wenn jemand
eines Uhrwerks ineinandergreifen.» Mit ihnen
bei der SBB eine Richtlinie zitiert, frage ich
etwas entwickeln und nach Lösungen suchen, das
zurück: ‹Erklärst du das etwa so dem Kunden?›.»
Nord-Süd Erfahren
neue Arbeitsplätze
entstehen in den
EIZ in Erstfeld und
Biasca
Peter Jedelhauser (rechts) auf der Baustelle des Zentrums Biasca: zufrieden mit dem Stand der Arbeiten.
Zuvor war der in Kaiseraugst AG aufgewachsene
Peter Jedelhauser mehr als 20 Jahre in der Energiewirtschaft tätig, hatte an der ETH das Fach
Eisenbahntechnik belegt, seine Faszination erst
spät zum Beruf gemacht: Seit zehn Jahren ist er
bei der SBB, längst sind die schlaflosen Nächte –
«Kann ich das überhaupt?» – der Leidenschaft für
das Nord-Süd-Projekt und seine Menschen gewichen. Wie ein Uhrmacher seine Uhr liebevoll
pützelt, taktet er gegen Mittag an der Konferenz
in der Betriebszentrale Bellinzona den Stand
der Bauarbeiten; am Ende lehnt er entspannt an
der Wand und sagt: «Das kommt gut.» Ein Satz,
den er am Nachmittag bei der Besichtigung des
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
im Rohbau stehenden neuen Erhaltungs- und
Interventionszentrums (EIZ) Biasca noch einmal
wiederholen wird. Warum kommt es gut? «Weil ich
den inneren Antrieb habe, niemals zu kapitulieren.» So kümmert er sich um jedes Detail, bezieht
alles mit ein. «What-if-Denken» nennt er das. Er
glaubt fest daran, dass er die Überführung des
neuen Bahnsystems in den Regelbetrieb noch vor
seiner Pensionierung erleben werde. Das Uhrwerk
hält ihn in Gang, der Spass daran, gemeinsam ein
Problem gelöst zu haben. Seine alte Leidenschaft,
das Reisen in ferne Länder, hat er jüngst wieder
entdeckt. Wandern in Oman. Die Wüste hat ihn
nicht verschluckt. Er war halt gut vorbereitet. ←
25
Drei Männer in
Cadenazzo und hinter
ihnen in sicherer
Distanz der Reachstacker: Teamleiter
Giorgio Biasca,
Gianfranco Fantin und
Franco Bariffi.
Schwarze Null Erfahren
27
Viel Arbeit und eine
unternehmerische
Einstellung führen
zu schwarzen Zahlen – und schwarzen
Handschuhen.
Ein Team greift
nach dem Erfolg
SBB Cargo hält sich in den schwarzen Zahlen. Dies
beflügelt die Mitarbeitenden zu guten Leistungen
für die Kunden und zu guter Zusammenarbeit – zum
Beispiel im Tessin. Text: Miriam Wassmer | Fotos: Alessandro Della Bella
«Wir haben ein gutes letztes Jahr gehabt»,
sagen zwei Mitarbeiter am Standort Cadenazzo der Regionalen Cargo-Produktion
(RCP) und ihr Teamchef. Die Verkehre im
Terminal in Cadenazzo sind seit der Eröffnung vor drei Jahren stetig gewachsen.
Die positiven Zahlen und die massgeblich
gesteigerte Verkehrsleistung von SBB
Cargo widerspiegeln sich auch im Tessin:
«Wir haben unser Ziel erreicht und eine
gute Auslastung erzielt», spricht Teamleiter Giorgio Biasca für die ganze 15-köpfige
Belegschaft von Cadenazzo.
Seit 2013 bringt der Linienzug Dietikon–
Cadenazzo, ein Angebot des kombinierten
Binnenverkehrs, Güter ins Tessin. Mit dem
Effekt, dass bereits mehrere Kunden mehr
Waren auf die Schiene bringen, merkt
der Teamleiter an. Für Biascas Mitarbeiter
Gianfranco Fantin hat sich viel verändert
im vergangenen Jahr. Vorher arbeitete
er für SBB Cargo International (siehe Box
rechts) in Bellinzona und kümmerte sich
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
um Transitzüge. In Cadenazzo gefällt es
ihm: «Am meisten befriedigt mich der
direkte Kontakt mit den Kunden und Kollegen.» Der Kunde steht im Zentrum, da sind
sich die drei einig. Franco Bariffi bringt es
auf den Punkt: «Wenn der Kunde etwas
möchte, dann versuchen wir alles, ihn
zufriedenzustellen.» Und Teamleiter Biasca ergänzt: «Es ist wichtig, dem Kunden
zuzuhören. Wenn du ihm erklären kannst,
warum etwas nicht geht, ist am Ende auch
er zufrieden.»
Die Motivation der Mitarbeitenden ist
gut, «Noch nie habe ich einen solchen
Teamgeist erlebt», sagt Fantin. «Natürlich», räumt Biasca ein, «haben wir auch
Diskussionen, aber das ist Teil...» – «...jeder
Familie», fällt ihm Fantin ins Wort – «...des
Spiels», schmunzelt der Chef. Gianfranco
Fantin spricht die veränderte Arbeitseinstellung an, die sich allmählich bemerkbar mache: «Hier wandelt sich einiges.
Früher war es für den Mitarbeiter wichtig,
Schwarze Zahlen –
erstmals auch
international
Michail Stahlhut kann mehr als
zufrieden sein: Die Tochterfirma
SBB Cargo International, die er leitet,
hat innerhalb von vier Jahren die Gewinnschwelle erreicht und schwarze
Zahlen geschrieben. Das ist nicht
ohne auf der stark umkämpften NordSüd-Achse. «Wir haben uns stark
verbessert, mit Produktivitätssteigerungen von rund 20 Prozent bei den
Lokführern und 25 Prozent bei den
Loks», sagt Stahlhut. «Und wir haben
die Währungsdifferenz des Euros zum
Franken von 1.45 zu 1.20 erfolgreich
gemeistert. Das war nur möglich, weil
sich unsere Mitarbeitenden enorm
ins Zeug gelegt hatten.»
Seit Mitte Januar ist Stahlhut
allerdings mit neuen Währungsdifferenzen konfrontiert: «Jeder Rappen
Kursdifferenz bedeutet für uns rund
700 000 Franken weniger Ergebnis.»
Die Ziele für 2015 sind deshalb klar:
Die Leistungen stimmen, jetzt gilt
es dranzubleiben und sich weiter zu
behaupten. SBB Cargo International
hat sich als Anbieterin auf dem NordSüd-Korridor etabliert. Und hätte
Michail Stahlhut einen Wunsch frei für
2015, so lautete der: ein Wechselkurs
von CHF 1.15.
28
Erfahren Schwarze Null
möglichst wenig zu tun zu haben. Je kürzer der Zug, desto besser. Nun ist eine
neue Kultur entstanden, das Unternehmerische, da sind wir alle mitbeteiligt.»
Schwierigkeiten? «Nachts um halb zwei
Uhr mit der Arbeit zu beginnen, ist nicht
einfach», so Giorgio Biasca. Aber wenn
jeder seine Arbeit gut verrichte, klappe
die Übergabe und es falle nichts zwischen
Stuhl und Bank. Neue Programme wie
etwa CAROS zum Planen des Personalund Lokeinsatzes erleichtern die Arbeit.
Wenn man sich erst einmal darin zurechtgefunden hat. Franco Bariffi: «Wen fragst
du morgens um zwei, wenn etwas nicht
geht? Auf der anderen Seite ist es auch
anregend, Neues zu lernen, du bleibst
nicht stehen.»
Für die Zukunft von SBB Cargo wünschen
sich die drei, dass das Unternehmen auf
dem eingeschlagenen Weg bleibt und
weiterhin schwarze Zahlen schreibt. Und
mit der Eröffnung des neuen Gotthardtunnels 2016 wird der Verkehr voraussichtlich
nochmals zunehmen. Darauf freuen sie
sich. Aber vorerst geht es zum Fototermin
und dann an die Arbeit. Der nächste Lastwagen wartet bereits.
«Am Unternehmerischen,
da sind wir alle beteiligt.»
Gianfranco Fantin
3 Fragen an Nicolas Perrin,
Leiter SBB Cargo AG
Was hat SBB Cargo 2014 erreicht?
Wir konnten die schwarzen Zahlen bestätigen, die
wir im Vorjahr 2013 erreicht hatten. Bis in die
zweite Jahreshälfte lief es sehr gut, dann spürten
wir, dass in Europa die Konjunktur zu schwächeln
begann. Im November erschwerten Streiks von
Lokführern anderer Bahnen und das Hochwasser
im Tessin und in Italien den Betrieb. Ich bin
für uns alle stolz, dass wir trotzdem 33 Millionen
Franken Gewinn erarbeitet haben.
Woher kam die Motivation?
Die Motivation für den Touch Down, das Erreichen
der schwarzen Zahlen, haben wir weitergezogen.
Dazu kommt, dass die verstärkte Kundenorientierung Wirkung zeigt, was zusätzlich motiviert. Wir
haben gelernt, dass das Fokussieren auf gemeinsame Ziele zum Erfolg führt.
Welche Hürden muss SBB Cargo 2015 meistern?
Die Nationalbank gab Anfang Jahr den Mindestkurs auf – seitdem fordert uns der schwache
Euro massiv. Allein durch die Kursdifferenz wird
unser Ergebnis im zweistelligen Millionenbereich
belastet. Der starke Franken dürfte sich zudem
auf wichtige Kunden von SBB Cargo negativ auswirken. Zusätzlich ist der extrem niedrige Dieselpreis kontraproduktiv für die Verlagerungspolitik
und reduziert die Konkurrenzfähigkeit des
Schienengüterverkehrs gegenüber der Strasse.
Unsere Herausforderungen werden also nicht
kleiner. Der starke Franken ist aber nicht ein
Thema von SBB Cargo, sondern der gesamten
Schweizer Wirtschaft. Ich bin überzeugt, dass wir
auch das meistern werden, auch wenn es stellenweise weh tun wird. ← Foto: Christian Aeberhard
Gute Aussichten, gute
Zukunft: Franco Bariffi.
Mit Kunden verbunden:
Giorgio Biasca.
Geschäftserfolg Erfahren
Warum die SBB
einen Gewinn braucht
Schwarze Zahlen sind nötig: Die SBB braucht
Gewinn für Investitionen in neue Züge oder
für zeitgemässe Vertriebssysteme. Das Ergebnis
2014 von 373 Millionen Franken hilft, das Unternehmen weiterzuentwickeln. Anders als bei
börsenkotierten Aktiengesellschaften warten
keine Aktionäre auf ihre jährliche Dividende – jeder verdiente Franken fliesst zurück ins
Bahnsystem und sichert den Kunden dessen
hohe Qualität.
Gewinnherkunft
Personenfernverkehr
SBB Cargo
SBB AG: viel erreicht,
aber nicht am Ziel
Bereiche
ohne Gewinn:
Regionalverkehr
und Infrastruktur
sind nicht auf
Gewinn ausgerichtet. Ihre
Leistungen werden von der
öffentlichen Hand
bestellt bzw.
mitgetragen.
Ein Unternehmen zu sein, verpflichtet:
Die SBB ist für ihren wirtschaftlichen
Erfolg selbst verantwortlich. Seit der
Gründung 1999 als AG hat sie viel
bewegt, ist produktiver und wirtschaftlicher geworden. Doch am Ziel
ist sie noch nicht. Gewinn, Verschuldung und das Niveau der Leistungen
und Investitionen: Nur wenn dieses
Dreieck ausgewogen ist, ist die SBB
finanziell stabil. Für einen besseren
Schuldendeckungsgrad und den Ausbau des Angebots muss die Ertragskraft noch steigen.
Immobilien
373
Gewinnverwendung (wichtige Verwendungszwecke, Auswahl)
Mio. Franken
beträgt der Gewinn der SBB
im Jahr 2014. Er stellt das
Konzernergebnis dar – das,
was als Differenz aller Erträge und Aufwände unter dem
Strich übrig bleibt.
Vertriebssysteme
erneuern
neue Güterwagen
für SBB Cargo
neue Züge für
Personenverkehr
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
Infrastruktur
unterhalten
WiFi in Bahnhöfen
ausbauen
29
30
Nachhaltigkeit
Nachhaltig unterwegs mit der SBB
Die SBB verpflichtet sich zu einer umfassenden Nachhaltigkeit – wirtschaftlich, sozial und ökologisch. Und kommt
Schritt für Schritt voran: für die Schweiz, ihre Menschen und
die Umwelt. Hier die Ziele und Beispiele auf dem Weg dazu.
Text: Ruedi Eichenberger | Infografik: Laetitia Buntschu
37 %
Umweltvorteil
stärken
Verantwortungsvolle
Arbeitgeberin sein
Die SBB erhöht die
Energieeffizienz, senkt
die CO2-Emissionen
und minimiert
die Lärmbelastung.
Gegenüber 1990
hat die SBB
die CO2-Emissionen
um 37 % vermindert.
Mit ihrer Klimastrategie
hat sie so das Ziel
des Bundes markant
übertroffen.
Als fortschrittliche Arbeitgeberin
fördert die SBB die Gesundheit
und Arbeitsmarktfähigkeit ihrer
Mitarbeitenden.
1,
2,
3!
Verantwortungsvolle Lieferkette
sicherstellen
Bei der Beschaffung zählen
soziale, ökologische und
Sicherheitskriterien.
Die SBB schont Ressourcen
und verwertet möglichst alle
Stoffe wieder.
Mit einem Modell der Lebensarbeitszeit und drei neuen
Pensionierungsmodellen
können Mitarbeitende ihre
Lebensphasen flexibler
gestalten – eine Pioniertat
der SBB.
Lieferanten von Berufskleidern
müssen die strengen
BSCI-Standards einhalten.
Für SBB Jeans wird
Bio-Baumwolle verwendet.
Zugang zur Mobilität
einfach gestalten
Die Dienstleistungen der SBB
sollen für alle sicher und
zugänglich sein, Barrieren für
Personen mit eingeschränkter
Mobilität fallen.
Für Betagte,
Behinderte usw. sind
bereits heute
82 %
der Reisen mit der
SBB möglich.
Nachhaltige
Produktnutzung
ermöglichen
Wer mit der SBB fährt, tut
Mensch und Umwelt gut.
Kunden können ihren
ökologischen Fussabdruck
messen und reduzieren.
2014
bestehen
Seit
Recyclingstationen
in den fünf grössten
Bahnhöfen – weitere
werden folgen.
Foto: Raffael Waldner
Nutzen
31
Christina Meier:
weibelt intern für
eine nachhaltig
wirtschaftende SBB.
Ohne Zeigefinger:
die Kommunikationschefin der Natur
Christina Meier streicht mit der Hand über das Feld aus
zierlichen Pflänzchen. In 50 Metern Höhe auf dem Dach
des SBB Hauptsitzes schwärmt die 41-Jährige über die
Vorzüge der Dachbegrünung. Diese sei nur ein Beispiel
dafür, wie die ökologische Nachhaltigkeit in den Neubau
eingeflossen sei. «Nachhaltigkeit ist einer der Trümpfe der
Bahn», sagt Meier. Und der Grund, warum die studierte
Ökonomin 2012 aus der Kommunikation des Stromkonzerns Alpiq zur SBB wechselte: «Das Thema liegt mir sehr
am Herzen.» Als Leiterin des Bereichs Nachhaltigkeit
Gemessen:
die Leistung
der SBB
im Jahr 2014
Neun Ziele messen,
wie sich die SBB entwickelt. Drei betreffen die
Nachhaltigkeit – ökologisch, wirtschaftlich
und sozial.
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
ebnen sie und ihr vierköpfiges Team aus Umwelt- und
Kommunikationsspezialisten intern den Weg dafür, dass
die Bahn in Zeiten von Carsharing und Elektroautos ihren
Umweltvorteil stärkt. Dafür laufen sie aber nicht ständig
mit erhobenem Zeigefinger umher, lacht Meier: «Vielmehr
zeigen wir auf, welcher konkrete Nutzen durch nachhaltiges Wirtschaften herausspringt.»
Bevor die SBB etwa beschloss, beim 50-Hertz-Strom bis
2019 auf 100 Prozent erneuerbare Quellen umzustellen,
haben sie über Monate dafür geweibelt. Mit tatkräftiger
Unterstützung durch die Umweltspezialisten in den
Divisionen. Das Resultat: massive CO2-Einsparungen,
klimafreundlichere Dienstleistungen für die Kunden und
ein fühlbarer Beitrag zu einer nachhaltigen Schweiz. «Und
heute engagieren sich sehr viele Mitarbeitende für eine
nachhaltige SBB.» Für sie wurde jüngst eine Nachhaltigkeits-Ambassadoren-Community gebildet. Text: Heiko Meyer
→ Free Cash Flow
→ Marktanteil
Für Investitionen
sind frei verfügbare
Mittel nötig. Ist der
Free Cash Flow positiv, kann
sich die SBB ohne zusätzliche
Verschuldung weiterentwickeln. Mit –205,2 Millionen
Franken liegt er weiterhin im
negativen Bereich, hat sich
aber gegenüber den Vorjahren verbessert (2013: –652,9
Millionen Franken).
SBB Cargo und SBB
Immobilien bauten
ihre Marktposition
mit Verkehrszunahmen und
gesteigerten Mieterträgen
aus. Im Personenfernverkehr
und im Regionalverkehr
nahmen die Verkehrsleistungen bescheidener zu; im
internationalen Verkehr
wurde das Vorjahresniveau
nicht erreicht.
→ Ökologische Nachhaltigkeit
Mit Energiesparen
und tieferen CO2Emissionen hat die SBB ihre
Umweltleistung deutlich
gesteigert. So im Bahnbetrieb
mit Massnahmen beim Rollmaterial sowie der adaptiven
Lenkung (ADL), bei Gebäuden
mit energiesparendem
Bauen sowie mehr Strom
aus Wasserkraft.
06:46
9:24
Ruhe vor dem Sturm:
Migros-Mitarbeiterin
Claudine Sergneur
nimmt den Take-awayStand in Betrieb. Hinter
ihr, im Nordwestflügel
des Bahnhofs, verköstigten sich die Reisenden einst in den Buffets
1. und 2. Klasse.
Ruhig und doch zentral:
Nur wenige Meter
vom hektischen Treiben
im Bahnhof entfernt
geniessen Brigitte und
Max Zehnder den Komfort und den Service in
der Seniorenresidenz
Südpark. Den Blick auf
die Passerelle inklusive.
10:38
13:11
Viel Abfall landet in
den Recycling-Stationen. Um den ganzen
Rest kümmern sich
Ylysi Gashi und seine
Kolleginnen und
Kollegen von SBB
Rail-Clean. Sie sorgen
an 365 Tagen im Jahr
für saubere und sicher
begehbare Bahnhöfe.
Zwischen zwei Zügen,
auf dem Nachhauseweg oder am Sonntagnachmittag schnell
die Haare schneiden?
Kein Problem:
Berivan Guemues und
das Team des
Coiffeurs Lüdi stehen
in der Passage West
mit Schere, Föhn und
Haargel bereit.
Immobilien Nutzen
Der Bahnhof
schläft nie
140 000 Menschen strömen jeden Werktag durch den Bahnhof
Basel SBB. Sie eilen zu ihrem Zug, kaufen ein oder lassen
sich ein Getränk lang nieder. In Stosszeiten wird es auch einmal
eng im grössten Grenzbahnhof Europas. Fast 24 Stunden
herrscht in ihm Betrieb. Text: Urs Schmid | Fotos: Stefan Schmidlin
17:10
Zu den Stosszeiten bahnt
sich ein Grossteil der Pendlerinnen und Pendler den Weg
durch die Schalterhalle.
Die Wandgemälde, darunter
der gigantische «Vierwaldstättersee» von Ernst Hodel,
beobachten das bunte Treiben
seit bald 90 Jahren. Die
Bilder, welche schon ruhigere
Zeiten erlebt haben,
werden derzeit restauriert.
33
34
Nutzen Immobilien
17:12
Unterhaltsarbeiten im Hauensteintunnel beeinträchtigen
den regulären Zugverkehr ein
Wochenende lang stark. Der
Interimsfahrplan, Zugsumleitungen und -ausfälle lassen
auch Vielreisende den Überblick
verlieren. Da ist der freiwillige
Einsatz von Kundenbetreuerinnen und -betreuern wie
Nadine Wolfsberger unabdingbar. Sie behalten die Übersicht, bewahren Geduld und
lenken die Reisenden sicher
ans Ziel.
Immobilien Nutzen
3 Fragen an Jürg Stöckli,
Leiter SBB Immobilien
19:05
Eliane Starobinski
vom Spettacolo serviert
frisch gemahlenen
Kaffee. Nebst guter
Qualität ist hier vor allem
auch schneller Service
ein absolutes Muss.
Ist der Bahnhof Basel SBB Verkehrsdrehscheibe
oder Einkaufszentrum?
Bahnhöfe sind Einstiegsportale für die Reisenden und Visitenkarten der SBB. Basel SBB und die
anderen grossen Bahnhöfe sind ÖV-Mobilitätszentren, die ein breites Dienstleistungsangebot mit
kurzen Wegen zu den Zügen verbinden. Mit SBB
WiFi surfen sie zudem gratis im Internet. Wir entwickeln laufend Innovationen: So lotst im Zürich
HB die App «Mein Bahnhof» Ortsunkundige ans
Ziel. Kleinere Bahnhöfe dienen dagegen primär
dem Zugang zur Bahn. Hier wie dort geniessen
Sicherheit und Sauberkeit höchste Priorität.
Wie in den meisten Städten liegt in Basel der
Bahnhof sehr zentral. Was macht die SBB daraus?
Direkt beim Bahnhof finden Sie nebst einer Seniorenresidenz auch die grösste Coop-Filiale der
Stadt – beide im von uns realisierten Südpark D.
Dies ist ein Beispiel, wie die SBB die Bahnhofareale
nachhaltig und nachfrageorientiert weiterentwickelt und so die Stadtzentren aufwertet. Das
Hauptaugenmerk liegt auf den Interessen der
Kunden, der Öffentlichkeit und der Städte und
Gemeinden. Deshalb fokussieren wir uns
künftig noch stärker auf den Wohnungsbau.
23:40
Spätnachts wird es
ruhig im Bahnhof. Damit
dies auch so bleibt,
drehen Dominic Meyer
(links) und Nicola
Schaad und ihre Kolleginnen und Kollegen
der Securitrans ihre
Runde. Sie sorgen für
Sicherheit, Ruhe
und Ordnung im und
um den Bahnhof.
Bis 2030 nehmen die Pendlerströme kontinuierlich zu. Was heisst das für die Bahnhöfe?
In den Hauptverkehrszeiten ist der Platz heute
schon knapp – nicht nur in Basel. Wir arbeiten eng
mit dem Personenverkehr und der Infrastruktur
zusammen, um die bestehende Fläche bestmöglich zu nutzen und Aus- und Umbauten optimal
umzusetzen. Dabei wird eine weiterentwickelte
Kundeninformation und -lenkung zentral sein.
Foto: Beat Schweizer
35
36
Nutzen Bewegliche Mitarbeitende
Mobilität in der DNA
Mobil online sein, flexibel arbeiten auch in den Büros:
Die SBB ist als Arbeitgeberin auf der Höhe der Zeit.
Text: Ruedi Eichenberger | Fotos: Daniel Winkler und Guy Perrenoud
Umgestiegen:
Andrea Gian
Mordasini, 37,
hat nach dem Lizenziat sieben
Jahre an der Uni Bern in Forschung und Lehre gearbeitet.
Dazu war er noch Radrennfahrer. Seit anderthalb Jahren
fährt er nun als Lokführer in
Lausanne Züge. 80 Prozent.
Ein radikaler Wechsel. Aber:
«Mein Umfeld reagierte
positiv.» Im Führerstand ist
ihm so wohl, dass er noch
nie Wechselgelüste hatte.
Obwohl er weiss: «Es gäbe
noch viele Möglichkeiten,
auch bei der SBB.»
Bewegliche Mitarbeitende Nutzen
Noch nie in der 15-jährigen Geschichte der Personalumfrage war die Zufriedenheit und Motivation der SBB
Mitarbeitenden so hoch wie 2014. Dies,
obwohl der Wandel zum kundenorientierten und fitten Bahnunternehmen für
manche auch persönliche Veränderung
bedeutet. Motivierte und qualifizierte
Mitarbeitende braucht die SBB mehr
denn je. In den kommenden Jahren
werden viele erfahrene Fachkräfte in
Pension gehen. Die demografische Situation fordert heraus, den Nachwuchs
zu sichern und Mitarbeitende zu halten.
Doch Trümpfe gibt es genug: vielfäl-
tige Tätigkeiten, moderne Arbeitsplätze, zahlreiche Entwicklungschancen.
«Vielseitigkeit und viele Möglichkeiten
– deshalb habe ich diese Ausbildung
gewählt», sagt die angehende Logistikerin Sofie Züblin.
Punkto Arbeitsmittel und Arbeitsplätze
macht die SBB gerade einen Sprung
nach vorn. Bald werden alle Mitarbeitenden online mit ihr verbunden
sein, auch jene in der «Fläche» – mit
Minitablet oder Smartphone. In neuen,
zentralen Bürogebäuden in Bern, Zürich
und Olten ist das flexible Arbeiten Programm. Mit aktueller Kommunikations-
Umgesattelt:
Sofie Züblin, 20,
hätte nach einem längeren
Praktikum im Jura Pferdefachfrau lernen können. Doch
dann setzte sie auf ein anderes
Pferd, eine vielseitige Logistiklehre bei Login. Drei Jahre
später steckt die Zürcherin
mitten in der Abschlussprüfung und ist im Gespräch für
eine Stelle bei der SBB – als
Rangiererin im Personenverkehr. Der grösste Partner im
ÖV-Ausbildungsverbund ist
für sie erste Wahl: «Nirgends
stehen dir mehr Wege offen.»
Ausgewichen:
Thomas Burri, 47,
tut, was die SBB ihren Büromitarbeitenden rät: die
Stosszeiten meiden. Der Anlagenmanager bei SBB Energie
in Zollikofen BE – zuständig
für das Kraftwerk Ritom – ist
auch diesen Morgen erst um
7.47 Uhr in Aarau in den Zug
zur Arbeit gestiegen. «Dafür
mache ich mich auch erst um
18.15 Uhr auf den Heimweg.»
Mit Notebook und Smartphone
ist er öfters unterwegs oder zu
Hause online. «Und mit Lync
kann ich Kollegen auf meinen
Bildschirm blicken lassen.»
technik können Mitarbeitende auch
zu Hause und unterwegs arbeiten; so
entlasten sie die Hauptverkehrszeiten.
«Flexibilität nützt ihnen gleichermassen
wie der SBB», findet Personalchef Markus Jordi. «Immer mehr nutzen diese
Möglichkeiten gerne – und nicht zuletzt
profitieren die Kunden davon.»
Videointerviews mit Sofie Züblin,
Thomas Burri und Andrea Mordasini finden
Sie in der iPad-Ausgabe von «Unterwegs».
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38
Nutzen Nachhaltige SBB
Leiser und sparsamer
in die Bahnzukunft
SBB Züge fahren immer energiesparender,
sind länger im Einsatz und werden ressourcenschonend entsorgt. Ein Fahrzeug wie der
Doppelstocktriebzug (DTZ) beschäftigt somit
mehrere Generationen von Mitarbeitenden.
Text: Heiko Meyer | Fotos: Martin Guggisberg
Zehn Gigawattstunden sparen dank neuer
Fahrzeugsoftware.
Im dicht belegten Gleisfeld vor der Serviceanlage in Oberwinterthur glänzt an diesem Wintermorgen ein Doppelstocktriebzug (DTZ) der Zürcher S-Bahn. Neben der Treppe zum
Führerstand kniet Cyril Holewa zwischen Computerkabeln.
Der 33-jährige Spezialmonteur rüstet insgesamt zehn Steuergeräte mit einer komplett neuen Fahrzeugsoftware aus. «Hier
im Gleisfeld störe ich niemanden bei Instandhaltungsarbeiten, und niemand stört mich», sagt er. Über zwei Notebooks
hat sich Holewa zuerst mit dem Bedien- und Diagnoseterminal des Lokführers verbunden und parallel dazu eine der
insgesamt acht Klimaanlagen im Fahrzeug angezapft. Pro
Gerät benötigt der Ladevorgang rund 20 Minuten.
Dank der neuen Fahrzeugsoftware, mit der nun alle 61 Fahrzeuge der DTZ-Flotte ausgerüstet werden, verringert sich
deren Lärmemission und wird Energie gespart. So kann
der Lokführer künftig situativ entscheiden, ob er den Zug
gleichzeitig elektrisch und pneumatisch oder rein elektrisch
bremst. In letzterem Fall speist das Fahrzeug die Bremsenergie zurück ins Stromnetz. Zudem wird neu über das Gewicht
der einzelnen Wagen gemessen, wie viele Personen sich im
Zug befinden, und die Klimaanlagen passen die Belüftung
entsprechend an. Sind keine Passagiere an Bord und der
Führerstand unbesetzt, schaltet das Fahrzeug automatisch
auf Schlummerbetrieb.
Gut für Umwelt und Portemonnaie
Die zwischen 2006 und 2009 gebauten DTZ-Züge werden
nach dem Einspielen des Energiesparpakets mehr als zehn
Gigawattstunden Energie einsparen. Das entspricht dem
jährlichen Stromverbrauch von 2500 Haushalten. Damit
tragen sie zur Umsetzung des «Top-Programms» Energiesparen bei, das bis 2025 konzernweit 600 eingesparte
Gigawattstunden zum Ziel hat. «Wir sind auf Kurs», bestätigt
Markus Nater, Leiter Umwelt und Energiemanagement bei
Operating. «Das Programm ist ein ökologischer und vor
allem auch ein wirtschaftlicher Erfolg.»
Neben den laufenden energetischen Optimierungen des
Rollmaterials kann sich auch die Lebensdauer der SBB Züge
sehen lassen: Während technische Geräte – vom Handy bis
zum Auto – heute immer schneller durch neue Modelle abgelöst werden, nutzt die Bahn ihre Fahrzeuge immer länger.
So werden die 115 gut 25-jährigen Zürcher S-Bahn-Züge der
ersten Generation (DPZ) bis 2018 fit gemacht für rund weitere
20 Dienstjahre. Und auch die 119 Lokomotiven Re 460, die
seit gut zwei Dekaden das Rückgrat der Fernverkehrsflotte
bilden, erfahren bis 2022 eine Modernisierung im Industriewerk Yverdon-les-Bains und werden anschliessend für
weitere 20 Jahre im Einsatz stehen.
SBB Personenverkehr investiert jährlich rund eine Milliarde
Franken ins Rollmaterial. Angesichts dieser Dimension müssen die Lieferanten und Unterlieferanten hohe Anforderungen erfüllen in Bezug auf nachhaltige und rechtskonforme
Lieferketten. «Dabei betrachten wir nicht nur die reinen Einkaufspreise, sondern das gesamte Preis-Leistungs-Verhältnis
im Produktlebenszyklus. Wir haben damit seit 2008 gute
Fortschritte und Erfahrungen in allen Flottenausschreibun-
Nachhaltige SBB Nutzen
reicht der Strom, den die SBB
bei 61 DTZ-Zügen einspart.
Spezialmonteur Cyril Holewa spielt dem DTZ-Zug die neue Software ein.
«Wahrscheinlich werde ich noch
vor diesem Zug in Pension gehen.»
Cyril Holewa
gen gemacht und übertragen dies nun auf Ersatzteile
und Anlagen», sagt Dietmar Gessner, Leiter Flottenbeschaffung und strategischer Einkauf. Ein Beispiel hierfür sind
neue Komponenten für die Stromrichter der Re-460-Loks,
die Energie im Wert von drei Millionen Franken pro Jahr
einsparen.
Modernisieren oder ersetzen?
Ob eine bestehende Flotte modernisiert oder durch neue
Fahrzeuge ersetzt wird, prüft das im Mai 2014 ins Leben gerufene Lifecycle-Management von Operating im Auftrag des
Regional- oder Fernverkehrs. «Was in welchem Fall sinnvoll
ist, hängt unter anderem von der Angebotsentwicklung, dem
vorhandenen Rollmaterial und den zu erwartenden Gesamtkosten einer Flotte ab», sagt Leiter Fabian Hohermuth.
Energieeffizienz sei dabei ein wichtiger Faktor. Weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie zum Beispiel ein barrierefreier Zugang,
familienfreundliche Bereiche oder ergonomische Sitze im
Führerstand werden nach und nach in allen Flotten umgesetzt. Hat ein Fahrzeugtyp einmal das Dienstende erreicht,
erfolgt die Verschrottung nach SBB weit abgestimmten Prozessen. Achsen, Radsätze, Puffer etc. werden in vielen Fällen
ausgebaut und wieder aufgearbeitet. «Grundsätzlich achten
wir bei der konzernweiten Entsorgung von Fahrzeugen darauf, dass in Absprache mit dem Ersatzteildienst, alle kritischen
Materialien wiederverwertet werden», sagt Rolf Kaufmann,
Leiter des Kompetenzcenters Entsorgung und Tankanlagen.
Seit Anfang 2015 betreut dieses sämtliche Standorte der SBB
mit dem Ziel, die bis anhin unterschiedlichen Prozesse bei
der Entsorgung zu vereinheitlichen, dadurch die Kosten zu
reduzieren, den Erlös aus Wertstoffen zu steigern und die
Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen nachweisbar sicherzustellen. Cyril Holewa hat die neue Software inzwischen
erfolgreich auf dem Doppelstöcker installiert. Der DTZ ist ab
sofort noch nachhaltiger unterwegs. «Bei seiner Ausmusterung werde ich vermutlich längst pensioniert sein.»
→ «Unterwegs», Sondernummer zum SBB Geschäftsbericht 2014, 26. März 2015
Sonderausgabe der Zeitschrift für die SBB Mitarbeitenden zum SBB Geschäftsbericht 2014, 26. März 2015 → Herausgegeben von der SBB Kommunikation: Andreas Stuber, Reto
Kormann → Redaktion (SBB) Ruedi Eichenberger, Martin Stutz → Realisation (Infel AG) Bruno Habegger (Leitung), Laetitia Buntschu Signer (Art Director), → Übersetzungen SBB
Sprachdienst, UGZ Übersetzer Gruppe Zürich GmbH → Druck Stämpfli AG, Bern, ISSN 2296-1852 → Mehr zur Jahresberichterstattung 2014 im Internet: www.sbb.ch/geschaeftsbericht
Sondernummer zum Geschäftsbericht 2014
39
→ Seite 6. Illustration: Tom Künzli