Reportage “Budni Magazin Perle” März 2015

MEIN
S T A D T T E I L:
ich komm‘
an!
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PERLE MÄRZ 2015
Madita
v
Hülsenan
FOTOS: XXXXXXX
Reeperbahn,
ST. PAULI
STADTRUNDGANG
Auf dem legendären
Fischmarkt (links)
wird seit 1703 alles
gehandelt, was nicht
niet- und nagelfest ist.
Dazu passt Maditas
maritimes „Seemannsbraut“-Tattoo
(rechts)
St. Pauli gilt als
einer der aufregendsten Stadtteile der
Welt. Die gebürtige
Hamburgerin und
Moderatorin Madita
van Hülsen (34) kennt
den Kiez wie ihre
Westentasche. Uns hat
sie ihre Hotspots und
Lieblingsmenschen
rund um die Reeperbahn gezeigt.
FOTOS: SABRINA RYNAS, LAIF, PHOTOCASE
TEXT STELLA BRIKEY
FOTOS SABRINA RYNAS
Ein Postkartenmotiv
von dem man nie, nie,
nie genug bekommt:
Hafenkräne und
kreischende Möwen
bei Sonnenaufgang
an der Elbe. Seufz!
W
er auf St. Pauli wohnt, braucht
starke Nerven.Vor allem an
den Wochenenden, wenn
Kiez-Touristen die „geile Meile“ stürmen, hemmungslos
feiern, (zu) viel trinken, Müllberge hinterlassen
und sich prügeln. Die Reeperbahn ist laut dem
Hamburger Tourismusverband die „bekann­
teste Partymeile“ der Welt – nicht einmal New
York oder London können da mithalten.
Aber sie ist eben auch nur ein Teil des wahrscheinlich facettenreichsten Stadtteils von
ganz Hamburg.
Die Moderatorin Madita van Hülsen wohnt
mit ihrem Ehemann im Herzen von St. Pauli,
im sechsten Stock einer Altbauwohnung in
einer Seitenstraße der Reeperbahn. „Dort bekomme ich nichts von dem Trubel mit“, erzählt
uns die 34-Jährige, als wir sie an einem sonnigen Donnerstag im Park Fiction an der Elbe
treffen. „Nur im Bett spüre ich manchmal den
Bass von der Prinzenbar, aber daran gewöhnt
man sich. Übrigens wohne ich in einem Haus
mit lauter Verrückten zusammen – und das
meine ich als Kompliment“, sagt Madita. „Ich
lebe Tür an Tür mit DJs, Anzugträgern und
Überlebenskünstlern.“ Eine bunt gemischte
Nachbarschaft, in die Madita mit ihrem strahlenden Lächeln und ihren maritimen Tätowierungen ganz wunderbar passt.
Und wie feiert Madita so? „Ich fange gerne
mit einem Frozen Mojito in einer noblen Location wie dem ,Clouds‘ in den Tanzenden Türmen an.“ Danach gibt’s als Kontrastprogramm
meistens ‘nen Korn in der Kultkneipe „Freds
Schlemmereck“. Madita nimmt uns heute dorthin mit. An den Fenstern hängen gehäkelte
Gardinen, die dunklen Wände sind holzver­
täfelt, der Laden ist vollgestopft mit maritimem
Gedöns. „Moin Herbert“, begrüßt sie den ca.
70-jährigen Besitzer und Ex-Seebären. „Ach, du
schon wieder“, grummelt der und stellt uns ein
Tablett mit Schnäpsen hin. „Na, dänn man
prost!“, sagt Madita, die sich hier sichtlich >>
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STADTRUNDGANG
Im Hostel Superbude
(rechts) können
Hamburger guten
Gewissens Besuch
einquartieren, zum
Beispiel während
des Reeperbahn
Festivals (unten)
Im Park Fiction trifft
sich Madita im Sommer häufig mit Freunden zum Picknick
wohl fühlt. „Rockstars aus der ganzen Welt haben hier schon gefeiert“, verrät sie uns. Etwa
Kid Rock und die Beatsteaks.Vielleicht, weil
man sie bei Herbert niemals vermuten würde?
„Menschen wie Herbert sind das echte Hamburg für mich“, schwärmt Madita jedenfalls.
„Sein Motto lautet: ,Ob jung, ob alt, ob arm, ob
reich, in dieser Kneipe sind wir alle gleich.‘
Hier interessiert es niemanden, ob du ein Promi
bist. Aber wer sich daneben benimmt, fliegt raus.“
Recht so!
Madita ist ja auch ein
kleiner Rockstar. Sie mo­
deriert nicht nur viele
Events in Hamburg, sondern ist auch regelmäßig
im TV zu sehen. Dabei trägt
sie je nach Thema mal ihren ganz normalen Alltagslook, oft aber auch
ziemlich gewagte Kleider, die sie in ihrer Lieblingsboutique „Stay Gold“ shoppt. Dort verkauft die zauberhafte Shammael zeitlose Retromode im Stil von Burlesque-Ikone Dita von Teese. Madita zieht für uns ein knallenges rotes
Abendkleid an und ruft lachend: „Wie gut, dass
ich heute nicht zu Mittag gegessen habe!“
Danach zeigt uns die studierte Kommunikationswirtin „Santa Paula“, ein Feinkostgeschäft,
in dem es köstliche selbstgemachte Süßigkeiten gibt. Madita schnappt sich zielsicher einen
aus Schokolade gegossenen Muskelmann und
beißt zu. „Lecker! Dieser Laden ist ideal, um
originelle Geschenke zu kaufen“, findet sie.
A propos lecker – an kulinarischen Highlights mangelt es auf St. Pauli nicht. Hier findet
sich zum Beispiel das älteste italienische
Restaurant der Hansestadt, das Cuneo in der
Davidstraße. Bereits seit 1905 (!) wird hier
der Küche von Bella Italia gehuldigt.Viele
Hollywood­stars haben hier gespeist – dabei
ist das Lokal von außen so unscheinbar, dass
es nur Kenner in den kultigen Laden zieht.
Wem auf St. Pauli mal nach dörflicher Ruhe
ist, der braucht bloß ein paar hundert Meter
weiter in Richtung Schanze zu laufen. Dort
liegt die idyllische Wohlwillstraße mit ihren
zahlreichen gemütlichen
Cafés, Restaurants oder
dem Spielplatz, der von
den Anwohnern liebevoll
„Paulini“ genannt wird.
Unter großen Bäumen
reiht sich Bank an Bank.
Hier verweilen entspannte Mütter mit ihren Kindern, Zeitung lesende
Galeristen und tätowierte
Rockstars. Soviel nettes
Miteinander spricht sich
rum. Erst kürzlich druckte die britische Zeitung „The Guardian“ ein wahre Lobhudelei
auf das ganz besondere Flair, den alternativen
Lebensstil und das breit gefächerte Kulturangebot von St. Pauli.
Kein Wunder also, dass Madita sich hier
schon seit acht Jahren so wohl fühlt. Auch weil
sie das Wertesystem der Bewohner schätzt.
„Verträge
werden per
Handschlag
geschlossen“
„Ehrlichkeit und Loyalität sind für die St. Paulianer unverzichtbar“, weiß Madita. „Verträge
werden hier grundsätzlich per Handschlag geschlossen. Ein Wort gilt. So halte ich es auch.“
Allerdings hat sich St. Pauli in den letzten
Jahren stark verändert: „Manchmal hätte ich
es gerne so wie früher, als die Läden noch
von Montag bis Sonntag offen hatten“, sagt
Madita. „Ich kenne zum Beispiel den Chef der
abgerissenen ESSO-Tankstelle. Die haben ihr
Geschäft als Familie in der dritten Generati- >>
INFO
MADITA VAN HÜLSEN
wurde 1981 in Hamburg geboren. Als Kind
hat die studierte Kommunikationswirtin ge­
modelt. Heute arbeitet Madita als Moderatorin
(u.a. für Kabel 1 und NY-PAMILO TV) und als
Journalistin der STEVE KROEGER Akademie für
Motivation und Teamgeist. Außerdem hat sie
2014 „Vergiss Mein
Nie“ , die erste Agen­
tur für Trauerkom­
munikation und
Erinnerungen ge­
gründet. www.
maditavanhuelsen.
com
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STADTRUNDGANG
Einen Ausblick für die
Götter hat man sowohl aus
dem „Clouds“ (rechts) als
auch von der Achterbahn
auf dem Dom (unten)
Retro-Chic:
Im Geschäft „Stay
Gold“ kauft Madita
ausgefallene
Roben im Stil der
50er Jahre
ST.PAULITIPPS
Bis zum „Groß-Hamburg-Gesetz“ von 1937
war St. Pauli geteilt. Nur der östliche Teil gehörte zu Hamburg, der westliche gehörte zur Stadt
Altona. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren
Teile der Gründerzeit-Bebauung St. Paulis
durch Bomben zerstört. Erst in den 1950er und
1960er Jahren fand das Vergnügungsviertel,
welches heute zum Bezirk Hamburg-Mitte gehört, zu seiner alten Beliebtheit zurück – vor
allem wegen dem Auftreten der Beatles.
MADITAS HOTSPOTS
on betrieben. Jetzt ist sie weg. Das ist traurig.
Aber ich habe andererseits auch viele Freunde, die in Neubauten auf St. Pauli wohnen.
Man kann den Fortschritt nunmal nicht auf­
halten. Das ist das Leben, auch auf St. Pauli.“
Dass zum Leben auch der Tod gehört, ist
Madita van Hülsen ein ganz besonderes An­
liegen. 2014 gründete die ausgebildete Trauerbegleiterin zusammen mit einer Freundin
Deutschlands erste Agentur für Trauerarbeit,
„Vergiss Mein Nie“. Wie kommt man auf so eine
Idee? „Ich wünsche mir, dass mit dem Thema
Tod und Trauer liebevoller umgegangen wird.“
Eine mutige Idee, die bereits gut von den
Hamburgern angenommen wird. „Ben Becker
hat mal zu mir gesagt: ,Was man nicht macht,
das passiert auch nicht.’ Erfolg hat nämlich
drei Buchstaben: T-U-N. Wenn ich eine inte­
ressante Idee habe, dann setze ich die auch
um“, sagt Madita – und lacht einmal mehr
ihr hinreißendes Lachen. Wir sind gespannt,
womit uns diese tolle Hamburgerin 2015
überraschen wird.
>>
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PERLE MÄRZ 2015
KAFFEE STARK Das gemütlichste Cafe im ganzen Viertel hat bis 24 Uhr geöffnet und ist
so etwas wie Maditas zweites Wohnzimmer.
Ihr Tipp: Der Chai Latte ist gigantisch!
Wohlwill­straße 18, www.kaffeestark.de
KUNSTKIOSK Eins der schönsten Geschäfte
im Viertel, wo Madita regelmäßig kreative
Kleinkunst shoppt. Außerdem finden monatlich
Vernissagen statt. Paul-Roosen-Straße 5,
www.kunstkiosk-hamburg.de
FREUDENHAUS Gutes Essen in unmittelbarer
Nähe von Maditas Lieblingsbars auf dem
Hamburger Berg. Hein-Hoyer-Straße 7-9,
www.stpauli-freudenhaus.de
VILLA KUNTERBUNT Die besten Mexikaner
der Stadt bekommt man in dieser abgerockten
Kneipe auf dem Hamburger Berg. Deshalb ist
hier am Wochenende auch stets die Hölle los.
Hamburger Berg 31
FREDS SCHLEMMERECK Bei Herbert gibt es
Schnaps, eine Jukebox und ehrliche Hamburger
Küche, z.B. leckere Bratkartoffeln als XXLPor­tion. Was will man mehr?
Hamburger Berg 10
CLOUDS In den Tanzenden Türmen befindet
sich Hamburgs stylischste Bar – mit Blick
auf die Elbe und diverse Promis. Reeperbahn 1,
www.clouds-hamburg.de
DIE LIEBLINGE
DER PERLE-REDAKTION
UPPER EAST Der schicke Club im noblen east
Hotel ist ideal zum Promis gucken. Leider gibt es
für „Normalos“ keine Einlass-Garantie. Aber
ein heißer Fummel hilft ... Simon-von-UtrechtStraße 31, www.east-hamburg.de
BOUTIQUE BIZARRE Einer der wenigen stilvollen
Sexshops auf St. Pauli, teilweise mit interessanten Ausstellungen.
Reeperbahn 35, www.boutique-bizarre.de
DOM Das größte dreimal jährliche stattfindende
Volksfest im Norden auf dem Heiligengeistfeld
hat jährlich 10 Millionen Besucher!
Frühlingsdom: 20. März bis 19. April 2015
CUNEO Künstler, Intellektuelle und Promis gehen bei diesem Kult-Italiener ein und aus.
Wer dabei sein möchte, muss rechtzeitig reservieren. Davidstraße 11, ww.cuneo1905.de
KOGGE In der Rock’n’Roll-Kneipe mit Hotel steigen Musiker aus aller Welt. Bernhard-NochtStr. 59, www.kogge-hamburg.com
MILLERNTOR-STADION Die Heimspiele des
FC St. Pauli sind ein wahres Erlebnis. Und mit
guten Freunden und einem Astra in der Hand
fast so schön wie Weihnachten. HaraldStender-Platz 1, Tickets: www.fcstpauli.com
NOCHTSPEICHER Neues Kulturzentrum, in dem
angesagte Konzerte, Tanzveranstaltungen
und Lesungen stattfinden. Bernhard-NochtStr. 69a, www.nochtspeicher.de
MEIN TIPP
ANNE FRÖHLICH, BUDNI-TEAM­
LEITERIN IN DER CLEMENSSCHULTZ-STRASSE 38: „Ich liebe das
,Caffé Latte‘ in der Wohlwillstraße. Das ist so
gemütlich, als würde man im eigenen Wohn­
zimmer sitzen.“
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