x - TU Wien

Mechanik
für
IngenieurInnen
Einführung in die
Technische Mechanik
˙ x¨
x, x,
kx
m x¨
Christian Bucher
Errata in Version 1.1
(Korrigiert in Version 1.2)
2 Kraftsysteme
~ p bezogen auf
resultierende Kraft ~
R und das resultierende Moment M
einen beliebigen Punkt P
~
R=
n
X
~
Fk ;
k=1
~p=
M
n
X
~rpk £~
Fk
(2.7)
k=1
~ p übereinstimZwei Kraftsysteme heißen äquivalent, wenn ~
R und M
men.
Für Kräfte, deren Resultierende Null ist, verbleibt i. Allg. ein von Null
verschiedenes resultierendes Moment.
Beispiel: Kräftepaar
An zwei verschiedenen Punkten P und Q greifen eine Kraft ~
F und die
~
Gegenkraft °F an.
z
P
Q
y
x
~
F
°~
F
~rq p
~rsq
~rsp
S
Abbildung 2.6: Kräftepaar im Raum
Die Resultierende ist offensichtlich
~
R =~
F + (°~
F) = ~0
und das resultierende Moment bezogen auf einen dritten Punkt S ist
~ r s =~rsp £~
M
F +~rsq £ (°~
F) = (~rsp °~rsq ) £~
F =~rq p £~
F
Das resultierende Moment eines Kräftepaars ist also unabhängig von
der Wahl des Bezugspunktes S und wird daher als freies Moment bezeichnet.
Beispiel 2.5: Resultierende eines allgemeinen ebenen Kraftsystems
In der x ° y-Ebene liegen drei Kräfte gegeben durch
~
F1 =
∑
∏
∑ ∏
∑ ∏
4
°5
°2
~
~
kN; F2 =
kN; F3 =
kN
°2
0
6
31
Mechanik für IngenieurInnen
Die Angriffspunkte dieser Kräfte sind
∑ ∏
∑ ∏
∑ ∏
1
°3
4
~r1 =
m; ~r2 =
m; ~r3 =
m
2
0
2
Gesucht ist die resultierende Kraft ~
R und das resultierende Moment
~ p bezogen auf den Punkt P mit Ortsvektor~rp
M
~rp =
∑ ∏
1
m
1
Die resultierende Kraft ergibt sich zu
~
R=
∏
4°5°2
kN
°2 + 0 + 6
∑
Das resultierende Moment wird nach
~ p =~rp1 £~
M
F1 +~rp2 £~
F2 +~rp3 £~
F3
berechnet. Dazu erweitern wir zunächst die Kraft- und Ortsvektoren
in die dritte Dimension und führen dann die Multiplikationen aus
2 3 2 3 2 3 2 3 2 3 2 3
0
4
°4
°5
3
°2
4
5
4
5
4
5
4
5
4
5
4
~
Mp = 1 £ °2 + °1 £ 0 + 1 £ 6 5
0
0
0
0
0
0
2 3 2 3 2 3 2 3
0
0
0
0
= 4 0 5 + 4 0 5 + 4 0 5 = 4 0 5 kNm
°4
°5
20
11
Wie erwartet ist nur M p,z von Null verschieden.
Beispiel 2.6: Momentenwirkung einer Linienlast
Das Moment M a einer gleichförmig verteilten Linienlast p bezogen
auf den Punkt a soll bestimmt werden (siehe untenstehende Skizze).
Dazu wird zunächst die Einwirkungsstrecke der Linienlast in infinitesimale Elemente dx zerlegt. Auf jedes Längenelement wirkt eine Kraft
dF = pdx, und diese Kraft besitzt das Moment dM = xdF = xpdx.
32
2 Kraftsysteme
Bemerkung
Konservative Kräfte lassen sich durch Differenziation aus einer Potentialfunktion W (x, y, z) ableiten
2
6
~
F = °gradW = °rW = ° 6
4
@W
@x
@W
@y
@W
@z
3
7
7
5
(2.13)
Es gilt ferner, dass für konservative Kraftfelder die Rotation verschwindet
rot ~
F=0
(2.14)
Aus dieser Beziehung wird (unter Berücksichtigung der Definition der
Rotation eines Vektorfelds) offensichtlich, dass alle Kraftfelder, die im
R3 konstant sind, konservativ sind und daher ein Potential besitzen
(so wie beispielsweise das Gravitationsfeld in unmittelbarer Nähe der
Erdoberfläche).
Beispiel 2.10: Potentialfeld
Ein ebenes Kraftfeld sei gegeben durch
∑ ∏
ky
~
F=
kx
Die Rotation dieses Kraftfelds besitzt nur eine z-Komponente r z (vgl.
die Definition in Gl. 1.18)
rz =
@fy
@x
°
@ fx
= k °k = 0
@y
Das Kraftfeld ist lokal wirbelfrei, es existiert daher ein Potential U mit
der Eigenschaft~f = °rU . Aus der Integration folgt
Z
U = ° f x dx + g (y) = °kx y + g (y)
Z
U = ° f y dy + h(x) = °kx y + h(x)
Beide Gleichungen lassen sich nur dann widerspruchsfrei erfüllen
wenn g (y) = h(x) = C . Somit folgt für das Potential
U (x, y) = °kx y +C
(2.15)
37
4 Spannungen und Formänderungen
Die darin auftretenden Integrale der Biegemomente ergeben
Z
M2
dx =
EI
ZL
F 2 L 2 (1 ° x 1 /L)2
dx 1 +
EI
+
ZL
F 2 L 2 (1 ° x 2 /L)2
F 2L3
dx 2 = 2
EI
3E I
0
0
und das Integral des Torsionsmoments ergibt
Z
M T2
G IT
Daraus folgt
w=
dx =
F 2L3
G IT
2 F L3 F L3
+
3 EI
G IT
Mit Hilfe des Arbeitssatzes lassen sich - wie oben gezeigt - Verschiebungen in Richtung der angreifenden Kräfte berechnen. Um auch Verschiebungen in anderen Richtungen berechnen zu können, führen wir
virtuelle (d. h. nicht real vorhandene, gewissermaßen probeweise aufgebrachte) Kräfte ein (vgl. Abschnitt 2.7). Es entstehen durch die Einführung der virtuellen Kräfte keine zusätzlichen realen Verschiebungen. Durch die virtuellen Kräfte ±F k entstehen äußere und innere virtuelle Arbeiten ±A = °±W und ±U entlang der realen Verschiebungen,
die gleich sein müssen. Die äußere virtuelle Arbeit ist unmittelbar berechenbar
±A = °±W = u k ±F k
(4.79)
wobei u k die reale Verschiebung des Angriffspunktes der virtuellen
Kraft ±F k in Richtung dieser Kraft ist. Die virtuelle innere Arbeit bestimmt sich bei Normalkraftbeanspruchung aus
1
±U =
2
ZL
0
2
N
±N dx
EA
(4.80)
Die virtuelle Normalkraft ±N infolge der virtuellen Kraft ±F k bestimmt
sich wiederum aus
@N
±F k = N¯ k ±F k
(4.81)
±N =
@F k
137
Mechanik für IngenieurInnen
Schnittpunkt der Verbindungsgeraden von (1,2) und (1,3) sowie (2,4)
und (3,4). Diese Geraden sind parallel, der Nebenpol (2,3) liegt daher
auf einer vertikalen Geraden im Unendlichen. Der Hauptpol (0,3) liegt
auf der Verbindungsgeraden von (0,2) und (2,3), also auf einer vertikalen Geraden durch (0.2). Damit ist der Hauptpol (0.3) bestimmt.
0,2
0,3
(0,2)
0,2
(2,4)
1,4
0,4
(1,2)
1,4
21
8
(0,3)
(1,4)
(0,1)
(1,3)
(0,4)
(3,4)
0,4
0,3
2,3
2,3
!4
!1
!2
!3
Unter Berücksichtigung der Abstandsverhältnisse gilt für die Winkelgeschwindigkeiten
8
1
1
!2 = !3 = !1 ; !4 = !2 = !1
7
8
7
6.4 Anwendung des Prinzips der virtuellen Verschiebungen
Eine virtuelle Verschiebung ±~r eines Körperpunktes ist eine gedachte,
bei festgehaltener Zeit ausgeführte, mit den kinematischen Bindungen
verträgliche und infinitesimal kleine Verschiebung, bei der sich die auf
den Körper einwirkenden Kräfte nicht ändern (vgl. Abschnitt 2.7).
Bei starren Körpern lassen sich virtuelle Verschiebungen immer auf eine virtuelle Translation ±~r0 und eine virtuelle Rotation ±~
' zurückführen (vgl. Gl. 6.12)
±~r = ±~r0 + ±~
' £ (~r °~r0 )
(6.16)
Die virtuelle Arbeit ±A i einer am Körperpunkt~ri angreifenden Kraft ~
Fi
ist definiert durch
±A i = ~
FTi ±~ri
(6.17)
~ k ist definiert durch
Die virtuelle Arbeit ±A k eines Moments M
~ T ±~
±A k = M
k 'k
162
(6.18)
6 Kinematik
~k
M
z
~
Fi
'k
±~
~rk
±~ri
~ri
x
y
Abbildung 6.5: Virtuelle Verschiebungen und Verdrehungen
Bilden die an einem starren Körper angreifenden Kräfte ~
Fi ; i = 1 . . . n
~ k ; k = 1 . . . m eine Gleichgewichtsgruppe, so verund Momente M
schwindet die virtuelle Arbeit dieses Kräftesystems für jede beliebig
gewählte virtuelle Verschiebung
±A = °±W =
n
X
~
FTi ±~ri +
i =1
m
X
k=1
~ T ±~
M
k 'k = 0
(6.19)
Verschwindet die virtuelle Arbeit eines an einem starren Körper angreifenden Kräftesystems für jede beliebige virtuelle Verschiebung, so
befindet sich dieses Kräftesystem im Gleichgewicht.
Wenn zur Einleitung virtueller Verschiebungen kinematische Bindungen gelöst werden (”Schnitt”), so sind die virtuellen Arbeiten der an
diesen Stellen wirkenden Schnittgrößen zu berücksichtigen.
Beispiel 6.11: Zusammengesetztes System
Für das dargestellte System sind die Lagerreaktionen A H , AV und C H
mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Verschiebungen zu bestimmen.
F
g
F
F
L
d
a
AH
DH
AV
b
BH
F
DV
L
L
c
L
L
L
CH
163
Mechanik für IngenieurInnen
a) A H
(1,2)
(0,1)
F
II
(0,2)
(3,4)
0,1
III
±'
AH
IV
(0,3)
0,4
I
0,1
0,4
0,4
Es wird die horizontale Bindung im Lager a gelöst. Dadurch werden
die Teilsysteme I und II beweglich, II und IV bleiben unbeweglich. Die
virtuelle Arbeit aller Kräfte ist somit
±A = A H · L · ±' ° F · L · ±' = 0 ! A H = F
b) AV
(1,2)
F
±'
II
(0,2)
III
IV
I
0,1
(0,1)
0,1
AV
Es wird die vertikale Bindung im Lager a gelöst. Dadurch werden wieder nur die Teilsysteme I und II beweglich. Es ergibt sich
±A = AV · L · ±' ° F · L · ±' = 0 ! AV = F
164
6 Kinematik
c) C H
F
(0,2)
(1,2)
F
II
(2,3)
(3,4)
F
±' I
III
(0,1)
±'
0,2
0,4
(0,3)
(0,4)
I
IV
0,2
0,4
F
IV
CH
III
±'
I
II
IV
Es wird die horizontale Bindung im Lager c gelöst. Dadurch werden
alle Teilsysteme beweglich. Die Hauptpole (0,1) und (0,3) sind offensichtlich. Der Hauptpol (0,2) ergibt sich als Schnittpunkt der Verbindungsgeraden von (0,1) mit (1,2) sowie (0,3) mit (2,3). Aufgrund des
beweglichen Lagers in b liegt der Hauptpol (0,4) auf einer horizontalen Geraden durch b; er liegt aber auch auf der Verbindungsgeraden
von (0,3) mit (3,4). Damit ist auch (0,4) festgelegt.
Es ergibt sich
±A = C H · L · ±' + F · L · ±' + F · L · ±'
° F · L · ±' + F · 2L · ±' = 0 ! C H = °3F
Beispiel 6.12: Biegemoment eines Trägers auf zwei Stützen
Geg: p, L
Ges.: M (x)
p
x
L
Um das System beweglich zu machen, muss eine kinematische Bindung gelöst werden. Um das Biegemoment an einer beliebigen Stelle
165
Mechanik für IngenieurInnen
x bestimmen zu können, muss dieses Biegemoment virtuelle Arbeit
leisten.
p
M
M
x
L°x
Es wird daher an der Stelle x ein Gelenk eingeführt und die dabei freigesetzten Schnittgrößen als Kraftwirkung mit angesetzt.
px
M
p(L ° x)
M
±'1
±'2
x
L°x
Die Relation zwischen ±'1 und ±'2 folgt aus
x · ±'1 = (L ° x)±'2 ! ±'2 =
x
±'1
L°x
Damit wird die gesamte virtuelle Arbeit
x
L°x
±A = px ±'1 + p(L ° x)
±'2 ° M ±'1 ° M ±'2 =
2
∑ 2
∏
x
L°x x
x
= px + p(L ° x)
°M °M
±'1 = 0
2
2 L°x
L°x
und somit
M (x) =
166
p
x(L ° x)
2
6 Kinematik
Beispiel 6.13: Querkraft eines Trägers auf zwei Stützen
px
p(L ° x)
Q
±'
±'
Q
x
L°x
x
L°x
±A = px ±' ° p(L ° x)
±'+
2
2
+Qx±' +Q(L ° x)±' =
∑
∏
pL 2
= °
+ pLx +QL ±' = 0
2
p
! Q(x) = (L ° 2x)
2
Beispiel 6.14: Stabkräfte in einem Fachwerk
Für das dargestellte Fachwerk mit 13 Stäben sollen die Stabkräfte V3
und D 3 mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Verschiebungen berechnet
werden.
F
F
F
D3
L
V3
c
L
L
L
L
Um die Stabkräfte berechnen zu können, müssen Schnitte eingeführt
werden, die eine Längsverschieblichkeit der Stäbe ermöglichen. Da
in einem Fachwerk keine Querkräfte und Biegemomente vorhanden
sind, können die Stäbe auch einfach entfernt werden, wenn dann die
Stabkräfte auf die jeweiligen Knoten angesetzt werden.
167
Mechanik für IngenieurInnen
a) Stab V3
F
F
F
(1, 4)
IV
V3
I
(0, 1)
(1, 2) II
(0, 2)
(0, 3)
(0, 4)
III
V3
Die Pole (0, 1), (0, 4) und (1, 4) liegen nicht auf einer Geraden. Daher
sind I und IV nicht beweglich. Der Pol (0, 2) liegt daher im Pol (1, 2).
Von allen Kräften leistet nur V3 virtuelle Arbeit
±A = V3 L±' = 0 ! V3 = 0
V3 ist also ein Nullstab.
b) Stab D 3
0, 2
0, 2
(0, 2)
(1, 2)
(2, 4)
II
D3
I
(0, 1)
(1, 3)
D3
±'
(0, 4)
(3, 4)
III
2, 3
168
IV
(0, 3)
0, 3
2, 3
D3
3±'
±'
0, 3
6 Kinematik
Aus (0, 1) und (1, 2) folgt eine Richtung zu (0, 2), ebenso aus (0, 4) und
(2, 4). Damit liegt der Hauptpol (0, 2) fest. Für den Hautpol (0, 3) ist
zunächst nicht genügend Information verfügbar. Dazu wird der Nebenpol (2, 3) benötigt. Aus (1, 2) und (1, 3) ergibt sich eine Richtung
zu (2, 3), ebenso aus (2, 4) und (3, 4). Beide Richtungen sind parallel,
der Nebenpol (2, 3) liegt also im Unendlichen. Verbindet man (0, 2) mit
(2, 3) so ergibt sich eine Richtung zu (0, 3), ebenso aus (0, 1) und (1, 3).
Damit liegt auch der Hauptpol (0, 3) fest.
Die virtuelle Arbeit aller Kräfte ist
±A = °F · L±' ° F · 2L±' + F · L±'+
p
p
+ D 3 · L 2±' + D 3 · L 2±' = 0
Daraus ergibt sich
F
D3 = p
2
Beispiel 6.15: Dreigelenkrahmen
Für das dargestellte Dreigelenksystem sollen ausgewählte Lagerreaktionen und Schnittgrößen mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Verschiebungen ermittelt werden.
F
c
d
g
4.0
p
b
BH
BV
AH
4.0
a
4.0
4.0
[m]
AV
Die Belastungsgrößen sind F = 20 kN, p = 1 kN/m.
169
Mechanik für IngenieurInnen
a) Lagerreaktion AV
Für die Ermittlung der Größe A H wird am Lager a eine Verschieblichkeit in vertikaler Richtung erzeugt (also das feste Lager durch ein Gleitlager ersetzt) und die zugehörige Lagerreaktion AV als Einwirkung auf
das System angesetzt. Der Polplan und die Verschiebung sind in der
Skizze dargestellt.
F
c
d
(1,2)
p
(0,2)
(0,1)
AV
Die virtuelle Arbeit aller Kräfte muss verschwinden
±A = AV · 12 · ±' ° F · 8 · ±' + p · 8 · 4 · ±' = 0
Daraus ergibt sich die gesuchte Lagerreaktion AV .
AV =
¢
1 °
F · 8 ° p · 32 = 10.667kN
12
b) Lagerreaktion A H
Hier wird eine horizontale Verschieblichkeit im Punkt a erzeugt. Das
Verschiebungsbild ist in der Skizze dargestellt
170
6 Kinematik
(0,1)
F
(1,2)
p
(0,2)
AH
Die Bedingung, dass die virtuelle Arbeit aller Kräfte verschwinden
muss ergibt die gesuchte Lagerreaktion A H .
±A = A H · 12 · ±' ° F · 4 · ±' + p · 8 · 8 · ±' = 0
AH =
¢
1 °
F · 4 ° p · 64 = 1.333kN
12
c) Biegemoment M c
Für die Berechnung des Biegemoments M c muss eine relative Verdrehbarkeit im Punkt c erzeugt werden. Dies geschieht durch Einführung eines Gelenks an dieser Stelle. Das Schnittmoment muss an
beiden Schnittufern als Einwirkung angesetzt werden. Das Verschiebungsbild ist in der Skizze dargestellt.
171
Mechanik für IngenieurInnen
(0,3)
F
Mc
(1,2)
(2,3)
Mc
p
(0,2)
(0,1)
Die Auswertung der virtuellen Arbeit ergibt das gesuchte Biegemoment M c .
±A = M c ±' + M c · 2±' + F · 4 · 2±' ° p · 8 · 4 · ±' = 0
Mc =
¢
1°
°F · 8 + p · 32 = °42.667kN m
3
d) Querkraft Q c
Für die Berechnung des Biegemoments muss eine transversale (normal auf die Stabachse orientierte) Relativverschieblichkeit erzeugt
werden. Dabei dürfen weder eine relative Längsverschiebung noch eine relative Verdrehung auftreten (dies sichert, dass weder Normalkräfte noch Biegemomente virtuelle Arbeiten leisten). Die Querkräfte an
beiden Schnittufern müssen als Einwirkungen auf das System aufgebracht werden. Die Polkonstruktion und das Verschiebungsbild sind
in der Skizze dargestellt.
172
6 Kinematik
(0,3)
F
Qc
Qc
p
(0,2)
(0,1)
Die Auswertung der virtuellen Arbeit ergibt die gesuchte Querkraft Q c .
±A = Q c · 8 · ±' +Q c · 4 · ±' + F · 4 · ±' + p · 8 · 4 · ±' = 0
Qc =
¢
1 °
°F · 4 ° p · 32 = °9.333kN
12
Beispiel 6.16: Zugbrücke
L
Eine Zugbrücke (homogener Balken mit Masse m) wird im Schwerefeld (g) über ein masseloses Seil (umgelenkt über eine sehr kleine Rolle) durch eine Masse m
2 im Gleichgewicht gehalten. Welcher Winkel '
stellt sich ein?
m
2
'
m
L
173
Mechanik für IngenieurInnen
s
±r 2
'
2
±r 1
±'
Wir wählen als virtuelle Verrückung eine infinitesimal kleine Verdrehung ±' der Brücke. Dabei senkt sich der Brückenschwerpunkt um
±r 1 =
L
±' sin '
2
ab. Das Gegengewicht hebt sich um den Betrag ±r 2 . Dies entspricht
der Verlängerung ±s des Seils zwischen Brücke und Rolle. Die Seillänge
s abhängig vom Winkel ' ist gegeben durch
s = 2L sin
'
2
Daraus erhält man durch Taylorentwicklung
±s =
ds
'
±' = L cos ±'
d'
2
Somit ist die virtuelle Arbeit
±A = mg ±r 1 °
µ
∂
mg
L
mg
'
±r 2 = mg sin ' °
L cos
±' = 0
2
2
2
2
Daraus folgt
sin ' ° cos
174
'
= 0 ! ' = 60±
2
6 Kinematik
Beispiel 6.17: Fachwerk
Für das dargestellte Fachwerk sind F und L gegeben. Gesucht sind die
Stabkräfte S 1 und S 2 mittels Ritterschnitt und virtueller Arbeit.
L
L
S2
L
L
S1
L
F
c
Der Stab S 1 wird durch einen Ritterschnitt (Dreistäbeschnitt) leicht
berechnet
p
X
F
Mc = 0 = S 1 · L 2 ° F L ! S 1 = p
2
Für den Stab S 2 lässt sich kein Ritterschnitt finden.
Mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeit berechnet man die Stabkraft S 1 nach
S1
S1
F
±'
p
2
F
±A = F L±' ° S 1 · 2L±'
= 0 ! S1 = p
2
2
und die Stabkraft S 2 folgt aus
175
Mechanik für IngenieurInnen
S2
S2
F
±'
p
F
±A = F · L±' ° S 2 L 2±' = 0 ! S 2 = p
2
Das Beispiel zeigt, dass es mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeit
gelingt, voneinander unabhängige Bestimmungsgleichungen für die
Stabkräfte herzuleiten (im Gegensatz zu den klassischen Gleichtgewichtsbedingungen).
176
Mechanik
für
IngenieurInnen
Einführung in die
Technische Mechanik
˙ x¨
x, x,
kx
m x¨
Christian Bucher
Errata in Version 1.2
3 Statik einfacher Tragwerke
und linearisieren dann für kleine Änderung von x
¢N =
dN
¢x;
dx
¢Q =
dQ
¢x;
dx
¢M =
dM
¢x
dx
(3.4)
Nun fordern wir Gleichgewicht der Kräfte und Momente am infinitesimal kleinen Element (¢x ! 0)
X
Fx = 0 :
X
X
°N + N + ¢N + p x (x)¢x = 0
dN
= °p x (x)
dx
Fz = 0 :
M y = 0(rechts) :
(3.5)
°Q +Q + ¢Q + p z (x)¢x = 0
dQ
= °p z (x)
dx
° M + M + dM °Q¢x + p z (x)¢x
(3.6)
¢x
=0
2
linearisiert : dM °Qdx = 0
dM
= Q(x)
dx
(3.7)
d2 M
= °p z (x)
dx 2
(3.8)
Aus Gl. 3.6 und 3.7 folgt
Diese Differentialbeziehungen lassen sich auch in Integralform ausdrücken, so dass bei gegebener Belastung die Schnittgrößen durch Integration berechnet werden können.
Z
N (x) = ° p x (x)dx
Z
Q(x) = ° p z (x)dx
(3.9)
Z
M (x) = Q(x)dx
Dabei auftretende Integrationskonstanten der unbestimmten Integrale sind durch geeignete Randbedingungen (bzw. Übergangsbedingungen) zu bestimmen. Die Randbedingungen folgen i. Allg. aus den Lagerungen, Übergangsbedingungen ergeben sich aus beweglichen Verbindungen (Gelenke).
63
3 Statik einfacher Tragwerke
Q
pL
2
+
°
°
M
pL
2
pL 2
8
+
Beispiel 3.9: Kragbalken unter Gleichlast
Wir betrachten einen links eingespannten Kragbalken mit der Länge L
unter einer gleichförmigen Linienlast p. Gesucht sind die Schnittgrößenfunktionen Q(x) und M (x).
p
x
L
Aus Gl. 3.6 ergibt sich wieder
Q 0 = °p ! Q = °px +C 1
Eine Randbedingung für Q ist am rechten Rand
Q(L) = 0 = °pL +C 1 ! C 1 = pL
Aus Gl. 3.7 folgt weiter
M 0 = Q = °px + pL ! M = °p
x2
+ pLx +C 2
2
Die Randbedingungen für M ist (ebenfalls am rechten Rand)
M (L) = 0 = °p
L2
pL 2
+ pL 2 ! C 2 = °
2
2
65
3 Statik einfacher Tragwerke
Beispiel 3.15: Gelenkträger
F
p
a
AH
b
g
3
AV
3
c
6
BV
CV
Ein Gelenkträger (siehe Skizze) auf einem festen und zwei beweglichen Lagern wird durch eine Einzellast F = 20 kN und eine Gleichlast
p = 4 kN/m belastet. Gesucht sind die Schnittgrößen M und Q.
a) Lagerreaktionen
Die vier Lagerreaktionen lassen sich aus Gleichgewichtsbedingungen
am Gesamtsystem und an zwei Teilsystemen (I, links bzw. II, rechts
vom Gelenk) bestimmen
I
a
AH
AV
II
F
g
GH
GV
p
GH g
GV
b
3
BV
c
6
CV
Am Gesamtsystem:
ßH = 0 ! A H = 0
Am Teilsystem I:
ßM gI = 0 : °AV · 3 = 0 ! AV = 0
An dieser Stelle wird klar, dass der linke Trägerteil a ° g für den gegebenen Lastfall entbehrlich ist. Da sowohl in a als auch in g das Biegemoment Null ist und der Abschnitt unbelastet ist (somit ist die Momentenfunktion linear), muss M identisch verschwinden. Demzufolge muss auch Q in diesem Abschnitt identisch Null sein.
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3 Statik einfacher Tragwerke
Punkt d (r )
Q d(`)
Md
Nd(`)
Md
Q d(r )
Nd(r )
Aus den Gleichgewichtsbedingungen für die Kraftkomponenten an
der Rahmenecke ergeben sich
Q d(r ) = °Nd(`) = 9.33kN
Nd(r ) = Q d(`) = °9.33kN
Alternativ können die Schnittkräfte Q und N rechts vom Punkt d auch
aus der Transformationsbeziehung Gl. 3.13 gewonnen werden. Mit
Æ = 90± ergibt sich
∑
∏
0 1
T=
°1 0
und daraus unmittelbar
Nd(r ) = Q d(`) ;
Q d(r ) = °Nd(`)
Da der Stab d ° b unbelastet ist, sind sowohl die Normalkraft als auch
die Querkraft konstant, also Nb = Nd(r ) und Q b = Q d(r ) . Das Biegemoment ist M b = 0. Die Lagerreaktionen im Punkt b ergeben sich als
B H = Q b = 9.33 kN;
BV = °Nb = 9.33 kN
Schließlich können also Kontrolle Gleichgewichtsbedingungen am
Gesamtsystem eingesetzt werden:
ßV = AV + BV ° F = 10.67 + 9.33 ° 20 = 0X
ßH = A H ° B H + p · 8.0 = 1.33 ° 9.33 + 8.00 = 0X
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