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KELTEN IN HESSEN
INHALT:
1) DER WESTHALLSTATTKREIS - DAS LAND
DER FRÜHEN KELTEN (von ca. 750 bis um 400
v.Chr.)
2) DIE ÖSTLICHE WETTERAU (HESSEN)
WÄHREND DER HALLSTATTZEIT
3) DIE KELTISCHEN FÜRSTENGRÄBER UND
IHRE HERKUNFT:
4) DIE OSTFLANKE DES RHEINISCHEN
SCHIEFERGEBIRGES:
5) CHARAKTER UND WESEN DER OPPIDA
6)
DIE
GERMANEN
UND
DIE
ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN ÜBER DAS
GEBIET NÖRDLICH DES MAINS:
7)
DAS
KELTISCHE
MÜNZWESEN
AM
MITTELRHEIN KURZ VOR ERSCHEINEN DER
ERSTEN RÖMER:
1) DER WESTHALLSTATTKREIS - DAS LAND
DER FRÜHEN KELTEN (von ca. 750 bis um 400
v.Chr.):
Auf dem Boden der Urnenfelderkultur entwickelte sich die
Hallstattkultur, die die Forschung in einen westlichen und einen
östlichen Kreis unterteilt. Zum westlichen Teil werden die Gebiete
von Ostfrankreich bis Bayern gezählt. Beide Teile unterscheiden sich
insofern, dass nämlich im Westen restaurative Kräfte am Werke
waren, während im Osten dagegen vom Schwarzmeergebiet die
Donau heraufkommend fremde Einflüsse (Thrako-Kimmerier?) die
dort einheimischen Elemente umzuformen begannen.
Von den Kelten erfahren wir erstmals von den Etruskern! In
etruskischen Inschriften sind keltische Personennamen seit ca.600
v.Chr. nachgewiesen, darunter der Individualname „celve“, „der
Kelte“! Seit der ausgehenden Bronzezeit lebten Kelten in Norditalien
in der Lombardei, in Teilen des Piemont und im Tessin. Nach dem
4.Jh.v.Chr. tritt dann der von der ethnischen Bezeichnung abgeleitete
Individualname „cale“, „der Gallier“ mehrfach auf. Zum Begriff der
Galater: Timaios von Tauromen (ca.350 bis ca.250 v.Chr.)
behauptete, der Galatername rührt von Galates, den Sohn der
Galateia und des Kyklopen Polyphem her. Er war der erste, der den
Galatername einführte.
Laut Pseudo-Lukian soll Timaios sage und schreibe 96 Jahre alt
geworden sein. Der Begriff der Galater wurde ausschließlich nur für
die östliche Keltenschaft gebraucht und nicht für die Kelten West- und
Mitteleuropas! Appian machte dagegen die drei Söhne der Galateia
und des Polyphem namens Keltos, Illyrios und Galas/Galates zu den
namensgebenden Herrscher der Kelten, Illyrer und Galater.
Vornehmlich die Griechen sollten mit Galatern später die Kelten
meinen, während die Römer sie als Gallier bezeichneten. Die Kelten
selbst nannten sich wohl selbst so und wäre somit ein Eigenbegriff.
In der Forschung gilt der Westhallstattkreis als der Lebensraum der
frühen Kelten, die im griechischen Kulturkreis erstmals um 600/550
v.Chr. in einem griechischen Periplus (von peripléo, das bedeutet
„ich umsegele“), der ältesten Schriftquelle über den Westen und
Norden erwähnt werden. Dies waren Handbücher für die damalige
Seefahrt. Leider ist dieses Handbuch nicht mehr im Original erhalten,
das wohl aus der Gründerzeit Massalias stammte. Es ist aber teilweise
in Zitaten anderer Autoren erhalten geblieben. Unter anderem erfahren
wir, dass sie das Land, das sie zu diesem Zeitpunkt bewohnten von
den Ligurern genommen hatten. Doch lassen uns die Quellen im
Dunkeln darüber, was eigentlich damals einen Menschen ausmachte,
Kelte zu sein oder nicht und woher überhaupt jener Begriff kam, ganz
zu schweigen von seiner Bedeutung. Und wie hatte er sich
ausgebreitet? Auch ist innerhalb der Forschung umstritten, ob der
Westhallstattkreis tatsächlich das Ursprungsgebiet der Kelten darstellt
oder nicht. Nur dass es keltisches Land war, ist unbestritten. Sehr
wahrscheinlich erhielten die Griechen über die Etrusker, die
bekanntlich seit dem 9.Jh.v.Chr. in Kontakt mit den transalpinen
Völkern standen erste Nachrichten über die Kelten. Möglicherweise
waren es die Etrusker, die den Griechen gegenüber den Namen dieses
Volkes bekannt machten.
Um 500 v.Chr. erwähnte der antike Geograph und Historiker
Hekataios von Milet (ca.560/550 bis 480 v.Chr.) die Kelten als im
Hinterland von Massalia lebend. Zugleich bringt die Perigesis des
Hekataios den ersten literarischen Beleg des Keltennamens: „Keltoi“.
Mit Hekataios setzte eine wahre Nachrichtenflut über Mitteleuropa
ein, die den mediterranen Süden erreichte. Hekataios war übrigens
persönlich in Massalia gewesen, das heißt, er wusste von was er
schrieb. Hekataios war der Sohn Hegesandros und stammte aus altem
Adel. Unklar ist, ob er ein direkter Schüler des Anaximanders
(ca.601/09 bis 547/46 v.Chr.) war, dessen Erdkarte nach antiker
Tradition die erste des Abendlandes gewesen sein soll. Hekataios
verbesserte sie später.
Herodot aus Halikarnassos (ca.484 bis um 430 v.Chr.) nannte die
Kelten zweimal (Buch II, 33 und IV, 49): „Denn der Istros (Donau),
der seinen Ursprung im Land der Kelten und bei der Stadt Pyrene hat,
geht in seinem Lauf mitten durch Europa. Die Kelten aber wohnen
außerhalb der Säulen des Herakles in der Nähe der Kynesier (lebten
in Südportugal), die von allen Bewohnern Europas am weitesten
wohnen. Indem also der Istros ganz Europa durchströmt, mündet er
zuletzt in den Pontos Euxeinos (Schwarzes Meer), da wo Istria liegt,
eine Pflanzstadt der Milesier.“
„Denn der Istros strömt durch ganz Europa, vom Lande der Kelten
anhebend, die nächst den Kyneten von allen Völkern Europas am
weitesten nach Westen zu wohnen, und erst am Ende dieses Landes
mündet er seitlich in das Skythenland.“
Herodot schrieb rund zwei Generationen später als Hekataios und erst
nach der Seeschlacht vor Alalia 540 v.Chr.. Da er sich wegen der
danach einsetzenden etruskischen Blockade selbst kein Bild von der
Lage in Mitteleuropa machen konnte, blieb ihm nichts anderes übrig,
als sich mit seinen Angaben über die Kelten auf Hekataios zu
beziehen. Herodot selbst kam wegen der etruskisch-carthagischen
Seesperre nur bis nach Unteritalien, genauer nach Thurioi, wo er
Bürger wurde. Doch trotz seiner ungenauen Beschreibungen
lokalisieren die Quellen die Kelten eindeutig in Süddeutschland und
Ostfrankreich, also im Gebiet des sogenannten Westhallstattkreises
und darüber hinaus.
Mit der Stadt an den Quellen der Donau könnte er die Heuneburg
gemeint haben, jener Ort, der als bislang einziger keltischer
Fürstensitz zeitweise, zur Zeit des Hekataios von Milet, eine
Lehmziegelmauer besaß und tatsächlich nicht weit von den Quellen
der Donau entfernt liegt und zudem während seiner Blütezeit weit
über die Lande hinaus berühmt gewesen sein musste. Eine Alternative
wäre der von der Heuneburg nicht weit entfernte Hohenasperg. Doch
die archäologischen Befunde sprechen momentan eher für die
Heuneburg.
Den in seinen Schriften vorkommenden Begriff „Pyrene“ zu deuten,
ist dagegen viel schwieriger. Meinte Hekataios/Herodot mit Pyrene
den Namen der Stadt oder nicht vielmehr die Pyrenäen im Westen,
was wiederum bedeuten würde, dass zumindest Herodot irgendetwas
verwechselt haben muss? Oder hatte das seefahrende Volk der
Griechen in dem Gebirge namens Pyrene einen Höhenzug gesehen,
der vom Golf du Lion über die Cevennen und Vogesen bis zum
Schwarzwald gereicht hat und anfangs von See aus nicht erkannten,
dass es sich hier um verschiedene unabhängige Gebirge handelte?
Dies würde die Widersprüche bei Herodot erklären. Möglicherweise
gehörten dazu auch die Alpen, die Herodot bekanntlich auch nicht
erwähnte.
Benannt wird die Epoche nach dem Ort Hallstatt im Salzkammergut in
Oberösterreich. Seit 1573 (!) finden sich in den längst ausgebeuteten
Salzstöcken immer wieder Leichen hallstättischer Salzhauer. Nach
dendrochronologischen Untersuchungen von Grubenhölzern wurde
hier seit spätestens 727 v.Chr. (HaC) Salz abgebaut. Die Phase
Hallstatt C dauerte von ca.750 v.Chr. bis ca.620 v.Chr.. Auf HaC
folgt die Stufe Hallstatt D1, die bis ca.540 v.Chr. dauerte. Mit HaD1
begann die große Blütezeit der großen Fürstengrabhügel und
keltischen Fürstensitze. HaD2 datiert von ca.540 bis 500 v.Chr. und
HaD3 von ca.500 bis 450 v.Chr.. Mit Beginn der Keltenzüge um 400
v.Chr. (Frühlatène LtA1 - ca.450 bis 390/80 v.Chr.) endete die
Hallstattzeit. Es folgte die Latènezeit mit ihrer Oppidakultur in ihrer
Endphase.
Dank schriftlichen Überlieferungen aus römischer Zeit weiß man,
dass die Germanen vor allem mit Fellen, Sklaven, Bernstein und
blondes Frauenhaar für Perücken gehandelt haben. Dies dürfte auch
für die frühen Kelten zutreffen. Zusätzlich konnten sie den
mediterranen Händler auch Salz, Erze sowie landwirtschaftliche Güter
für ihre Kolonien im Westen anbieten. Warum aber erfuhr der Handel
ausgerechnet im Bereich des Westhallstattkreises einen so enormen
Aufschwung und nicht im benachbarten Osthallstattkreis, wo bislang
nur wenige Stücke griechischer und etruskischer Importkeramik
bekanntgeworden sind?
Um eine Antwort zu erhalten, braucht man eigentlich nur einen kurzen
Blick in einen Atlanten mit einer Karte von Mitteleuropa zu werfen
und man stellt fest, dass der Westhallstattkreis genau im Mittelpunkt
eines großen Fluss- und Seensystems liegt mit den großen Flüssen wie
der Rhône, der Seine, der Donau, dem Rhein und des Mains und der
beiden großen Seen des Genfer- und des Bodensees. Der
Westhallstattkreis war ein einziger nach allen Himmelsrichtungen
offener gigantischer Verkehrsknotenpunkt, dessen Landbrücken selten
länger als 50km sind.
Wer sich irgendwann einmal mit dem Thema „Handel in der Antike“
auseinandergesetzt hat, weiß, dass Gütertransporte über Land sündhaft
teuer waren. Nur wenn man Waren über Wasserwege transportieren
konnte, waren sie für die Empfänger erschwinglich. Landtransporte
waren an die 60-mal teurer als Wassertransporte über die Meere,
gegenüber dem Flusshandel 15-mal teurer. Nur Schiffe boten
ausreichend große Ladekapazitäten bei wesentlich geringeren
Personal- und Futterkosten. Und wenn der betreffende Händler auch
noch über Schiffe verfügte, mit denen man zumindest bei günstigem
Wind teilweise die großen Flüsse befahren konnte, dann sparte der
Händler auch die hohen Verladegebühren in den entsprechenden
Verladehäfen am Mittelmeer wie unter anderem Massalia. Auch die
Kosten für das an sich kostspielige Treideln konnte er so ebenfalls
erheblich reduzieren. Es ist daher nicht abwegig zu behaupten, dass
ein Händler von Massalia kommend wahrscheinlich nicht mehr als
einen Monat benötigte, um die Heuneburg an der oberen Donau oder
die Glauburg in der Wetterau zu erreichen. Wenn man bedenkt, dass
beide Orte mitten in Mitteleuropa liegen, wäre dies keine lange Reise
gewesen. Im Gegenteil!
Über Land konnte der Händler eine Tagesleistung von max. 20km
erreichen. Wenn er aber dagegen die Flüsse benutzte, dann konnte er
leicht das doppelte Tagespensum erreichen und über die See
mindestens das dreifache. Desweiteren ist anzunehmen, dass
Kaufleute aus dem griechischen und etruskischen Einflussgebiet
persönlich ihre Waren an die Endverbraucher im Westhallstattkreises
ablieferten. Somit dürften im Westhallstattkreis Begegnungen
Einheimischer mit den Fremden zur Tagesordnung gehört haben.
Exoten waren sie für die frühen Kelten mit Sicherheit nicht gewesen.
Bestenfalls am Anfang. Da tun sich gerade im Umfeld der Heuneburg
interessante Fragen auf. Dazu an anderer Stelle mehr. In Gegensatz
zur Bronzezeit waren die Kontakte zwischen dem Süden und Norden
während der Hallstattzeit nachweislich intensiv und vor allem von
Dauer.
Der Westhallstattkreis war weitgehend wirtschaftlich unabhängig,
wenngleich Rohstoffe importiert werden mussten, die entweder kaum
oder gar nicht vorhanden gewesen waren. Man denke dabei nur an
Bronze, dessen Bestandteile aus Kupfer (90%) und Zinn (10%)
innerhalb des Westhallstattkreises praktisch nirgends zu finden sind.
Mochte das Eisen in dieser Zeit Bronze in vielem abgelöst haben, so
wurde es doch für die Herstellung von Blechgeschirr und Schmuck
weiterhin benötigt. Zudem wurden Gold, Bernstein und große Mengen
an Graphit importiert. Zwar gab es im Rhein und in der Aare ebenfalls
Gold, doch scheint es zur Hallstattzeit noch nicht genutzt worden zu
sein. Folglich müssen im Westhallstattkreis sehr reiche Menschen
gelebt haben, wenn sie diese große Mengen an Bronze und Gold
importieren konnten. Wahrscheinlich verdienten sie vor allem am
Zwischenhandel.
Am Reichtum der „Großen Familien“ litten sicherlich wie so üblich
die kleinen Leute. Welche hohen Abgaben mussten sie leisten, um
diesen Luxus weniger überhaupt finanzieren zu können? Die
keltischen Fürsten saßen auf einem regelrechten sozialen Pulverfass,
besonders dann, wenn Missernten dafür sorgten, dass die kleinen
Leute nicht mehr ausreichend zu essen hatten. Selbst der später so
mächtige römische Kaiser Augustus fürchtete nichts so sehr, als dass
die Lebensmitteltransporte von Afrika nach Rom ausblieben. „Brot
und Spiele“, dieses geflügelte Wort samt seiner Bedeutung kannten
mit Sicherheit auch die mächtigen Fürsten des Westhallstattkreises.
Höhensiedlungen wurden nur selten angelegt und ähnelten den
Fürstensitzen
in
keinster
Weise.
Die
„gewöhnlichen“
Höhensiedlungen besaßen eine lockere Bebauung und waren nicht in
einzelne Quartiere gegliedert wie die Heuneburg an der oberen
Donau. Auch Fremdimporte sucht man hier vergebens.
Ein schönes Beispiel hierfür bilden der Fürstensitz auf dem Ipf im
Nördlinger Ries und die von ihm nur 4km entfernte befestigte
Höhensiedlung auf dem Goldberg. Hier stellt sich sogar die Frage, wer
auf dem Goldberg saß, dass er vom Fürsten des Ipfs das
Befestigungsrecht bekam? Oder war es umgekehrt? Auffällig ist
ebenfalls, dass das Handelsvolumen zwischen dem Westhallstattkreis
und dem europäischen Norden bei weitem nicht so groß war wie der
Handel mit dem mediterranen Süden. Aus dem Norden bezogen die
Westhallstätter in der Regel nur Rohstoffe, die sie selbst verarbeiteten.
Dennoch herrschte zwischen dem Westhallstattkreis und dem Norden
rege Verbindungen, da man schließlich trotz allem Nachbarn war.
Außer Handel konnten miteinander Freundschaften geschlossen
und/oder Kriege geführt werden. Je nachdem zu was man gerade Lust
hatte.
Genau in dieser Epoche wurden die Grundlagen für die später so
außerordentlich erfolgreiche Romanisierung West- und Mitteleuropas
gelegt. Auffällig dabei ist, dass die Römer, als sie 19 n.Chr. offiziell
ihren Plan, Germanien bis zur Elbe in ihr Reich einzugliedern,
aufgaben, die ehemaligen rechtsrheinischen Gebiete des
Westhallstattkreises mit Ausnahme der Ecke um Würzburg fest in
ihren Händen behielten. Zufall? Wie dem auch sei. Die kulturelle
Teilung Deutschlands (darunter auch Hessens), die während der
Urnenfelderzeit ihren Anfang nahm, setzte sich auch während der
römischen Epoche kontinuierlich fort. Ein Prozess, der Deutschland
und Hessen auch heute noch prägt. Nachdem wir uns mit den
Räumlichkeiten des Westhallstattkreises vertraut gemacht haben,
müssen wir uns nun mit einer ganz wichtigen Frage beschäftigen. Wie
und wann fing eigentlich alles an? Wie fanden Etrukser, Griechen und
Kelten eigentlich zueinander?
Im Norden an den Grenzen zum Süden lebten von Ost nach West
folgende Völker: Pontische Skythen, Thrako-Kimmerier, VenetoIllyrier, Rätische Alpenvölker, Kelten, Ligurer und Nordiberer. Für
die Menschen im eisenzeitlichen Mitteleuropa bedeutete das
unvermittelte Auftauchen der ihnen in allen Bereichen kulturell und
technisch überlegenen mediterranen Kultur ein großer Schock.
Auch in geistig-religiöser Hinsicht, denn das Neue mussten die Völker
im Norden erst einmal verarbeiten. Dieser Prozess ging jedoch rasch
vor sich, da die Bevölkerung des Nordens eine erstaunliche
Anpassungsbereitschaft zeigte und dem Süden vor allem einen
interessanten Markt bot; denn schon lange vor der Gründung
Massalias und der Ankunft der Etrusker hatte sich auf dem Boden der
Urnenfelderkultur eine reiche Schicht gebildet, die in der Lage war,
die teuren mediterranen Waren zu bezahlen und vor allem die
Handelswege militärisch zu schützen. Um nur zwei Beispiele zu
nennen: Das Zentralgrab des mächtigen Fürstengrabhügel
Magdalenenberg bei Villingen im Schwarzwald wurde erstmals um
das Jahr 616/13 v.Chr. (HaD1) belegt. Die Heuneburg an der oberen
Donau wurde um 600 v.Chr. (wieder-)errichtet, also noch vor der
Gründung Massalias. Ihre eisenzeitliche
Blütezeit erlebte die
Heuneburg aber erst danach. Aber auch schon während der mittleren
Bronzezeit scheint sie von großer Bedeutung gewesen zu sein.
An dieser Entwicklung hatten wie erwähnt die Etrusker und nicht die
Griechen ihren entscheidenden Anteil gehabt. Was geschah vor der
Gründung von Massalia? Ab der zweiten Hälfte des 7.Jh.v.Chr., also
während der orientalischen Phase in Etrurien, tauchen im mutmaßlich
schon keltischen Umfeld bislang rund 50 Objekte mediterranen
Ursprungs auf, die zum größten Teil mit dem Genuss von Wein in
Zusammenhang stehen. Fast alle sind aus Bronze und in Etrurien
hergestellt.
Bis zum Beginn des 4.Jh.v.Chr. erhöht sich die Anzahl dieser Gefäße
bis auf rund 200 Exemplare beträchtlich und folgen der typologischen
Entwicklung der etruskischen Produktion. Einige Gegenstände, wie
der Krater von Vix oder der Hochdorfer Kessel stammen aus
griechischen Werkstätten. Manchmal werden sie von ebenfalls
griechischer/attischer Keramik begleitet, aber niemals von
etruskischen Keramiken. Der Wein dagegen stammte aller
Wahrscheinlichkeit nach anfangs aus Etrurien. Im Süden Galliens
handelte man ihn in den typischen Amphoren, die man in Siedlungen
oder Schiffswracks vor der provenzialischen Küste fand. Da man diese
jedoch nördlich von Lyon bislang noch nicht finden konnte, vermutet
man, dass man für Landtransporte Lederschläuche vorzog.
In einigen Orten der späten Hallstatt- und frühen Latènezeit fanden
sich nun auch massolitische Amphoren. Die Töpfereien von Massalia
blühten kurz nach der Gründung der Stadt auf, dessen Waren sich
schon um 580 v.Chr. über die Rhône nach Norden ausbreitete.
Besonders das echte Hausgeschirr erfreute sich großer Beliebtheit. Die
älteste griechische Scherbe, eine spätkorinthische Scherbe, die man in
Mitteleuropa gefunden hat, datiert man um das Jahr 540 v.Chr., also
in das zeitliche Umfeld der Seeschlacht vor Alalia.
Um 525 v.Chr. begann man um Massalia mit der Anlage eines großen
Weinbaugebietes. Erst diese Maßnahme hatte eine deutlich spürbare
und sehr rasche Verringerung etruskischer Einfuhren zur Folge.
Seitdem mussten die Etrusker die Alpenpässe intensiver nutzen.
Gegen Ende des 6.Jh.v.Chr. finden sich schließlich nun eine Fülle
ganzer Geschirre chalkidischer und ionischer Keramik für Bankette
nach
griechischen
Vorbild
in
den
Fürstensitzen
des
Westhallstattkreises. Mit den Weinimporten aus Etrurien und später
auch aus Massalia übernahmen die Keltenfürsten auch die Gebräuche
ihrer auswärtigen Standesgenossen. Der Wein ersetzte die
einheimischen Gebräuche wie Bier oder Met. Das gesamte
Zeremoniell des mediterranen Banketts, das Symposium, scheint sehr
detailgetreu nachgebildet worden zu sein. Nach der Ausstattung
einiger Gräber zu urteilen, wurden die Bestatteten inmitten eines
gleichfalls mediterranen Dekors mit Klinen und sogar mit
Musikinstrumenten bestattet. In den Gräbern fanden sich nur sehr
wenige griechische Keramikscherben, dafür waren aber die meisten
Gefäße der Weingeschirre aus Bronze.
Der Wein und die neuen Sitten veränderten schließlich auch die
keltische Kunst, da nun ein neues ikonographisches Repertoire zur
Verfügung stand. In der zweiten Hälfte des 5.Jh.v.Chr. kam es zu
einem regelrechten Aufblühen der keltischen Kunst. Besaß man
vorher nur einen bescheidenen Vorrat an symbolischen
Bildelementen, so tauchen auf einmal eine Vielzahl neuer monströser
Wesen und pflanzliche Elemente auf wie Greifen, Sphingen,
Mischwesen mit Schlangenkörpern, Palmetten, Lotusblüten und
andere, die auf eine orientalische Herkunft hindeuten.
Die keltische Kunst begann sich zu orientalisieren. Die
entscheidenden Vermittler waren wohl tatsächlich die Etrusker und
die Griechen von Massalia. Zudem lebten in der Lombardei und
Piemont schon Bevölkerungen keltischer Abstammung, die der
Golasecca-Kultur angehörten! Erste Keltenzüge gen Süden sind schon
für die Zeit um 600 v.Chr. belegt! Auffallend ist aber, dass die
Wandlung der keltischen Kunst erst über ein Jahrhundert nach dem
Auftauchen der ersten mediterranen Importwaren massiv einsetzte,
davor bestenfalls sporadisch wie die Statue von Hirschlanden
andeutet. Im Vergleich zum Ostalpenraum, wo die Situlenkunst schon
in Blüte stand, hielten sich die Kelten dagegen noch bis zum Anfang
des 5.Jh.v.Chr. gegenüber figürlichen Darstellungen auffallend zurück
und wenn, dann benutzte man das alte überlieferte einheimische
bronzezeitliche Repertoire. Warum es aber dann zum plötzlichen
Wandel kam, ist noch völlig unklar. Dieser Wandel ging zudem nicht
planlos vonstatten, sondern erfolgte auf der Basis einer thematisierten
Auswahl, die geeignet war, dem System des religiösen Denkens der
Kelten einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Es war also keine
zufällige Auswahl, sondern eine wohlüberlegte einer religiösen
Ikonographie. Hauptverantwortlich für den Wandel waren die
Etrusker wie die keltische Kunst der Anfangszeit beweist. Auffallend
bleibt aber, dass die keltischen Handwerker dabei auf Formen
zurückgriffen, die zwar im 7.Jh.v.Chr. in Etrurien im Umlauf waren
aber längst nicht mehr im 5.Jh.v.Chr. Die meisten etruskischen
Vorbilder stammten aber aus dem 5.Jh.v.Chr.. Es muss ein geistiger
Wandel stattgefunden haben, dass die Kelten von ihrer ablehnenden
Haltung gegenüber Bildern befreite. Auch hierbei dürften die Etrusker
wichtige Hilfe geleistet haben. Im 4.Jh.v.Chr. verfügte die keltische
Kunst schließlich über eine gänzlich eigenständige Bildersprache.
Zwar bezieht sie weiterhin Anregungen aus der Mittelmeerwelt, doch
integriert sie diese sofort und derart vollkommen, dass ihre Herkunft
fast nicht mehr erkennbar ist. In der Antike standen die Etrusker im
Ruf, ein tief religiöses Volk zu sein, doch bezog sich dieser Ruf nicht
so sehr auf ein inneres Empfinden als auf den Eifer und die
Professionalität bei den rituellen Handlungen. Die etruskische
Religion beruhte auf Offenbarungen. Wenn es zu zahlreichen direkten
Kontakten zwischen Kelten und Etrusker gekommen ist, dann färbte
die religiöse Einstellung der Etrusker mit Sicherheit auf die Kelten ab.
„So beschloss das Volk (Etrusker), das vor allen anderen seinen
religiösen Gebräuchen gerade deshalb so ergeben war, weil es in
ihrer feierlichen Ausgestaltung hervorragte,.....(Livius; Römische
Geschichte, Buch V, 6).“
Aber auch die Griechen drückten dank der etruskischen Vorarbeit
recht schnell dem Westhallstattkreis ihren Stempel auf. Justinus
berichtet: „Von den Griechen lernten die Gallier einen zivilisierten
Lebensstil, und sie gaben ihre barbarische Lebensweise auf. Sie
begannen ihre Felder zu bestellen und ihre Städte mit Mauern zu
umgeben. Sie gewöhnten sich sogar daran, nach Gesetzen zu leben,
statt Waffengewalt zu gebrauchen, und begannen Weinreben und
Oliven anzubauen. Ihr Fortschritt in Verhalten und Wohlstand war so
großartig, dass es aussah, als wäre Gallien ein Teil Griechenlands,
und nicht, als hätte Griechenland Gallien kolonisiert (43, 41 bis 42).“
Was wusste man noch über den keltischen Raum? Hören wir uns dazu
Diodoros an, der nach Caesar schrieb: „Etwas Eigenartiges und
Sonderbares ereignet sich im größten Teil Galliens, das ich meines
Erachtens nicht übergehen darf. Von Nordwesten und Norden wehen
nämlich öfter so böige und starke Winde, dass sie faustgroße Steine
und dichte Sandwolken vom Boden aufwirbeln. Wie ein Orkan
brechen sie herein, reißen den Männern Waffen und Kleider weg und
werfen die Reiter vom Pferd herab. Da wegen der übergroßen Kälte
die klimatischen Bedingungen zu ungünstig sind, wachsen dort weder
Wein noch Ölbaum (widerspricht Justinus). Daher bereiten die
Gallier, denen diese Erzeugnisse fehlen, ein Getränk aus Gerste, das
sogenannte Bier. Als Getränk nehmen sie auch das Wasser, mit dem
sie die Honigwaben ausgespült haben.
Wein lieben sie über alle Maßen; den Wein, der von den Kaufleuten
eingeführt wird, gießen sie unvermischt in sich hinein. Und aus Gier
sprechen sie dem Trank unablässig zu, bis sie berauscht in Schlaf oder
in einen Zustand von Delirium fallen. Daher nutzen auch viele
italische Kaufleute aus gewohnter Habgier die Trunksucht der Gallier
als günstige Gelegenheit zur Bereicherung. Diese bringen nämlich
den Wein auf den schiffbaren Flüssen mit Schiffen, auf dem flachen
Land mit Wagen und bekommen dafür unglaublich viel bezahlt. Denn
für eine kleine Kruke Wein bekommen sie einen Sklaven, tauschen
also für den Trunk einen Mundschenk ein.....(Diodoros Siculus,
Historische Bibliothek 26).“ Galt letzteres auch schon zu Zeiten der
Westhallstattfürsten?
Aber nicht alle Fremdimporte scheinen aus dem etruskischmassolitischen Raum gekommen sein. In der Späthallstattzeit HaD
erscheint erstmals das Haushuhn in Mitteleuropa, aber nur rechts des
Rheins! Links des Rheins sind sie bislang noch nicht belegt! Wenn
dies so bleibt, dann können sie nur über den östlichen Raum
eingeführt worden sein. Was dachten anfangs die rechtsrheinischen
Kelten über dieses merkwürdige eierlegende Tier? Ganz zu schweigen
vom Hahn, der morgens rechtzeitig zu Sonnenaufgang zu krähen
beginnt.
Was fand sich an Fremdimporten im Westhallstattraum? Eine kleine
Auswahl: Rhodische Bronzekannen und Perlrandschalen des Typs
Hohmichele fanden sich in den Prunkgräbern von Vilsingen und
Hohmichele Grab VI aus der Stufe HaD1 (ca.620 bis 540 v.Chr.).
Perlrandschalen des Typs Hohmichele stammen in Italien aus dem
letzten Viertel des 7.Jh.v.Chr.. In der Schicht der Periode IV der
Heuneburg fand sich das Bruchstück einer attischen Schale aus der
Zeit um 540 v.Chr.. Der griechische Löwenkessel aus dem Prunkgrab
von Hochdorf datiert in die Zeit um 530 v.Chr.. Die
späthallstattzeitlich und latène-A-zeitliche Siedlung von Hochdorf
erbrachte fünf attisch-rotfigurige Scherben aus der Zeit 430/20 v.Chr..
Das Grab von Waldalgesheim datiert an den Übergang von LtB1 zu
B2 (LtB - ca.390/380 bis 275 v.Chr.). Der griechische Bronzeeimer
datiert um 330/20 v.Chr. In Grab I fanden sich außerdem zwei attisch
rotfigurige Kratere aus der Mitte des 4.Jh.v.Chr..
2) DIE ÖSTLICHE WETTERAU
WÄHREND DER HALLSTATTZEIT:
(HESSEN)
Um 800 v.Chr. kam es in Deutschland zu einem Klimasturz. Es
folgten längere Niederschläge und niedrigere Temperaturen. Diese
Bedingungen führten zu wiederholten Überschwemmungen in den
Talauen, so dass diese als berechenbare Siedlungs- und
Wirtschaftsräume wegfielen. Die größten Flüsse wurden zu einer nur
schwer zu überwindenden Barriere. Es steht zu vermuten, dass man in
gewissen Abständen sogar Stege und kleine Brücken anlegen musste,
um überhaupt an das andere Ufer zu gelangen. Dies änderte sich erst
wieder für den Zeitraum zwischen 600 bis 400 v.Chr., wobei es um
500 v.Chr. sogar besonders trocken war. Um 720 v.Chr. kommt es in
der Wetterau zu deutlichen Vegetationsveränderungen.
Die landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden massiv ausgebaut und
Buchen wie Eichen gingen stark zurück. Besonders betroffen waren
die damals noch unangetasteten Buchenwälder in den Randlagen der
Wetterau. Im Vogelsberg existieren Brauneisenvorkommen, doch
wurden diese anscheinend in vorgeschichtlicher Zeit nicht genutzt.
Daher nimmt man an, dass der Waldrückgang mit einem verstärkten
Waldweideeinsatz zu tun hatte. Zudem existierte schon in der
Hallstattzeit eine hochentwickelte Landwirtschaft. Auch schuf man in
den Auen nun Grünland für das Vieh. So konnte es in der Nähe der
Siedlungen bleiben. Die eisenzeitliche Besiedlung des Glauberges
begann gegen Ende des 6.Jh.v.Chr. (HaD2 nach HaD3). Man
befestigte das 8ha große Plateau mit einer rund 1,5km langen und 3m
bis 5,3m breiten Pfostenschlitzmauer vom Typ Altkönig-Preist. Diese
Mauer (Mauer I) fiel einem Brand zum Opfer wie auch die hölzernen
Bauten im Innenraum. Anscheinend ohne große Unterbrechung
errichtete man eine gleichartige Mauer, die bis ins frühe 4.Jh.v.Chr.
hinein bestand. Der rund 12ha große und nur durch Erdwälle
geschützte Annex am Nordabhang wurde wohl erst im Laufe von LtA
(Frühlatène) errichtet.
Auf dem Glauberg fand sich bislang ein reichhaltiges, aber qualitativ
höchstens durchschnittliches Fundmaterial. Damit steht der Glauberg
im deutlichen Gegensatz zu den Fürstensitzen des nordwestalpinen
Späthallstattkreises.
Bislang
fehlt
jegliche
mediterrane
Importkeramik! Vom Glauberg liegen derzeit auch keine
bemerkenswerte Hinweise auf Handwerk oder Handel vor!
Importkeramik fand sich dagegen in Form einer attischen Scherbe
innerhalb einer großen frühlatènezeitlichen Siedlung von HanauKlein-Auheim im Main-Kinzig-Kreis! Sie lag am Fuße einer
Basaltkuppe unweit einer Mainfurt. Noch im 19.Jh. konnte man hier
den Fluss bei Niedrigwasser durchqueren. Vor Ort fanden sich auch
Eisenschlacken und Rohgraphit. Überhaupt scheinen in der Region die
Höhensiedlungen bei der Produktion beziehungsweise Verteilung von
Gütern keine wichtige Rolle gespielt zu haben.
Im näheren Umfeld des Glauberges wurden ca.20 neue eisenzeitliche
Siedlungsstellen entdeckt. Im 5.Jh.v.Chr. wurden wie erwähnt die
Fürstengräber auf der Glauburg errichtet. Auffallend ist, dass genau
in dieser Zeit die waldfreien Flächen vor allem in der östlichen
Wetterau zurückgingen! Buche und Eiche erreichten wieder das
Niveau der Urnenfelderzeit. Der Beginn ihrer Regeneration muss
daher schon um 500 v.Chr. begonnen haben! Im Bereich der
Mittelgebirgsrandlagen scheint eine Wüstungsphase eingesetzt zu
haben. Das Zentrum der Wetterau wurde dagegen weiterhin intensiv
genutzt. Wahrscheinlich wurden die Randlagen zu intensiv genutzt,
was zu einer Verschlechterung der Böden führte. Erst um 400 v.Chr.
kam es hier erneut zu einer Entwaldungsphase und die Buche ging so
stark wie nie zuvor zurück. Dafür verantwortlich dürfte neben
Waldweide und Eisenproduktion auch die industrieartig betriebene
Salzgewinnung in Bad Nauheim gewesen sein. Salz gewann man aber
auch in Ober-Hörgern, am Rande des Vogelsberges und wohl auch in
der Bad Orber Gegend im Spessart. In der zentralen Wetterau
veränderte sich dagegen nichts.
3) DIE KELTISCHEN FÜRSTENGRÄBER UND
IHRE HERKUNFT:
In der Nähe solcher Fürstensitze lassen sich grundsätzlich bisweilen
riesige Grabhügel finden, die, wie die Ausgrabungen auf der
Glauburg
eindeutig
beweisen,
Grabstätten
eben
jener
Burgherren/Fürsten gewesen sein müssen. Die bisweilen prächtig
ausgestatteten Grabhügel erreichten Höhen von bis zu 12m mit einem
Durchmesser von bis zu 100m. Der Lebensstil jener Fürsten war
gänzlich ein anderer als jener der Menschen auf dem flachen Lande.
Diese sogenannten Fürstengräber lagen aber nicht immer nahe des
betreffenden Fürstensitzes, sondern konnten auch abseits von jenem
liegen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sie immer noch im
Herrschaftsbereich derselben lagen. Es können Mitglieder der
jeweiligen Dynastenfamilie in ihnen gelegen haben oder aber auch nur
rangniedere Adlige des betreffenden Stammes. Eine andere Frage ist,
woher eigentlich die Idee der Prunkgräber kam, wie wir sie zum
Beispiel von den Gräbern von Vix, Hochdorf und der Glauburg
kennen. Innerhalb der griechischen Kolonialwelt findet man
entsprechende Gegenstücke jedenfalls nicht. Dafür aber im etruskisch
und thrako-skythischen Raum.
Ab dem zweiten Viertel des 7.Jh.v.Chr. tauchten in Etrurien die ersten
Prunkgräber auf. Das Zentralgrab des Magdalenenberges bei
Villingen wurde 616/13 v.Chr. erstmals belegt, also fast gleichzeitig.
Die Gräber in Etrurien gelten als westliches Pendant zu den
Königsgräbern von Salamis auf Zypern und/oder Gordion in
Zentralanatolien, der alten Hauptstadt Phrygiens, dem Reich des
Midas. Hier wie im Westhallstattkreis tritt uns erstmals fast
gleichzeitig eine durch Besitz, Macht und Ansehen herausgehobene
aristokratische Führungsschicht entgegen, die weitreichende
Verbindungen unterhielt und sich in ihrem Lebensstil offenbar an
östlichen Vorbildern orientierte. So fand man kürzlich in einem
Fürstengrab am Kaiserstuhl ein Schälchen aus millimeterdünnem,
leicht bläulichem Glas. In ganz Mitteleuropa gibt es nichts
Vergleichbares. Solch klares und feines Glas konnte man zu dieser
Zeit nur in Persien herstellen, genauer im 5000km (!) entfernten Susa
oder Persepolis.
Erreichten gar persische Händler den Westhallstattkreis oder gelangte
der Fund über griechisch-etruskische Mittelsmänner ins Land der
Kelten? In jedem Fall muss den Keltenfürsten das Persische Reich ein
Begriff gewesen sein. Ebenso wie die chinesischen Teilreiche wie
Stickereien aus importierter chinesischer Seide, die in den Gräbern
des Hohmichele und Hochdorfs, beide in Baden-Württemberg
gelegen, belegen.
Bezüglich der monumentalen Grabplastik und auch der
Grabarchitektur nimmt man heute einen direkten vorderasiatischen
Einfluss an. Das ist insofern interessant, als man bis vor nicht allzu
langer Zeit noch glaubte, Etrurien wäre zu dieser Zeit ausschließlich
griechischen, genauer euböischen, Einfluss ausgesetzt gewesen. Von
dieser These darf abschied genommen werden. In den etruskischen
Gräbern findet man wie zuvor schon beschrieben Gegenstände, die
man normalerweise zu Festlichkeiten nutzt wie Trinkservice und
ähnliches.. Dieses und anderes findet sich auch in den Gräbern von
Vix, Hochdorf und Glauburg. Im Fürstengrab der Glauburg fand man
sogar eine von Kelten imitierte etruskische Schnabelkanne. Davon
wurden bislang nur sechs Exemplare gefunden. Wagengräber, wie
man eines in Hochdorf gefunden hat, findet man vor allem im
östlichen Raum.
Aber auch in Italien und Spanien waren sie nicht gänzlich unbekannt.
Allein daran sieht man, dass Mitteleuropa und insbesondere der
Westhallstattkreis nach allen Seiten hin offen gewesen war. Im RheinMosel-Saar-Kreis gab es solche Fürstensitze wie im Westhallstattkreis
nicht. Hier scheinen vielleicht größere befestigte Gutshöfe als solche
in Betracht zu kommen. Prunkgräber tauchen hier erst ab der
Latènezeit auf. Im Stadtwald von Homburg/Saar in der Flur „Am
Roten Hübel“ fand sich 2002 im Bereich eines Grabhügels (Hügel 1)
eine der größten keltischen Stelen Mitteleuropas. Im Unterteil
annähernd quadratisch und gröber bearbeitet hat sie, sich konisch
verjüngend, ab 0,8m Höhe einen feinen Schliff. Trotz fehlender Spitze
ist sie noch 2,5m hoch. Hügel 1 hat einen Durchmesser von 18,5m, ist
noch 2m hoch mit einem 1,2m breiten Kreisgraben. In Hügel 1 fanden
sich zwölf späthallstatt-frühlatènezeitliche Gräber, deren Toten in
Holzsärgen bestattet wurden.
Da die Stele offensichtlich eingegraben war und keine gewaltsame
Zerstörung durch Werkzeuge feststellbar ist, konnte sie von dem
zuerst angelegten Grab 10 in das später eingetiefte, dicht daneben
gelegene Grab 6 heruntergefallen, dabei zerbrochen und dann als
Grababdeckung verwendet worden sein. Die fehlende Abnutzung an
den Kanten zeigt, dass sie nicht lange der Witterung ausgesetzt war.
Möglicherweise spielte auch sie nur bei der Bestattungszeremonie
eine wichtige Rolle und wurde dann wie ein Verstorbener durch
Beisetzung im Grabhügel dem Profanen entzogen. Was waren
eigentlich die Vorbilder für die keltischen Stelen? Es fällt auf, dass die
Glaubergstatue ungewöhnlich gut erhalten ist. Dies spricht dafür, dass
sie ebenfalls nicht allzu lange der Witterung ausgesetzt war. Eine
interessante Parallele findet sich in Rottenburg. Hier im Innern eines
Grabhügels fanden sich zwei Stelen, die zur Abdeckung der
Grabschächte mit dem Leichenbrand dienten. Man nimmt daher an,
dass diese Stelen nur bei den Bestattungsfeierlichkeiten eine Rolle
spielten.
Da die Glaubergstatue die gleiche Orientierung wie die beiden Toten
aufweist, muss auch diese absichtlich so gelegt worden sein und auch
sie scheint nur für die Bestattungsfeierlichkeiten wichtig gewesen zu
sein. Wo sie jedoch genau gestanden hatte, ist unklar. Statuen, die
denen von Hirschlanden und Glauberg ähnlich sehen, fanden sich
unter anderem im „Krieger von Capestrano“ aus den Abruzzen sowie
aus Mittelitalien, Etrurien und aus dem Picenum. Übernahm man auch
dieselben Bedeutung? Es finden sich jedoch auch Parallelen in
Südfrankreich. Wahrscheinlich beeinflussten beide Regionen die
Entwicklung der Großplastik nördlich der Alpen. Die Stelen stellten
wohl tatsächlich die einst Herrschenden dar, doch erst zu Beginn der
römischen Epoche lassen sich zahlreiche Figuren als
Götterdarstellungen
deuten.
Im
7.Jh.v.Chr.
werden
in
Südwestdeutschland erstmals figürliche Stelen bekannt wie zwei
unförmige Steine aus einem Gräberfeld aus Rottenburg am Neckar
beweisen, in die mit einem Spitzeisen die Linien eines Gesichts und
Details im Hals und Brustbereich eingegraben sind. Die Statuen von
Glauburg und Hirschlanden waren freistehende Rundplastiken, also
keine die mehr in den Boden eingesenkt wurden. Dies war eine Folge
des Kontaktes mit dem westlichen Mittelmeerraum.
Vor allem die Stele aus Hirschlanden aus der zweiten Hälfte des
6.Jh.v.Chr.
beweist
eine
fortgeschrittene
Technik
der
Steinbearbeitung. Es sind nicht mehr nur einzelne Linien in den Stein
eingefurcht, sondern es musste der Stein durch Prellen mit dem
Spitzeisen abgearbeitet werden. Ferner wurde das Flacheisen
eingesetzt und Teile der Oberfläche wurden überschliffen. Es sind also
echte bildhauerische Verfahrensweisen erkennbar. Interessant ist, dass
in Italien der gleiche Gestus bei Großskulpturen belegt ist wie in
Mitteleuropa. In Italien kommt er darüber hinaus auch in der
Kleinplastik vor. In Gegensatz zum Fürstengrab von Hochdorf
enthielt das rund 100 Jahre jüngere Grab 1 auf dem Glauberg keine
Liege, keinen Wagen und auch kein Ess- und Trinkgeschirr. Auch war
die Grabkammer von Grab 1 in Gegensatz zu Hochdorf relativ klein.
Dagegen wurde der Glaubergtote wieder mit seinen Waffen bestattet.
Der von Hochdorf hatte nur seinen Dolch bei sich.
Über den keltischen Glauben wissen Caesar und Lukan interessantes
zu berichten, wobei unsicher ist, ob ihre Angaben auch schon für die
Hallstatt- und Frühlatènezeit galten, da unklar ist, inwieweit es schon
damals Druiden gab. Sicher nachgewiesen sind sie erst für nach 400
v.Chr.! In den Quellen werden sie als „druidae“, „magos“ oder
„sacerdos“ bezeichnet. Woher der Name „Druide“ stammt, ist
umstritten. Einige leiten ihn vom keltischen Wort „drev“ („Eiche“)
ab, aufgrund ihrer priesterlichen Tätigkeit in Eichenhainen. Andere
leiten ihn vom altbritischen Wort „dryod“ („Weiser Mann“) ab.
„Bei dieser Gelegenheit dürfen wir die wunderbaren Nachrichten von
den Galliern nicht mit Stillschweigen übergehen. Die Druiden, so
heißen nämlich ihre Zauberer, halten nichts heiliger als die Mistel
und den Baum, auf welchen sie wächst, namentlich wenn es die Eiche
ist. Sie wählen an sich schon die Eichenhaine, und verrichten ohne
deren Laub kein Opfer, so dass es nach griechischer Deutung scheint,
sie hätten davon den Namen Druiden erhalten. Ja sie glauben, alles
was an den Eichen wächst, sei vom Himmel gesandt, und sehen dies
als einen Beweis an, dass die Gottheit selbst sich diesen Baum erwählt
habe.
Die Mistel ist aber nur sehr selten; hat man sie gefunden, so wird mit
großer Feierlichkeit dahin gezogen, und vor allem am sechsten Tag
nach dem Neumond, welcher bei ihnen den Anfang der Monate und
Jahre, und nach Verlauf von 30 Jahren den eines neuen Saeculums
macht, weil alsdann der Mond schon Kräfte genug habe, und noch
nicht halb voll sei. Sie nennen diesen Tag mit einem eigenen Wort den
allheilenden, breiten Opfer und Mahle unter dem Baum, und führen
zwei weiße Stiere hierbei, deren Hörner dann zum ersten Male
umbunden werden. Der Priester in weißem Kleid besteigt hierauf den
Baum und schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab, welche in
einem weißen Tuch aufgefangen wird. Sodann opfern sie Tiere, und
bitten die Gottheit, sie wolle ihr Geschenk denen, welchen sie es
gegeben hat, segnen. Sie glauben, ein von diesem Gewächs bereiteter
Trank mache ein jedes unfruchtbare Tier fruchtbar. Auch sei es ein
Hilfsmittel gegen alle Gifte. Soviel Verehrung bezeugen oft ganze
Völker den gewöhnlichsten Dingen (Plinius; Naturgeschichte; Buch
XVI, Kapitel 95, 249 bis 252 – 77 n.Chr.).“
„Noch eine andere Art Eier, von der die griechischen Schriftsteller
nichts erwähnen, ist bei den Galliern in großen Ansehen. Zur
Sommerzeit nämlich wickeln sich unzählige Schlangen mit Hilfe ihres
Geifers und ihres von der Haut abgesonderten Schleims zu einem
kunstvollen Knäuel zusammen, welchen man Anguinum nennt. Diesen
Geifer und Schleim werfen, nach Aussage der Druiden, die Tiere unter
Zischen in die Höhe, man muss ihn, bevor er die Erde berührt, in
einem Mantel auffangen, und dann zu Pferde davon eilen, denn die
Schlangen schicken sich sogleich zur Verfolgung des Räubers an, und
setzen dieselbe so lange fort, bis ihnen ein Fluss in den Weg tritt. Die
Echtheit einer solchen eiförmigen Masse wird daran erkannt, dass sie,
auch in Gold eingefasst, auf dem Wasser schwimmt. Die in
Bemäntelung von Betrügereien schlauen Magier meinen, man müsse
die Einsammlung an einem bestimmten Mondtage vornehmen, als ob
es in dem Willen des Menschen stände, dass jene Operation der
Schlangen gerade damit zusammentreffe. Ich habe ein solches Ei
gesehen. Es hatte die Größe eines mittleren kugelrunden Apfels, eine
knorpelige Schale, viele napfartige Vertiefungen wie an den Armen
der Polypen und das aufgedrückte Zeichen der Druiden. Man
empfiehlt es als ein Mittel, Prozesse zu gewinnen und bei Königen
Zutritt zu erhalten, ja die eitle Prahlerei geht darin so weit, dass ein
römischer Ritter von den Vocontiern, welcher ein solches Ei während
eines Prozesses im Busen hatte, von Kaiser Claudius, so viel ich weiß,
aus keinem anderen Grunde getötet wurde. Übrigens scheint mir jene
Ineinanderwicklung der Schlangen und die dadurch sich kundgebende
Eintracht unter diesen bösen Tieren die Ursache zu sein, warum
auswärtige Völker ihren Heroldsstab als Friedenszeichen mit
Schlangenfiguren umgeben, denn solche Stäbe pflegt man nicht mit
Federbüschen zu versehen (Plinius; Naturgeschichte, Buch XIX,
Kapitel 12, 52 bis 54).“
„In Gallien existierte sie (die Magie) ganz sicherlich und zwar bis auf
unsere Zeiten; denn unter der Regierung des Kaiser Tiberius wurden
dort die Druiden und ähnliche Wahrsager und Ärzte abgeschafft.
Doch was führe ich dies von einer Kunst an, die sich noch viel
bedeutender verbreitete, nämlich selbst den Ozean überschritt und in
den leeren Raum der Natur drang? Britannien ist es, wo sie noch jetzt
so stark betrieben wird, dass man fast meinen sollte, die Perser hätten
die Kenntnisse derselben von daher bekommen. So stimmen in der
ganzen Welt, welche sonst aus lauter Gegensätzen besteht und sich
selbst in ihren Teilen so unbekannt ist, jene Lehren wunderbar
miteinander überein. Man kann den Römern nicht genug danken, dass
sie dergleichen frevelhafte Gebräuche, welche die Tötung eines
Menschen für das heiligste, das Aufzehren desselben aber für das
heilsamste hielten, aufgehoben haben (Plinius; Naturgeschichte; Buch
XXX, Kapitel 4, 13).“
„Der Sabina ähnlich ist die Selago. Man sammelt sie ohne Hilfe eines
Messers mit der rechten Hand durch die Tunika hindurch, und streckt
die linke Hand daraus hervor als ob man etwas stehlen wolle, dabei
muss man weiß gekleidet sein, in nackten, sauber gewaschenen Füßen
gehen und zuvor mit Brot und Wein geopfert. Das gesammelte Kraut
wird in einem neuen Leinentuch nach Hause getragen. Nah der
Behauptung der gallischen Druiden soll es gegen alle Übel, und sein
Rauch auch gegen alle Augenkrankheiten helfen. Eben diese Druiden
nennen ein gewisses, an feuchten Plätzen wachsendes Kraut Samolus.
Sammle man dasselbe nüchtern mit der Hand, sehe sich dabei nicht
um, lege es nirgends anders hin als in eine Rinne, zerkleinere es darin
und lasse es von Schweinen und Rindvieh fressen, so schütze es diese
Tiere gegen Krankheiten (Plinius; Naturgeschichte; Buch XXIV,
Kapitel 62 bis 63, 103 bis 104).“
„In ganz Gallien gibt es überhaupt nur zwei Klassen von Menschen,
die einigermaßen Geltung und Ansehen haben.......Die ersterwähnten
beiden Klassen aber sind die Druiden und die Ritter. Die Druiden sind
beim Gottesdienst tätig, besorgen die öffentlichen und privaten Opfer
und erklären die Satzungen der Religion. Sie haben daher einen
großen Zulauf von Jünglingen, die sich bei ihnen ausbilden wollen,
und stehen bei den Galliern in hohem Ansehen. Denn sie entscheiden
fast über alle öffentlichen und privaten Streitigkeiten. Wurde
irgendein Verbrechen begangen, eine Mordtat verübt, handelt es sich
um einen Erbschafts- oder Grenzstreit, so sind sie ebenfalls die
Richter und bestimmen über Belohnung und Strafe. Wolle sich aber
irgend ein Privatmann oder ein Volksstamm ihrem Spruch nicht
unterwerfen, schließen sie ihn von den Opfern aus. Dies ist die
härteste Strafe, die es bei ihnen gibt. Diejenigen, welche so in den
Bann getan sind, werden als Gottlose und Verbrecher behandelt.
Jedermann geht ihnen aus dem Weg und meidet ihre Annäherung und
Ansprache, um ja nicht durch die Ansteckung Schaden zu erleiden.
Weder wird ihnen auf ihre Bitten Recht gesprochen, noch irgend eine
Ehrenstelle zuteil. An der Spitze aller Druiden aber steht einer, der
unter ihnen das größte Ansehen genießt. Stirbt er, und ist einer da, der
sich vor allen anderen an Würde auszeichnet, so folgt ihm dieser
nach. Finden sich aber mehrere mit gleichen Ansprüchen, so wird der
Streit um den Vorrang durch die Wahl der Druiden, manchmal sogar
durch Waffengewalt entschieden. Zu einer bestimmten Zeit des Jahres
sitzen die Druiden im Lande der Carnuten, welches man für den
Mittelpunkt von ganz Gallien hält, an geweihter Stätte zu Gericht (wo
der Ort genau lag, ist umstritten. Einige vermuten ihn bei Dreux
nordwestlich von Orléans). Dorthin kommen aus allen Teilen Galliens
diejenigen, welche Streitigkeiten haben, und unterwerfen sich ihren
Entscheidungen und Rechtssprüchen. Die Lehre der Druiden soll
ihren Ursprung in Britannien haben und erst von da nach Gallien
gekommen sein. Auch jetzt noch begeben sich alle, denen an einer
genaueren Kenntnis der Druidenlehre gelegen ist, meist nach
Britannien, um sich dort unterweisen zu lassen. Die Druiden nehmen
gewöhnlich nicht am Krieg teil, zahlen auch keine Steuern wie die
übrigen und genießen Freiheit vom Heeresdienst und allen anderen
Lasten. Diese großen Vorrechte sind für sie Veranlassung, dass viele
teils aus freien Stücken sich diesem Stand zuwenden, teils von ihren
Eltern und Verwandten dafür bestimmt werden. Dort müssen sie, wie
man sagt, eine große Anzahl Verse auswendig lernen Deshalb bringen
manche sogar 20 Jahre in dieser Schule zu. Man hält es nämlich nicht
für erlaubt, jene Formeln niederzuschreiben, während sich sonst die
Gallier fast in allen Dinge, in öffentlichen und privaten
Angelegenheiten, des griechischen Alphabets bedienen. Diese
Einrichtung haben sie, wie mir scheint, aus zwei Gründen getroffen:
einmal wollen sie nicht, dass ihre Lehre unter dem Volk bekannt
werde, und dann sollen ihre Jünger nicht im Vertrauen auf die Schrift
die Stärkung des Gedächtnisses vernachlässigen. Denn die Erfahrung
lehrt, dass die meisten Leute sich auf das Geschriebene verlassen und
darüber auf das Auswendiglernen und Behalten des Gelernten nicht
die gebührende Sorgfalt verwenden. Ihre (der Druiden) Hauptlehre ist
es, dass die menschliche Seele unsterblich sei und nach dem Tode aus
einem Körper in den anderen übergehe. Durch diese Lehre wollen sie
die Todesfurcht bannen und zur Tapferkeit anfeuern. Überdies stellen
sie noch viele Erörterungen an über die Gestirne und deren Lauf, über
die Größe der Welt und des Erdkreises, über das Wesen der Dinge wie
über die Macht und Gewalt der unsterblichen Götter. In all dem
unterrichten sie auch die Jugend......Die ganze gallische Nation ist
gottesdienstlichen Gebräuchen sehr ergeben. Wenn daher jemand von
einer schweren Krankheit befallen wird oder Schlachten und anderen
Gefahren entgegengeht, so pflegt er Menschenopfer darzubringen
oder zu geloben und lässt die Druiden die gottesdienstliche Handlung
besorgen. Sie glauben nämlich, die unsterblichen Götter könnten nur
dadurch besänftigt werden, dass für ein Menschenleben wieder ein
Menschenleben geopfert werde. Derartige Opfer sind bei ihnen sogar
von Staats wegen eingeführt. Einige Stämme verwenden dabei Gebilde
von ungeheurer Größe, deren Glieder aus Reisiggeflecht gebildet und
mit lebendigen Menschen angefüllt werden. Hierauf zündet man sie
von unten an, die Menschen werden von den Flammen erfasst und
geben ihren Geist auf. Man glaubt allerdings, dass die Opferung
derjenigen, welche bei Diebstahl, Raub oder sonst einem Verbrechen
ergriffen worden sind, den unsterblichen Göttern angenehmer sei.
Wenn es aber an solchen Leuten mangelt, versteht man sich auch zur
Opferung Unschuldiger. Unter den Göttern verehren sie ganz
besonders den Mercurius (Lugus oder Teutates). Er hat die meisten
Bildsäulen, er wird als der Erfinder aller Künste gefeiert, er gilt als
Geleitsmann auf allen Wegen und Straßen, er soll nach ihrem
Glauben auf Gelderwerb und Handel den größten Einfluss ausüben.
Nach ihm ehren sie den Apollo (Belenus), Mars (Hesus), Jupiter
(Taranius) und die Minerva (Belisana). Von diesen Gottheiten haben
sie fast dieselbe Vorstellung wie die übrigen Völker. Apollo vertreibt
die Krankheiten, Minerva lehrt die Anfangsgründe der Hand- und
Kunstarbeiten, Jupiter ist der König des Himmels, und Mars lenkt die
Kriege. Diesem pflegen sie daher die gehoffte Beute zu geloben, wenn
sie in eine Schlacht ziehen. Haben sie gesiegt, so opfern sie dann die
erbeuteten Tiere, alles übrige aber bringen sie dann an einem Ort
zusammen. Bei vielen Völkerschaften kann man aufgetürmte Hügel
von solchen Dingen an gewissen Orten erblicken, und es kommt nur
höchst selten vor, dass einer unter Nichtachtung der religiösen
Satzung Beutestücke entweder bei sich zu verheimlichen oder von dem
Haufen zu entwenden wagt. Auch steht auf einem solchen Verbrechen
die martervollste Strafe.......Die Gallier rühmen sich insgesamt, vom
Vater Dis (Gott der Unterwelt – Die Gallier nahmen an, aus dem
finsteren Schoß der Erde als Ureingeborene hervorgegangen zu sein)
abzustammen, und berufen sich dabei auf die Lehre der Druiden. Aus
diesem Grunde berechnen sie auch alle Zeiträume nicht nach der Zahl
der Tage, sondern der Nächte. Geburtstage wie Monats- und
Jahresanfänge bestimmen sie so, dass die Nacht beginnt und der Tag
folgt (die Gallier waren nicht das einzige Volk im Altertum, die die
Zeit in Nächten zählte) (Caesar; Bellum Gallicum VI, 13 bis 14 und
16 bis 18).“
„Nach eurer (der Druiden) Lehre streben die Seelen der Toten nicht
zu den stillen Stätten des Erebos und dem fahlen Reich des Dis/Pluto
in der Unterwelt. Vielmehr durchwaltet derselbe Atem ihre Glieder in
einer anderen Welt. Wenn ihr richtige Erkenntnisse verkündet, so
steht der Tod nur in der Mitte eines lange währenden Lebens.
Jedenfalls sind die Völker, auf die der große Bär hinabblickt (das
heißt die Völker des Nordens), glücklich in ihrem Irrglauben.
Bedrängt sie doch nicht die größte aller Ängste, die Todesfurcht.
Daher stürzen sich ihre Männer bereitwillig dem Schwert entgegen,
nehmen den Tod mutig an und halten für feige ihre Leben zu schonen,
das doch wiederkehren wird (Lukan, epische Dichtung über den
Bürgerkrieg I, 392ff.).“
„Die Begräbnisse sind entsprechend der gallischen Lebensweise
großartig und aufwändig. Alles, was ihrer Ansicht nach den Lebenden
teuer war, werfen sie ins Feuer, auch Tiere, und kurz vor unserer Zeit
wurden sogar Sklaven und Clienten, von denen bekannt war, sie seien
den Toten lieb gewesen, nach Beendigung der richtigen Leichenfeier
mit ihnen verbrannt (Caesar; Bellum Gallicum VI, 19).“ Aus der
Hallstattzeit sind Doppelbestattungen bekannt wie Grab VI im
Hohmichele bei der Heuneburg an der oberen Donau beweist. Ob dies
ein Hinweis für Menschenopferung ist, ist jedoch unklar.
„Zalmoxis, der die keltischen Druiden die pythagoreische Philosophie
gelehrt haben soll (Hippolyt von Rom; Philosophumena I, 2, 22 –
3.Jh.n.Chr.).“ Zalmoxis’ Name bedeutet „Bärenfell“. Die „Lehre des
Zalmoxis“ ähnelt stark der pythagoreischen. Unklar ist jedoch,
welcher von beiden zuerst lehrte. Auch ist unklar, ob er eine reale
Person war und somit tatsächlich die Druidenlehre beeinflusst hatte.
In jedem Falle wurde er später zum einzigen Gott der Geten und
Daker. Er erinnert stark an Figuren wie des Buddha und Jesus.
Herodots’ Berichte über ihn sind zugleich die ältesten über Zalmoxis.
„Mit ihrem (der getischen Thraker – auch Indoeuropäer wie die
Kelten) Glauben an die Unsterblichkeit hat es diese Bewandtnis. Sie
glauben, sie stürben nicht, sondern wer umkomme, der fahre zum Gott
Zalmoxis oder Gebleizis, wie einige ihn nennen. Alle vier Jahre
entsenden sie einen aus ihrer Zahl, den das Los trifft, als Boten zum
Zalmoxis, um diesem zu sagen, was sie vom Gott begehren. Dies
geschieht so: Einige stellen sich hin mit Wurfspeeren in der Hand,
andere fassen den Mann, den sie entsenden wollen, an Armen und
Beinen, schwingen ihn hoch in die Luft, und lassen ihn auf die Spitzen
der Speere fallen. Wird er aufgespießt und stirbt, glauben sie, der Gott
sein ihnen gnädig gestimmt. Stirbt er aber nicht, so geben sie dem
Boten schuld, weil er ein feiger Mann sei, und senden an seiner Stelle
einen anderen aus. Ihre Aufträge aber geben sie ihm, wenn er noch
lebt. Dieselben Thraken schießen auch, wenn es donnert und blitzt,
mit Pfeilen zum Himmel hinauf und bedrohen den Gott und glauben,
es gäbe keinen Gott außer dem ihrigen.
Wie ich aber von den Hellenen am Hellespont und Pontos erfahren
habe, soll dieser Zalmoxis ein Mensch und Sklave des Pythagoras, des
Sohnes des Mnesarchos in Samos gewesen sein. Dann soll er
freigeworden sein, sich dort ein großes Vermögen erworben haben
und damit in sein Vaterland zurückgekehrt sein. Nun führten aber die
Thraken ein ärmliches Leben und waren recht einfältig, Zalmoxis
hingegen war mit ionischer Lebensart vertraut und verstand sich auf
Genüsse, die den Thraken zu fein waren; denn er hatte unter den
Hellenen gelebt, und das sogar bei einem der weisesten Männer von
Hellas, dem Pythagoras. So richtete er sich einen Saal her, worin er
die Vornehmsten des Volkes aufnahm wie in eine Herberge, gab ihnen
reichlich zu essen und zu trinken und unterrichtete sie dabei, dass
weder er noch sie, seine Trinkgenossen, noch auch ihre Nachkommen
sterben, sondern an einen Ort gelangen würden, wo sie ewig in
Freuden und Überfluss leben würden. Während er aber so tat und
sprach, grub er sich ein Gemach unter der Erde, und als es fertig war,
verschwand er aus der Mitte der Thraken, stieg hinab in das
unterirdische Gemach und verweilte dort drei Jahre. Sie beklagten
und betrauerten ihn wie einen Toten. Aber im vierten Jahr erschien er
wieder vor ihnen, und nun glaubten sie alles, was er ihnen sagte. So
wird von ihm erzählt. Ich will, was man von diesem unterirdischen
Gemach sagt, nicht bestreiten, glaube aber auch nicht recht daran.
Mir scheint aber, dass dieser Zalmoxis um viele Jahre früher als
Pythagoras gelebt hat. Jedoch sei er ein Mensch gewesen oder eine
einheimische Gottheit bei den Geten, genug von ihm (Herodot; Buch
IV, Kapitel 94 bis 96).“
Auch Polybios weiß interessantes aus dem italischen Raum zu
berichten, dass man vielleicht für den mitteleuropäischen Raum
übertragen kann: „Denn wenn bei ihnen einer von den Nobiles stirbt,
wird er im Leichenzug ganz feierlich zu den sogenannten
Schiffsschnäbeln (rostra, Rednertribüne) aufs Forum gebracht, meist
aufrecht sitzend und deutlich sichtbar, selten liegend. Während das
ganze Volk ringsum steht, steigt jemand auf die Rostra, wenn ein
erwachsener Sohn hinterblieben und anwesend ist, dieser, wenn nicht,
ein anderer aus dem Geschlecht und hält eine laudatio funebris über
die Tugenden des Verstorbenen und die Taten, die er während seines
Lebens vollbracht hat. Dadurch erinnert sich die Menge wieder und
stellt sich das Vergangene erneut vor Augen, und zwar nicht nur die,
welche bei den Taten dabei waren, sondern auch die Nichtbeteiligten,
und sie werden so sehr von Mitgefühl ergriffen, dass der Todesfall
nicht nur als ein Verlust für die Leidtragenden, sondern für das ganze
Volk erscheint. Wenn sie ihn dann beigesetzt und die
Bestattungszeremonien vollzogen haben, stellen sie das Bild des
Verstorbenen in einem tempelartigen Gehäuse aus Holz an dem Platz
im Hause auf, wo man es am besten sehen kann. Das Bild ist eine
Maske, die in ihrer Form und Farbe dem Antlitz des Toten in hohem
Maße ähnlich ist. Bei Opferfesten, die der Staat veranstaltet, öffnen
sie die Gehäuse und schmücken diese Bilder prächtig, und wenn ein
angesehenes Glied der Familie gestorben ist, führen sie sie im
Leichenzug mit und setzen sie denen auf, die ihrer Größe und Statur
nach dem betreffenden Verstorbenen besonders ähnlich zu sein
scheinen. Diese Leute tragen dann auch noch, wenn der Verstorbene
Consul und Praetor gewesen ist, Kleider mit einem togae praetextae
(Pupursaum), wenn er Censor gewesen ist reine togae purpreae
(purpurne), und wenn er einen Triumph gefeiert oder gleichwertige
Taten vollbracht hat, tragen sie togae pictae (goldgestickte Kleider).
Diese ebengenannten Leute fahren nun auf Wagen; vorweg werden
fasces (Rutenbündel), Beile und die übrigen Amtsinsignien getragen
entsprechend dem Rang, den der Verstorbene im Staate eingenommen
hat. Wenn sie zu den rostra gekommen sind, nehmen alle
nacheinander auf elfenbeinernen Sesseln Platz. Ein junger Mann, der
nach Ruhm strebt und Sinn für das Bedeutende hat, kann nicht leicht
ein schöneres Schauspiel sehen. Wen würde es nämlich nicht
beeindrucken, die Bilder von Männern, die wegen ihrer
Vollkommenheit berühmt sind, alle zusammen gleichsam als
Menschen mit Leib und Seele zu sehen? Welches Schauspiel erschiene
schöner? Wenn der Redner seine Rede über den, der beigesetzt
werden soll, beendet hat, beginnt er, über die anderen, deren Masken
da sind, zu sprechen, indem er mit den ältesten anfängt, und erwähnt
die Erfolge und Taten eines jeden. Während so der Ruhm, den die
bedeutenden Männer durch ihre Vorzüge erlangt haben, immer
wieder erneuert wurde, wird der Ruhm derer, die etwas Bedeutendes
geleistet haben, unsterblich gemacht, und das Ansehen derer, die dem
Vaterland gute Dienste erwiesen haben, wird dem Volk bekannt und
der Nachwelt weitergegeben. Vor allem werden die jungen Leute dazu
angespornt, alles für das Gemeinwesen auf sich zu nehmen, um sich
den Ruhm zu erwerben, der bedeutenden Männer folgt (Polybios;
Historien, Buch VI, 53).“
„Am Strand (in Britannien) standen die feindlichen Reihen, Waffe an
Waffe und Mann an Mann. Die Weiber liefen hin und her. Im
Leichenkleid, die Haare aufgelöst, Fackeln in den Händen, sahen sie
aus wie Furien. Ringsherum die Druiden, die Hände zum Himmel
erhoben, Bitten und Verwünschungen ausstoßend. Der ungewohnte
Anblick erschreckte unsere Soldaten. Wie gelähmt setzten sie sich
ruhig den feindlichen Waffen aus. Da aber sprach ihnen der Führer
Mut zu, und sie selber mahnten sich, doch nicht vor einem Haufen von
Weibern und Schwärmern zu zittern. Sie griffen an, schlugen die
Gegner zu Boden und erstickten sie in ihren eigenen Feuerbränden.
Nach erfochtenen Sieg wurde eine Besatzung auf die Insel gelegt und
die heiligen Haine zerstört, in denen grauenvolle Kulthandlungen
stattfanden. Der religiöse Brauch schrieb nämlich vor, an den
Opferaltären das Blut der Kriegsgefangenen zu vergießen und den
Willen der Götter aus menschlichen Eingeweiden zu erkunden
(Tacitus Annalen; Buch XIV, Kapitel 30).“
„Aber nichts hatte sie so sehr wie der Brand des Capitols im Glauben
bestärkt, das Ende für das Reich sei gekommen. Einst sei zwar die
Hauptstadt von den Galliern erobert worden, aber da Jupiters Sitz
unversehrt geblieben sei, habe das Reich weiterbestanden. Jetzt sei
durch das schicksalsgesandte Feuer ein Zeichen himmlischen Zorns
gegeben worden, und die Weltherrschaft werde den Völkern jenseits
der Alpen verheißen. In lächerlichen Aberglauben verkündeten es
jedenfalls die Druidae (Tacitus Historien; Buch IV, 54 –
Bataveraufstand).“
Für das 1.Jh.n.Chr. weiß Tacitus über Germanien folgendes zu
berichten: „Bei den Totenfeiern meiden sie Prunk; nur darauf achten
sie, dass die Leichen berühmter Männer mit bestimmten Holzarten
verbrannt werden. Den Scheiterhaufen beladen sie nicht mit
Teppichen oder Räucherwerk. Jeden begleiten die Waffen; einigen
wird auch das Pferd ins Feuer mitgegeben. Über dem Grab erhebt
sich ein Rasenhügel; die Ehre hoher und kunstvoller Denkmäler lehnt
man ab: sie sei eine Last für die Toten. Jammer und Tränen währen
nur kurz, doch Schmerz und Trauer lange. Den Frauen ziemt Klage,
den Männern stilles Gedenken (Tacitus; Germania 27).“
Zum Schluss Homer. Auch er weiß etwas Interessantes zu berichten:
„Und da werden ihn (Patroklos) dann die Brüder und Vettern
bestatten unter Hügel und Säule. Denn das ist die Ehre der Toten
(Ilias, 16.Gesang, 458-459).“ „Dass ihn die lockigen Männer Achaias
nach Sitte bestatten, am Hellespont, dem breiten, ein ehrendes
Zeichen zu setzen. Künden möge dann mancher der spätgeborenen
Menschen, fährt er mit stattlichem Schiff vorbei auf dem funkelnden
Meere: „Siehe, das Zeichen gebührt einem langverstorbenen Krieger,
der als mächtiger Held von dem strahlenden Hektor erschlagen.“
Mancher verkünde dann so, und mein ist ewiger Nachruhm (Ilias; VII,
85).“
„Nein, so wie eine Säule ganz fest und ohne zu wanken steht auf dem
türmenden Hügel verstorbener Männer und Frauen (Ilias; XVII, 43435).“
4) DIE OSTFLANKE
SCHIEFERGEBIRGES:
DES
RHEINISCHEN
Die Ostflanke besteht aus der nordmainischen Mittelgebirgslandschaft
des östlichen Westerwaldes, des südlichen Siegerlandes, des
Ostabhangs des Rothaargebirges einschließlich des Wittgensteiner
Berglandes und der Landschaft an oberer Dill, Lahn, Eder und Sieg In
dieser Region finden sich im Gegensatz zum Süden (Taunus, Wetterau
und südlichen Westerwald) und Westen (Mittelrhein, Hunsrück und
Eifel) keine Grabhügel. Zum nordmainischen Mittelgebirgsraum zählt
auch der Taunus sowie die Beckenlandschaften bei Limburg, Wetzlar
und Gießen.
Die Gebirgszüge verlaufen annähernd in West-Ost-Richtung. Im
Westen und Süden wird dieser Mittelgebirgsraum durch Rhein und
Main, im Norden durch die Hellwegzone und im Osten durch die
Niederhessische Senke begrenzt. Die größten Höhen werden mit bis zu
880m im Hochtaunus und Rothaargebirge erreicht. Diese
Gebirgszone präsentiert sich als abwechslungsreiche Landschaft. Aus
diesem Grunde sind besonders die Gegensätze zwischen den höheren
Mittelgebirgsregionen
und
den
Beckenlandschaften
siedlungsgeschichtlich von großer Bedeutung. Eder, Lahn, und Sieg
sind die drei größten Flüsse des nordmainischen Mittelgebirgsraumes.
Alle drei entspringen im südlichen Rothaargebirge. Die Sieg fließt
nach Westen zum südlichen Niederrheingebiet und die Eder nach
Osten in Richtung Nordhessen. Die Lahn verläuft anfangs ein Stück
nach Osten, dann Richtung Süden, bevor sie bei Gießen nach Westen
abbiegt, um letztendlich nahe des Neuwieder Beckens in den Rhein zu
münden. In der Urnenfelderzeit gehörten nur die südlichen Bereiche
dieses Raumes bis hinauf zum Lahntal mit seinen Beckenlandschaften
bei Limburg, Wetzlar, Gießen und Amöneburg zu einer geschlossenen
Siedlungslandschaft. Die nördlich anschließenden Gebiete von
Westerwald und Rothaargebirge scheinen dagegen kaum besiedelt
gewesen zu sein. Die Beckenlandschaften wurden hingegen intensiv
besiedelt. Selbst der Taunus war zumindest teilweise erschlossen.
Kulturell gehörten diese Gebiete zu verschiedenen Untergruppen der
Urnenfelderkultur an, deren nördliche Peripherie sie bildeten. Die
westlichen am Rhein gelegenen Teile gehörten bis etwa zum
Limburger Becken zur Rheinisch-Schweizerischen-Ostfranzösischen
Gruppe der Urnenfelderkultur, während die östlichen Teile zur
Untermainisch-Schwäbischen Gruppe zählten. In Gegensatz dazu sind
die nördlich beziehungsweise östlich an der nordmainischen
Gebirgsraum anschließende Gebiete, darunter Westfalen und
Nordhessen, bereits stärker vom norddeutschen Raum beeinflusst
worden. Allerdings lassen sich auch hier in unterschiedlicher Form
Kontakte zur Urnenfelderkultur nachweisen. Auch zu Beginn der
Eisenzeit (Verse Stufe 1) konzentrierte sich die Besiedlung innerhalb
des nordmanischen Mittelgebirgsraumes vor allem in den Tal- und
Beckenzonen, während Westerwald und Rothaargebirge weiterhin
weitgehend unbesiedelt blieben.
Wahrscheinlich lag dies an einer um 800 v.Chr. einsetzenden
Klimaverschlechterung. Am Mittelrhein bildete sich die Laufelder
Gruppe heraus, die, wie zuvor die Rheinisch-SchweizerischeOstfranzösische Gruppe der Urnenfelderkultur, und die westlichen
Teile des hessisch-westfälischen Berglandes erfasste. Die östlich
anschließenden Gebiete wurden nun Teil der Koberstadter Kultur,
während sie zuvor zur Untermainisch-Schwäbischen Gruppe gehörte.
In der kulturellen Entwicklung bildet die frühe Eisenzeit eine
Fortsetzung der Urnenfelderkultur. Dabei setzten sich im Sachgut die
zuvor begonnene Entwicklung fort. Auch die Siedlungsräume blieben
weitgehend identisch. Dies ändert sich während der späten
Hallstattzeit (Verse Stufe 2). Die archäologisch nachweisbaren
Fundstellen nehmen nun stark zu. Einige dieser Fundstellen liegen in
großen Höhen, oftmals im Bereich des obersten Quellhorizontes.
Somit deutet alles darauf hin, dass die Besiedlung des Berglandes
zumindest teilweise über die Höhenwege erfolgte. Den Anfang
machten wohl diejenigen Personen, die schon zuvor diesen Raum
wenn auch nur saisonal genutzt hatten und diesen daher schon
kannten. Auch ist dies ein Hinweis auf eine fortschreitende
Klimaverbesserung in dieser Zeit. Vor allem im Wittgensteiner Land
konnten in zahlreichen Quellmulden Scherben entdeckt werden, was
eine Besiedlung in Einzelhöfen wahrscheinlich macht. Dagegen fehlen
bisher aus den inneren Mittelgebirgsregionen Hinweise auf große
Ansiedlungen oder Befestigungen. Letztere lagen wohl nur am Rande
der Altsiedellandschaften. Daher gibt es nur geringe Anzeichen für die
Herausbildung gesellschaftlicher Hierarchien. Sie war wohl daher sehr
flach.
Bereits in einer frühen Phase der Aufsiedlung entwickelten sich kleine
Siedlungskammern
entlang
der Höhenwege,
wobei
den
Bestattungsplätzen eine gewisse Mittelpunktsfunktion zugekommen
ist. So konnten auf dem Gräberfeld von Erndtebrück-Birkenfehl
mehrere voneinander getrennte Bestattungsareale festgestellt werden,
die vielleicht von unterschiedlichen Hofgemeinschaften belegt worden
sind. Es gab aber auch andere Bestattungsbräuche. So wurden die
Toten auf dem Fichtenkopf bei Neuhäusel im unmittelbaren
Siedlungsumfeld bestattet.
Unterschiede im Grabbrauch und dem Sachgut deuten darauf hin, dass
der Gebirgsraum aus verschiedenen Richtungen aufgesiedelt wurde.
So zeigt das Dillgebiet deutliche Beziehungen zum Mittelrhein
beziehungsweise Rhein-Main-Gebiet, während das Siegerland und das
Wittgensteiner Land stärkere Einflüsse vom südlichen Niederrhein
beziehungsweise von Nordhessen aufweisen. Unklar ist, ob die
Eisengewinnung den wichtigsten Antrieb für die Aufsiedlung des
Gebirgsraumes darstellte; denn eine wachsende Bevölkerung
benötigte fürs Erste andere Dinge als Metalle.
Die insgesamt hohe Mobilität dieser Phase führte zur Öffnung der
west-ost-gerichteten Höhenwege in dieser Region. Dies wird auch an
der Verbreitung einiger Keramikmerkmale deutlich. Die
Verbreitungsbilder der sogenannten „Mehrener Strichverzierung“
oder der kalenderbergartigen Reliefverzierung in Verbindung mit
kleinen Steilrandtöpfen belegen eine weitgehende Durchdringung des
Gebirgsraumes. Gleichzeitig beginnt eine kulturelle Angleichung in
dieser Region.
Schon zu dieser Zeit beginnt sich damit nördlich des
Westhallstattkreises ein einheitlicher Kulturraum zu etablieren, der
später bei der Herausbildung der Latènekultur stärker zum
Impulsgeber werden sollte. Darüber hinaus bestehen die
Verbindungen zum süddeutschen Raum weiterhin. Auch die zuvor
beobachtende regionale Untergliederung setzt sich fort. So bleiben
unter anderem Gefäße, ausgehend von der Hunsrück-Eifel-Kultur
(HEK), auf die westlichen Randlagen des Gebirgsraumes beschränkt,
während knubbenverzierte Gefäße vor allem in Mittel- und
Nordhessen verbreitet sind.
Ab der ausgehenden Späthallstattzeit beziehungsweise der
beginnenden Frühlatènezeit (Verse Stufe 3) werden auch abseits der
Altsiedellandschaften in den neu erschlossenen Gebieten
Höhenbefestigungen angelegt und nehmen bezug auf die Höhenwege.
Diese frühen Befestigungen waren aufgrund von entsprechenden
Funden wohl Sitze lokaler Gewalten, die über einen weiten Raum
miteinander vernetzt waren und ihren Status zumindest über partiell
vergleichbaren Kriterien zum Ausdruck brachten.
Es wird nun eine zunehmende Hierarchisierung feststellbar. Die
Befestigungen waren auch Mittelpunkte für Handel und Handwerk.
Ihre verhältnismäßig gleichmäßige Verteilung weist auf Zentren
kleinerer Herrschaftsgebiete hin. Gleichzeitig blieben aber auch
regionale Gegensätze bestehen. Noch immer trafen sich im hessischwestfälischen Bergland westliche Einflüsse aus der HEK (stich- und
glättverzierte Keramik) mit östlichen bis Thüringen (HessischThüringische Strichverzierung) reichenden. Im Gebirgsraum konnten
aber bislang kaum reich ausgestattete Gräber entdeckt werden. Das
östlichste Prunkgrab ist derzeit dasjenige von Langenscheid,
ehemaliges Horhausen, im südlichen Westerwald. Zum erweiterten
Umkreis der Begräbnisgattung ist außerdem noch das Wagengrab bei
Wetzlar-Schwalbach zu zählen. Welche Rolle spielten hierbei
vielleicht die Fürsten vom Glauberg? Hatten sie einst eine
Ausbreitung der Prachtentfaltung bei den hiesigen Bestattungen
verhindert?
Während der ausgehenden Früh- und der beginnenden Mittellatènezeit
(Verse Stufe 4 – LtA2/B1) kam es zu einer Umstrukturierung im
Siedlungsgefüge des Gebirgsraumes. Einige Höhenbefestigungen
wurden aufgegeben. Andere wurden neu gegründet und bestanden bis
in die Mittellatènezeit und teilweise darüber hinaus weiter fort. Die
neuen Befestigungen sind oft größer als ihre Vorgänger und beziehen
sich nicht so sehr auf die Höhenwege, sondern stärker auf
Niederungsgebiete wie Flusstäler und Beckenlandschaften. Dies weist
auf Veränderungen bei der Siedlungsverteilung und Wegenutzung hin.
Der Übergang zwischen beiden Burgenhorizonten ist bisher aber noch
nicht geklärt. Es deutet aber vieles auf einen annähernd
kontinuierlichen Übergang hin, wobei im Dillgebiet am Beginn von
LtB der Heunstein die Burg bei Rittershausen ablöste. In Gegensatz
zur Burg bei Rittershausen war der nicht weit entfernte Christenberg
im Landkreis Marburg-Biedenkopf kulturell stärker nach Osten
ausgerichtet, während die „Burg“ vom Mittelrhein beeinflusst wurde.
Auch existierten beide Burgen nicht zeitgleich, das heißt, in der
älteren Eisenzeit existierte wohl kein geschlossener Burgenhorizont in
der Region!
Aufgrund einer um 400 v.Chr. auftretenden Klimaverschlechterung
wurden die höheren Mittelgebirgslagen weniger deutlich genutzt.
Neben Veränderungen der Siedlungsstruktur sind auch solche in
sozialen und technischen Gefüge zu erkennen. Zahlreiche
Waffenfunde aus den Siedlungen, darunter vor allem Lanzenspitzen,
aber auch Ketten des Schwertgehänges, lassen auf eine wachsende
Bedeutung kriegerischer Komponenten schließen, was in
Zusammenhang mit den keltischen Wanderungen um 400 v.Chr.
stehen kann. Dies wird noch durch die Schwertgräber von
Bellnhausen und Geisenheim unterstrichen. Gleichzeitig verbreiten
sich technische Neuerungen wie die eiserne Pflugschar, die die
Bearbeitung des Ackerbodens gerade auch im steinigen Gebirgsraum
wesentlich erleichterte. Dies alles führte gleichzeitig zu einen erhöhten
Bedarf an Eisen! Ab der entwickelten Frühlatènezeit lässt sich daher
ein deutlicher Anstieg an Verhüttungs- und Schmiedeplätzen im
hessisch-westfälischen Bergland nachweisen. Auf eine solche
Zunahme der Verhüttungstätigkeit zu dieser Zeit deutet auch eine
tiefgreifende Umwandlung der alten Waldlandschaften hin.
Die Plätze sind dabei nicht an die Höhenbefestigungen gebunden,
sondern
auch
unbefestigten
Siedlungen
zuzuordnen.
Verhüttungsanlagen fanden sich im Siegerland wie im mittleren
Lahntal bei Wetzlar. Die Träger der rasch aufblühenden
Eisengewinnung waren Einheimische wie wohl auch Zuwanderer. Da
sich das Land vorher nur von Land- und Waldwirtschaft ernährte,
dürften anfangs, als das Eisen auch hier Verbreitung fand, nicht
genügend Fachleute gelebt haben. Möglicherweise hatten sich daher
die „Eisenherren“ die nötigen Arbeitskräfte samt ihren Familien von
auswärts geholt. Für diese These sprechen vor allem die
späthallstattzeitlichen Frauengräber an der mittleren Lahn zwischen
Limburg und Weilburg in denen sich sehr häufig fremder
Trachtenschmuck fand. Interessant ist auch, dass sich in diesem Raum
zahlreiche Eisenerzlagerstätten von unterschiedlicher Genese finden
lassen. Im östlichen Randbereich des Siegerländer Hauptsattels findet
man Brauneisen-, beziehungsweise Späteisensteingänge des
Unterdevon. Roteisenstein-Grenzlager an der Grenze Mittel/Oberdevon finden sich in der Dill-Mulde. Zudem findet sich
rotkieseliger Roteisenstein/Eisenkiesel.
Das Dietzhölztal mit seinen Ringwällen „Burg Rittershausen“ und
„Heunstein“ gehört zu einem der dichtesten Eisenverhüttungsgebieten
im Ostteil des Rheinischen Schiefergebirges. Die Burg bei
Rittershausen liegt am Ausgang der mittelalterlichen Eisenstraße, die
in das östliche Siegerland bis Hilchenbach führte. Da zur Verhüttung
des Eisen Unmengen an Holzkohle notwendig waren, kann man sich
vorstellen, wie die Gegend zu dieser Zeit ausgesehen hat: Kahl!
Auf 50km² Fläche fanden sich bislang rund 300 Verhüttungsplätze.
Das im Dietzhölztal verhüttete Eisenerz wurde aus den fünf bis 10km
östlich liegenden Lagerstätten des Schelde- und Nanzenbachtales
herangeschafft. Die Fundplätze konnten bis in das 14.Jh.n.Chr. hinein
datiert werden. Latènezeitliche Fundplätze konnten aber noch nicht
entdeckt werden, nur frühmittelalterliche (ca.565 bis 770 n.Chr. –
Platz
A6).
Überhaupt
lassen
sich
in
Deutschland
späthallstättische/frühlatènezeitliche
Fundstätten
nur
schwer
nachweisen. Ist dies nur Zufall oder kam das Eisen zu dieser Zeit noch
aus anderen Regionen? Ab der Mittellatènezeit ändert sich dieses Bild
dann ganz entscheidend.
Aufwendiger gestaltete Trachtbestandteile werden nicht mehr
ausschließlich auf den Höhenbefestigungen gefunden, sondern
stammen auch von offenen Siedlungen. Noch immer gehörte das
Gebiet des nordmainischen Mittelgebirgsraum zu einen Kulturraum,
der den gesamten Mittelgebirgsraum vom Marnegebiet bis nach
Böhmen umfasste, was durch die Ausbreitung der Stempelverzierung
vom Typ Braubach am deutlichsten wird. Aber es beginnt sich auch
eine eigenständige Regionalgruppe zu entwickeln. Deren
Geltungsbereich wird am besten durch die Verbreitung der Tutuli vom
westhessischen Typ sowie der im plastischen Stil verzierten
Gürtelhaken verdeutlicht. Diese Gruppe erstreckte sich vom südlichen
Sauerland bis zum Lahntal und vom Dillgebiet bis an den Ostrand des
Rothaargebirges. Es ist eine Zeit hoher Dynamik und Innovation.
In der ausgehenden Mittel- und Spätlatènezeit verstärkte sich die
Siedlungstätigkeit anscheinend noch. Zentraler Bezugspunkt für das
hessisch-westfälische Bergland wurde das neuentstandene Oppidum
Dünsberg. Oppida finden sich im Lahn-Dill-Kreis nicht.
Das nächstgelegene Oppidum ist der erwähnte Dünsberg nordwestlich
von Gießen gelegen. Dafür aber kontrollierte die Wallburg auf dem
Heunstein die Region, die in die Spätlatènezeit datiert wird. In diesem
Raum existieren reiche Erzvorkommen. Generell aber haben die
Höhenbefestigungen nun durchschnittlich größere Flächen als zuvor,
was ebenfalls auf eine veränderte Siedlungsstruktur hinweist. Die
höheren Mittelgebirgslagen wurden erneut wieder verstärkt besiedelt.
Der Güteraustausch nahm zu und umfasste auch die unbefestigten
Siedlungen. Die Fundstücke zeigen, dass der nordmainische
Mittelgebirgsraum als nördliche Peripherie des keltischen
Kulturraumes gelten kann. Die Siedlungsentwicklung in diesem Raum
durchlief während der Eisenzeit fünf deutlich zu trennende Phasen.
Im Mittelalter gehörte das Gebiet zur Grafschaft Siegen-Nassau, dem
Land der späteren Stammväter des oranischen Königshauses der
Niederländer. Das Eisen war die wichtigste Grundlage ihrer Macht
gewesen. Die Region des Dietzhölztales gehört zu den
Südostausläufern des Rothaargebirges und somit zur Ostabdachung
des
Rheinischen
Schiefergebirges.
Die
alte
variskische
Mittelgebirgslandschaft wurde durch spätere bruchtektonische
Beanspruchungen stark verformt. Gemeinsam sind die weiträumig von
Südwest nach Nordost streichenden Faltenstrukturen. Ganz
überwiegend liegen die Plätze in unmittelbarer Wassernähe und reihen
sich perlschnurartig entlang der Bäche auf oder liegen an
Quellmulden. Nur ca.10% zeigten keinen direkten Bezug zum Wasser.
Höhenlagen zwischen 450 bis 500mNN sind am häufigsten vertreten
und die am höchsten gelegenen Plätze liegen alle knapp unter
600mNN. Selten liegen sie auf den Bergrücken, meistens am Hang.
Bedauerlicherweise sind von den rund 250 bis 300 aufgefundenen
Schlackenplätzen nur 10% absolut intakt und ungestört geblieben, da
man in späteren Krisenzeiten immer wieder auf die Eisenschlacke
zurückgriff, so auch nach 1945, als man die Eisenschlacke als
Wegeschotter nutzte. Dies macht die Datierung dieser Plätze daher so
außerordentlich schwierig.
1992 konnte man dennoch die bislang einzige latènezeitliche
Verhüttungsstelle sicher nachweisen und zwar an einem Steilhang am
„Himmelberg“ bei Haiger-Sechshelden. Hier wurde aber kein Eisen,
sondern Kupfer (!) verhüttet. Das Bild über die Eisenzeit in diesem
Raum ist wirklich merkwürdig. Man kann dieses Bild vielleicht
folgendermaßen erklären: Die Frühzeit der Eisenverhüttung war
möglicherweise eine Experimentierzeit, so dass die Forschung heute
noch nicht in der Lage ist, die frühe Technologie der Eisenverhüttung
zu erkennen. Vielleicht wird sie es auch in der Zukunft nie können.
Das wäre allerdings schade.
5) CHARAKTER UND WESEN DER OPPIDA:
Um 120 v.Chr. entstanden im von Kelten geprägten
mitteleuropäischen Raum überall große keltische Stadtanlagen, die
man gemeinhin Oppida nennt, ein von Caesar geprägter Begriff.
Worin aber sind Ursachen zu suchen, dass genau zu diesem Zeitpunkt
urplötzlich diese Oppida überall entstanden. Um diese Frage
beantworten zu können, muß man einen Blick auf die gleichzeitigen
Geschehnisse in Gallien richten. In jenen Jahren beherrschte, kaum
bekannt, das arvernische Königtum unter Bituitos, Sohn des Licernios,
fast ganz Gallien.
Sehr bald sollte es zum Krieg mit den Römern kommen, die
versuchten, sich in Südgallien auszubreiten. Um 121 v.Chr.
entschieden die Römer den Krieg für sich und nahmen Bituitos und
seinen Sohn Congennetiacus gefangen. Das war der Untergang des
arvernischen Königtums. Eine Niederlage, die die gesamte keltische
Welt erschüttern sollte. Das einst bei den Kelten angesehene Königtum
verlor erheblich an Ansehen, beziehungsweise der Adel sah dank des
von den Römern in Gallien verursachten Machtvakuums seine große
Gelegenheit, dem Königtum den Todesstoß zu versetzen, was dem
Adel auch gelingen sollte. Als Caesar im Frühjahr 58 v.Chr. in
Gallien einrückte, gab es bei den keltischen Stämmen praktisch kein
Königtum mehr, wenn man mal vom Sonderfall in Noricum
(Österreich) absieht. Ansonsten regierte überall nur der Adel.
Was hat nun dieses Ereignis von um 121 v.Chr. mit den Oppida wie
dem Dünsberg bei Gießen oder Artaunon im Hochtaunus zu tun?
Ganz einfach. Um zu verhindern, dass ein König über einen Stamm
wieder zu Macht kommen konnte, errichtete der Adel als
Gegengewicht solch riesige politische Gebilde, die ein einzelner oder
eine Adelsfamilie kaum mehr alleine kontrollieren konnte. So saßen in
diesen neuen Städten immer mehrere Adelsfamilien mit ihrem Gefolge
und kontrollierten sich so in allen Bereichen von Politik und
Wirtschaft gegenseitig.
Zu einer solchen Antwort des Adels gehören auch der 90ha große
Dünsberg, die 60ha große Dornburg, die mindestens 26ha große
Amöneburg und das sage uns schreibe 330ha große Artaunon
(Heidetränke bei Oberursel). In letzteren lebten ständig mindestens
8.600 Menschen. Die hallstattzeitliche Glauburg dagegen war eine
klassische Burganlage eines Königs, die auffallend den griechischen
Tyrannenstädten ihrer Zeit um 500 v.Chr. gleicht.
Aber auch vor den 90 v.Chr. erstmals genannten Germanen, die mit
den um 600 v.Chr. erstmals genannten Kelten sehr eng verwandt sind,
machte diese Entwicklung nicht halt. Auch sie kannten kein
Königtum, als die ersten römischen Truppen in Germanien
einmarschierten. Aber dabei blieb es nicht. Auch die keltische
Gesellschaft änderte sich radikal. Waren unter dem Königtum noch die
Fußtruppen dominierend, so war es jetzt die Reiterei, die denen der
mittelalterlichen Ritter auffallend ähnelte. Hatte die einfache
Bevölkerung mit dem König einen wichtigen Bündnispartner
gegenüber dem Adel, so war jetzt dieselbe dem Adel auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert wie Caesar in seinen Berichten eindringlich
schildert.
Natürlich sind auch die großen Kimber- und Teutonenzüge in diesem
Zusammenhang zu beachten, die um 113 v.Chr. Italien erreichten.
Waren diese Züge etwa auch eine Folge der gigantischen
Umwälzungen in der keltischen Welt? In jedem Fall dürften auch diese
Züge ihren Anteil auf die Größe der gerade erst neugegründeten
Oppida gehabt haben.
Für diesen Zeitraum hat sich bei Appian eine bemerkenswerte
Begebenheit erhalten. Wohl noch vor 121 v.Chr. traf ein Gesandter
des Bituitos einen römischen Consul. Diese Stelle bei Appian (Kelt.
12, 2-3) ist die einzig erhaltene über ein Treffen eines latènezeitlichen
keltischen Gesandten mit einem Römer: „Dem Consul Domitius
begegnete ein Gesandter des Bituitos, des Königs der Allobroger
(richtig der Arverner), in kostbarer Ausstattung, und ihm folgten
Speerträger, auch sie geschmückt und Hunde, denn die dortigen
Barbaren haben auch Hunde als Leibwache (diese Tiere waren
demnach speziell gezüchtete). Auch ein Sänger folgte ihm, der in
barbarischen Sang den König Bituitos, dann die Allobroger (=
Arverner), dann den Gesandten selbst wegen adeliger Herkunft, Mut
und Reichtum pries. Vor allem zu diesem Zweck führen die besonders
hervorragenden unter den Gesandten solche Männer mit sich.“
Auffallend ist, dass der keltische Gesandte zu Fuß kam, da kein Pferd
in diesem Zusammenhang erwähnt wird, sondern nur die weniger
wertvollen Hunde. Anscheinend besaß das Pferd bei den Kelten um
120 v.Chr. noch nicht die Bedeutung wie später zu Caesars Zeiten.
Erst die ständigen Niederlagen der Kelten gegen die Römer und das
Zusammentreffen mit den Cimbern und Teutonen um 113 v.Chr.
ließen die Aufstellung einer starken gallischen Reiterei für sinnvoll
erscheinen. Sie bauten sie schließlich so weit aus, dass diese der
römischen bald weit überlegen wurde. Von ihrer Struktur her ähnelten
sie am Ende fast den mittelalterlichen Ritterheeren. Nur bei den
Norikern und Helvetiern konnte sich dagegen keine mächtige
Adelsreiterei bilden.
In den Alpen war für so eine Einrichtung das Gelände nicht sehr
günstig gewesen, nur regional. Caesar benötigte daher nicht umsonst
die Hilfe der Germanen, die ebenfalls über eine schlagkräftige
Reiterei verfügten. Diese entwickelten nämlich unter Ariovist als
Antwort auf die spätkeltische Reiterei einen gemischt kämpfenden
Reiter-Fußkämpfer-Verband. Mit Hilfe dieser Neuerung schlug
Ariovist 72 v.Chr. die ostgallischen Streitkräfte vernichtend.
In Gegensatz zu den Kelten kannten die Germanen keine
schlachtenentscheidende Rolle einer Adelsreiterei kannten oder
überhaupt einen wie auch immer gearteten mächtigen Adel. Aber
trotzdem folgten auch die Germanen dem Zeitgeist. Auch sie ließen
kein Königtum zu. Man denke nur an Arminius. Er bekam erst mit
seinen Leuten großen Ärger, als er das Königtum über seinen Stamm
anstrebte. So gesehen nahmen auch sie an der „westrheinischen
Revolution“ teil. Nur in Britannien liefen die Uhren anders.
Britannien lag nämlich fern und isoliert von jeglichen südlichen
Einflüssen. Hier fanden sich zu Caesars Zeiten sogar noch
Streitwagenkämpfer! Nach seinem Sieg kannte der keltische Adel
schließlich nur noch einen Gegner, nämlich das Volk. Da das
Gegengewicht zum Adel, eben das Königtum, verschwunden war,
hatte der Adel letzten Endes ein leichtes Spiel und zu Caesars Zeiten
war das Volk schon völlig entrechtet gewesen. Vielleicht entstanden
in diesem Zusammenhang
Wann die Oppida im einzelnen gegründet wurden, ist weitgehend
unklar. Wenn man aber das Oppidum von Manching bei Ingolstadt
zum Maßstab nimmt, dann scheinen sie frühestens im 2.Jh.v.Chr.
(LtC2) eingesetzt zu haben. Einige Oppida wurden sogar erst nach den
Feldzügen Caesars in Gallien gegründet, also erst nach 50 v.Chr..
Woher nun die entscheidenden Impulse für deren Entstehung in
Mittel- und Westeuropa kamen, gilt innerhalb der Forschung als
umstritten. Die eine Seite vertritt die Meinung, dass „die Idee“ der
Oppida über das südfranzösische Gebiet rhôneaufwärts nach
Mitteleuropa gelangte. Die andere Seite vertritt dagegen die Meinung,
dass „die Idee“ der Oppida von Italien über die Alpen nach
Deutschland herüberschwappte. Die Wahrheit dürfte wohl in der
Mitte liegen.
Der Begriff „oppidum“ wurde durch Caesar geprägt. In seinen
Schriften über den Gallischen Krieg erwähnte Caesar zwei
Städtetypen in Gallien: die „urbs“ (Großstadt) und das „oppidum“,
eine große befestigte Siedlung, die nicht nur auf die keltische Epoche
beschränkt ist. Man denke nur an Bonifatius „oppidum Büraburg“
(Nordhessen) aus dem Jahre 741 n.Chr.. Befestigungen aller Art gab
es schon früher in Mitteleuropa.
Neu jedoch sind die Erdrampen an den Rückseiten der Mauern der
Oppida, „ager“ genannt. Diese Erdrampen lassen sich auch bei den
zeitgleichen italischen Wehrbauten nachweisen. Ebenfalls neu sind
auch die Zangentore, die wohl den Druck der Aufschüttungen
auffangen sollten. Diese schützten selbstverständlich auch die
Eingänge selbst und zwar sehr effektiv, wie auch Caesar erfahren
musste. Während des Gallischen Krieges gelang es ihm und seinen
Truppen nicht einmal, ein Oppidum über die Tore einzunehmen. Das
einzige Oppidum, dass die römischen Truppen im Sturm nehmen
konnten, war Avaricum (B.G.VII). Den Römern gelang es die
Stadtmauern zu überwinden, aber eben nicht die Tore. Auffällig sind
auch die mehrfach gerade Führung einzelner Mauerabschnitte, die in
einem stumpfen Winkel aufeinandertreffen, ohne dass dies die
Geländebedingungen zwingend vorschreiben. Die Stadtmauern
innerhalb des mediterranen Raumes weisen diesbezüglich
Ähnlichkeiten auf. Zudem findet man im mitteleuropäischen Raum
erstmals seit dem Neolithikum wieder größere Befestigungen und
Siedlungen in den Ebenen wie das Oppidum von Manching nahe
Ingolstadt. Südlich kann man das Gegenstück zu Manching im
ehemals keltischen Mediolanum, dem heutigen Mailand, finden.
Die Oppida waren groß genug, um in Notzeiten auch die Bevölkerung
vom Lande aufzunehmen. Größe und Innenbesiedlung sahen in allen
Oppida verschieden aus. Von Bibracte, dem ehemaligen Hauptort der
Haeduer, und Manching weiß man, dass es sich bei beiden um eine
geplante Großsiedlung nach mediterranen Vorbild handelte, ähnlich
wie die westhallstattzeitliche Heuneburg an der oberen Donau. Ob
jedoch alle Oppida so oder so ähnlich aussahen, ist momentan offen.
Bei den meisten Oppida ist aber mit einer dichten Besiedlung zu
rechnen. Die Oppida stiegen bald nach ihrer Gründung zu den
Warenhauptumschlagsplätzen ihrer Region auf. In ihnen fand die
Massenproduktion von Töpferwaren und die Metallverarbeitung statt.
Schon alleine für ihre Stadtmauern, vor allem jene vom Typ „Murus
Gallicus“, waren Unmengen an Eisennägeln nötig gewesen. Um
diesen großen Warenumschlag überhaupt in Gang zu setzen und
außerdem zu halten, bedurfte es einer fortgeschrittenen Geldwirtschaft
vor allem mit Kleinsilberwerten („Regenbogenschüsselchen“).
Auch müssen direkte Handelskontakte zwischen Süddeutschland und
der Gallia Cisalpina (Oberitalien) bestanden haben, die über die
Alpen hinweg stattfanden. Während der Westhallstattzeit wurde der
meiste Fernhandel noch über die Rhône abgewickelt.
Von
Caesar
erfahren
wir,
dass
römische
Kaufleute
Handelsniederlassungen in den Oppida besaßen: „Als dieser Termin
kam, stürmten auf ein Signal hin die Carnuten unter Führung des
Cotuatus und Conconnetodumnus, zweier verwegener Menschen, nach
Cenabum (Orleans), brachten die römischen Bürger um, die sich dort
zu Handelszwecken niedergelassen hatten und plünderten ihr
Vermögen. Unter den Toten befand sich C.Fufius Cita, ein römischer
Ritter aus gutem Haus, der im Auftrag Caesars die
Getreideversorgung geleitet hatte (Bellum Gallicum VII, 3).“
„Daher plünderten sie das Vermögen der römischen Bürger,
ermordeten sie oder verschleppten sie in die Sklaverei. Convictolitavis
förderte diese Wendung der Dinge zum Schlimmeren und trieb das
Volk zur Raserei, um zu erreichen, dass es sich schämte, wieder
vernünftig zu werden, nachdem es einmal die Verbrechen hatte
geschehen lassen. Sie veranlassten den Militärtribun M.Aristus, der
auf dem Weg zu seiner Legion war, die Stadt Caviollonum (Chalonsur-Saône) zu verlassen, und garantierten ihm seine Sicherheit. Die
Leute, die sich dort niedergelassen hatten, um Handel zu treiben,
zwangen sie, dasselbe zu tun. Auf ihrem Weg griffen sie sie jedoch
ständig an und beraubten sie ihres gesamten Gepäcks (B.G.VII, 42).“
Ähnliche griechische und etruskische Handelsniederlassungen dürften
auch einst auf den mächtigen Fürstensitzen des Westhallstattkreises
existiert haben inklusive derselben Gefahren. Wie die soziale Struktur
innerhalb der Oppida aussah, lässt sich nur schwierig bestimmen, da
der Forschung diesbezüglich nur eine nennenswerte Quelle zur
Verfügung steht, nämlich die Schriften eines Römers namens Caesars.
Die Prägeherren der keltischen Münzen stammten in jedem Fall aus
der Nobilitas. Auch beherrschte sie weitgehend die Wirtschaft. Ob sie
allerdings ihren Hauptwohnsitz in den Oppida hatte, ist unklar. Die
wichtigen Entscheidungen fielen in jedem Fall in den Oppida.
„Sie brachten daher in Noviodunum die Wachposten und die Leute
um, die zu Handelszwecken oder auf der Durchreise dorthin
gekommen waren. Ihr Geld und ihre Pferde teilten sie untereinander
und sorgten dafür, dass die Geiseln der Stämme nach Bibracte zu dem
obersten Beamten gebracht wurden (B.G.VII, 55).“
„Die Haeduer forderten Vercingetorix auf, zu ihnen zu kommen und
sich mit ihnen über die Kriegführung zu verständigen. Als ihre Bitte
erfüllt wurde, bemühten sie sich darum, selbst den Oberbefehl über
den gesamten Krieg zu erhalten. Da es hierüber jedoch zu einem Streit
kam, wurde eine Versammlung ganz Galliens nach Bibracte, dem
Hauptort der Haeduer, einberufen, zu der von überall her zahlreiche
Teilnehmer zusammenkamen. Man ließ die Versammlung über die
Frage abstimmen. Sie bestätigte einstimmig Vercingetorix als
Oberbefehlshaber (B.G.VII, 63).“
Der Unterschied zur mediterranen Stadtkultur bestand darin, dass in
den Oppida Stammesgemeinschaften lebten, beziehungsweise zu
solchen gehörten. Sich selbst verwaltende Stadtgemeinschaften wie
die römischen „Municipia“ oder „Colonia“ gab es innerhalb des
keltischen Machtbereiches nicht. Kommen wir nun zu den sonstigen
Zitate Caesars über gallische Oppida, die ich kommentarlos vorstelle.
Möge sich der Leser anschließend selbst ein Bild über die innere
Struktur eines Oppidums machen.
„Von ihnen erfuhr er, dass die Stadt des Cassivellaunus nicht weit von
seinem Aufenthaltsort entfernt liege und durch Wälder und Sümpfe
gesichert sei. Es habe sich dort eine ziemlich große Zahl von
Menschen und Vieh versammelt. Die Britannier bezeichnen einen Ort
schon als Stadt, wenn sie in unzugänglichen Waldgebieten eine Stelle
mit Wall und Graben befestigt haben, zu der sie sich in der Regel
flüchten, wenn sie feindlichen Einfällen ausweichen wollen (B.G.V,
21).“
„Währenddessen sammelte sich in der folgenden Nacht die gesamte
Menge der flüchtenden Suessionen in der Stadt (B.G.II, 12).“ „Sie
verließen alle Städte und kleineren befestigten Orte und brachten ihre
gesamte Habe in eine einzige Stadt, die durch ihre Lage hervorragend
geschützt war. Ringsum fielen die Felsen auf allen Seiten steil ab und
boten eine gute Fernsicht. Nur an einer Stelle ließen sie einen Zugang
frei, der sanft abfiel und nicht mehr als 200 Fuß breit war. (B.G.II,
29).“
„Auf die Nachricht von seinem Eintreffen hin ordnete Acco, das
Haupt der Verschwörung, an, dass das Volk sich in den Städten
sammeln solle (B.G.VI, 4).“ „Sie stellten sich daher auf dem
Marktplatz (Forum) und auf etwas größeren freien Plätzen keilförmig
auf (B.G.VII, 28).“ „Die Belger sind von allen erwähnten Stämmen
die tapfersten, weil sie von der verfeinerten Lebensweise und
hochentwickelten Zivilisation der römischen Provinz am weitesten
entfernt sind. Denn nur selten gelangten Händler zu ihnen mit Waren,
die die Lebensweise verweichlichen können (B.G.I, 1).“
„Der Grund für diese Expedition lag in seiner Absicht, den Weg durch
die Alpen zu öffnen, der für die Handelsleute gewöhnlich mit großen
Gefahren und hohen Zollkosten verbunden war (B.G.III, 1).“
„In ganz Gallien gibt es nur zwei Klassen von Männern, die an
einigermaßen hervorragender und ehrenvoller Stelle stehen. Denn die
untere Volksschicht (plebs) wird fast wie Sklaven behandelt. Sie wagt
nicht, selbständig zu handeln, und wird zu keiner Beratung
hinzugezogen. Da die meisten unter dem Druck von Schulden oder
hohen Steuern leben oder aber durch rechtswidriges Verhalten der
Mächtigen bedrängt werden, begeben sie sich in die Sklaverei. Die
Adligen besitzen ihnen gegenüber alle Rechte, die ein Herr gegenüber
seinen Sklaven hat. Von den erwähnten zwei Klassen ist die eine die
der Druiden, die andere die der Ritter. Den Druiden obliegen die
Angelegenheiten des Kultes, sie richten die öffentlichen und privaten
Opfer aus und interpretieren die religiösen Vorschriften.....Die andere
erwähnte Klasse ist die der Ritter. Immer wenn irgend ein Krieg
ausbricht und es erforderlich macht, stehen sie alle an der Front. Vor
Caesars Eintreffen pflegte fast jährlich der Fall einzutreten, dass sie
entweder selbst andere überfielen oder Überfälle zurückschlugen
(B.G.VI, 13-20).“
„....unter ihnen auch Diviciacus und Liscus, der bei ihnen (Haeduern)
an der Spitze der Regierung stand. Dieses Amt heißt bei den Haeduern
Vergobretus, sein Inhaber wird jährlich gewählt und verfügt in seinem
Volk Gewalt über Leben und Tod (B.G.I, 16).“
„...Es bestehe höchste Gefahr, denn obwohl sie seit alters her einen
einzelnen Mann für das oberste Amt bei den Haeduern zu wählen
pflegten, der dann für ein Jahr die königliche Gewalt innehabe, gebe
es jetzt zwei, die dieses Amt führten, und jeder von ihnen behaupte, er
sei gemäß den Gesetzen gewählt worden. Der eine davon sei
Convictolitavis, ein reicher und vornehmer junger Mann, der andere
Cotus, der aus einer der ältesten Familie stamme und selbst über
bedeutende Macht verfüge. Sein Bruder Valetiacus habe im Jahr
zuvor dasselbe Amt bekleidet. Der gesamte Stamm stehe unter Waffen.
Der Senat sei gespalten, und ebenso sei das Volk in Clientelen des
einen oder des anderen aufgeteilt. Wenn dieser Konflikt weitere
Nahrung erhalte, werde es dahin kommen, dass ein Teil des Stammes
mit dem anderen kämpfe. Es hänge von seinem (Caesars) Einfluss ab,
dass dies nicht eintrete (B.G.VII, 32).“
„Als sich in Decetia fast der gesamte Stamm eingefunden hatte, wurde
Caesar darüber unterrichtet, dass bei einer heimlichen
Zusammenkunft einiger weniger zu ungesetzlicher Zeit zu einem
ungesetzlichen Ort ein Bruder von dem anderen als gewählt
ausgerufen worden sei. Da die Gesetze es untersagen, dass zwei
Mitglieder einer Familie bei beider Lebzeiten zu Beamten gewählt
würden, es auch streng verboten war, dass sie beide in dem Senat
saßen, zwang Caesar Cotus daher, die Herrschaft niederzulegen, und
ordnete an, dass Convictolitavis, der nach Stammesbrauch in der
beamtenlosen Zeit unter dem Vorsitz von Priestern gewählt worden
war, das höchste Amt übernehmen solle (B.G.VII, 33).“
„Dennoch planten die Senonen, ein sehr bedeutender Stamm mit
großem Einfluss in Gallien, auf Beschluss ihres Senats einen
Mordversuch an Carvarinus, den Caesar als König bei ihnen
eingesetzt hatte (B.G.V, 54).“
„Als die Nacht dem Ansturm ein Ende setzte, schickte der Remer
Iccius, der in der Stadt das Kommando hatte, Boten zu Caesar; als
Angehöriger des höchsten Adels besaß er in seinem Volk großes
Ansehen und war einer der Gesandten gewesen, die zu Caesar
gekommen waren, um über den Frieden zu verhandeln (B.G.II, 6).“
„Dieser Plan wurde von den Helvetiern verraten. Ihren Bräuchen
entsprechend zwangen sie Orgetorix, sich in Fesseln zu verantworten.
Würde er schuldig gesprochen, müsste er zur Strafe verbrannt
werden. Zu dem festgesetzten Gerichtstermin bot Orgetorix seine
gesamten Sklaven, etwa 10.000 Mann, von allen Seiten her auf.
Desgleichen ließ er alle seine Clienten und Schuldner, über die er in
großer Zahl verfügte, dazukommen; mit ihrer Hilfe entzog er sich dem
Prozess durch die Flucht. Als der übrige Stamm, der darüber empört
war, versuchte, das Recht mit Waffen zu erzwingen, und die Beamten
eine Menge Menschen von den Feldern zusammenriefen, kam
Orgetorix ums Leben (B.G.I, 4).“
„Es handele sich in der Tat um Dumnorix, der einen Umsturz
anstrebe. Tollkühn und verwegen, sei er auf Grund seiner
Freigebigkeit beim Volk überaus beliebt. Mehrere Jahre lang habe er
die Zölle und die übrigen Abgaben bei den Haeduern für eine geringe
Summe gepachtet, weil niemand wage, dagegen zu bieten, wenn er
biete. Auf diese Weise habe er sein Vermögen vermehrt und sich
umfangreiche Möglichkeiten der Bestechung geschaffen. Er unterhalte
auf seine Kosten eine große Zahl von Reitern, die sich immer in seiner
Nähe befänden und nicht allein in der Heimat, sondern auch bei den
benachbarten Stämmen sei sein Einfluss bedeutend (B.G.VII, 13).“
„Daraufhin brach Caesar zur Stadt Avaricum (Bourges) auf. Sie ist
die größte Stadt im Gebiet der Bituriger, am stärksten befestigt und in
einer sehr fruchtbaren Landschaft gelegen. Caesar hatte die
Zuversicht, er werde den Stamm der Bituriger in seine Gewalt
bringen, wenn er Avaricum eingenommen hätte (B.G.VII, 13).“
Caesar beschreibt eine keltische Gesellschaft, deren traditionelle
Organisation sich im Umbruch befand, in der es zu heftigen
Konfrontationen zwischen Anhängern und Gegnern der neuen
Entwicklung kam. Die Entstehung der Oppida hat die keltische
Gesellschaft revolutionär umgeformt und damit letztendlich die
römische Eroberung ermöglicht. Der Witz an der ganzen Geschichte
ist, dass die Blütezeit der Oppida genau in die ersten Jahrzehnte nach
der Eroberung Galliens fiel, bevor die Umwandlung Galliens in eine
reguläre römische Provinz der Oppidakultur ein Ende bereitete.
„Urbs“ und „Oppidum“ lassen sich bei Caesar nicht streng
voneinander trennen. Die „urbs“ wird im übrigen nur im siebten Buch
des „Bellum Gallicum“ erwähnt, als Caesar die Bedeutung seiner
Erfolge im Kriege gegen Vercingetorix hervorheben wollte, um in
Rom einen Triumph zu erhalten. In der Regel kannten die Römer nur
eine „urbs“: Rom selbst.
6)
DIE
GERMANEN
UND
ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN ÜBER
GEBIET NÖRDLICH DES MAINS:
DIE
DAS
Um 90 v.Chr. verfasste der griechische Historiker und Geograph
Poseidonios von Apameia (135 bis 51 v.Chr.), genannt der Rhodier,
die nach Pytheas bislang ältesten genaueren Berichte über Germanien
und seinen Bewohnern. Zwar sind seine Berichte wie im Falle Pytheas
verloren gegangen, doch haben sich glücklicherweise einige Zitate bei
Strabon (63 v. bis 26 n.Chr.), einem griechischen Historiker, erhalten.
„Die einen sonderten sie (gemeint sind die Bewohner Galliens) in drei
Abteilungen, die sie Aquitanier, Belgen und Kelten nannten. Die
Aquitanier sind nicht nur der Sprache, sondern auch der
Körperbildung nach gänzlich abweichend und gleichen mehr den
Iberern als den Galliern. Die übrigen zeigen zwar in ihrer äußeren
Erscheinung gallischen Typus, sind aber nicht alle gleichsprachig,
sondern einige zeigen in ihrer Sprache eine kleine Abweichung; auch
Staatsverfassung und Lebensführung weisen einen kleinen
Unterschied auf (Strabon, Geographika, IV, 176).“
„Die Germanen unterscheiden sich von dem keltischen Stamme nur
um weniges durch das Übermaß an Wildheit, Größe und Blondheit, im
übrigen sind sie ihm ähnlich an Gestalt, Naturanlage und
Lebensgewohnheiten (Strabon, Geographika, VIII, 290).“
„....und bewohnen ein durch den Rhein getrenntes Land, das sich in
den meisten Dingen gleicht (Strabon, Geographika, III, 196).“
Poseidonios erhielt seine Informationen über gallische Gewährsleute
von Massalia. Interessant an seinen Beobachtungen ist, dass er die
Germanen, sowie die Belger und die gallische Kelten als keltische
Teilvölker ansieht, von geringfügigen Unterschieden abgesehen.
Dabei muss bedacht werden, dass er unter Germanen nur die am
Rhein lebenden Stämme meinte. Innergermanische Stämme kannte er
nicht. Poseidonios kannte zwar auch die Cimbern und Teutonen, doch
beschrieb er sie als eigenständige Volksgruppe, verwendete aber
gleichzeitig nur ihre Stammes- beziehungsweise Stammesbundnamen.
Das wiederum bedeutet, dass die Betroffenen selbst noch keinen
Volksnamen genannt hatten, wenn sie denn selbst einen besaßen.
Der nächste antike Autor, der sich ausführlich mit Germanien und
Gallien auseinandersetzte, war Caesar, ein Römer! Zuvor waren es
allesamt Griechen, die sich mit Germanien und seinen angrenzenden
Ländern befassten.
Kommen wir nun zu den archäologischen Quellen: Im 7./6.Jh.v.Chr.
erreichte das Eisen und die Kenntnisse der Eisenverarbeitung über
keltische Importe und der Vermittlung der Nienburger Gruppe
Norddeutschland. Man fand nämlich besonders im Gebiet der
mittleren Weser zahlreiche hallstattzeitliche Gegenstände wie
Bronzegefäße oder Eisenschwerter. Auch übernahm diese Gruppe die
hallstattzeitlichen Schmuckformen. Da man diese im Gebiet der
nördlicheren Jastorfgruppe nicht findet, gilt die Nienburger Gruppe
als nördliche Kontaktzone des Westhallstattkreises. Erst gegen Ende
der Jastorfkultur um 300 v.Chr. dreht sich der Kulturstrom,
wenngleich die Kontakte zum Süden auch während der Latènezeit
bestehen blieben und erst ab 300 v.Chr. beherrschten die Menschen
Norddeutschlands die Eisenverarbeitung.
In Norddeutschland, jenem Gebiet in dem die Germanenkriege des
Augustus tobten, wird die Eisenzeit in drei Hauptstufen unterteilt: a)
Stufe Jastorf von ca.600 bis ca.300 v.Chr., b) Stufe Ripdorf von ca.300
bis ca.120 v.Chr. und c) Stufe Seedorf von ca.120 v.Chr. bis zur
Zeitenwende.
Mit der Jastorfkultur, nicht zu verwechseln mit der Jastorfgruppe, die
sich von Jütland im Norden über Schleswig-Holstein bis nach
Nordostniedersachsen und im Osten bis nach Westpommern und
Nordwestböhmen und im Süden bis zur Mittelgebirgsschwelle
ausdehnte, wird eine sozial und kulturell zusammengehörende
Großgruppe fassbar, aus der sich unter anderem später die Germanen
herleiteten. Wo ihre Westgrenze lag, ist umstritten. Wahrscheinlich
irgendwo im Weser-Aller-Bereich. Zur Jastorfkultur gehörten neun
Formenkreise. Es handelt sich um die Jastorf-, Nienburger-,
Nordjütische-, Mitteljütische-, Südjütische-, Warnow-Odermündungs-,
Seengruppe, nördliche Mittelelbe-Havelgruppe und die Elbe-SaaleGruppe. Südniedersachsen gehörte dagegen zeitweise dem
Einflussgebiet des keltisch geprägten Hessischen Berglandes und
Thüringer Raumes an. Feste Grenzen zwischen den einzelnen
Gruppen existierten nicht. Die der Kultur namensgebende
Jastorfgruppe erstreckte sich von der westlichen Altmark im Osten bis
zum kleinen Elbenebenfluss Seeve bei Harburg und im Süden von der
Aller bis nach Westmecklenburg und Ostholstein im Norden.
In Norddeutschland standen in vorrömischer Zeit weitgehend nur
einfach strukturierte bäuerliche Wirtschaftsbetriebe in lockerer
Streuung, die ihren Standort oft verlagerten. Im Flussmarschgebiet
zwischen Dollart und unterer Ems wurden im 7.Jh.v.Chr. auf
Uferwällen Flachlandsiedlungen errichtet, die aber im 3.Jh.v.Chr.
aufgrund von Meeresspiegelschwankungen aufgegeben werden
mussten. Erst im 1.Jh.v.Chr. als der Meeresspiegel wieder sank,
wurden im fruchtbaren Marschboden erneut Flachlandsiedlungen
errichtet. Zu planmäßig errichteten umzäunten Dorfanlagen kam es
jedoch erst gegen Ende der vorrömischen Eisenzeit. Im
südniedersächsischen Bergland, im oberen Leinetal und Göttinger
Becken, an der Grenze zu den Kelten existierte eine intensive
Besiedlung der Täler und der Flussauen.
In der Übergangsphase von der Spätbronzezeit zur älteren Eisenzeit
wurden auf geeigneten Bergvorsprüngen –und plateaus befestigte
Höhensiedlungen errichtet, die jedoch spätestens in der mittleren
Eisenzeit wieder aufgegeben wurden. In ihrer Mehrzahl dürfte es sich
um gewöhnliche Fluchtburgen gehandelt haben.
Sie wurden zu einer Zeit angelegt, in der solche Burgen auch in
Hessen, Thüringen und dem übrigen Süddeutschland existierten. Eine
Ausnahme bildet die ca.10ha große Pippinsburg bei Osterode im
südwestlichen Harzvorland. Sie wurde ab der späten Bronzezeit
intensiv dauerhaft besiedelt und im Übergangszeitraum zur Eisenzeit
auch befestigt. Ihre Blüte erlebte sie zu Beginn der mittleren Eisenzeit
nach einer kurzen Unterbrechung. Zu Beginn der jüngeren Eisenzeit
bricht die Besiedlung auch hier ab. Auf der Pippinsburg machte man
Funde, die nachweislich aus dem Böhmischen Becken stammten. Die
Pippinsburg dürfte bei der Förderung und Vermittlung von Kontakten
zwischen den südöstlich gelegenen keltischen Bereich und der
Jastorfkultur eine wichtige Rolle zugekommen zu sein, zumal sie alles
andere als isoliert im südwestlichen Harzvorland lag. Im südlich
anschließenden oberen Leinetal sieht der Besiedlungsablauf anders
aus. Im Gegensatz zum südwestlichen Harzvorland kommt es
während der mittleren Eisenzeit zu einer Siedlungsausdünnung und
am Ende der jüngeren Eisenzeit wieder zu einer Aufsiedlung, die bis
in die frühe Kaiserzeit hinein kontinuierlich anhielt. Im Harzvorland
wurden dagegen die Siedlungen erst wieder ab dem Frühmittelalter
aufgesucht. Sind die entsprechenden Siedlungen hier nur noch nicht
gefunden worden? Aus Süd –und Westdeutschland importierte
Bronzegefäße wurden im Gebiet der mittleren Weser, wo sie häufig
auftauchen, als Urnen zweckentfremdet. Aus Thüringen gelangten vor
allem stark profilierte Bronzearmringe in dieses Gebiet. Auch fand
man einige keltische Münzen. Ansätze einer Geldwirtschaft lassen
sich für das vorrömische Norddeutschland bislang jedoch noch nicht
erkennen. Auf einem Acker von Förste bei Osterode im Harz fand
man eine keltische Münze, die zwischen ca.100 und 50 v.Chr. geprägt
wurde. Sie trug keinerlei Prägung. Vom Nominal her ist es ein
Viertelstater mit einem Gewicht von 1,97g. Man vermutet ihren
Prägeort im Oppidum von Finsterlohr.
In Lengede fand man eine keltische Goldmünze, ein Viertelstater von
1,81g Gewicht, der im 1.Jh.v.Chr. im Elsaß oder in der Nordschweiz
geprägt wurde. Am Kirchhügel von Bockhorn im Landkreis Friesland
fand man eine Silbermünze des Stammes der Coriosolitae. Dieser
siedelte im Norden der Bretagne und auf den Kanalinseln, der Heimat
des Asterix und des unbeugsamen gallischen Dorfes. Sie wurde um 80
v.Chr. geprägt und gelangte wohl über den Seeweg nach Friesland.
Im Raum Duderstadt bei Göttingen fand man eine 5,81g schwere
keltische Goldmünze, ein Stater des Stammes der Remer aus
Britannien. Auf ihrer Vorderseite weist sie keine Prägung auf, auf der
Rückseite ein galoppierendes Pferd über einem Rad. Sie wurde im
Süden der Insel nach einer Invasionswelle gallobelgischer Stämme
um 40 bis 20 v.Chr. geprägt. In der Umgebung von Fallingbostel
wurden zwei Bronzemünzen gefunden. Die eine heute noch
existierende Münze war eine Potinmünze von 4,04g Gewicht. Auf der
Vorderseite ist ein menschlicher Kopf abgebildet, auf der Rückseite
ein Wildschwein mit aufgerichteten Borsten. Sie wurden wohl
zwischen 60 und 50 v.Chr. von den Leukern hergestellt, die an der
oberen Seine und Maas siedelten. Die Münzen von Fallingbostel
dokumentieren das nördlichste Vorkommen dieses Münztyps. In
Schulenburg bei Pattensen fand man einen goldenen Halskragen von
17,5cm Durchmesser, der wegen seiner mondsichelähnlichen Form als
„Lunula“ bezeichnet wird. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in
Irland, das im Altertum wegen seiner reichen Goldvorkommen
berühmt war. In Niedersachsen fanden sich drei weitere Varianten
dieses Typs aber hier nur aus Bronze.
Dies ist nur eine kleine Auswahl von Funden aus dem Gebiet der
Jastorfkultur. Im metallverarbeitenden Handwerk der Jastorfgruppen
gab es keinen eigenen kennzeichnenden Verzierungsstil in Gegensatz
zum zeitgleichen keltischen Kulturraum, wo frühzeitig griechische
und etruskische Einflüsse das Handwerk inspirierten. Form und Dekor
der metallenen Trachtbestandteile sind unkompliziert, zweckorientiert
und künstlerisch von geringem Niveau. Nur im Gebiet der Nienburger
Gruppe sieht diesbezüglich die Situation ein wenig besser aus.
Hier findet man zusätzliche Verzierungselemente, die aus dem großen
Reservoir des keltischen Kunsthandwerks entlehnt sind wie zum
Beispiel plastische Wirbel. Inwieweit auch geistig-religiöse Elemente
von den Kelten übernommen wurden, gilt als umstritten. Die
Herstellung und Ausschmückung der Keramik blieb dagegen vom
Einfluss der Kelten weitgehend unberührt trotz der vielfältigen
Formen. Auffallende Kreationen sucht man in Norddeutschland
vergebens.
Erst mit dem Auftauchen der Römer ab 16 v.Chr. änderte sich dies.
Die Keramiktradition blieb festverwurzelt in bronzezeitlicher
Tradition. Doch auch hier hebt sich die Nienburger Gruppe wieder
von den anderen Jastorfgruppen ab. Vor allem gilt dies für die
sogenannten „Nienburger Tassen“, die geradezu als Leitform dieser
Gruppe angesehen werden können. Aufwendige Kultbauten wie man
sie im keltischen Bereich zuhauf findet, fehlen hier. Die Toten wurden
wie schon zu Zeiten der jüngeren Bronzezeit verbrannt und in Urnen
bestattet, manche in Grabhügeln. Körperbestattungen waren hingegen
sehr selten. Holzgeräte, Metallgegenstände, Tierknochen und
Tongefäße opferte man in kleinen Mooren oder stehenden Gewässern,
die im Umkreis von Siedlungen lagen. Auch bezüglich der
Moorleichen ist ein kultischer Hintergrund nicht auszuschließen. Aber
auch bezüglich der Grabsitte unterschied sich die Nienburger Gruppe
von den übrigen Gruppen der Jastorfkultur. Insbesondere westlich der
Weser im Oldenburger Land setzte sich während der frühen Eisenzeit
die Hügelbestattung durch, in denen die Urnen beigesetzt wurden.
Dies kam nicht von ungefähr, da nämlich dieses Gebiet zur
Endbronzezeit
zum
nördlichen
Verbreitungsgebiet
der
Kreisgrabengräber gehörte. Im Gegensatz zu den Hügeln der
Jastorfgruppen handelt es sich bei den Nienburger Hügeln um
Kollektivgräber, die in der Regel zwei bis zehn Bestattungen
enthielten. In Mellinghausen, Landkreis Diepholz, fanden sich sogar
19 Bestattungen. Möglicherweise wurden darin Hofgemeinschaften
bestattet. Merkwürdigerweise fehlen östlich der Weser bis in das
Harzvorland, das ebenfalls zum Siedlungsraum der Nienburger
Gruppe gehörte, die Hügelbestattung fast ganz. Hier finden sich vor
allem Flachgräberfelder, die denen der Jastorfgruppe recht ähnlich
sind.
Während der älteren Eisenzeit findet man im Bereich der mittleren
Weser Niederlegungen des Leichenbrandes einzelner Personen in
importierten Bronzegefäßen. Im gleichen Zeitraum kommen östlich
der
Weser
auf
Nienburger
Gebiet
die
sogenannten
„Scheiterhaufengräber“ auf. Diese bestehen aus kleinen Hügeln von
fünf bis 10m Durchmesser, die nach der Verbrennung des Leichnams
über den Verbrennungsresten aufgeworfen wurden.
In der Regel handelte es hierbei um Einzel-, manchmal auch um
Doppelbestattungen. Diese Bestattungsform greift bis in die nördliche
Niederlande über. In diesen Gräbern finden sich auffallend viele
Rückstände keltischer beziehungsweise keltisch beeinflusster
Schmuck –und Trachtbestandteile. Sie hielt bis in die jüngere Phase
der jüngeren Eisenzeit an und mit der vorangegangenen
Hügelbestattung haben diese Gräber nichts zu tun. In der Spätphase
der vorrömischen Eisenzeit herrschen dann Brandgrubengräber vor.
Im Bereich der Wetterau, dem Land zwischen Untermain und
Gießener Becken sah die Situation wie folgt aus: In der zweiten Hälfte
des 1.Jh.v.Chr. sickerten nach und nach neue Leute aus dem Osten ins
Land. Eine Route dürfte, vom Thüringer Becken ausgehend, ihren
Verlauf durch die hessische Senke bis in die nördliche Wetterau
genommen haben. Eine östliche Route, insbesondere für die
Neusiedler an Main und Kinzig, könnte wiederum von Thüringen
ausgehend fuldaaufwärts das südöstliche Vogelsbergland querend und
sodann dem Verlauf der Kinzig folgend die Wetterau erreicht haben.
1918 fand man in Muschenheim erstmals im Landkreis Gießen
Brandgruben der frühgermanischen Przeworsk-Kultur (Przeworsk
liegt in Polen). Diese archäologische Gruppierung entstand an der
Wende vom dritten zum 2.Jh.v.Chr. im Raum zwischen Oder, Warthe
und Weichsel und begann im Verlauf des 2.Jh.v.Chr. nach Westen
vorzustoßen. 1992 fand man schließlich erstmals Spuren dieser Kultur
in der südlichen Wetterau in Hanau-Mittelbuchen im Main-KinzigKreis und zwar ein Grubenhaus mit zahlreicher Keramik, auch
einheimischer! Weitere Siedlungsplätze dieser Kultur fanden sich in
Randstadt-Dauernheim, Grabfunde in Groß-Auheim, Butterstadt und
Windecken, alle im Wetteraukreis gelegen.
Einheimische Siedlungen mit Funden aus der Przeworsk-Kultur
fanden sich in Gettenau, Nieder-Rossbach, Nieder-Weisel und Trais,
ebenfalls alle im Wetteraukreis gelegen. Ein geschlossenes
ostgermanisches Siedlungsgebiet hat es in dieser Region und in
Südhessen aber nie gegeben, vielmehr sind deren Siedlungen in Form
von Höfen oder Höfegruppen an die einheimischen Siedlungen
angeschlossen oder zwischen sie eingestreut gewesen.
Die Neusiedler waren weniger an eine Vertreibung der alten
Bevölkerung noch an der Zerstörung der bestehenden
Produktionseinrichtungen interessiert, sondern vielmehr an einer
Beteiligung an den Gewinnen aus Handel und Produktion etwa in
Form von Tributen. Laut Caesar waren die Ubier den Sueben
tributpflichtig gewesen. Die arbeitende Saline in Bad Nauheim sowie
die Eisenindustrie des Siegerlandes bestanden bis zur Zeitenwende
fort. Dass die Besiedlung des Glauberges bei Büdingen, ein
ehemaliger Fürstensitz des Westhallstattkreises, kurz vor der Mitte
des 1.Jh.v.Chr. abbricht, spricht nicht gegen diese These. Die einst
mächtige Festung am Ostrand der Wetterau gelegen, hatte nur das
Pech, im Rücken der Neusiedler zu liegen, die wohl deswegen Druck
auf die Einheimischen ausübten, diese aufzugeben.
Daneben dürfte es zahlreiche Raubzüge der Neusiedler in
benachbarten Regionen gegeben haben, zumal sie die Bewirtschaftung
der guten Böden weiterhin den Einheimischen überließen. In Gallien
sah dies 58 v.Chr. noch anders aus. Da wollte der germanische
Heerführer Ariovist für seine Leute noch Land. Vielleicht liegt dies
daran, dass wir es hier mit der ersten Generation der Neusiedler zu tun
haben und wohl auch der Heerhaufen des Ariovists alles andere als
homogen gewesen sein dürfte, das heißt viele dürften ganz andere
Bedürfnisse gehabt haben, als immer nur irgendwo Krieg zu führen.
Die, die später dann zu den Raubzügen aufbrachen, dürften die Kinder
und Enkel der ersten Generation gewesen sein, die von den Höfen
ihrer Eltern aus in die Ferne aufbrachen. Es ist zugegeben nicht alles
so einfach. Dennoch lässt sich aufgrund des archäologischen Materials
erkennen, warum Römer und Griechen sich nicht einig darüber
werden konnten, wer denn nun die Germanen eigentlich waren.
Die nördlich des Mains siedelnden Kelten müssen an der Ethnogenese
der Germanen ebenfalls beteiligt gewesen sein. Nur so ist es zu
erklären, warum die griechische Seite darauf beharrte, dass Kelten mit
Germanen gleichzusetzen sind. Aber auch die Römer hatten nicht
ganz unrecht mit ihrer Gegenthese. Immerhin waren neben der
Jastorfkultur und den nordmainischen Kelten, auch die
südskandinavischen und die Odergruppen an der Ethnogenese der
Germanen beteiligt gewesen.
Oder aber der direkte Kontakt mit der keltischen Hochkultur löste die
Ethnogenese der Germanen erst aus, was wiederum bedeuten würde,
dass sich das Germanentum am keltischen Gegenbild formte. So
gesehen wären die Germanen nicht die Erbfeinde, sondern die Erben
der Kelten in Mitteleuropa gewesen. Eine völlig neue Sichtweise, die
jedoch durch gemeinsame Handwerkstraditionen und Totenbrauchtum
durchaus gedeckt werden. Die Genese der um die Zeitenwende
genannten germanische Stämme vollzog sich noch vor dem
Erscheinen der ersten Römer in Mitteleuropa ab 58 v.Chr.,
wahrscheinlich schon ab 100 v.Chr., als der keltische Einfluß auf
Norddeutschland immer mehr zunahm. Das bedeutet, die Römer
können an der Ethnogenese der Germanen wie manche andere
Forscher vermuten, nicht beteiligt gewesen sein. Jedoch sorgte die
Anwesenheit der Römer bei den Germanen zu einer Herausbildung
eines Gemeinschaftsgefühls. Dies fällt an der breiten
Waffenbeigabensitte im Niederelbegebiet auf, die sich innerhalb einer
kurzen Zeitspanne um die Zeitenwende vollzog. In der sozialen
Rangfolge müssen die Bewaffneten einen großen Aufstieg vollzogen
haben als sie die Träger der Kämpfe gegen Rom wurden. Die Wurzeln
der Waffenbeigabe liegen aber ebenfalls weiter zurück, so dass man
sagen muss, dass das prägende Vorbild nicht Rom und das römische
Militär war, sondern der keltische Bewaffnete. Das Aufkommen der
Waffengräbersitte ist im Niederelbegebiet nämlich bereits um die
Mitte des 1.Jh.v.Chr. gesichert greifbar. Es war zu dieser Zeit die
Heimat der Semnonen, Langobarden und Markomannen. Die
Waffengräbersitte könnte mit den überlieferten Zügen des Ariovists
zusammenhängen, die spätestens um 72 v.Chr. auch Ostgallien
erfassten. Viele Schwerter der Jahrzehnte um die Zeitenwende
stammten aus keltischen Werkstätten.
Auch die germanischen Hiebschwerter der jüngeren vorrömischen
Eisenzeit wurden den keltischen und nicht den römischen Waffen
angeglichen. Die Germanen nahmen sich tatsächlich den keltischen
Reiteradel zum Vorbild und nicht den römischen Soldaten. In diesem
Zusammenhang wäre es vielleicht sinnvoll, auch einen Blick auf die
Entwicklung des keltischen Königtums zu werfen. Vom 5.Jh.v.Chr.,
der Zeit des Westhallstattkreises bis zum 1.Jh.v.Chr., der Zeit der
großen Oppida, verschob sich die führende Rolle der Kelten vom
süddeutschen Raum nach Gallien.
Der Germanenname wurde ursprünglich für ein Gebiet gebraucht, das
kulturell alles andere als einheitlich war. Dieses Gebiet liegt zwischen
Rhein und Elbe sowie nördlich des Mains und den Nord- und
Ostseeküsten. Der südliche Raum dieses Gebietes wurde zum Teil bis
zur Zeitenwende noch von einer keltischen Oppidakultur beherrscht,
der Raum nördlich von Hessen und im Raum Hannover von einer
keltisch-germanischen Mischkultur und der Raum nördlich davon von
einer Kultur, die mit der keltischen nichts mehr gemein hatte. Dies
dürfte Griechen wie Römer irritiert haben. Dazu kommt, dass Kelten
wie Germanen zum indoeuropäischen Sprachraum gehörten. Es ist
daher damit zu rechen, dass man bis zur Eröffnung der augusteischen
Germanenkriege 12 v.Chr. in besagten Raum weitgehend dieselbe
Sprache sprach, wobei jede Kleinregion wohl ihre eigenen Dialekte
pflegte,
ehe
es
durch
die
Römer
zu
massiven
Bevölkerungsverschiebungen kam. Die spätere Provinzialisierung
großer Teile dieses Gebietes tat dann ihr übriges. Dennoch muss man
sich ursprünglich ganz gut miteinander unterhalten haben können,
beziehungsweise die meisten beherrschten zahlreiche Dialekte, da es
politisch wie wirtschaftlich einfach notwendig war, sich verstehen zu
können. Diesbezüglich können sprachliche Verhältnisse wie zu Zeiten
der Indianer in Amerika geherrscht haben. Für die Griechen stellten
solche Verhältnisse keinerlei Problem dar, da auch Griechenland alles
andere als einheitlich war und sich Völker zu den Griechen zählten,
die von anderen Griechen wiederum abgelehnt wurden. Anders als in
Italien im 1.Jh.v.Chr., wo alles durch Rom gleichgeschaltet wurde.
Um es noch verständlicher darzustellen. Man stelle sich vor, zwei
Pygmäen, die noch nie in Europa waren, kommen nach Mitteleuropa
und man stellt beiden ein und dieselbe Aufgabe. Sind Deutschland
und Österreich ein Volk, ja oder nein? Ich kann mir gut vorstellen,
dass beide zu unterschiedlichen Ansichten kommen. Der eine sagt ja,
weil in beiden Ländern die Sprache, Religion, Kultur und weitgehend
auch die Geschichte dieselbe ist. Der andere sagt nein, weil beide
Völker durch eine Staatsgrenze getrennt sind, es zwei verschiedene
Hauptstädte gibt sowie verschiedene Nationalmannschaften in den
einzelnen Sportarten. Römer wie Griechen standen bei der
Germanenfrage wohl genau vor demselben Problem. Entschieden
wurde dieses Problem durch eine unterschiedliche Weltsicht. Darin ist
wohl die Lösung des Problems zu suchen und wohl auch zu finden.
Noch einen Aspekt zu den klassischen „Keltenländer“ England und
Irland. Neuste Forschungen auf Basis der Genetik haben ergeben,
dass dort keine Kelten gelebt haben! Dies hatte auch Caesar schon so
gesehen, doch dachte man bislang immer an Propaganda. Die Briten
hat er bekanntlich nie wie die Gallier beschrieben. Jetzt werden einige
einwenden, dass die Inselbewohner doch dieselbe Sprache gesprochen
haben, also indoeuropäisch. Dazu muss man folgendes wissen. In
vorrömischer Zeit war diese Sprache in vielen Teilen Europas die
Verkehrssprache Nummer eins. Das heißt, wer erfolgreich Handel
betreiben wollte, musste die Sprache des Kontinents beherrschen. Auf
den Inseln ist die indoeuropäische Sprache wohl schon seit der
zweiten Hälfte des 2.Jt.v.Chr. etabliert.
Daher kam es im Laufe von ein paar Jahrtausenden zu einer
Angleichung der Sprachen zwischen Insel- und Kontinentalbewohner.
Es war wohl so wie heute mit dem Englischen. Seit diese Sprache
Verkehrssprache Nummer eins geworden ist, finden sich innerhalb der
deutschen Sprache immer mehr Anglizismen. Es kann daher durchaus
passieren, dass, wenn dies so bleibt, in Deutschland irgendwann in
ferner Zukunft nur noch Englisch gesprochen wird, ohne dass es
jemals zu einer nennenswerten Einwanderung von Engländern nach
Deutschland gekommen ist. Auf den Inseln lebte demnach eine
keltisierte einheimische Bevölkerung!
7)
DAS
KELTISCHE
MÜNZWESEN
AM
MITTELRHEIN KURZ VOR ERSCHEINEN DER
ERSTEN RÖMER:
Hier wurde Silber schon im frühen 2.Jh.v.Chr. in großer Zahl geprägt
und Potin kommt schon in der zweiten Hälfte des 2.Jh.v.Chr. vor,
vereinzelt sogar früher. Die ältesten Münzen in diesem Gebiet waren
Potinmünzen der Leuci und Remi aus dem Ende des 2.Jh.v.Chr..
Während der Zeit des Gallischen Krieges lösten die Potinmünzen der
Treverer die Münzen der Leucer und Remi ab. Zwischen dem
Gallischen Krieg und der Ankunft der Römer am Rhein folgten
schließlich geprägte Bronzemünzen der Treverer mit Legenden. Sie
waren die Vertreter der letzten Phase der latènezeitlichen
Münzprägung am Mittelrhein.
Auf rechtsrheinischen Gebiet kommen die Potinmünzen der Leuci und
Remi vor allem im Rhein-Main-Gebiet nördlich des Mains vor.
Dagegen fehlen hier die Potins der Treverer völlig wie auch in der
Pfalz. Nur vom Dünsberg im mittleren Lahngebiet und von LünenBeckinghausen an der Lippe sind letztere bekanntgeworden. Dies
könnte damit zusammenhängen, dass das Heidetränkoppidum
Artaunon bei Oberursel im Vordertaunus schon am Übergang von
Latène D1 zu D2 um 85 v.Chr. unterging, also noch vor Entstehen der
Potins der Treverer. In Artaunon fand man bislang keine Münze, die
sicher in D1 datiert werden kann. So fällt die Produktion des
„Nauheimer Typus“ oder „Vogelmännchens“ wahrscheinlich schon
vor die Stufe D1 (ca.150 bis 85 v.Chr.). Das Münzspektrum außerhalb
des Oppidums sieht im übrigen genauso aus. Im gesamten RheinMain-Gebiet kommen auch kaum Münzen vor, die nach dem Ende
Artaunons entstanden sind. Mit dem Ende Artaunons hörten demnach
also die Einfuhr von fremden Münzen als auch die Prägung eigener
Münzen auf. Ähnliches gilt auch für die Pfalz mit dem Oppidum auf
dem Donnersberg als ihrem Zentrum. Es ging nämlich fast
gleichzeitig mit Artaunon zugrunde. Rheinhessen folgte erst später
derselben negativen Entwicklung.
Mit der letzten Stufe der Münzprägung rückt schließlich die Ostgrenze
der keltischen Münzwirtschaft weiter nach Westen zurück. Die
geprägten Bronzemünzen mit Legenden der Treverer kommen
weitgehend nur noch im Moseltal und Luxemburg vor. Sie waren
nämlich eher für den lokalen Gebrauch geeignet und eigneten sich
weniger für den Transport von größeren Barschaften über längere
Entfernungen. Auffällig bleibt jedoch, dass die nun fehlenden
Trevererprägungen in der Pfalz, Rheinhessen und Hessen nicht durch
neue lokal entstandenen Emissionen ersetzt wurden. Das Ende der
Oppidakultur am Mittelrhein brachte somit erhebliche wirtschaftliche
Umstellungen mit sich.
Die Münzgeldwirtschaft hörte gänzlich auf. Selbst der Umlauf des
noch vorhandenen Geldes kann nicht sehr intensiv gewesen sein, da er
kein neues aus den benachbarten Gebieten anzog. Die treverischen
Potins in Rheinhessen gelangten schon nicht mehr über den Rhein.
Selbst die spätesten Münzen vom Dünsberg, also die bronzenen
Dreiwirbelstatere des „Bochumer Typs“, die Silbermünzen mit dem
„tanzenden Männlein“ sowie der einzigen treverischen Potinmünze
aus Hessen tauchen mit einer Ausnahme im Rhein-Main-Gebiet nicht
mehr auf. Das Hauptverbreitungsgebiet des „Bochumer Typus“ lag im
Gebiet zwischen dem mittleren Lahntal und dem Niederrhein. Dies
weist auf eine Neuorientierung nach Norden hin, als die Verbindungen
nach Süden, also nach Artaunon, abbrachen. Diese Entwicklung
spiegelt auch der Fibeltyp Almgren 18a wider. Mit dem Ende
Artaunons wurde die Beweglichkeit der Münzen somit sehr stark
eingeschränkt. Hierbei könnte das Einsickern von „suebischen
Stammesgruppen“ aus dem Elbegebiet eine Rolle gespielt haben, die
unter Ariovist schon seit mindestens 72 v.Chr. in Gallien standen. 58
v.Chr. marschierte Caesar in Gallien ein und drängte die
rechtsrheinischen Stämme wieder über den Rhein zurück, 56/55
v.Chr. mussten die Usipeter und Tencterer dem suebischen Druck
nachgeben, nach 50 v.Chr. spalteten sich die Chatten von den am
Niederrhein ansässigen Bataver ab und wanderten ins mittlere Lahntal
ein und 19 v.Chr. mussten sich die Ubier über den Rhein um Köln
zurückziehen.
Ab der zweiten Hälfte des 1.Jh.v.Chr. sind elbgermanische
Hinterlassenschaften auch links des Rheins bekannt. Immerhin kamen
die Elbgermanen aus einem Gebiet, das keine Münzwirtschaft kannte.
Im Bereich des Dünsberges aber hielt sich wie erwähnt die
Münzwirtschaft obwohl hier Kelten und Germanen zusammenlebten.
Andererseits eröffnete diese Insel der Münzwirtschaft den Germanen
die Möglichkeit eben dieses erstmals kennenzulernen! Dennoch bleibt
eine Merkwürdigkeit. An der mittleren Lahn blieb das Oppidum der
Kelten samt Münzwirtschaft trotz der Anwesenheit von Elbgermanen
bestehen. Aber wieso ging dann das südlich gelegene Artaunon unter?
Was geschah zum gleichen Zeitpunkt südlich des Dünsberges? War
nun Artaunon schon vor Ankunft der ersten Germanen von den Kelten
verlassen worden oder zerstörten hier die anrückenden Germanen die
Münzwirtschaft? Aber warum dann auch nicht weiter nördlich? In
jedem Fall verlaufen insgesamt gesehen die germanischen Vorstöße
parallel zum Untergang der Oppida und deren Münzwirtschaft.
Obwohl der wichtige Salinebetrieb von Bad Nauheim bis zum
Erscheinen der ersten römischen Truppen fortbestand, findet man
selbst hier keine neuen Münzen! Interessant ist auch, dass sich das
Verbreitungsgebiet bestimmter Fibeltypen mit bestimmten Münztypen
deckt. Münzen als auch Fibeln weisen etwa zur selben Zeit
zunehmende Regionalität auf.
In Latène D2a (ca.85 bis 55 v.Chr.) hörte der Zufluss in die Pfalz und
das Rhein-Main-Gebiet endgültig auf. Gegen Ende, beziehungsweise
nach dem Ende des Gallischen Krieges wurde Rheinhessen ebenfalls
von der Münzwirtschaft abgekoppelt. Erst mit den augusteischen
Eroberungszügen gelangten nach langer Zeit keltische Münzen wieder
ins Rhein-Main-Gebiet. Ein Wiederaufleben der einheimischen
Münzwirtschaft fand aber nicht statt. Vor allem die sogenannten
Aduatuci-Kleinbronzen tauchten auf, die etwa im letzten Jahrzehnt
v.Chr. am Niederrhein geprägt wurden und zum normalen Umlauf in
Nordgallien gehörten.
In dieser Zeit fand schließlich auch die Münzwirtschaft auf dem
Dünsberg ihr Ende; denn das Münzspektrum von der hier
entstehenden augusteisch-/varianischen Römerstadt WaldgirmesDorlar aus dem ersten Jahrzehnt n.Chr. weist kaum
Überschneidungen mit dem des vom Dünsberg auf. AduatuciKleinbronzen und Lugdunum Altarasse finden sich nämlich nicht auf
dem Dünsberg und in Waldgirmes fehlt das „tanzende Männlein“
vom Dünsberg.
Die Bochumer Regenbogenschüsselchen sind auf dem Dünsberg
seltener als am Niederrhein. Die letzte Phase des Münzumlaufes um
den Dünsberg scheint demnach nicht sehr intensiv gewesen zu sein.
Eine Kontinuität bis zur Errichtung der frührömischen Stadt von
Waldgirmes scheint daher hier nicht vorzuliegen. Als sich Rom
schließlich 16/19 n.Chr. wieder über den Rhein zurückzog, brach der
Münzfluss erneut ab. Um 20/25 n.Chr. errichteten die Römer im
Untermaingebiet das Kastell von Hofheim. Es wurde zu einer ersten
Insel der römischen Münzwirtschaft in Hessen. Dennoch geriet
Hessen bis zur römischen Wiederbesetzung der Wetterau und der
Bergstraße unter Vespasian ab 70 n.Chr. ins numismatische Abseits.