HOLZ – REGENERATIV, ABER NICHT UNENDLICH

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Wir HOLZBAUER
Das Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz
HOLZ – REGENERATIV,
ABER NICHT UNENDLICH
Holz ist nur dann ökologisch gewinnbringend, wenn der Kreislauf
gewährleistet wird. Das heisst, nur nachhaltige Forstwirtschaft, bei
der entnommene Bäume konsequent durch Neupflanzungen ersetzt
werden, sorgt dafür, dass Holz als Energie- und CO2-Senke fungieren
kann. TEXT DANNY PÜSCHEL, INFOGRAFIKEN ERIK POPPE
Holz besitzt – im Gegensatz zu anderen (Bau-)Materialien – zwei unschlagbare Eigenschaften: Es kann Energie
aufnehmen und wieder abgeben, und es
kann CO2 speichern. Seit der archäologisch belegten Verwendung von Werkzeugen und Brennholz zählt Holz zu
den wichtigsten Rohstoffen, die die
Menschheit begleitet haben. Bis heute
ist Holz ein elementarer Naturrohstoff,
dessen jährlicher Bedarf steigt. Doch
bei der seit Langem geführten Diskussion um eine Verringerung des CO2Ausstosses wird der Faktor «Verwendung von Holz» häufig übersehen oder
unterschätzt. Jeder Baum produziert
im Laufe seines Lebens Holz: In der
Wachstumsphase nimmt er Wasser und
atmosphärisches CO2 auf, aus denen er
mit Hilfe der Sonnenenergie durch
Fotosynthese Biomasse aufbaut. Nebenbei wird der für Mensch und Tier
DER EXPERTE
lebenswichtige Sauerstoff produziert.
Das entstandene organische Material
besteht bei allen Holzarten mit grosser
Übereinstimmung zu 50 Prozent aus
Kohlenstoff. Der Wachstumsphase des
Baumes folgt die Reifephase, die durch
einen erheblich verlangsamten Biomasseaufbau gekennzeichnet ist, der bis
zur Altersphase gänzlich zum Erliegen
kommt. Nach dem Tod des Baumes beginnt der Abbau der Biomasse, so dass
der eingelagerte Kohlenstoff wieder
freigesetzt wird und sich mit atmosphärischem Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid verbindet. Hierbei emittieren aus dem
in einem Kilogramm Trockenholz gebundenen Kohlenstoff 3,67 Kilo CO2 in
die Atmosphäre. Bei 50 Prozent Kohlenstoffanteil kann folglich jedem Kilogramm Holz eine Bindung von 1,83
Kilo CO2 zugerechnet werden. Die Wirkung und Nutzbarkeit von Holz als
Danny Püschel – Diplombiologe
1978 in Eisenhüttenstadt geboren. Biologiestudium an
der Humboldt-Universität zu Berlin, Diplom 2007. Seit
2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter, seit 2013 Geschäftsführer am SUSTAINUM – Institut für zukunftsfähiges
Wirtschaften Berlin.
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Kohlenstoffspeicher basieren also auf
den Lebens- und Kohlenstoffzyklen von
Bäumen und Wäldern. Bäume, Pflanzen im Allgemeinen, können aber auch
als biogener Energiespeicher angesehen werden. Pflanzen speichern mit
Hilfe der Fotosynthese die Energie der
Sonne direkt als Biomasse. Es wird dabei zwischen nicht regenerativen (fossile
Brennstoffe: Kohle, Erdöl, Erdgas) und
regenerativen (Pflanzen, aber auch
Biogase und Klärgase) biogenen Energieträgern unterschieden. Doch bringen diese einzigartigen Eigenschaften
des Holzes als Kohlenstoff- und Energiespeicher auch einen «Vorteil» bei
einer Ökobilanzierung?
Ökobilanzierung
Eine Ökobilanz ist eine systematische
Analyse der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebensweges oder bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt der Verarbeitung. Die Festlegung der Betrachtungsgrenzen, so
genannter Systemgrenzen, spielt bei
der Interpretation und der Vergleichbarkeit der Ergebnisse eine wichtige Rolle.
Man unterscheidet zwischen der Analyse des gesamten Lebensweges («cradle
to grave» = von der Wiege bis zur Bahre)
und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Verarbeitung (in der Regel
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BAUEN
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Produktlebenszyklus
Schematische Darstellung eines Produktlebenszyklus. Abgebildet sind die
verschiedenen Produktstadien, die Systemgrenzen der Ökobilanzierung und die
jeweiligen Primärenergieaufwendungen.
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toffgewinnung,
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Gutschriften ausserhalb der Systemgrenzen
Erhöhung der Primärenergieaufwendungen
durch Rohstoff- und Energieeinsatz
Gutschriften der Primärenergieaufwendungen
können am Ende des Produktlebenszyklus
durch thermische und stoffliche Verwertung,
Wiederverwendung, Rückgewinnung, Recycling
oder Kompensation entstehen.
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Wir HOLZBAUER
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Primärenergiegehalt
Treibhauspotenzial von Holz, Beton und Aluminium
[kg CO2-Äq. pro m3]
[Tausend MJ pro m3]
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BETON
HOLZ
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HOLZ
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ALUMINIUM
Von der Wiege zum Werkstor (Cradle to Gate)
Von der Wiege zum Fabriktor (Cradle to Gate)
Gutschriften
Gutschriften
Vergleich des Primärenergieaufwands von je einem Kubik meter Aluminium,
Beton und Holz (Datenquelle sind die jeweiligen EPDs).
«cradle to gate» = von der Wiege bis zum
Fabriktor). Bilanziert werden dabei
sämtliche Umweltwirkungen während
der Produktion, der Nutzungsphase
und der Entsorgung des Produktes sowie die damit verbundenen vor- und
nachgeschalteten Prozesse wie Herstellung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Zu den Umweltwirkungen zählt
man sämtliche umweltrelevanten Entnahmen aus der Umwelt (z.žB. Erze,
Rohöl) sowie die Emissionen in die
Umwelt (z.žB. Abfälle, CO2-Emissionen).
Immer mehr setzt sich aber das Cradle-to-Cradle-Konzept durch: Von der
Wiege zur Wiege. Demnach sollen Produkte schon im Entstehungsprozess so
konzipiert werden, dass sie niemals zu
Müll werden. Durch eine zyklische
Ressourcennutzung soll alles wiederverwertet werden können. Doch bis
dahin ist es (leider) noch ein weiter Weg.
Da es durch die geringe Datenverfügbarkeit derzeit sehr schwierig ist, die
Umweltwirkung über den gesamten
Produktlebenszyklus zu erfassen – wer
kann schon verlässliche Daten zu Ein-
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Vergleich des Treibhauspotenzials von je einem Kubikmeter Aluminium,
Beton und Holz (Datenquelle sind die jeweiligen EPDs).
bau und Nutzung bereitstellen? –, wird
in Ökobilanzierungen häufig eine
Cradle-to-Gate-Betrachtung durchgeführt. Diese wird auch gerne um so genannte Gutschriften und Lasten ausserhalb der Systemgrenzen ergänzt.
Vergleich des Primärenergieaufwands
Vergleicht man die Baustoffe Holz, Beton und Aluminium bezüglich ihres
Primärenergieaufwands auf diese Art
und Weise, so zeigt sich, dass
• bei Aluminium ein Grossteil des Bedarfs an Primärenergie durch die
energieaufwendige Herstellungsphase
(Tonerdegewinnung und Aluminiumelektrolyse) verursacht wird. Der Anteil an nicht regenerativer Energie ist
dabei grösser als der Anteil an regenerativer Energie;
• Holzerzeugung knapp 40-mal weniger
energieaufwendig ist als die Aluminiumherstellung und die Betonherstellung
wiederum nur etwa ein Drittel der Herstellungsenergie des Holzes benötigt.
Der grosse Unterschied zwischen Aluminium und Holz ist durch die enorm
energieaufwendige Rohstoffgewinnung
und die Herstellung von Aluminium
leicht erklärt. Doch der ungleich höhere Energieaufwand bei Holz im Vergleich zu Beton irritiert zunächst. Die
Betrachtung der jeweiligen Energiequellen verdeutlicht jedoch, dass zur
Herstellung von Holz der überwiegende – und auch sehr hohe – Anteil aus
regenerativen Quellen (Sonnenenergie)
stammt und damit kostenlos, ohne
Aufwand und negative Umweltwirkung
bereitgestellt wird. Lediglich sechs Prozent des gesamten Energiebedarfs für
die Holzherstellung sind nicht regenerativen Energieträgern infolge der
Verarbeitung des Rohholzes usw. zuzuordnen. Bei der Betonherstellung
verhält es sich genau umgekehrt: Der
Anteil an nicht regenerativen Energiequellen ist wesentlich höher als jener
der regenerativen. Sehr energieaufwendig ist dabei die Zementherstellung.
Gutschriften
Dementsprechend entstehen bei einer
Betrachtung am Ende seines Lebens-
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zyklus für Holz sehr hohe Gutschriften. All die von der Sonne eingefangene, regenerative Energie kann nun
durch eine thermische Verwertung (Verbrennung in einem Biomassekraftwerk)
weiter genutzt und für Wärme und
Stromerzeugung bereitgestellt werden.
Aus der Verbrennung ergeben sich Gutschriften. Dabei wird in Bezug auf die
Energieerzeugung ein Substitutionsansatz angewendet: Der erzeugte Strom
und die erzeugte Wärme werden in geeigneter Weise mit Gutschriften versehen, die durch die Einsparung fossiler
Brennstoffe und deren Emissionen bei
konventioneller Energieerzeugung anfallen würden. Es werden Dampf aus
Erdgas sowie der nationale Strommix
ersetzt. Weitere Gutschriften vor allem
an regenerativen Energieträgern entstehen dadurch, dass bei der Holzbe- und
-verarbeitung häufig wiederverwertbare Produkte (Rinde, Hackschnitzel,
Späne) entstehen, die ebenfalls noch
energetisch genutzt werden können. Bei
Aluminium entstehen hohe Gutschriften durch seine stoffliche Verwertung.
Durch Recycling entfallen die hohen
Energieaufwendungen für die Rohstoffgewinnung und die Veredelung, es werden nur noch fünf Prozent der Energiemenge der Primärproduktion benötigt.
Energiegutschriften für Beton ergeben
sich durch die stoffliche Verwertung
der mineralischen Bauabfälle im Baustoffrecycling. Dabei handelt es sich fast
ausschliesslich um ein Downcycling,
also eine Wiederverwertung von deutlich niedrigerem Wert, etwa im Strassenbau. Für das Recycling und die Verwertung von Beton am Lebenswegende
ergibt sich eine Energiegutschrift, da
hierdurch der andernfalls erforderliche Energiebedarf für die Gewinnung
beispielsweise von Schotter aus Primärmaterial entfällt.
In der Summe kann man sagen, dass
durch die Verwendung von Gutschriften bei Holz nahezu der gesamte Energieaufwand für dessen Herstellung
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BAUEN
wiedergewonnen werden kann. Bei Aluminium ist es infolge der stofflichen
Verwertung durch Recycling immerhin ein Drittel der Energie, die gutgeschrieben wird, bei Beton noch etwa
zehn Prozent.
Treibhauspotenzial
In Bezug auf die CO2-Emissionen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Es ist
deutlich sichtbar, dass das Aluminium
während seiner Herstellungsphase im
Vergleich zu Holz und Beton ein hohes
Treibhauspotenzial aufweist. Der Grossteil der CO2-Emissionen fällt dabei in
den Vorketten zur Strombereitstellung
und der Anodenherstellung an. Die
enormen Gutschriften entstehen dadurch, dass auch hier durch Wiederverwendung und Recycling die hohen
Energieaufwendungen für die Rohstoffgewinnung und die Veredelung und die
damit einhergehenden CO2-Emissionen
entfallen.
Auch beim Beton begründet sich das
hohe Treibhauspotenzial durch den aufwendigen Herstellungsprozess. Durch
Brennvorgänge oder das Schäumen von
Zuschlägen wird sehr viel CO2 freigesetzt. Beim Thema Treibhauspotenzial
macht sich nun bemerkbar, dass Holz
als annähernd CO2-neutral einzustufen
ist. Die massive Speicherung von Kohlenstoff in der Wachstumsphase kommt
nun zum Tragen. In Folge der Verbrennung wird das im Holz gespeicherte
CO2 freigesetzt und mit dem durch die
reduzierte Verbrennung von fossilen
Energieträgern eingesparte CO2 gegengerechnet. Dadurch ergeben sich hohe
CO2-Gutschriften.
Bei einer blossen Betrachtung von
Cradle to Gate sähe es für das Holz, vor
allem im Vergleich zu Beton, ökologisch gar nicht so gut aus. Erst der
wichtige Schritt, die entstandenen Gutschriften für Energie und CO2 in die
Ökobilanzierung einzubeziehen, bringt
die besonderen ökologischen Eigenschaften von Holz zur Geltung.
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4
SCHRITTE DER
ÖKOBILANZ:
1. Festlegung des Ziels
und des Untersuchungsrahmens
• Grenzen des definierten
Systems
• Detailgrad der Untersuchung
• Bestimmung der funktionellen Einheit (Vergleichbarkeit)
• Setzen der Systemgrenze, die
das Produktsystem beschreibt
2. Sachbilanz
• Datenerhebung (Inputs und
Outputs, Zuordnung der
Produkt-, Stoff-, oder Energieflüsse)
• Datenberechnung
• Allokation von Flüssen und
Emissionen
3. Wirkungsabschätzung
• Verknüpfung der ermittelten
Daten zu Inputs und Outputs,
um eine Beurteilung der Bedeutung potenzieller Umweltwirkungen vorzunehmen
• Optional: Normierung, Ordnung oder Gewichtung der
Ergebnisse
4. Auswertung
• Die Ergebnisse der Sachbilanz
und der Wirkungsabschätzung werden einander gegenübergestellt, um Schlussfolgerungen zu ziehen und
die Aussagekraft der Ergebnisse einzuordnen.
• Zielvorgaben werden überprüft.
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