SONDERDRUCK aus Heft 5/79, XV. Jahrgang, Seite 418-421 ll ORTHOPADISCHE PRAXIS mit Traumatologie, Rheumatologie, physikaliscfter, physiotheräpeutischer und balneologischer Therapie des Bewegungsapparates der BADEN-BADENER REIHE FÜR ARZTLICHE FORTBILDUNG Erfahrungen mit der auxillären Behandlung schwerer posttraumatischer Osteitiden mit der Antibiotikakombination: Carbenicilli n, Fluocloxacillin und Aminoglycosid von B. Stegemann und R. Sanatger Aus der Chirurgischen Ktinik und Potiktinik der Westfätischen Wilhetms-lJniversität Münster meiiöhirurgie -{Direktor: Prof. Dr' med. H. Bünte) Summary The antibiotic combination therapy at high doses with posttraumatic osteitis can be considered only as an adjunctive measure to surgical treatment which includes eradication of the infection, sequestrotomy and irrigation-suction drainage and is followed by immobilization by means of stabilizing devices as e.g. a fixateur externe. The high dosage of antibiotics and the fact that the spectrum of germs is completely covered is lso of great value considering the increase in hospitalized germs as pseudomonas aeruginosa and staphylococcus aureus. - Allge- Die oosttraumatische Osteititis wird durch baktierelle, mechanische, chemische oder physikalische Reize hervorgerufen und ist eine zunächst lokalisierte Knochenerkrankung, die allgemeine Krankheitserscheinungen zwar auslösen kann, nicht aber muß. Die insbesondere in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl von Verkehrsunfällen, mit daraus resultierenden otfenen Knochenbrüchen, Störungen von Gelenken und Gelenktei= len, ließ auch die Anwendung von Osteosyntheseverfahren zahlenmäßig stark ansteigen. Den günstigen Erfolgen, die mit einer operativen Behandlung von Knochenblüchen zu erzielen sind, steht das Risiko der bakteriellen Wundinfektion Zusammenfassung und damit der posftraumatischen Osteitis ge- Die hochdosierte antibiotische Kombinationstherapie bei der posttraumatischen Osteitis kann lediglich als unterstützende Maßnahme zur chirurgischen Therapie mit Herdsanierung genüber. durch Herderötfnung, Nekrotomie, Sequestero- tomie und Anlage einer Spül-Saug-Drainage, mit nachfolgender lmmobilisierung durch stabilisierende Elemente, wie einen Fixateur extern, angesehen werden. Die hohe Dosierung der Antibiotika'und das in seiner ganzen Breite erfaßte Erregerspektrum trägt vor allem der Zunahme der hospitalisierten Keime wie Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus Rechnung. Bei allen Formen der Osteitiden,besteht eine Entzündung des Knochens einschließlich seiner gefäßreichen Hüll- und Füllgewebe. lm Rahmen des entzündlichen Prozesses kommt es zu exsudativen, destruktiven und regenerativen Vorgängen. Sie äußern sich als Osteoporose, Sequestrierung und schließlich Osteosklerose. Die Angabqn in der Literatur über die heutige Osteitishäufigkeit liegen für die geschlossenen osteosynthetisch versorgten Frakturen der unteren Exüemitäten bei etwa 1,6% und schwanken je nach Schweregrad der Weichteilmitverletzungen zwischen 0'k und 6,7"k. Für die offenen osteosynthetisch versorgten Frakturen liegt die Häufigkeit bei 8,0% und schwankt entsprechend den Weichteilmitverlet- zungen zwischen 1,5"/o und 2O"k. Hierdurch wird bereits die Bedeutung der Weichteilmitverletzungen deutlich, und die Forderung nach schonendster Behandlung vor und bei der Operation mit möglichst geringer intraoperativer Traumatisierung von Knochen und Weichteilen, unterstrichen. Die wesentlichsten ätiologischen Faktoren, die zu einer Osteitis führen, sind: 1. Das Vorhandensein virulenter Keime 2. Die Menge des nekrotischen Gewebes 3. Fehlerhafte Osteosynthesetechnik 4. 5. 6. 7. durch die mechanische Drosselung der in den starren Knochenkanälen verlaufenden Gefäße Instabilität Weichteilentzündungen Metallose Schlechte Abwehrlage Die Virulenz der sogenannten Hospitalkeime hat sich in der Vergangenheit durch Selektions- und Mutationsvorgänge erheblich gesteigert. Die Erreger bilden Fermente und Toxine mit hoher biologischer Aktivität, die nicht nur die Keiminvasion erleichtern, sondern auch Abwehrvorgänge des Organismus neutralisieren. Infizierte Knochen nach Osteosynthesen unterstützen die Virulenz der Keime noch dadurch, daß Abwehrvorgänge an dem unbelebten Material nur unvollständig wirksam werden (Hierholtzer). Unter den Erregern der posttraumatischen Osteitis nehmen die gramnegativen Keime eine dominierende Stellung ein. Weltweit wird von einer Zunahme der Infektionen mit gramnegativen Keimen und als dessen häufigstem Vertreter bei der Osteitis dem Bakterium Pvozeaneum berichtet. die Durchblutung am Herd und damit der Medikamentenspiegel beeinträchtigt wird. Die Frage der Durchblutung unterstreicht auch die Wichtigkeit des schonenden operativen Vorgehens mit möglichst geringer Traumatisierung des Gewebes. Außer auf peinlichste Sterilität bei der Operation sei noch einmal auf die dringend notwendige Stabilität der Osteosynthese hingewiesen. Da ein Erregertest bei Beginn der antibiotischen Behandlung nicht vorliegt, muß ein Antibiotikum gewähltwerden, das besonders jene Erregererfaßt, die nach dem gegenwärtigen Stand der Er- fahrung mit größter Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind. Zusätzlich muß selbstverständlich der weitere Gesundheitszustand des Patienten im Hinblick auf Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, der Leber und der Nieren hinsichtlich der Toxizität der Antibiotika in Betracht gezogen werden (Plaue). Aus der Literatur ergibt sich jedoch nach wie vor der größte Anteil der beteiligten Keime für Staphylococcus aureus, und bei der Häufigkeitsverteilung steht das Bakterium Pyozeaneum erst an zweiter Stelle. An dritter Stelle folgt Escherichia coli und danach Proteus mirabilis und Enterobakter. Zu einem hohen Anteil handelt es sich um Misch infektionen. P/aue gibt z. B. 42,9 "h an. Diese Zahlen schwanken in der Literatur zwi- Nach Bunl undWillenegger lassen sich in der zeitlichen Abfolge einer Osteitis heute drei Stadien unterscheiden: schen 357o und 53% Mischinfektionen Weichteilgewebe im Vordergrund stehen, gilt die intensive posttraumatische (postoperative) bei Osteitis. Nach P/aue ist das frische Stadium der oosttraumatischen Osteitis durch die klassischen Zeichen der Entzündung gekennzeichnet: Hautrötung im betroffenen Gebiet, Hyperthermie, intensiver Knochendruckschmerz und mehr oder weniger umschriebene Schwellung durch parossales Exsudat bzw. kollaterales ödem. In diesem Stadium besteht noch die Möglichkeit, die Infektion auf konservativem Wege zu be- 1. 2. 3. Die drohende Infektion Die manifeste Infektion als Frühinfekt unmittelbar posttraumatisöh öder als verzögerter Infekt nach einigen Wochen Die sogenännte Spätinfektion. Besonders der drohenden Infektion, bei der die Beobachtung: Fehlende oder mangelhafte Rückbildung der Entzündungszeichen ist oft verbunden mit Schwankungen zwischen normalen und gering erhöhten Leukozytenwerten. Bei starkem interfragmentärem Druck und guter Stabilität siedelt die Infektion durch die engen Ausbreitungswege nur schwer in die Tiefe ab (Willenegger). Die rechtzeitige antibiotische Therapie kann die herrschen und eine mögliche sekundär-chroni- drohende lnfektion auf die Weichteile be- sche Osteitis abzuwenden. Wegen der relativ schlechten Vaskularisierung des Knochens ist eine hohe Dosierung antibiotischer Medikamente erforderlich. Sehr frühzeitiger Einsatz verbessert die Erfolgschancen, da mit zunehmender Entwicklung der Gewebsschwellung Kommt es innerhalb weniger Tage posttraumatisch zu einer eitrigen Sekretion an der Nagel- schränkt halten. Der Verlauf ist dann nach Abklingen der Erscheinungen oft unauffällig und führt zu einer, wenn auch verzögerten, Entlassung des Patienten ohne Infektionsverdacht. einschlagstelle oder im Wundbereich, liegt bereits eine manifeste lnfektion vor. Die Frakturstelle ist gerötet und schmerzhaft geschwollen, Leukozytose und erhöhte BKS kommen hinzu. lm weiteren Verlauf kommt es zu Hautnekrosen, die ein Freilegen des Osteosynthesematerials zur Folge haben können (Burri). Zu r Anti b i oti kath e rapi e Hemmwerte erzielt werden als für den jeweiligen Kombinationspartner Carbenicillin und Gentamycin allein. Eine Kombination von Carbenicillin und lsoxazolylpenicillin wird wegen der Potenzierung der antibiotischen Wirkung durch noch bessere Erfassung der penicillinasebildenden Staphylococcus-aureus-Stämme bereits als fertiges Präparat im Handel angeboten (Pyoclox@). Die antibiotische Behandlung stellt im Zusammenhang mit dem chirurgischen Eingritf lediglich eine Auxiliärmaßnahme dar, weshalb für die antibiotische Therapie auch nur bakterizid wirkende Substanzen, die im Vermehrungsstadium der Keime eine Zellschädigung bewirken, anzuwenden sind. Die Penicilline sind unter diesem Gesichtspunkt auch heute noch, besonders nach der Einführung halbsynthetischer Penicilline, die eine erhebliche Wirkspektrumverbreiterung gebracht haben, angezeigt. Besonders geeignet ist nach der Erfahrung der meisten Autoren Carbenicillin (Anabactyl@), ein halbsynthetisches, penicillinasefestes, sogenanntes Breitband-Penicillin, das sein Wirkungsspektrum im Bereich gramnegativer Keime hat. Es ist deutlich stabiler als Ampicillin gegen Betalactamasen aus Bakterium Proteus und Pseudomonas aeruginosa. Die Wirkungsintensität von Carbenicillin gegenüber grampositiven Keimen ist jedoch bis zu 1OOfach geringer als die von Ampicillin. Sie gehören nicht in das therapeutische Soektrum von Carbenicillin. Zur Erfassung des an der Spitze der Häufigkeit liegenden Staphylococcus aureus empfiehlt sich die Verabfolgung eines lsoxazolylpenicillin wie z.B. Fluocloxacillin (Staphylex@) ein penicillinasefestes halbsynthetisches Penicillin (sogenanntes Staphylocokken-Penicillin) welches auch parenteral zu verabreichen ist. Zwar gehört in das antibakterielle Wirkungsspektrum des Carbenicillins auch Pseudomonas Aeruginosa, jedoch ist hierfür ein möglichst hoher Wirkspiegel ertorderlich. Hier wird von zahlreichen Autoren wieZenker bei der Kombi- nation von Carbenicillin und Gentamycin bzw. einem Aminoglykosid ein synergistischer antibakterieller Effekt auf Bakterium pyozeaneum beschrieben. Durch die oarenterale Gabe von Gentamycin zusätzlich konnten bei Bakterium pyozeaneum niedrigere in atoxischer Dosis An der Chirurgischen Universitätsklinik in Münster wurde in den Jahren 1975 bis 1977 bei 20 ausgewählten Patienten mit einer posttraumatischen Osteitis die Kombinationstherapie mit Carbenicillin, Fluocloxacillin und einem Aminoglykosid durchgeführt. Das Alter der behandelten Patienten schwankte von 14 bis 64 Jahre. Die Osteitiden waren ausnahmslos posttraumatisch entstanden. Die Tagesdosis betrug: Carbenicillin (Anabactyl@) 3mal 10 g. Fluocloxacillin (Staphylex@) 3mal 500 mg. Aminoglykosid (Biklin@) 3mal 500 mg. Die massive antibiotische Therapie wurde in allen Fällen mit einer operativen Herderöffnung und Herdsanierung durch Nekrotomie, Sequesterotomie und Anlage einer Spül-Saug-Drainage mit anschließender lmmobilisation durch Anlage eines Fixateur externe kombiniert. Gegebenenfalls wurde auch später eine Defektautfüllung durch Spongiosaplastik angeschlossen. Die massive Antibiotikadosis wurde bis auf einen Fall bei einem 14jährigen Mädchen, die nach einer Woche mit einem Hautausschlag reagierte, woraufhin die Antibiotika abgesetzt wurden, gut vertragen. Unter dieser Therapie kam es jeweils zum Abklingen der äußerlich, sichtbaren Entzündungszeichen und bei vorhandenen Temperaturerhöhungen zur Temperaturnormalisierung. Bei zur Kontrolle durchgeführten bakteriologischen Untersu- chungen der später gezogenen Spül-SaugDrainagen wurde keiner der vorher festgestellten Keime mehr angezüchtet. Bereits liegende metallische lmplantate wurden, bei ausreichender Frakturstabilität und fehlender lmolantatlokkerung, belassen. Bei etwa 40"/" der so behandelten Fälle kam es nach mehreren Wochen bzw. Monaten trotzdem zu einem Wiederaufflackern der Infektion. Sofern Metallimplantate eingebracht worden wa- ren, wurden diese dann entfernt und, wie beschrieben, ein Fixateur externe mit zusätzlicher Spül-Saug-Drainage angelegt. Die antibiotische Kombinationstherapie wurde dann nicht wiederholt. Hiernach kam es in über 90% der Fälle zur Abheilung. 13. Jones, R.J., E.J.L. Lowbutry: Prophylilis and Therapy for Pseudomonas aeruginosa Infection with Carbenicillin and Gentamycin. Brit. N/ed. J. 79 (1 967). 14. Kemm, K: Zur Fnge der Antibiotika Anwendung bei posttraumatischer Osteomyelitis. Wschr. UnJallheilkde. Springer Vedag, 1 972. 7 5, 423, 15. Knothe, H.: fabellarium derChemotherapie. Aesophus, Lugano, l\4ünchen,1976. 16. Krämer, J.: Anlibiotika in der Knochenchirurgie. 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