SPEZIAL MUM März 2015 Foto: Thomas Seltmann Seite 6 Minisolaranlagen Sonnenernte vom Balkon Die Bonsais unter den Öko-Strom-Anlagen nehmen einen neuen Anlauf zum Markterfolg. Technisch erscheinen sie reifer denn je, aber in Sachen Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit befinden sie sich nach wie vor in einer Grauzone. Wo stehen sie im Licht, wo im Schatten? Die Idee klingt einfach. Balkons sind oft nach Süden ausgerichtet und bieten Platz für ein bis zwei große Solarmodule. Der Solarstrom wird mit einem kleinen Wechselrichter in Netzstrom umgewandelt und per Stecker in die vorhandene Steckdose eingespeist. Richtig neu ist diese Idee nicht. Schon vorletztes Jahr fand sie pünktlich zur Messe Intersolar breite Medienresonanz unter den Stichworten „Solar-Guerilla“ oder „Steckdosenmodul“. Die einen sahen da den „Zwergenaufstand der Kleinstsolaranlagen“ kommen, so die Wiwo Green, der grüne Ableger der Zeitschrift Wirtschaftswoche. Andere wie die Tageszeitung Die Welt unkten: „Das eigene Minisolarkraftwerk kann tödlich sein.“ Mehrere Anbieter hatten damals standardisierte Photovoltaikbausätze für Minikraftwerke neu auf den Markt gebracht. Technisch schienen die Systeme aus Expertensicht des VDE, des Fachverbandes der Elektrotechnik und Gestalter der entsprechenden Normen, jedoch noch nicht ausgereift oder zumindest nicht mit den in Deutschland gültigen Vorschriften in Einklang zu bringen zu sein. Mehr Gimmick als Hightech also? Dabei ist die Grundidee, die heute wieder auf der Tagesordnung steht, genauso alt wie die Idee der netzeinspeisenden Photovoltaikanlagen an sich. Der in Aachen ansässige Solarenergie-Förderverein Deutschland praktizierte MUM die Solarstromeinspeisung per simplen Schukosteckern in normale Steckdosen, so das Prinzip der Minisysteme, bei öffentlichen Vorführungen schon vor mehr als 20 Jahren, um auf anschauliche Weise zu zeigen, was die heute üblichen, fest installierten Photovoltaikanlagen alltagstauglich leisten. Damals hatten die dazugehörigen Wechselrichter allerdings noch die Größe von Schuhkartons. Heutige Geräte sind fast so klein wie Laptopnetzteile. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energietechnik an der HTW Berlin, sieht in den Miniphotovoltaikanlagen enorme Chancen und einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung und Akzeptanz der Energiewende – wenn sie denn ausgereift sind: „Wer kein eigenes Dach hat, sondern nur einen Balkon, kann mit einer eigenen kleinen Anlage einen Teil seines Strombedarfs decken.“ Auch Mieter könnten so von den drastisch gefallenen Anschaffungspreisen für Photovoltaikanlagen profitieren. Denn während man den Selbstbau bei Dachanlagen aus technischen, rechtlichen und Sicherheitsgründen eher nicht empfehlen sollte, sind die Minikraftwerke so einfach aufgebaut, dass praktisch jeder in der Lage ist, sie zu montieren und in Betrieb zu nehmen. Doch obwohl die Öko-Stromzwerge zuverlässig arbeiten, wie die Zeitschrift Sonnenenergie, das Fachorgan der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), berichtet, sind sie längst noch nicht zum Massenprodukt geworden, das im Baumarkt palettenweise abverkauft wird. Stattdessen werden die Bausätze überwiegend bei einigen wenigen Anbietern im Internet angeboten, teilweise auch über regionale Fachhändler. Offensichtlich steckt die Tücke im Detail, und die Solar-Guerilleros haben sich bisher wohl im Paragrafendschungel der deutschen Gründlichkeit verirrt. Die Hauptprobleme: Sämtliche technischen Normen und gesetzlichen Vorgaben für Photovoltaikanlagen sind für die größeren, fest installierten Systeme gemacht. An Minikraftwerke für jedermann wurde dabei einfach nicht gedacht. So tun sich selbst Juristen schwer, klare Aussagen über die Zulässigkeit der Kleinen zu machen. Unbestritten ist zwar, dass man eine solche Anlage anschließen und betreiben darf. Die Meinungsverschiedenheiten drehen sich aber darum, welcher Aufwand zu betreiben ist, um Sicherheitsvorgaben einzuhalten oder auch um die Frage, wie man mit Stromüberschuss umgeht, der ins öffentliche Stromnetz fließt. Sobald das Solarmodul ans Hausnetz angeschlossen ist und Strom einspeist, dreht sich der vorhandene Bezugszähler langsamer. An sonnigen Tagen kann der Stromzähler sogar stillstehen oder rückwärts drehen, wenn gerade wenig Strom verbraucht wird, hat Ralf Haselhuhn von der DGS Berlin-Brandenburg anhand der Verbrauchsprofile von Mieterhaushalten herausgefunden. Gerade sparsame Haushalte, die ihre Stand-by-Verbräuche auf ein Minimum reduziert haben, sind betroffen. Doch rückwärtsdrehende Stromzähler sind in Deutschland nicht erlaubt. Auch die Wirtschaftlichkeit der Minikraftwerke steht auf wackligen Füßen. Ab 500 bis 600 Euro werden die Bausätze aus Modul, Wechselrichter und Kabelsatz angeboten. Bezahlt machen soll sich die Investition durch geringeren Strombezug aus dem Netz. Das setzt voraus, dass die Solarmodule gute Erträge bringen und vom erzeugten Strom möglichst viel direkt verbraucht wird. Wenn das gewährleistet ist, so Haselhuhn, kann sich eine Kleinanlage ähnlich gut rechnen wie eine größere auf einem Einfamilienhausdach. Foto: mast3r/Shutterstock Marcus Vietzke und Mathias Helfert haben eine Vision: Die beiden Gründer des Berliner Start-ups Indielux wollen Millionen Balkonbrüstungen zu Minisolarkraftwerken aufrüsten. Nach der Energiewende kommen für die Jungunternehmer nun die Energiewände. Solarmodule lassen sich auch an ungewöhnlichen Stellen anbringen, wie hier in Fensterläden.
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