Private Clients Newsletter April 2015

PRIVATE CLIENTS
April 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Deutschland verbreitet sich die
„Erbkrankheit“. Im nächsten Jahrzehnt
werden zwei bis vier Billionen Euro
in die nächste Generation weitergereicht – so heißt es. Wir werden eine
Gesellschaft von Erben, der erhebliche Gefahren drohen, will man Julia
Friedrichs und ihrem neuen Buch „Wir
Erben“ glauben: Das viele Geld lähme
die Erben. Sie seien mit dem Erwerb
auch ausgesprochen unglücklich, weil
es oftmals einen Ersatz für verweigerte Liebe darstelle, weil sie die damit
einhergehende Verantwortung nicht
tragen wollten, weil sie Erbschaftsteuer bezahlen wollten aber tatsächlich nicht zahlen müssten (wahrscheinlich aufgrund guter Beratung), und
nicht zuletzt, weil sehr oft um das Erbe
gestritten werden müsse.
All diese Erkenntnisse von Julia Friedrichs, deren Buch ein großes Medienecho erfahren hat, sind für erfahrene Berater nicht neu. Sie treffen
allerdings nicht auf alle Erbfälle und
lebzeitige Nachfolgeregelungen zu. In
1 | Private Clients · April 2015
keinem Falle sind sie eine sachliche
Basis, um das von unserer Verfassung
gewährleistete Erbrecht in irgendeiner Weise einzuschränken – wie es bei
Julia Friedrichs anklingt. Im Übrigen:
Den am Erbe „erkrankten“ Erben kann
geholfen werden: Derjenige, der das
Erbe nicht annehmen will, wird vom
Gesetz nicht gezwungen; er kann die
Erbschaft ausschlagen oder sie annehmen und zum Beispiel gemeinnützigen
Zwecken zuführen. Erben, die trotz
verweigerter Liebe das Erbe annehmen oder einen Erbstreit durchfechten, werden gute Gründe dafür haben.
Julia Friedrichs sieht neben der staatlich angeordneten Umverteilung einen
Königsweg in der Entscheidung von
Götz Werner, dem Gründer der Drogeriemarktkette dm. Er verwechsle Liebe
nicht mit Geld. Er brachte sein Unternehmen in eine gemeinnützige Stiftung ein. Seine Kinder gehen leer aus.
Für Julia Friedrichs ist dies der richtige
Weg, weil er seinen Kindern die Last
des Erbes genommen habe. Glaubt
man ihrem Bericht, hat Götz Werner
seine sieben Kinder nicht einmal in die
Entscheidung eingebunden. Auf die
Frage, ob seine Kinder deshalb nicht
insgeheim wütend seien, antwortete
er: „Ja und wenn, dann müssen sie sich
halt dran gewöhnen“. Es bleibt Götz
Werner nur zu wünschen, dass dieser
Gewöhnungseffekt tatsächlich eintritt
und seine Kinder nicht bei seinem Ableben das grundgesetzlich garantierte
Pflichtteilsrecht durchsetzen. Oder hat
er vielleicht doch Vorsorge getroffen
und – auf welchem Wege auch immer
– ein auskömmliches Erbe für seine
Kinder sichergestellt?
Mit besten Grüßen
Ihr Wolfram Theiss
Neuregelung der steuerlichen Selbstanzeige zum
01.01.2015
Zeitraum nicht mit der Dauer der Verjährung gleichgesetzt werden, sondern
reicht stets weiter in die Vergangenheit
zurück.
Seit dem 01.01.2015 ist es soweit: Alle
nun bei den Finanzbehörden eingehenden Selbstanzeigen entfalten die
gewünschte strafbefreiende Wirkung
nur noch unter „deutlich verschärften“
Bedingungen.
Hintergrund der Änderung
In den vergangenen Jahren wurde in
großem Umfang von der Möglichkeit
der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch gemacht; dies nicht zuletzt deshalb, weil ausländische Banken ihren
Kunden vermehrt angekündigt haben,
die Bankverbindung zu beenden, falls
sie nicht zur Steuerehrlichkeit zurückkehren. Im Falle der Beendigung der
Bankverbindung wäre das Guthaben
per Scheck ausbezahlt worden. Daher
blieb den Kunden praktisch keine andere Wahl als ihre steuerliche Situation in
Deutschland mittels einer Selbstanzeige zu bereinigen.
Die ausschließlich für den Bereich
der Steuerhinterziehung bestehende
Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige
noch
nachträglich
einer
Bestrafung entgehen zu können, stieß
in den vergangenen Jahre vermehrt
auf Unverständnis in Gesellschaft
und Politik. Insbesondere für höhere
Hinterziehungssummen
sah
man
insoweit
Änderungsbedarf.
Nach
heftigen Debatten während des vergangenen Jahres hat sich der Gesetzgeber
auf eine Verschärfung der gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Selbstanzei2 | Private Clients · April 2015
ge geeinigt; die neuen Regelungen sind
nun zu Beginn dieses Jahres in Kraft
getreten.
Für potentiell von der Neuregelung
betroffene Privatpersonen wie auch
für Unternehmensvertreter und deren
Berater stellt sich vor diesem Hintergrund vor allem die Frage, unter welchen Umständen eine Selbstanzeige
nach derzeitigem Recht für sie überhaupt noch möglich und empfehlenswert ist.
Die Änderungen im Einzelnen
Verlängerung des Vollständigkeitsgebots auf 10 Jahre
Nach der bis zum Jahresende geltenden Rechtslage wurde dem Steuerpflichtigen Straffreiheit gewährt, wenn
er alle bisher noch nicht verjährten
Steuerstraftaten einer Steuerart aufgedeckt hat. Je nachdem, ob eine einfache oder eine schwere Steuerhinterziehung vorlag, beträgt die strafrechtliche
Verjährung entweder fünf oder zehn
Jahre. Hierbei ist jedoch zu beachten,
dass die strafrechtliche Verjährung
frühestens mit dem Erlass des Steuerbescheides für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu laufen beginnt;
wird pflichtwidrig gar keine Erklärung
abgegeben, beginnt die Verjährung erst
dann, wenn die Veranlagungsarbeiten
für das jeweilige Jahr im Wesentlichen
abgeschlossen sind. Aus diesem Grund
kann der strafrechtlich noch „offene“
Seit dem 01.01.2015 müssen Steuerpflichtige nun unabhängig hiervon
nicht mehr nur alle strafrechtlich noch
nicht verjährten Steuertaten, sondern
in jedem Fall alle innerhalb der letzten
zehn Jahre begangenen Steuerstraftaten der relevanten Steuerart aufdecken. Selbst dann, wenn die Verjährungsfrist nur fünf Jahre beträgt und
somit alle vor diesem Zeitraum begangenen Steuerstraftaten strafrechtlich
nicht mehr verfolgt werden können,
muss die Berichtigung also für die gesamten vor der Anzeige liegenden 10
Veranlagungszeiträume erfolgen. Für
den Fall, dass weiter als zehn Jahre
zurück liegende Taten begangen wurden, und diese ebenfalls strafrechtlich
noch verfolgbar sind (was, wie oben
beschrieben, insbesondere bei einer
strafrechtlichen Verjährungsfrist von
zehn Jahren der Fall sein wird), muss
sich die Selbstanzeige weiterhin auch
auf diese erstrecken.
Die Auswirkungen der Erweiterung des
Mindesterklärungszeitraums auf den
tatsächlichen Umfang der Selbstanzeige dürften allerdings in einigen Fällen überschaubar sein. Bereits unter
Geltung des bisherigen Rechts war es
häufig empfehlenswert, die Selbstanzeige auf die gesamten vor der Anzeige
liegenden 10 Veranlagungszeiträume
zu erstrecken. Hintergrund ist die steuerrechtliche Verjährungsfrist. Diese betrug auch nach altem Recht in jedem
Fall einer vorsätzlichen Steuerstraftat
zehn Jahre. Die hinterzogenen Steuern
konnten daher auch vor der Gesetzesänderung noch für Veranlagungszeiträume festgesetzt werden, bezüglich
derer die Steuerstraftaten strafrechtlich bereits verjährt waren.
Um insoweit eine – regelmäßig für
den Steuerpflichtigen ungünstige Schätzung seitens des Finanzamtes
zu verhindern, bot es sich in einigen
Fällen an, die Angaben von vornherein auch auf die außerhalb der strafrechtlichen Verjährungsfrist liegenden
Veranlagungszeiträume zu erstrecken,
soweit für diese steuerrechtlich noch
keine Verjährung eingetreten war
(oder unmittelbar bevor stand).
Der wichtigste Unterschied im
Vergleich zu der heutigen Regelung ist in diesen Fällen daher eher
qualitativer als quantitativer Natur: Da
die Vollständigkeit und Richtigkeit der
Angaben zu den hiervon betroffenen Jahren nunmehr auch für
die Wirksamkeit der Selbstanzeige
entscheidend sind, kann nun auch jeder
Sorgfaltsfehler an dieser Stelle die
strafbefreiende Wirkung gefährden.
Finanzielle Verschärfungen
Neben diesen erhöhten inhaltlichen
Anforderungen wird die Selbstanzeige
auch finanziell mit höheren Hürden
versehen. Betroffene werden somit
künftig in kurzer Zeit in erheblichem
Umfang liquide Mittel bereitstellen
müssen, um Straffreiheit zu erlangen.
Bisher genügte es, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der von der
Strafverfolgungsbehörde
gesetzten Frist die hinterzogenen Steuern
vollständig zurückgezahlt und ab einem
Hinterziehungsbetrag
von
über
EUR 50.000,00 eine Strafzahlung in
Höhe von 5% des Hinterziehungsbetrages geleistet hat. Nun müssen
zusätzlich auch die Nachzahlungs- und
Hinterziehungszinsen innerhalb der
Frist entrichtet werden. Darüber hinaus
werden zur Erlangung von Straffreiheit
bereits ab einem hinterzogenen Betrag
von 25.000 Euro je Steuerart und Jahr
erhöhte Zuschläge fällig.
Diese Zuschläge betragen im Einzelnen:
▪▪ 10 Prozent des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser 25.000
Euro bis 100.000 Euro beträgt
▪▪ 15 Prozent des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser über
100.000 Euro beträgt und
▪▪ 20 Prozentes des Hinterziehungsbetrages, wenn dieser
über 1.000.000 Euro beträgt.
Sind mehrere Personen an der Tat als
Steuerhinterzieher, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, sind die Zuschläge von
jedem Beteiligten in voller Höhe zu entrichten.
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Änderungen im Bereich der
Sperrgründe
In bestimmten Fallkonstellationen ist
nach dem Gesetz eine Selbstanzeige ausgeschlossen. Auch im Bereich
dieser sog. Sperrgründe wurden zum
01.01.2015 Änderungen vorgenommen. Zum ganz überwiegenden Teil
beinhalten diese eine Ausweitung der
bestehenden Sperrgründe. Zudem
wurde ein neuer Sperrgrund ins Gesetz
aufgenommen.
Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
Wie bisher ist die Selbstanzeige bei
Bekanntgabe der Anordnung einer
Außenprüfung ausgeschlossen. Mit
Eingang des Schreibens des Finanzamtes, mit dem mitgeteilt wird, dass
eine Außenprüfung angeordnet ist und
wann diese durchgeführt wird, ist keine Selbstanzeige mehr möglich. Neu ist
seit dem 01.01.2015 jedoch, dass der
Ausschluss nicht nur dann greift, wenn
dem Täter oder dessen Vertreter die
Anordnung der Außenprüfung bekannt
gegeben wird; eine Selbstanzeige scheidet nunmehr bereits dann aus, wenn
die Bekanntgabe gegenüber einem
anderen Beteiligten oder dem Begünstigten bzw. deren jeweiligem Vertreter
erfolgt. Die Sperrwirkung tritt dann
gegenüber allen an der Hinterziehung
beteiligen Personen ein, unabhängig
davon, ob sie von der Bekanntgabe
gegenüber einem anderen Beteiligten
Kenntnis haben oder nicht.
Die Sperrwirkung beschränkt sich nach
der Neuregelung allerdings auf den
sachlichen und zeitlichen Umfang der
angekündigten Außenprüfung. Eine
Selbstanzeige mit strafbefreiender
Wirkung bleibt daher möglich in Bezug auf Steuerstraftaten, die vor oder
nach dem von der Außenprüfung betroffenen Zeitraum begangen wurden.
Dies gilt auch dann, wenn sowohl innerhalb als auch außerhalb des geprüften Zeitraumes Steuerstraftaten
begangen wurden. In dieser Fallkonstellation besteht also ausnahmsweise
die Möglichkeit einer strafbefreienden
Teilselbstanzeige in Bezug auf die außerhalb des Außenprüfungszeitraumes
liegenden Taten.
Bei Eingang einer Prüfungsankündigung sollte die Selbstanzeige für die
nicht von der Sperrwirkung betroffe-
nen Zeiträume möglichst kurzfristig
abgegeben werden, da das Risiko der
Tatentdeckung mit Beginn der Prüfung
– insbesondere bei engem sachlichen
oder zeitlichen Zusammenhang zu dem
geprüften Zeitraum – erheblich steigt
und bei Tatentdeckung wiederum ein
eigenständiger Sperrgrund erfüllt wäre.
Keine Selbstanzeige bei Straf- oder
Bußgeldverfahren
Die Bekanntgabe eines Straf- oder Bußgeldverfahrens hat bisher nur dann
Sperrwirkung entfaltet, wenn die Bekanntgabe gegenüber dem Täter oder
dessen Vertreter erfolgte. Seit dem
01.01.2015 ist auch hier die Selbstanzeige für alle Beteiligten bereits dann
ausgeschlossen, wenn die Einleitung
eines Straf- oder Bußgeldverfahrens
gegenüber einem an der Tat Beteiligten, also Täter, Mittäter, Gehilfe oder
Anstifter, oder seinem Vertreter bekannt gegeben wurde. Die zeitliche und
sachliche Reichweite des Sperrgrundes
blieb hier jedoch – anders als bei der
Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
– unverändert, d.h. sie ist nicht auf den
zeitlichen und sachlichen Umfang des
Ermittlungsverfahrens beschränkt, sondern umfasst alle Taten mit Bezug auf
die Steuerart, für die das Straf- oder
Bußgeldverfahren eingeleitet wurde.
Neuer Sperrgrund bei sämtlichen
Formen steuerrechtlicher Nachschau
Neu eingeführt wurde, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige auch dann
ausscheidet, wenn ein Amtsträger zu
einer Umsatzsteuernachschau, Lohnsteuernachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen
Vorschriften erschienen ist. Der Sperrgrund greift ein, sobald der Betroffene dadurch Kenntnis von der Prüfung
erlangt, dass sich der Amtsträger entsprechend ausweist. Wie in den Fällen,
in denen ein Amtsträger zur Außenprüfung erscheint, gilt der Sperrgrund
nur für die von der Nachschau betroffene Steuerart sowie die betroffenen
Steuerpflichtigen.
Erleichterungen bei falschen Umsatzund Lohnsteueranmeldungen: Neue
Möglichkeit der Teilselbstanzeige
Erleichtert wird die Selbstanzeige bei
falschen Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen. Hier
ist ab sofort auch eine strafbefreiende
Teilselbstanzeige möglich. Beruht die
Steuerhinterziehung auf der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen und
vollständigen Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung, kann durch das Nachholen oder die Berichtigung einzelner
Voranmeldungen Straffreiheit für den
betroffenen Zeitraum eintreten. Dabei
muss keine Berichtigung des gesamten
Zehnjahreszeitraum erfolgen. Bei der
Korrektur einer Jahresmeldung bleibt
es dagegen grundsätzlich dabei, dass
der volle Zehnjahreszeitraum zu korrigieren ist. Lediglich in dem Fall, dass
für den auf das betroffene Kalenderjahr folgenden Zeitraum bereits neue
fehlerhafte Voranmeldungen abgegeben, die im Rahmen der Korrektur der
Jahresmeldung jedoch nicht mitkorrigiert wurden, stünde dies der Straffrei-
heit in Bezug auf die Jahresmeldung
nicht entgegen.
Fazit: Genaue Prüfung der
informatorischen und wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit sowie Abstimmung aller
Beteiligten zu empfehlen
Dass die neue Regelung tatsächlich,
wie teilweise befürchtet, zu einer faktischen Abschaffung der Selbstanzeige
führt, ist sicher nicht zu erwarten. Den
Betroffenen ist jedoch in jedem Fall
dringend zu empfehlen, nicht nur den
Sachverhalt sorgfältig aufzuarbeiten
und darzulegen, sondern im Vorfeld
der Selbstanzeige auch die finanziellen
Voraussetzungen einer Straffreistellung
sorgfältig ermitteln zu lassen und zu
prüfen, ob die notwendige Liquidität
zur Verfügung steht. Durch die Ausweitung der Sperrgründe bei Bekanntgabe
von Prüfungsanordnungen oder der
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
auf alle sonstigen Beteiligten wird zudem auch die strategische Abstimmung
im Kreise aller (potentiell) Betroffenen
in Zukunft unverzichtbar sein.
Autor: [email protected]
Steuerneutrale Übertragung von Anteilen an
Personengesellschaften
BFH schafft Rechtssicherheit:
Übertragung von Personengesellschaftsanteilen ist auch
bei vorheriger Veräußerung
von Wirtschaftsgütern steuerneutral möglich
Wird eine Beteiligung an einer
Personengesellschaft
unentgeltlich
übertragen, z.B. im Rahmen der vorweggenommen Unternehmensnachfolge,
kann dies nach § 6 Abs. 3 EStG steuerneutral, d.h. ohne die Aufdeckung stiller Reserven, erfolgen. Voraussetzung
hierfür ist, dass das gesamte Betriebsvermögen übertragen wird, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Dies
stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem aktuell veröffentlichten Urteil vom
09.12.2014 (IV R 29/14) nochmals klar.
Zugleich entschied der BFH, dass eine
vor der Übertragung erfolgte Veräußerung von Wirtschaftsgütern – hier von
solchen des Sonderbetriebsvermögens
– der steuerneutralen Übertragung des
danach verbleibenden Mitunternehmeranteils nicht entgegensteht.
Fortsetzung der bisherigen
Rechtsprechung – entgegen
der Finanzverwaltung
Mit dieser Entscheidung setzt der
4. Senat des BFH seine bisherige Rechtsprechung konsequent fort. Bereits in
seinem Urteil vom 02.08.2012 (IV R
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41/11) hatte er entschieden, dass eine
steuerneutrale Übertragung von Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 3 EStG
nicht dadurch verhindert wird, dass vorher eine im Sonderbetriebsvermögen
gehaltene wesentliche Betriebsgrundlage zum Buchwert nach § 6 Abs. 5
Satz 3 EStG auf einen Dritten (konkret auf
eine Schwesterpersonengesellschaft)
übertragen worden ist. Die Anwendung
dieser Entscheidung wird allerdings
von der Finanzverwaltung derzeit ausdrücklich abgelehnt (BMF-Schreiben
vom 12.09.2013). Die Finanzverwaltung wartet hier die noch ausstehende
Entscheidung des 1. Senats des BFH ab
(I R 80/12). Dieser muss noch über den
vergleichbaren Fall entscheiden, ob
eine Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft i.S.d.
§ 20 UmwStG auch dann noch steuerneutral erfolgen kann, wenn zuvor
einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (hier: ein Grundstück) steuerneutral in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wurden.
Keine Anwendung der sog.
Gesamtplanrechtsprechung
für Übertragungen nach § 6
Abs. 3 EStG
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der 4. Senat des BFH die
vom Finanzamt ins Feld geführte Anwendung der sog. Gesamtplanrechtsprechung für Übertragungen nach
§ 6 Abs. 3 EStG ablehnt. Diese sei für
die Anwendung der Steuerbegünstigungen auf Veräußerungsgewinne i.S.d.
§§ 16, 34 EStG entwickelt worden,
deren Inanspruchnahme die Aufdeckung aller stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in
einem einheitlichen Vorgang voraussetze. In diesen Fällen stünde die kurz
vor einer Veräußerung des Betriebs
stattfindende Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen ohne Aufdeckung der in ihnen gebundenen stillen
Reserven der Anwendung der Tarifbegünstigung des Veräußerungs- oder
Aufgabegewinns dann entgegen, wenn
beide Vorgänge auf einem vorher gefassten Plan beruhten.
Auf die Anwendung von § 6 Abs. 3
EStG könnten diese Grundsätze deshalb nicht übertragen werden, weil
die Buchwertfortführung infolge einer
unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils der Sicherung der Liquidität
der nach dem Rechtsträgerwechsel
fortgeführten betrieblichen Einheit bei
gleichzeitiger Sicherstellung der künftigen Besteuerung der stillen Reserven
zum Ziel hat. Sie setze daher nur voraus, dass im Zeitpunkt der Übertragung
eine solche funktionsfähige betriebliche Einheit besteht. Welchen Umfang
das Betriebsvermögen vor der Übertragung hatte, ist für die Verwirklichung
des Zwecks ohne Bedeutung.
Fazit – mehr Rechtssicherheit
bei unentgeltlichen Unternehmensübertragungen und
anderen Umstrukturierungen
Werden vor einer Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter in ein
anderes Betriebsvermögen überführt,
ist die künftige Steuerverhaftung der
in diesen Wirtschaftsgütern ruhenden
stillen Reserven sichergestellt. Aus
denselben Gründen wie in dem vom
4. Senat entschiedenen Fall könnte
somit auch die Steuerneutralität der
nachfolgenden Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft bejaht werden. Es spricht daher
viel dafür, dass sich der 1. Senat der Ar-
gumentation des 4. Senats anschließt.
Dies würde nicht nur unentgeltliche
Unternehmensübertragungen,
sondern auch andere Umstrukturierungen
in Zukunft erheblich rechtssicherer machen.
Autor: [email protected]
Aktuelles zur Haftung von Stiftungsorganen
BGH korrigiert OLG Oldenburg
des OLG, die im Ergebnis zu einer Anspruchskürzung zu Lasten der Stiftung
führte, erschien fragwürdig (vgl. unsere
Private Clients News Oktober 2014).
Korrektur durch den BGH:
Keine Kürzung wegen Mitverschulden
bestimmte, vom Kuratorium festgelegte Grenze nicht zu überschreiten.
Mit
Urteil
vom
20.11.2014
(III ZR 509/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG) vom 08.11.2013
zur Haftung von Stiftungsorganen
(6 U 50/13) aufgehoben.
OLG: Um Mitverschulden des
Kuratoriums gekürzter Schadensersatzanspruch
In dem Fall ging es um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, mit
einem Vorstand und einem Kuratorium als Aufsichtsorgan. Während der
Amtszeit der Vorstandes wurde das
Stiftungsvermögen durch Verluste bei
der Vermögensverwaltung und durch
Entnahmen um rund EUR 6 Mio. verringert. Der Vorstand war nach Stiftungssatzung, Anstellungsvertrag und
Landestiftungsgesetz verpflichtet, das
Stiftungsvermögen in seinem Bestand
ungeschmälert zu erhalten. Zudem verpflichtete er sich, bei Entnahmen eine
Das OLG hat eine Pflichtverletzung
des Vorstandes und eine Schadensersatzpflicht gegenüber der klagenden
Stiftung bejaht. Allerdings hat es die
Schadensersatzansprüche der Stiftung
gegen den Vorstand um 50 % gekürzt,
wegen Mitverschuldens des Kuratoriums, das nach der Satzung den Vorstand zu überwachen hatte. Das Kuratorium habe versäumt, dem Vorstand
klare Weisungen zu erteilen, obwohl
ihm die Verluste bei der Vermögensverwaltung und die Überentnahmen bekannt waren. Diese Rechtsauffassung
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Die Stiftung wollte die Kürzung durch
das OLG nicht hinnehmen. Im Revisionsverfahren hat der BGH die Entscheidung des OLG korrigiert und festgestellt, dass ein Stiftungsvorstand, der
von der Stiftung wegen Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch
genommen wird, der Stiftung gegenüber nicht einwenden kann, für den
von ihm herbeigeführten Schaden sei
ein anderes Stiftungsorgan mitverantwortlich.
Grundsätze der Organhaftung
bei juristischen Personen
Zur Begründung seiner Entscheidung
hat der BGH auf die Grundsätze der Organhaftung bei juristischen Personen
verwiesen. In einer juristischen Person
stehen die Pflichten der handelnden
Organe nebeneinander. Jedes Organ
ist für die Erfüllung seiner Pflichten im
Rahmen seines gesetzlichen und satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich. Jedes Organ hat
deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit
für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen.
Kein Organ kann der juristischen Person
gegenüber einwenden, seine Ersatz-
pflicht sei gemindert, weil ein anderes
Organ für den Schaden mitverantwortlich sei.
Geltung auch in einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen
Rechts
Diese Grundsätze zur Organhaftung
in der juristischen Person gelten auch
in einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts. Wenn zwei Organe
einer Stiftung, hier der Vorstand und
das Kuratorium, die Stiftung schädigen, haften sie gleichrangig für den
entstandenen Schaden und damit als
Gesamtschuldner. Sie können sich zur
Verminderung der eigenen Haftung
nicht auf das Mitverschulden des anderen Gesamtschuldners berufen. Sie
sind darauf verwiesen, bei dem anderen Gesamtschuldner, dem anderen
haftenden Organ der Stiftung, Rückgriff
zu nehmen.
Etwaige
Weisungen
Kuratoriums
des
Interessant ist eine etwas versteckte Einschränkung des BGH. Eine Anspruchskürzung soll nicht allein damit
begründet werden können, dass nach
der Stiftungssatzung das Kuratorium
gegenüber dem Vorstand weisungsbefugt ist. Denn konkrete Weisungen
konnten tatsächlich nicht festgestellt
werden. Hätte das Kuratorium dem
Vorstand allerdings Weisungen erteilt
und der Vorstand danach gehandelt,
hätte dies ein Verschulden des Vorstandes und damit seine Haftung ausschließen können. Die Verletzung bloßer
Überwachungspflichten durch ein an-
deres Stiftungsorgan ist für die Haftung
des Vorstands gegenüber der Stiftung
allerdings unbeachtlich und führt nicht
dazu, dass der Stiftung ein Mitverschulden entgegengehalten werden kann.
Fazit
Der BGH hat klargestellt: Die Haftung
eines Stiftungsorgans gegenüber der
Stiftung ist nicht deshalb herabgesetzt,
weil ein weiteres Organ den Schaden
mitverschuldet hat. Auch in der Stiftung
gelten die Grundsätze gesamtschuldnerischer Haftung: Mehrere Schädiger
haften jeweils voll. Der Geschädigte
darf nicht schlechter gestellt werden,
nur weil es mehrere Schädiger gibt.
Etwas anderes kann nur dann gelten,
wenn für mehrere Organe verschiedene Haftungsmaßstäbe gelten. Dann
stellt sich die rechtlich diffizile Folgefrage, wie dies im Mehrpersonenverhältnis zu berücksichtigen ist. In einer
solchen Konstellation kann es im Einzelfall angemessen sein, den Anspruch
der Stiftung gegen ein Stiftungsorgan
zu kürzen.
Der BGH skizziert in seiner Entscheidung eine Möglichkeit, wie Vorstände
in Stiftungen mit Aufsichtsorganen einer Haftung vorbeugen können. Handelt der Vorstand auf Weisung des
Aufsichtsorgans, kann dies nach dem
BGH sein Verschulden und damit seine
Haftung ausschließen. Ist das Aufsichtsorgan also befugt, dem Vorstand Weisungen zu erteilen, kann der Vorstand
(z.B. bei unsicherer Entscheidungslage)
sein Haftungsrisiko reduzieren, indem
er eine Weisung des Aufsichtsorgans
einholt und entsprechend befolgt.
Ein weiterer gangbarer Weg zur Haftungsvermeidung kann die Entlastung
sein. Die Wirkung einer Entlastung war
zwar bislang umstritten, wobei gute
Argumente für eine Verzichtswirkung
sprechen, vor allem wenn die Satzung
ein Organ zur Entlastung befugt. Mit
dem OLG hat sich erstmals ein Gericht
zur Wirkung der Entlastung eines Stiftungsorgans geäußert und ausdrücklich
Verzichtswirkung angenommen. Insoweit ist die Entscheidung des OLG vom
BGH zwar nicht bestätigt, aber auch
nicht korrigiert worden. Mitgliedern
von Stiftungsorganen kann daher im
eigenen Interesse nur weiter geraten
werden, vorsorglich eine Entlastung zu
beantragen und dabei alle Umstände
offenzulegen, die einen Schadensersatzanspruch begründen könnten.
Das Urteil des BGH dürfte nicht die letzte gerichtliche Entscheidung zur Haftung von Stiftungsorganen sein, auch
nicht in dem konkreten Fall: Da das OLG
ein Mitverschulden des Kuratoriums
festgestellt hat, dieses Mitverschulden
jedoch die volle, gesamtschuldnerische
Haftung des Vorstandes unberührt
lässt, wird es darauf ankommen, inwieweit die Stiftung den ihr zugesprochenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Vorstand durchsetzen kann.
Ersetzt der Vorstand den Schaden vollständig, wird er versuchen, Rückgriff
bei dem Kuratorium zu nehmen. Bleibt
die Stiftung auf einem Teil ihres Schadens sitzen, wird sie sich an das Kuratorium wenden.
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