PRIVATE CLIENTS April 2015 Sehr geehrte Damen und Herren, in Deutschland verbreitet sich die „Erbkrankheit“. Im nächsten Jahrzehnt werden zwei bis vier Billionen Euro in die nächste Generation weitergereicht – so heißt es. Wir werden eine Gesellschaft von Erben, der erhebliche Gefahren drohen, will man Julia Friedrichs und ihrem neuen Buch „Wir Erben“ glauben: Das viele Geld lähme die Erben. Sie seien mit dem Erwerb auch ausgesprochen unglücklich, weil es oftmals einen Ersatz für verweigerte Liebe darstelle, weil sie die damit einhergehende Verantwortung nicht tragen wollten, weil sie Erbschaftsteuer bezahlen wollten aber tatsächlich nicht zahlen müssten (wahrscheinlich aufgrund guter Beratung), und nicht zuletzt, weil sehr oft um das Erbe gestritten werden müsse. All diese Erkenntnisse von Julia Friedrichs, deren Buch ein großes Medienecho erfahren hat, sind für erfahrene Berater nicht neu. Sie treffen allerdings nicht auf alle Erbfälle und lebzeitige Nachfolgeregelungen zu. In 1 | Private Clients · April 2015 keinem Falle sind sie eine sachliche Basis, um das von unserer Verfassung gewährleistete Erbrecht in irgendeiner Weise einzuschränken – wie es bei Julia Friedrichs anklingt. Im Übrigen: Den am Erbe „erkrankten“ Erben kann geholfen werden: Derjenige, der das Erbe nicht annehmen will, wird vom Gesetz nicht gezwungen; er kann die Erbschaft ausschlagen oder sie annehmen und zum Beispiel gemeinnützigen Zwecken zuführen. Erben, die trotz verweigerter Liebe das Erbe annehmen oder einen Erbstreit durchfechten, werden gute Gründe dafür haben. Julia Friedrichs sieht neben der staatlich angeordneten Umverteilung einen Königsweg in der Entscheidung von Götz Werner, dem Gründer der Drogeriemarktkette dm. Er verwechsle Liebe nicht mit Geld. Er brachte sein Unternehmen in eine gemeinnützige Stiftung ein. Seine Kinder gehen leer aus. Für Julia Friedrichs ist dies der richtige Weg, weil er seinen Kindern die Last des Erbes genommen habe. Glaubt man ihrem Bericht, hat Götz Werner seine sieben Kinder nicht einmal in die Entscheidung eingebunden. Auf die Frage, ob seine Kinder deshalb nicht insgeheim wütend seien, antwortete er: „Ja und wenn, dann müssen sie sich halt dran gewöhnen“. Es bleibt Götz Werner nur zu wünschen, dass dieser Gewöhnungseffekt tatsächlich eintritt und seine Kinder nicht bei seinem Ableben das grundgesetzlich garantierte Pflichtteilsrecht durchsetzen. Oder hat er vielleicht doch Vorsorge getroffen und – auf welchem Wege auch immer – ein auskömmliches Erbe für seine Kinder sichergestellt? Mit besten Grüßen Ihr Wolfram Theiss Neuregelung der steuerlichen Selbstanzeige zum 01.01.2015 Zeitraum nicht mit der Dauer der Verjährung gleichgesetzt werden, sondern reicht stets weiter in die Vergangenheit zurück. Seit dem 01.01.2015 ist es soweit: Alle nun bei den Finanzbehörden eingehenden Selbstanzeigen entfalten die gewünschte strafbefreiende Wirkung nur noch unter „deutlich verschärften“ Bedingungen. Hintergrund der Änderung In den vergangenen Jahren wurde in großem Umfang von der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch gemacht; dies nicht zuletzt deshalb, weil ausländische Banken ihren Kunden vermehrt angekündigt haben, die Bankverbindung zu beenden, falls sie nicht zur Steuerehrlichkeit zurückkehren. Im Falle der Beendigung der Bankverbindung wäre das Guthaben per Scheck ausbezahlt worden. Daher blieb den Kunden praktisch keine andere Wahl als ihre steuerliche Situation in Deutschland mittels einer Selbstanzeige zu bereinigen. Die ausschließlich für den Bereich der Steuerhinterziehung bestehende Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige noch nachträglich einer Bestrafung entgehen zu können, stieß in den vergangenen Jahre vermehrt auf Unverständnis in Gesellschaft und Politik. Insbesondere für höhere Hinterziehungssummen sah man insoweit Änderungsbedarf. Nach heftigen Debatten während des vergangenen Jahres hat sich der Gesetzgeber auf eine Verschärfung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Selbstanzei2 | Private Clients · April 2015 ge geeinigt; die neuen Regelungen sind nun zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten. Für potentiell von der Neuregelung betroffene Privatpersonen wie auch für Unternehmensvertreter und deren Berater stellt sich vor diesem Hintergrund vor allem die Frage, unter welchen Umständen eine Selbstanzeige nach derzeitigem Recht für sie überhaupt noch möglich und empfehlenswert ist. Die Änderungen im Einzelnen Verlängerung des Vollständigkeitsgebots auf 10 Jahre Nach der bis zum Jahresende geltenden Rechtslage wurde dem Steuerpflichtigen Straffreiheit gewährt, wenn er alle bisher noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart aufgedeckt hat. Je nachdem, ob eine einfache oder eine schwere Steuerhinterziehung vorlag, beträgt die strafrechtliche Verjährung entweder fünf oder zehn Jahre. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die strafrechtliche Verjährung frühestens mit dem Erlass des Steuerbescheides für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu laufen beginnt; wird pflichtwidrig gar keine Erklärung abgegeben, beginnt die Verjährung erst dann, wenn die Veranlagungsarbeiten für das jeweilige Jahr im Wesentlichen abgeschlossen sind. Aus diesem Grund kann der strafrechtlich noch „offene“ Seit dem 01.01.2015 müssen Steuerpflichtige nun unabhängig hiervon nicht mehr nur alle strafrechtlich noch nicht verjährten Steuertaten, sondern in jedem Fall alle innerhalb der letzten zehn Jahre begangenen Steuerstraftaten der relevanten Steuerart aufdecken. Selbst dann, wenn die Verjährungsfrist nur fünf Jahre beträgt und somit alle vor diesem Zeitraum begangenen Steuerstraftaten strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden können, muss die Berichtigung also für die gesamten vor der Anzeige liegenden 10 Veranlagungszeiträume erfolgen. Für den Fall, dass weiter als zehn Jahre zurück liegende Taten begangen wurden, und diese ebenfalls strafrechtlich noch verfolgbar sind (was, wie oben beschrieben, insbesondere bei einer strafrechtlichen Verjährungsfrist von zehn Jahren der Fall sein wird), muss sich die Selbstanzeige weiterhin auch auf diese erstrecken. Die Auswirkungen der Erweiterung des Mindesterklärungszeitraums auf den tatsächlichen Umfang der Selbstanzeige dürften allerdings in einigen Fällen überschaubar sein. Bereits unter Geltung des bisherigen Rechts war es häufig empfehlenswert, die Selbstanzeige auf die gesamten vor der Anzeige liegenden 10 Veranlagungszeiträume zu erstrecken. Hintergrund ist die steuerrechtliche Verjährungsfrist. Diese betrug auch nach altem Recht in jedem Fall einer vorsätzlichen Steuerstraftat zehn Jahre. Die hinterzogenen Steuern konnten daher auch vor der Gesetzesänderung noch für Veranlagungszeiträume festgesetzt werden, bezüglich derer die Steuerstraftaten strafrechtlich bereits verjährt waren. Um insoweit eine – regelmäßig für den Steuerpflichtigen ungünstige Schätzung seitens des Finanzamtes zu verhindern, bot es sich in einigen Fällen an, die Angaben von vornherein auch auf die außerhalb der strafrechtlichen Verjährungsfrist liegenden Veranlagungszeiträume zu erstrecken, soweit für diese steuerrechtlich noch keine Verjährung eingetreten war (oder unmittelbar bevor stand). Der wichtigste Unterschied im Vergleich zu der heutigen Regelung ist in diesen Fällen daher eher qualitativer als quantitativer Natur: Da die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zu den hiervon betroffenen Jahren nunmehr auch für die Wirksamkeit der Selbstanzeige entscheidend sind, kann nun auch jeder Sorgfaltsfehler an dieser Stelle die strafbefreiende Wirkung gefährden. Finanzielle Verschärfungen Neben diesen erhöhten inhaltlichen Anforderungen wird die Selbstanzeige auch finanziell mit höheren Hürden versehen. Betroffene werden somit künftig in kurzer Zeit in erheblichem Umfang liquide Mittel bereitstellen müssen, um Straffreiheit zu erlangen. Bisher genügte es, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der von der Strafverfolgungsbehörde gesetzten Frist die hinterzogenen Steuern vollständig zurückgezahlt und ab einem Hinterziehungsbetrag von über EUR 50.000,00 eine Strafzahlung in Höhe von 5% des Hinterziehungsbetrages geleistet hat. Nun müssen zusätzlich auch die Nachzahlungs- und Hinterziehungszinsen innerhalb der Frist entrichtet werden. Darüber hinaus werden zur Erlangung von Straffreiheit bereits ab einem hinterzogenen Betrag von 25.000 Euro je Steuerart und Jahr erhöhte Zuschläge fällig. Diese Zuschläge betragen im Einzelnen: ▪▪ 10 Prozent des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser 25.000 Euro bis 100.000 Euro beträgt ▪▪ 15 Prozent des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser über 100.000 Euro beträgt und ▪▪ 20 Prozentes des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser über 1.000.000 Euro beträgt. Sind mehrere Personen an der Tat als Steuerhinterzieher, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, sind die Zuschläge von jedem Beteiligten in voller Höhe zu entrichten. 3 | Private Clients · April 2015 Änderungen im Bereich der Sperrgründe In bestimmten Fallkonstellationen ist nach dem Gesetz eine Selbstanzeige ausgeschlossen. Auch im Bereich dieser sog. Sperrgründe wurden zum 01.01.2015 Änderungen vorgenommen. Zum ganz überwiegenden Teil beinhalten diese eine Ausweitung der bestehenden Sperrgründe. Zudem wurde ein neuer Sperrgrund ins Gesetz aufgenommen. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung Wie bisher ist die Selbstanzeige bei Bekanntgabe der Anordnung einer Außenprüfung ausgeschlossen. Mit Eingang des Schreibens des Finanzamtes, mit dem mitgeteilt wird, dass eine Außenprüfung angeordnet ist und wann diese durchgeführt wird, ist keine Selbstanzeige mehr möglich. Neu ist seit dem 01.01.2015 jedoch, dass der Ausschluss nicht nur dann greift, wenn dem Täter oder dessen Vertreter die Anordnung der Außenprüfung bekannt gegeben wird; eine Selbstanzeige scheidet nunmehr bereits dann aus, wenn die Bekanntgabe gegenüber einem anderen Beteiligten oder dem Begünstigten bzw. deren jeweiligem Vertreter erfolgt. Die Sperrwirkung tritt dann gegenüber allen an der Hinterziehung beteiligen Personen ein, unabhängig davon, ob sie von der Bekanntgabe gegenüber einem anderen Beteiligten Kenntnis haben oder nicht. Die Sperrwirkung beschränkt sich nach der Neuregelung allerdings auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung. Eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung bleibt daher möglich in Bezug auf Steuerstraftaten, die vor oder nach dem von der Außenprüfung betroffenen Zeitraum begangen wurden. Dies gilt auch dann, wenn sowohl innerhalb als auch außerhalb des geprüften Zeitraumes Steuerstraftaten begangen wurden. In dieser Fallkonstellation besteht also ausnahmsweise die Möglichkeit einer strafbefreienden Teilselbstanzeige in Bezug auf die außerhalb des Außenprüfungszeitraumes liegenden Taten. Bei Eingang einer Prüfungsankündigung sollte die Selbstanzeige für die nicht von der Sperrwirkung betroffe- nen Zeiträume möglichst kurzfristig abgegeben werden, da das Risiko der Tatentdeckung mit Beginn der Prüfung – insbesondere bei engem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang zu dem geprüften Zeitraum – erheblich steigt und bei Tatentdeckung wiederum ein eigenständiger Sperrgrund erfüllt wäre. Keine Selbstanzeige bei Straf- oder Bußgeldverfahren Die Bekanntgabe eines Straf- oder Bußgeldverfahrens hat bisher nur dann Sperrwirkung entfaltet, wenn die Bekanntgabe gegenüber dem Täter oder dessen Vertreter erfolgte. Seit dem 01.01.2015 ist auch hier die Selbstanzeige für alle Beteiligten bereits dann ausgeschlossen, wenn die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens gegenüber einem an der Tat Beteiligten, also Täter, Mittäter, Gehilfe oder Anstifter, oder seinem Vertreter bekannt gegeben wurde. Die zeitliche und sachliche Reichweite des Sperrgrundes blieb hier jedoch – anders als bei der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung – unverändert, d.h. sie ist nicht auf den zeitlichen und sachlichen Umfang des Ermittlungsverfahrens beschränkt, sondern umfasst alle Taten mit Bezug auf die Steuerart, für die das Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurde. Neuer Sperrgrund bei sämtlichen Formen steuerrechtlicher Nachschau Neu eingeführt wurde, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige auch dann ausscheidet, wenn ein Amtsträger zu einer Umsatzsteuernachschau, Lohnsteuernachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist. Der Sperrgrund greift ein, sobald der Betroffene dadurch Kenntnis von der Prüfung erlangt, dass sich der Amtsträger entsprechend ausweist. Wie in den Fällen, in denen ein Amtsträger zur Außenprüfung erscheint, gilt der Sperrgrund nur für die von der Nachschau betroffene Steuerart sowie die betroffenen Steuerpflichtigen. Erleichterungen bei falschen Umsatzund Lohnsteueranmeldungen: Neue Möglichkeit der Teilselbstanzeige Erleichtert wird die Selbstanzeige bei falschen Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen. Hier ist ab sofort auch eine strafbefreiende Teilselbstanzeige möglich. Beruht die Steuerhinterziehung auf der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen und vollständigen Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung, kann durch das Nachholen oder die Berichtigung einzelner Voranmeldungen Straffreiheit für den betroffenen Zeitraum eintreten. Dabei muss keine Berichtigung des gesamten Zehnjahreszeitraum erfolgen. Bei der Korrektur einer Jahresmeldung bleibt es dagegen grundsätzlich dabei, dass der volle Zehnjahreszeitraum zu korrigieren ist. Lediglich in dem Fall, dass für den auf das betroffene Kalenderjahr folgenden Zeitraum bereits neue fehlerhafte Voranmeldungen abgegeben, die im Rahmen der Korrektur der Jahresmeldung jedoch nicht mitkorrigiert wurden, stünde dies der Straffrei- heit in Bezug auf die Jahresmeldung nicht entgegen. Fazit: Genaue Prüfung der informatorischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie Abstimmung aller Beteiligten zu empfehlen Dass die neue Regelung tatsächlich, wie teilweise befürchtet, zu einer faktischen Abschaffung der Selbstanzeige führt, ist sicher nicht zu erwarten. Den Betroffenen ist jedoch in jedem Fall dringend zu empfehlen, nicht nur den Sachverhalt sorgfältig aufzuarbeiten und darzulegen, sondern im Vorfeld der Selbstanzeige auch die finanziellen Voraussetzungen einer Straffreistellung sorgfältig ermitteln zu lassen und zu prüfen, ob die notwendige Liquidität zur Verfügung steht. Durch die Ausweitung der Sperrgründe bei Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen oder der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf alle sonstigen Beteiligten wird zudem auch die strategische Abstimmung im Kreise aller (potentiell) Betroffenen in Zukunft unverzichtbar sein. Autor: [email protected] Steuerneutrale Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften BFH schafft Rechtssicherheit: Übertragung von Personengesellschaftsanteilen ist auch bei vorheriger Veräußerung von Wirtschaftsgütern steuerneutral möglich Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft unentgeltlich übertragen, z.B. im Rahmen der vorweggenommen Unternehmensnachfolge, kann dies nach § 6 Abs. 3 EStG steuerneutral, d.h. ohne die Aufdeckung stiller Reserven, erfolgen. Voraussetzung hierfür ist, dass das gesamte Betriebsvermögen übertragen wird, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Dies stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem aktuell veröffentlichten Urteil vom 09.12.2014 (IV R 29/14) nochmals klar. Zugleich entschied der BFH, dass eine vor der Übertragung erfolgte Veräußerung von Wirtschaftsgütern – hier von solchen des Sonderbetriebsvermögens – der steuerneutralen Übertragung des danach verbleibenden Mitunternehmeranteils nicht entgegensteht. Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung – entgegen der Finanzverwaltung Mit dieser Entscheidung setzt der 4. Senat des BFH seine bisherige Rechtsprechung konsequent fort. Bereits in seinem Urteil vom 02.08.2012 (IV R 4 | Private Clients · April 2015 41/11) hatte er entschieden, dass eine steuerneutrale Übertragung von Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 3 EStG nicht dadurch verhindert wird, dass vorher eine im Sonderbetriebsvermögen gehaltene wesentliche Betriebsgrundlage zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf einen Dritten (konkret auf eine Schwesterpersonengesellschaft) übertragen worden ist. Die Anwendung dieser Entscheidung wird allerdings von der Finanzverwaltung derzeit ausdrücklich abgelehnt (BMF-Schreiben vom 12.09.2013). Die Finanzverwaltung wartet hier die noch ausstehende Entscheidung des 1. Senats des BFH ab (I R 80/12). Dieser muss noch über den vergleichbaren Fall entscheiden, ob eine Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 20 UmwStG auch dann noch steuerneutral erfolgen kann, wenn zuvor einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (hier: ein Grundstück) steuerneutral in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wurden. Keine Anwendung der sog. Gesamtplanrechtsprechung für Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der 4. Senat des BFH die vom Finanzamt ins Feld geführte Anwendung der sog. Gesamtplanrechtsprechung für Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG ablehnt. Diese sei für die Anwendung der Steuerbegünstigungen auf Veräußerungsgewinne i.S.d. §§ 16, 34 EStG entwickelt worden, deren Inanspruchnahme die Aufdeckung aller stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang voraussetze. In diesen Fällen stünde die kurz vor einer Veräußerung des Betriebs stattfindende Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen ohne Aufdeckung der in ihnen gebundenen stillen Reserven der Anwendung der Tarifbegünstigung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns dann entgegen, wenn beide Vorgänge auf einem vorher gefassten Plan beruhten. Auf die Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG könnten diese Grundsätze deshalb nicht übertragen werden, weil die Buchwertfortführung infolge einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils der Sicherung der Liquidität der nach dem Rechtsträgerwechsel fortgeführten betrieblichen Einheit bei gleichzeitiger Sicherstellung der künftigen Besteuerung der stillen Reserven zum Ziel hat. Sie setze daher nur voraus, dass im Zeitpunkt der Übertragung eine solche funktionsfähige betriebliche Einheit besteht. Welchen Umfang das Betriebsvermögen vor der Übertragung hatte, ist für die Verwirklichung des Zwecks ohne Bedeutung. Fazit – mehr Rechtssicherheit bei unentgeltlichen Unternehmensübertragungen und anderen Umstrukturierungen Werden vor einer Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt, ist die künftige Steuerverhaftung der in diesen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven sichergestellt. Aus denselben Gründen wie in dem vom 4. Senat entschiedenen Fall könnte somit auch die Steuerneutralität der nachfolgenden Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft bejaht werden. Es spricht daher viel dafür, dass sich der 1. Senat der Ar- gumentation des 4. Senats anschließt. Dies würde nicht nur unentgeltliche Unternehmensübertragungen, sondern auch andere Umstrukturierungen in Zukunft erheblich rechtssicherer machen. Autor: [email protected] Aktuelles zur Haftung von Stiftungsorganen BGH korrigiert OLG Oldenburg des OLG, die im Ergebnis zu einer Anspruchskürzung zu Lasten der Stiftung führte, erschien fragwürdig (vgl. unsere Private Clients News Oktober 2014). Korrektur durch den BGH: Keine Kürzung wegen Mitverschulden bestimmte, vom Kuratorium festgelegte Grenze nicht zu überschreiten. Mit Urteil vom 20.11.2014 (III ZR 509/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG) vom 08.11.2013 zur Haftung von Stiftungsorganen (6 U 50/13) aufgehoben. OLG: Um Mitverschulden des Kuratoriums gekürzter Schadensersatzanspruch In dem Fall ging es um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, mit einem Vorstand und einem Kuratorium als Aufsichtsorgan. Während der Amtszeit der Vorstandes wurde das Stiftungsvermögen durch Verluste bei der Vermögensverwaltung und durch Entnahmen um rund EUR 6 Mio. verringert. Der Vorstand war nach Stiftungssatzung, Anstellungsvertrag und Landestiftungsgesetz verpflichtet, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Zudem verpflichtete er sich, bei Entnahmen eine Das OLG hat eine Pflichtverletzung des Vorstandes und eine Schadensersatzpflicht gegenüber der klagenden Stiftung bejaht. Allerdings hat es die Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen den Vorstand um 50 % gekürzt, wegen Mitverschuldens des Kuratoriums, das nach der Satzung den Vorstand zu überwachen hatte. Das Kuratorium habe versäumt, dem Vorstand klare Weisungen zu erteilen, obwohl ihm die Verluste bei der Vermögensverwaltung und die Überentnahmen bekannt waren. Diese Rechtsauffassung 5 | Private Clients · April 2015 Die Stiftung wollte die Kürzung durch das OLG nicht hinnehmen. Im Revisionsverfahren hat der BGH die Entscheidung des OLG korrigiert und festgestellt, dass ein Stiftungsvorstand, der von der Stiftung wegen Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, der Stiftung gegenüber nicht einwenden kann, für den von ihm herbeigeführten Schaden sei ein anderes Stiftungsorgan mitverantwortlich. Grundsätze der Organhaftung bei juristischen Personen Zur Begründung seiner Entscheidung hat der BGH auf die Grundsätze der Organhaftung bei juristischen Personen verwiesen. In einer juristischen Person stehen die Pflichten der handelnden Organe nebeneinander. Jedes Organ ist für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen und satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich. Jedes Organ hat deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen. Kein Organ kann der juristischen Person gegenüber einwenden, seine Ersatz- pflicht sei gemindert, weil ein anderes Organ für den Schaden mitverantwortlich sei. Geltung auch in einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts Diese Grundsätze zur Organhaftung in der juristischen Person gelten auch in einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts. Wenn zwei Organe einer Stiftung, hier der Vorstand und das Kuratorium, die Stiftung schädigen, haften sie gleichrangig für den entstandenen Schaden und damit als Gesamtschuldner. Sie können sich zur Verminderung der eigenen Haftung nicht auf das Mitverschulden des anderen Gesamtschuldners berufen. Sie sind darauf verwiesen, bei dem anderen Gesamtschuldner, dem anderen haftenden Organ der Stiftung, Rückgriff zu nehmen. Etwaige Weisungen Kuratoriums des Interessant ist eine etwas versteckte Einschränkung des BGH. Eine Anspruchskürzung soll nicht allein damit begründet werden können, dass nach der Stiftungssatzung das Kuratorium gegenüber dem Vorstand weisungsbefugt ist. Denn konkrete Weisungen konnten tatsächlich nicht festgestellt werden. Hätte das Kuratorium dem Vorstand allerdings Weisungen erteilt und der Vorstand danach gehandelt, hätte dies ein Verschulden des Vorstandes und damit seine Haftung ausschließen können. Die Verletzung bloßer Überwachungspflichten durch ein an- deres Stiftungsorgan ist für die Haftung des Vorstands gegenüber der Stiftung allerdings unbeachtlich und führt nicht dazu, dass der Stiftung ein Mitverschulden entgegengehalten werden kann. Fazit Der BGH hat klargestellt: Die Haftung eines Stiftungsorgans gegenüber der Stiftung ist nicht deshalb herabgesetzt, weil ein weiteres Organ den Schaden mitverschuldet hat. Auch in der Stiftung gelten die Grundsätze gesamtschuldnerischer Haftung: Mehrere Schädiger haften jeweils voll. Der Geschädigte darf nicht schlechter gestellt werden, nur weil es mehrere Schädiger gibt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn für mehrere Organe verschiedene Haftungsmaßstäbe gelten. Dann stellt sich die rechtlich diffizile Folgefrage, wie dies im Mehrpersonenverhältnis zu berücksichtigen ist. In einer solchen Konstellation kann es im Einzelfall angemessen sein, den Anspruch der Stiftung gegen ein Stiftungsorgan zu kürzen. Der BGH skizziert in seiner Entscheidung eine Möglichkeit, wie Vorstände in Stiftungen mit Aufsichtsorganen einer Haftung vorbeugen können. Handelt der Vorstand auf Weisung des Aufsichtsorgans, kann dies nach dem BGH sein Verschulden und damit seine Haftung ausschließen. Ist das Aufsichtsorgan also befugt, dem Vorstand Weisungen zu erteilen, kann der Vorstand (z.B. bei unsicherer Entscheidungslage) sein Haftungsrisiko reduzieren, indem er eine Weisung des Aufsichtsorgans einholt und entsprechend befolgt. Ein weiterer gangbarer Weg zur Haftungsvermeidung kann die Entlastung sein. Die Wirkung einer Entlastung war zwar bislang umstritten, wobei gute Argumente für eine Verzichtswirkung sprechen, vor allem wenn die Satzung ein Organ zur Entlastung befugt. Mit dem OLG hat sich erstmals ein Gericht zur Wirkung der Entlastung eines Stiftungsorgans geäußert und ausdrücklich Verzichtswirkung angenommen. Insoweit ist die Entscheidung des OLG vom BGH zwar nicht bestätigt, aber auch nicht korrigiert worden. Mitgliedern von Stiftungsorganen kann daher im eigenen Interesse nur weiter geraten werden, vorsorglich eine Entlastung zu beantragen und dabei alle Umstände offenzulegen, die einen Schadensersatzanspruch begründen könnten. Das Urteil des BGH dürfte nicht die letzte gerichtliche Entscheidung zur Haftung von Stiftungsorganen sein, auch nicht in dem konkreten Fall: Da das OLG ein Mitverschulden des Kuratoriums festgestellt hat, dieses Mitverschulden jedoch die volle, gesamtschuldnerische Haftung des Vorstandes unberührt lässt, wird es darauf ankommen, inwieweit die Stiftung den ihr zugesprochenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Vorstand durchsetzen kann. Ersetzt der Vorstand den Schaden vollständig, wird er versuchen, Rückgriff bei dem Kuratorium zu nehmen. Bleibt die Stiftung auf einem Teil ihres Schadens sitzen, wird sie sich an das Kuratorium wenden. Autor: [email protected] Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: Noerr LLP Brienner Straße 28 80333 München Dr. Caroline Picot Rechtsanwältin Fachanwältin für Steuerrecht T +49 89 28628521 [email protected] Dr. Frank Schuck Rechtsanwalt T +49 89 28628521 [email protected] www.noerr.com Die Informationen in diesem Newsletter ersetzen nicht die Beratung im Einzelfall. © Noerr LLP 2015 6 | Private Clients · April 2015
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