schulkonzer t.ard.de 28 8 37 50 35 50 31 38 34 38 51 57 51 42 26 50 37 51 30 27 38 58 29 37 47 47 7 49 47 25 32 38 50 33 22 51 37 51 17 50 50 53 50 50 51 51 24 16 51 11 15 37 50 23 38 56 12 50 24 58 23 51 45 37 13 21 50 14 59 37 37 10 38 51 37 50 1 20 50 9 2 23 50 51 49 58 50 6 37 19 55 50 55 54 18 3 54 5 4 unterrichtsmaterialien zu györgy ligeti, concer t românesc, satz iv d a s g e r s hw i n e x p e r i m e n t ein ard-konzer t macht schule donnerstag, 12.11.2015 11.00 uhr g e o r g e g e r s hw i n „ r h a p s o dy i n b l u e “ györgy ligeti „concer t românesc“ für orchester s y mp h o n i e o r c h e s t e r d e s b aye r i s c h e n r u n d f u n ks d e n i s m a t s u e v k l av i e r m a r i s s j a n s o n s d i r i g e n t herkulessaal der residenz münchen l iv e a u f a l l e n a rd k u l t u r w e l l e n , i m b a y e r i s c h e n f e r n s e h e n u n d a l s v i d e o - l iv e s t r e a m a u f b r - k l a s s i k . d e 28 8 37 50 35 31 38 34 38 51 57 42 50 37 30 27 58 29 37 47 7 49 38 50 33 22 51 37 51 17 16 50 53 24 50 50 51 11 51 37 56 50 23 38 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Unterrichtsmaterialien zu György Ligeti, Concert Românesc, Satz IV Autorin: Gabriele Puffer Inhalt 1. Allgemeine Hinweise ............................................................................................................................................................. 2 2. „Über Grenzen“: Informationen zu Komponist und Werk ........................................................................................ 3 2.1 Biografische Notizen zu György Ligeti ..................................................................................................................... 3 2.2 Concert Românesc, Satz IV: Molto Vivace .............................................................................................................. 4 3. Musiziersatz mit Themen aus György Ligeti, “Concert Românesc” ...................................................................... 14 4. „Ligeti hören lernen“ ............................................................................................................................................................ 16 5. Bildnachweise, Literatur und Links ................................................................................................................................. 18 6. Anhang: Arbeitsblätter ........................................................................................................................................................ 20 György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV ............................................................................................. 21 Arbeitsaufträge ..................................................................................................................................................................... 21 Arbeitsblatt: Hörpartitur ................................................................................................................................................... 24 Lösungsblatt: Hörpartitur ................................................................................................................................................. 25 Musiziersatz zu Themen aus Satz IV ................................................................................................................................... 26 1 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment 1. Allgemeine Hinweise Die hier zusammengestellten Unterrichtsmaterialien sollen dazu dienen, Schülerinnen 1 und Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 10 auf die Begegnung mit György Ligetis „Concert Românesc“ im Rahmen des „Gershwin-Projekts“ im November 2015 vorzubereiten. Die beiden Unterrichtseinheiten sind als voneinander unabhängige Module konzipiert. Sie können je nach den örtlichen Gegebenheiten ausgewählt, miteinander kombiniert und dem Niveau der Klasse angepasst werden. Aus urheberrechtlichen Gründen wurde auf längere Noten- und Hörbeispiele verzichtet. 1 Im Folgenden wird der Lesbarkeit wegen entweder die weibliche oder die männliche Form verwendet. Gemeint sind in der Regel beide Geschlechter. 2 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment 2 . „Über Grenzen“: Informationen zu Komponist und Werk 2.1 Biografische Notizen zu György Ligeti György Ligeti (1923—2006) zählt zu den bekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er wurde in eine sprachlich, religiös und kulturell vielfältige Umgebung hineingeboren. Die Region im nordwestlichen Zentrum des heutigen Rumänien, in der er aufwuchs, stand im Laufe der Jahrhunderte unter den verschiedensten politischen und kulturellen Einflüssen – was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass es bis heute etliche gängige Bezeichnungen für sie gibt: im Deutschen „Siebenbürgen“ oder „Transsilvanien“, im Rumänischen „Ardeal“ oder „Transilvania“, ungarisch „Erdély“, siebenbürgisch-sächsisch „Siweberjen“. Im Mittelalter stand Transsilvanien unter ungarischer Herrschaft, später auch unter osmanischem Einfluss, bis die Region Ende des 17. Jahrhunderts dem Habsburger Reich einverleibt wurde. Seit dem 12. Jahrhundert siedelten sich zudem Einwanderer aus dem Rhein- und Moselgebiet, Flandern und der Wallonie in der Gegend an („Siebenbürger Sachsen“), etwa gleichzeitig dürften die Roma Rumänien erreicht haben. Die ethnische Vielfalt schlug sich in einer ebenso großen musikalischen Vielfalt nieder, die Traditionen existierten nebeneinander oder vermischten sich im Laufe der Zeit. Eine besondere Rolle dabei spielten die professionellen oder halbprofessionellen lâutari, wandernde Musiker, meist Roma. Durch ihre hohe Mobilität förderten sie den Austausch zwischen verschiedenen regionalen Stilen und Tanztypen. Sie waren bereits früh in Gilden organisiert und genossen im 18. Und 19. Jahrhundert internationales Ansehen als 2 Musiker. György Ligeti berichtete von musikalischen Kindheitserinnerungen, in denen mit Tiermasken verkleidete Wandermusikanten auf Violinen und Dudelsäcken eine 3 wilde, lebhafte, dissonante, „gegen den Strich gebürstete“ Tanzmusik spielten – Charakteristika, die sich in stilisierter Form im vierten Satz des „Concert Românesc“ wiederfinden. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fiel Transsilvanien an Rumänien, 1940 wurde es teilweise von Ungarn annektiert, 1944 von den Deutschen besetzt und 1947 wieder an Rumänien angegliedert. Für György Ligeti bedeutete dies unter anderem, dass er zunächst eine ungarische Grundschule in der Stadt Cluj-Napoca besuchte (deutsch: Klausenburg, ungarisch: Kolozsvár), später dann ein rumänisch-sprachiges Gymnasium. Ab 1940 war die jüdische Minderheit in Transsilvanien erheblichen Repressionen ausgesetzt. Die angestrebte Aufnahme eines naturwissenschaftlichen Studiums blieb Ligeti deshalb verwehrt. So begann er 1941 zunächst mangels Alternativen ein 4 Musikstudium in den Fächern Komposition und Orgel am Konservatorium in Cluj. 1943 musste er das Studium abbrechen, durchlitt und überlebte in den folgenden beiden Jahren Krieg und Arbeitslager. Ende 1945 konnte er seine Ausbildung wieder aufnehmen, nun an der renommierten Budapester Musikakademie, unter anderem bei 5 Ferenc Farkas, Sándor Veress und Lájos Bárdos. Die ersten Jahre nach Kriegsende waren in Ungarn durch eine Öffnung nach Westen, 6 durch Experimentierlust und kulturelles Aufblühen gekennzeichnet – für einen jungen Komponisten und Musiktheoretiker ein stimulierendes Umfeld. In der Tradition Kodálys, 2 3 4 5 6 Georgescu 1998, Sp. 594 f. Dunnett o. J.; Keller 2013 Dibelius 2004, Sp. 108 A.a.O. Szendrei u. a. 1998, Sp. 1146 3 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Bártoks und Enescus arbeitete Ligeti nach Abschluss seines Studiums ein Jahr lang musikethnologisch und war dabei intensiv mit der Transkription rumänischer Volksmusik-Aufnahmen befasst. 1950 kehrte er als Dozent für Analyse, Harmonie- und Satzlehre an die Budapester Musikakademie zurück. Ligetis musikalische Arbeiten aus dieser Zeit zeigen deutliche Spuren von Béla Bártoks Einfluss (z. B. Musica Ricercata, 1951—53; Concert Românesc, 1951). Er bearbeitete Volkslieder, integrierte Volksmelodien und Nachschöpfungen im Volkston in seine Kompositionen. Die frühen Werke zeugen aber auch von suchender Unruhe und musikalischen Experimenten, die darauf angelegt waren, von allen vorgeprägten 7 Modellen, klassischen wie modernen, loszukommen. In den folgenden Jahren erlebte der junge Komponist die Auswirkungen des immer stärker werdenden sowjetischen Einflusses auf Kultur und Musik Ungarns – im Positiven wie im Negativen: Neue volksbildnerische Institutionen und Initiativen ergänzten die bereits vorhandene ungarische Tradition; insbesondere die zahlreich vorhandenen, gut ausgebildeten Chöre 8 boten Aufführungsmöglichkeiten für neue Kompositionen. Gleichzeitig verstärkte sich unter dem Einfluss des „Sozialistischen Realismus“ sowjetischer Prägung die Tendenz, musikalisches Schaffen vorwiegend an den Kriterien „Volkstümlichkeit“ und „Verständlichkeit“ zu messen – bis hin zur Praxis, die Aufführung von Werken zu unterbinden, die diesen Anforderungen nach Ansicht der staatlichen Zensoren nicht entsprachen. Einem solchen Verdikt fiel auch das „Concert Românesc“ zum Opfer. Der Konformitätsdruck wuchs zusehends. Ligeti erinnerte sich später an diese Zeit als eine der „Kultur des geschlossenen Zimmers“ und der inneren Emigration: Offiziell wurde der ‚sozialistische Realismus‘ oktroyiert, d. h. eine billige Massenkunst mit vorgeschriebener politischer Propaganda. Moderne Kunst und Literatur wurden pauschal verboten, die reiche Sammlung französischer und ungarischer Impressionisten im Budapester Kunstmuseum beispielsweise hängte man einfach ab. […] Nicht genehme Bücher verschwanden aus Bibliotheken und Buchgeschäften (unter anderem wurden auch Don Quijote und Winnie the Pooh eingestampft). […] Geschrieben, komponiert, gemalt wurde im Geheimen und in der kaum vorhandenen Freizeit: Für die Schublade zu arbeiten 9 galt als Ehre. Nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands von 1956 sah Ligeti in Ungarn keine Zukunft mehr für sich und emigrierte in den Westen. In den folgenden Jahren etablierte er sich rasch als einer der innovativsten Schöpfer, Denker und Förderer „Neuer Musik“. 2.2 Concert Românesc, Satz IV: Molto Vivace György Ligetis „Concert Românesc“ entstand im Sommer 1951. Es zählt zu einer Reihe meist recht kurzer Frühwerke, die stark unter dem Einfluss der „ungarischen Schule“ standen, in der Ligeti ausgebildet worden war. Traditionelle Melodien und Neukompositionen im Geiste ungarischer und rumänischer Volksmusik spielten eine tragende Rolle – in Ligetis Fall „modern“ gesetzt und harmonisiert. 1949/50 hatte Ligeti ein Jahr lang als Musikethnologe gearbeitet und dabei im Bukarester Volksmusik-Archiv rumänische Volkslieder von Wachszylinder-Aufnahmen transkribiert. Einige der 7 8 9 Dibelius 2004, Sp. 114 Szendrei u. a. 1998, Sp. 1146; Dibelius 2004, Sp. 113 Ligeti 2010, zit. nach http://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti 4 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment 10 Melodien verarbeitete er unmittelbar im „Concert Românesc“. Nach einer „reading session“ mit Orchester verbot die Zensur die geplante Uraufführung – nach Ligetis 11 Angaben wegen bestimmter Dissonanzen im vierten Satz. Aber auch der subversive 12 Humor, die spielerisch-ironische Überzeichnung, die dort zutage treten, dürften Anstoß erregt haben: Ein stilisierter Volkstanz, der innerhalb weniger Minuten außer Kontrolle gerät, bis er schließlich in eine flirrende Klangwolke zerstiebt, war vermutlich mit den volkserzieherischen Absichten des Sozialistischen Realismus schwer vereinbar. Nach seiner Emigration in den Westen distanzierte Ligeti sich viele Jahre lang von seinem ungarischen Frühwerk. Die Kompositionen blieben unter Verschluss, erst seit Beginn der 1970er Jahre wurden sie allmählich öffentlich zugänglich. Das „Concert Românesc“ erlebte 1971 in Wisconsin seine Uraufführung. In den 1990er Jahren 13 unterzog Ligeti das Werk einer Revision, 1996 erschien es schließlich im Druck. besetzung · · · · · · · · 2 Flöten (Flöte 2 auch Piccolo) 2 Oboen (Oboe 2 auch Englischhorn) 2 Klarinetten in B 2 Fagotti Hörner (das dritte etwas entfernt von den anderen platziert und als Echo eingesetzt) 2 Trompeten Becken, kleine und große Trommel Streicher Das Werk hat eine Aufführungsdauer von knapp 15 Minuten und besteht aus vier kurzen Sätzen, die unmittelbar ineinander übergehen. Mit gut fünf Minuten Dauer kommt dem Finale das größte Gewicht zu. Satz I und II unterscheiden sich deutlich vom Rest: Ligeti bearbeitete hier ein etwas früheres eigenes Werk für zwei Violinen, „Ballade und Tanz“ aus dem Jahr 1950. Entsprechend kurz und schlicht fallen die Stücke aus. Satz III und IV sind dem gegenüber genuine Orchestermusik – deutlich komplexer in Satztechnik, Instrumentierung und formaler Anlage. Satz III beginnt mit einem ausgedehnten Horn-Solo, das im Stile von Natur- bzw. Alphörnern gespielt werden soll, Satz IV endet mit einer ebensolchen Solo-Passage: Die Soli bilden eine inhaltlichmusikalische „Klammer“ um die beiden Sätze und tragen so zur formalen Einheit bei. Der vierte Satz präsentiert sich auf den ersten Blick als folge loser aneinander gereihter, zunehmend ekstatischer werdender Tanzsätze. Eine genauere Analyse ergibt das Bild eines präzise durchkonstruierten Werks, in dem der Komponist äußerst ökonomisch mit motivisch-thematischem Material umgeht, vielfältige Wechselbezüge und Verflechtungen schafft. In engem zeitlichem Rahmen vereint Ligeti Reminiszenzen an zwei gänzlich verschiedene musikalisch-volkskulturelle Welten: Die Horn-Soli am Ende verweisen auf traditionelle westrumänische Musik, insbesondere auf das in den Karpaten heimische „bucium“. Dieses Alphorn wurde in der traditionellen Musik immer 14 solistisch gespielt und ist der alpinen rumänischen „Hirtenmusik“ zuzurechnen. Die Hornisten sind explizit aufgefordert, ihre Instrumente wie Naturhörner zu spielen: „solo 10 11 12 13 14 Vgl. Keller 2013. A. a. O. Vgl. dazu Dibelius 2004, Sp. 113. Keller 2013 Vgl. Georgescu 1998, Sp. 593. 5 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment naturale […]: Die 5. Und 7. Obertöne (e und b) nicht korrigieren, die rechte Hand aus der 15 Trichteröffnung herausnehmen und ganz fern halten.“ Der größte Teil des Finalsatzes ist allerdings wohl als Reverenz an die Musik der „lăutari“ zu verstehen. Traditionelle Arten, die Violine (rum. Vioară) zu spielen, haben hier 16 musikalische Spuren hinterlassen. Zudem versuchte Ligeti, die spezielle Art einzufangen, wie die Dorfmusiker ihre Tänze ad hoc spielten, improvisatorisch 17 ergänzten und harmonisierten, „voller Dissonanzen und gegen den Strich gebürstet“. 18 Unmittelbar hör- und sichtbar wird dies beim Blick auf die Passage ab Takt 420: Als Begleitung des Violinsolos sind tiefe Streicher im pizzicato zu hören. Sie spielen eine schlichte Wechselbass-Begleitung, die jedoch in zwei Tonarten gleichzeitig erklingt (Grundton a vs. Grundton gis). Dynamische Gestaltung (ppp), tiefe Lage und eine ungewöhnliche Spielanweisung sorgen dafür, dass diese eigenartige Begleitung weniger dissonant als vielmehr geräuschhaft wirkt: „2 soli, div. Pizz. Quasi timpani“ […] Der 19 Timpani-Effekt wird durch das sehr präzise Anzupfen, halbwegs ponticello, erreicht.“ Ein Wellenbild vermittelt einen ersten Überblick: Erkennbar ist eine kurzweilige Folge kontrastreicher Einzelabschnitte, die ab ca. 3:35 zunehmend „außer Kontrolle geraten“ – im Wellenbild gut sichtbar als fortschreitende klangliche Verdichtung vor 4:15, der eine Reihe zeitlich immer enger aufeinanderfolgender, sehr lauter Schläge folgt (bis ca. 4:28). Klar erkennbar ist ebenfalls die sich anschließende ungewöhnliche Schlusspassage im pp-Bereich mit einem jähen, sehr 15 16 17 18 19 Ligeti 1996, S. 24; zur besonderen Beschaffenheit von ventillosen Blechblasinstrumenten und Obertonreihe: siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Naturtonreihe#Blechblasinstrumente Zur lăutari-Musik: vgl. Georgescu 1998, Sp. 593 f. Vgl. Keller 2013. Vgl. Ligeti 1996, S. 50; Notenbeispiel: GP Ligeti 1996, S. 49. 6 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert lauten Schlag des Orchesters am Ende. Hier, nach 4:30, haben die vorhin bereits erwähnten „Alphorn-Soli“ ihren Platz. Am Beginn des Stücks steht wie ein Weckruf ein Trompeten-Signal, das im weiteren Verlauf des Stücks mehrfach wiederkehrt Gemeinsam mit starken Akzenten aus dem Schlagwerk fungiert es als tektonisches Element, das den Satz zeitlich gliedert. Auf das einleitende Trompeten-Signal folgt ab Takt 5 ein diffus aus der unteren Mittellage sich aufbauender Streicherklang. Die Celli intonieren im pp eine schnelle Folge von Achtel-Triolen, ausgehend vom Grundton D, die ebenfalls zum tragenden motivischen Element des Satzes wird: Die Spielanweisung „sul ponticello“ (nah am Steg streichen) sorgt für einen flirrenden, geräuschhaften, obertonreichen Klang. Nach und nach übernehmen die übrigen Streichinstrumente imitierend die „Melodie“. Auffallend ist die Diskrepanz zwischen den klar konturierten Linien, die die Streicher zu spielen haben, und dem diffusen Klangbild, das durch die klangliche Schichtung und das kanonische Spiel in engen Tonschritten entsteht. Hier deutet sich vielleicht bereits Ligetis spätere Technik der „Mikropolyphonie“ an. Allmählich kommen Holzbläser hinzu, gut als neue Klangfarbe wahrnehmbar sind die Klarinetten ab T. 258. Harmonisch verharrt das Geschehen auf dem Grundton D. Ab Takt 269 strukturieren mehrere lineare Trompeten-Signale das Geschehen akustisch: Beginnend mit nur drei Tönen, „erkämpfen“ sich die Trompeter zunehmend mehr klanglichen Raum und intonieren dabei Töne in steigendem Spannungsverhältnis zum inzwischen nur noch in Sopranlage hörbaren Grundton d: Ab Takt 283 bringen die Hörner bringen mit einem Einsatz im fff mit dem Ton B erstmals im Stück die tiefere Lage des Orchesters deutlich hörbar ins Spiel. Zwei scharfe Percussions-Signale (kleine und große Trommel), im Wellenbild gut sichtbar kurz vor 0:40, setzen deutliche klangliche Akzente. Zwischen diesen beiden akustischen „Schlägen“ wird das Geschehen nochmals harmonisch geschärft durch ein deutlich akzentuiertes as in Trompeten und Hörnern. Deutlich ist auf jeden Fall: In den ersten vierzig Sekunden des Satzes „braut sich etwas zusammen“, es baut sich Spannung auf. 7 da s ge rshwi n experiment schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Mancher Hörer verbindet damit die Assoziation einer Menschenmenge, die voll Erwartung aus vielen verschiedenen Richtungen zum Tanzplatz strömt und auf den 20 Beginn eines Ereignisses wartet. Mit Takt 291 (ca. bei 0:40) fällt das „klangliche Urchaos“ unvermittelt in sich zusammen, auf klanglicher, harmonischer und melodischer Ebene findet ein plötzlicher „Lichtwechsel“ statt. Eine Solovioline betritt die akustische Bühne und wird bis zum Ende des Satzes heimlicher Hauptdarsteller bleiben. Sie spielt eine kraftvolle Tanzmelodie, begleitet von Violinen und Violen, die auf leeren Saiten eine archaisch klingende Bordunbegleitung mit Grundton a intonieren. Im Anschluss folgt ein mehrfacher Wechsel zwischen Violinsolo und Orchester-Tutti, organisiert in einem klar strukturierten, klanglich transparenten musikalischen Satz. Mit seiner modalen Melodik über einer extrem schlichten Bordunbegleitung ohne tonale „Ausreißer“ bildet dieser Abschnitt einen großen Kontrast zum diffusen Einleitungsteil. Ligeti knüpft hier unmittelbar an Gepflogenheiten traditioneller rumänischer Musik an, in der es keine elaborierte Mehrstimmigkeit gab, aber sowohl modale Melodik in verschiedensten Varianten als auch den Bordun als gängige Praxis elementarer, 21 improvisierter Mehrstimmigkeit. Ab Takt 359 (ca. 1:28) wiederholt sich der Anfang des Satzes in intensivierter Form. Dafür ist vor allem eine geänderte Instrumentierung verantwortlich: Das einleitende Trompeten-Signal wird von allen hohen Holzbläsern inklusive Piccolo im Unisono gespielt, was einen sehr obertonreichen, fast schrillen Klang ergibt. Die Triolenketten werden von den Celli nun noch leiser begonnen, im ppp. Die anschließende Steigerung verläuft im Wesentlichen wie am Beginn des Satzes, sie ist lediglich stärker instrumentiert. Auch der plötzliche „Lichtwechsel“ hin zum Violinsolo ereignet sich wie beim ersten Mal. Diesmal mündet er jedoch in das bereits oben vorgestellte, recht eigenartig gestaltete Solo mit Wechselbassbegleitung (T. 420 ff, bei etwa 2:05, siehe oben). Anstelle einer klar konturierten Melodie spielt die Violine nun rhythmische Tonrepetitionen, später auch -umspielungen in gleichförmigen Achtelketten: 20 21 Vgl. Musik på tværs o. J. Vgl. Georgescu 1998, Sp. 596. 8 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Ab Takt 463 (ca. 2:14) kommt neues thematisches Material ins Spiel – eine weitere wildarchaisch klingende Tanzmelodie, diesmal aber nicht von der Violine intoniert, sondern vom Orchester-Tutti. Die neue Melodie basiert auf einer für mitteleuropäische Hörer recht ungewohnten Skala (Grundton f, Skala f-gis-a-h-c-d-es). Dadurch entsteht ein fremdartig-orientalisch anmutender Eindruck – wohl wieder ein musikalischer Verweis auf die lăutari und osmanische Elemente in deren Tanzmusik. Verstärkt wird die Assoziation durch den Umstand, dass die Melodie im Unisono von Violinen, Klarinetten und Oboen gespielt wird. Zusätzlich eingestreute Dissonanzen in den Oboen lassen eine spezifische, heterophone Klangmixtur entstehen, die typisch ist für die volksmusikalische Praxis, Streich- und Blasinstrumente in hoher Lage unisono spielen zu lassen – insbesondere dann, wenn Doppelrohrblattinstrumente wie Schalmei oder Dudelsack 22 beteiligt sind. Die Begleitung besteht an dieser Stelle zunächst aus einer Wechselbass-Formel über dem (nicht recht zur Melodie passenden) Grundton a, die nach fünf Takten, also an einer „irregulären“ Stelle mitten in der Periode, plötzlich auf den Grundton f wechselt (Takt 468) – so, als hätten die begleitenden Musiker gerade erst bemerkt, dass hier andere Begleitakkorde erforderlich sind als beim ersten Solo-Teil, und würden sich spontan 23 anpassen: wiederum eine Reminiszenz an improvisatorische Musizierpraktiken. An dieser Stelle des Werks deutet sich erneut eine Tendenz an, die in Ligetis späteren, avantgardistischen Kompositionen zum tragenden Prinzip werden sollte. In Werken wie „Atmosphères“ oder „Lux Aeterna“ unterwirft er die Musiker strengsten Ausführungsbestimmungen – um letztlich musikalische Strukturen zu erzielen, die eher aleatorisch, also improvisiert, wirken: „Innerhalb einer Komposition mag ich Improvisation überhaupt nicht. Nur im Jazz, also in stilistisch normierten Formen, mit einem vorgegebenen begrenzten Vokabular, kann man damit einiges machen. Das besitzt oft hohe Qualität […]. Aber in komponierter Musik, in meinem Fach, bin ich für genaue Ausarbeitung und 24 Notation wie bei Bach.“ Die Solovioline greift das neue Melodiematerial kurz auf, kehrt dann aber wieder zu ihrer ursprünglichen Tonrepetition und -umspielung zurück, bis sie in Takt 488 plötzlich ins Trudeln zu kommen scheint, metrisch wie melodisch: 22 23 24 Vgl. Georgescu 1998, Sp. 596. A. a. O., Sp. 592. Ligeti 2000, zit. n. https://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti 9 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Die Wechselbass-Begleitung endet abrupt, der 2/4-Takt weicht einem 3/8-Takt, vier Takte lang sind nur Solovioline und Flöten im pp zu hören – eine der leisesten Stellen des Satzes. In Takt 492 kehrt schließlich das Orchester mit Macht zurück und wiederholt die Melodie aus T. 463 ff – diesmal aber von Beginn an „sauber intoniert“, mit reinen F-DurKlängen als Begleitung und einer melodischen Schlusswendung in Takt 501 (ca. 2:50) – der ersten annähernd „kadenzierenden“ Stelle im Satz – wobei die Begleitstimmen ihren Wechselbass unbeirrt fortzusetzen scheinen: In Takt 502 (ca. 2:50) beginnt unvermittelt ein deutlich neuer musikalischer Abschnitt. Harmonische Grundlage ist nun über längere Zeit ein f7-Klang. Die Bläser spielen eine Variante des Trompeten-Signals aus der Einleitung des Satzes. Die Streicher intonieren im selben Rhythmus in tiefer Lage eine stampfende Tanzmelodie mit klassischem Vordersatz-Nachsatz-Schema, wie man sie in ungarischer oder auch tschechischer Tanzmusik finden kann – hier stellvertretend notiert Violine und Oboe: In den folgenden etwa 40 Takten (ab ca. 3:05) bildet dieses thematische Material mit seiner strengen Periodik den Rahmen für kurze, virtuose solistische Einwürfe verschiedener Solisten und Instrumentengruppen. Daraus entfaltet sich ein zunehmend dynamischeres Geschehen, das nach einiger Zeit zu „entgleisen“ beginnt. Die erste Abweichung vom Perioden-Schema findet sich in Takt 542: Die Klarinetten greifen ein bereits vorher von der Viola gespieltes Triolen-Solo auf, „genehmigen“ sich aber einen Solo-Takt mehr, als ihnen laut Schema zustünde, und stören damit die Periodik. Das Orchester antwortet zunächst unbeeindruckt mit dem üblichen Nachsatz, hier ist stellvertretend die Violinstimme notiert: 10 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment In Takt 563 beginnt die Klarinette mit einer Umkehrung der Triolen-Melodik, obwohl die Solo-Violine ihre Phrase noch nicht zu Ende geführt hat: Bereits in Takt 561 bringt die Trompete ein akzentuiertes „Gegen-Thema“ zur dominierenden Triolen-Melodie. Unterstützt durch die imitierende Piccoloflöte entwickelt es sich zu einem schrillen und auffallenden klanglichen „Kontra-Punkt“ – außer der Piccoloflöte spielen alle Instrumente dynamisch im p- und pp-Bereich! Insgesamt ergibt sich damit ab Takt 561 eine Doppelstruktur aus der jeweils imitatorisch gespielten Triolen-Motivik in Violine und Klarinette und den „kontrapunktischen“ Signalen von Trompete und Piccolo. Ein deutlich wahrnehmbarer Schlag der großen Trommel in Takt 585 (ca. bei 3:48) leitet den nächsten musikalischen Abschnitt ein. Das Orchester wechselt unvermittelt vom pp-Bereich ins ff. Eine klar im Vordergrund stehende Melodie gibt es endgültig nicht mehr. Die Streicher repetieren beharrlich Triolen-Ketten in einer dreiklangsbasierten Mixtur: 11 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Der dadurch entstehende flächige Klang wird durch scharf akzentuierte Einwürfe der Bläser und Kontrabässe strukturiert, die die Töne eines F-Dur-Dreiklangs intonieren. Ab Takt 600, wiederum nach einem starken Impuls von der großen Trommel, löst sich diese Klangfläche vorübergehend auf in Skalenfragmente und scharfe rhythmische Akzente, die noch lauter gespielt werden als zuvor (fff). Ab Takt 511 herrscht „kollektive Raserei“: Es gilt die Spielanweisung „tutta la forza“, gleichzeitig ist das motivische Material auf ein Minimum reduziert. Streicher und fast alle Bläser wiederholen – noch immer in hohem Tempo – immer dieselbe Dreitonfolge. Oben, Trompeten und Hörner halten mit bereits kurz zuvor gespielten dissonanten Signal dagegen (vgl. Takt 561 ff). Zwei laute Schläge von Becken und großer Trommel kennzeichnen ein weiteres Stadium musikalischer Auflösung, in dem das ohnehin schon chaotisch klingende Geschehen durch tiefes Grollen von Hörnern, Fagotti und Kontrabässen angereichert wird. Hier greift Ligeti auf ein musikalisches Element zurück, das bereits am Beginn des Satzes eine Nebenrolle gespielt hatte (vgl. Takt 281 ff, Hörner), nun aber quasi „übergroß“ nochmals zu hören ist. Für Hörer, die an symphonische Filmmusik gewöhnt sind, kann die Assoziation einer nahenden Katastrophe entstehen. Das turbulente Geschehen endet jäh mit einem gewaltigen gemeinsamen „Schlag“ des Orchestertuttis (Takt 626, ca. 4:08) – und es folgt eine wirklich außergewöhnliche Coda. Ein letztes Mal löst sich ein Violin-Solo aus dem Orchester, das nur noch ein klägliches, aber um so hartnäckigeres Überbleibsel der vorherigen Tanzmusiken ist. Irrlichtende Triolen in extrem hoher Lage erklingen in aberwitzigem Tempo (Prestissimo, punktierte Halbe = 126; der Solist müsste also ca. 18 Töne pro Sekunde spielen). Auch diese zweiteilige Triolenkette wird beharrlich wiederholt, der Spieler scheint zu ignorieren, dass inzwischen ein Dreiertakt gilt, und setzt unbeirrt alleine fort, was kurz zuvor noch große Teile des Orchester gemeinsam gespielt haben. Das Orchestertutti reagiert mit extrem lauten, trockenen „Schlägen“ in steigender zeitlicher Dichte (ab Takt 647, ca. 4:20, im Wellenbild gut sichtbar). Die Wirkung ist bizarr: „Das Stück scheint sich dem Ende zu nähern, aber die Solovioline will dabei nicht mitmachen; sie wirbelt weiter vor sich hin, sehr hoch und im pianissimo, obwohl der Rest des Orchesters emphatische Akkorde im fortissississimo hämmert. Man kann sich dazu einen Tanz zwischen einem 25 Moskito und einer Fliegenklatsche vorstellen.” Hier scheint sich die Beobachtung Ulrich Dibelius‘ zu bestätigen, Ligeti habe unter dem zunehmenden Druck zur musikalisch-politischen Konformität eine zweite Reflexionsebene in seine Musik eingebaut und seiner Lust an spielerisch-ironischer Überzeichnung 26 nachgegeben. Es darf also darüber spekuliert werden, worauf sich die unzweifelhaft vorhandene musikalische Ironie kurz vor Ende des „Concert Românesc“ beziehen könnte – und inwieweit Empörung über die „musikalische Fliegenklatsche“ zum Verbot der Uraufführung beigetragen haben könnte. 25 26 Keller 2013, Übersetzung: GP Dibelius 2004, Sp. 113 12 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment Am Ende „zerstiebt“ das Violin-Solo in einen einzigen, extrem hohen, lang ausgehaltenen ppp –Ton. Zu hören ist ein Triller auf dem c5, also im Frequenzbereich um ca. 4000 Hz, in dem das menschliche Gehör am empfindlichsten ist und in dem sich 27 Lärmschwerhörigkeit als erstes bemerkbar macht. Der flirrende und hartnäckig nicht weichende Ton weckt ein weiteres Mal Assoziationen an eine Stechmücke – oder auch an sehr fernes Vogelgezwitscher. Noch einmal folgt eine musikalische Überraschung: Eingebettet in das Flirren ertönt ein klanglicher Dialog zwischen zwei Hörnern, die ein „Solo naturale“ im Stil von Alphörnern intonieren. Die zweite Solostimme agiert dabei als Echo der ersten: Für einige Sekunden entsteht so eine geradezu idyllische Stimmung – für Hörer, die nur den vierten Satz kennengelernt haben, gänzlich neuartig; für ein Publikum, das mit dem gesamten „Concert“ vertraut ist, eine Reminiszenz an den Beginn des dritten Satzes. Die Hörner verklingen, und ein letzter, plötzlicher ffff-Schlag des Orchesters in reinem F-Dur beendet das Stück endgültig. 27 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lärmschwerhörigkeit 13 a r d - ko n z ein macht sc hule schulkonzer t.ard.de ert da s ge rshwi n experiment 3. Musiziersatz mit Themen aus György Ligeti, „Concert Românesc“ ziele Die Schülerinnen und Schüler sollen… · über gemeinsames Musizieren thematisches Material aus dem ersten Teil des Finales von „Concert Românesc“ kennenlernen; · Freude am tänzerischen Duktus der Musik entwickeln und ihre jeweilige Instrumentalstimme entsprechend spielen können; · die Melodien beim Hören von Ligetis Komposition wiedererkennen und aufmerksam verfolgen können, · klangliche Unterschiede zwischen Klassenensemble- und Orchesterfassung beschreiben können. materialien · Spielpartitur für die Lehrkraft; ggf. Notenmaterial für Spieler der Melodiestimme · Melodieinstrument(e): Blockflöte, Querflöte oder Violine. · Stabspiele oder Boomwhackers. Die angegebenen Instrumente können ggf. durch andere ersetzt werden. Der Satz lässt sich auch von einer Streicherklasse spielen. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass das Klangregister jeweils erhalten bleibt (Sopran- vs. Basslage). Begleitinstrumente zu Teil 1 sollten durch Instrumente mit kurzem, trockenem Klang ersetzt werden (z. B. gezupfte Streichinstrumente), die Begleitung in Teil 2 durch Instrumente mit längerem Nachklang (z. B. gestrichene Streichinstrumente). methodische anmerkungen: · Die Begleitstimmen werden am besten auswendig erarbeitet, in der bewährten Reihenfolge Sprechen (Vocussion) – Körperinstrumente (Body Percussion) – Musikinstrumente. · Sobald die Rhythmen stabil laufen, bringt die Lehrkraft die Melodiestimme ins Spiel – singend, summend, auf einem Instrument zur Begleitung der Schüler spielend. Damit wird der musikalische Kontext der Rhythmen früh deutlich gemacht. · Textierungsvorschlag für Vocussion: (Horch!) (Horch!) (Horch!) 14 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment · Die Viertelpausen werden zunächst mit einer Geste gefüllt, z. B. Hand ans Ohr zur Silbe „Horch!“ Dies sollte bis zur Übephase mit den Instrumenten beibehalten werden. Das Sprechen wird über die Zwischenschritte „flüstern“ – „innerlich vorstellen“ allmählich abgebaut. · Body-Percussion: Hier sollten Klanggesten verwendet werden, die den späteren Spielbewegungen an den Instrumenten möglichst stark ähneln. Für Stabspiele ist Patschen auf die Oberschenkel eine zweckmäßige Möglichkeit. Bereits hier kann man auf klangliche Qualitäten und auf „schwer-leicht“-Akzentuierungen achten. Besonders wichtig ist es, das pünktliche Einsetzen und Aufhören von Beginn an mit zu üben. Jeder Einsatz muss vorbereitet sein – durch Einnehmen einer aufmerksamen Spielhaltung und genaues Hinhören. · Weiterführungsmöglichkeiten: Gemeinsam wird die Passage ab Takt 291 (ca. 0:40) angehört. Nun spielt das Orchester die Melodien. Was verändert sich dadurch? Im Anschluss kann gemeinsam der Beginn des Stücks gehört werden. Die Takte vor 291 dienen als Einleitung – wie die Ouvertüre im Theater, bevor sich der Vorhang zur ersten Szene hebt. Wie beschreiben und deuten die Schüler die Gestaltung dieses Abschnitts? Welches Geschehen kann man sich dazu vorstellen: Wie sähe ein passendes Bühnenbild aus? Eine Szene in der freien Natur, ein Ballsaal, eine Scheune, …? Ist es hell, dunkel, Tag, Nacht, Sommer, Winter? Wer ist zu sehen? Menschen, Tiere, Geister…? Einzelne oder Viele? Sind bereits alle eingetroffen, versammeln sie sich allmählich, oder stieben sie schon wieder auseinander? Hier gibt es selbstverständlich nicht „die“ eine, richtige Lösung – wohl aber ein „nah dran“ oder „weiter weg“ von der Musik. Beim Sprechen über die „Bilder in den Köpfen“ sollte die Musik noch mehrmals angehört werden. Dabei können einerseits die geschilderten Vorstellungen verifiziert und präzisiert werden, andererseits kann man versuchen, die Musik mit dem Bild eines anderen im Kopf zu hören – und dabei vielleicht neue Details zu entdecken. 15 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment 4. „Ligeti hören lernen“ Die hier zusammengestellten Materialien sollen Jugendlichen mit wenig „klassischer“ Hörerfahrung ein aufmerksames und bewusstes Verfolgen des vierten Satzes aus György Ligetis „Concert Românesc“ möglich machen. Wesentlicher methodischer 28 Baustein ist dabei der Einsatz eines Sound-Bearbeitungsprogramms wie Audacity , das in zweifacher Hinsicht genutzt wird: einerseits als individuell verwendbares „Abspielgerät“, andererseits als Hilfsmittel zur visuellen Orientierung im Musikstück. Gelenkt wird der Lernvorgang durch ein individuell oder im Zweierteam zu bearbeitendes Aufgabenblatt; eine im Laufe des Arbeitsprozesses entstehende, einfache Hörpartitur dient beim abschließenden gemeinsamen Anhören des gesamten Satzes als Orientierungs- und Erinnerungshilfe. Alternativ zur Einzelarbeit kann das Material aber auch zum „frontalen“ Arbeiten im Plenum verwendet werden. ziele: Im Idealfall können die Schüler am Ende der Unterrichtseinheit · das gesamte Musikstück mit Hilfe der selbst angefertigten Hörpartitur aufmerksam und bewusst mitverfolgen; „Könnern“ gelingt dies bereits ohne die visuelle Unterstützung; · kurze, charakteristische Hörbeispiele mit Ausschnitten aus der Musik den richtigen Stellen in der Hörpartitur zuordnen; · das Musikstück auch nach einigen Wochen noch wiedererkennen, Komponist und geografisches Umfeld richtig benennen. organisatorische und inhaltliche voraussetzungen · Die Materialien können im Plenum genützt werden, sind aber in erster Linie für Einzel- und Partnerarbeit gedacht. Dazu müssen die Schülerinnen und Schüler bereits mit der Bedienung der Audio-Software grundlegend vertraut sein. Zudem sollten sie die Fachbegriffe für Lautstärke-Unterschiede kennen und gängige Orchesterinstrumente am Klang erkennen und benennen können. · Da das Arbeiten im individuellen Lerntempo einen zentralen Aspekt des Konzepts darstellt, sollte die Unterrichtseinheit in einem Rechnerraum stattfinden, der Einzel- oder Partnerarbeit mit PC und Kopfhörer ermöglicht. · An jedem Rechner muss die notwendige Audio-Software vorhanden sein, zudem muss der Zugriff auf das Audiofile mit der passenden Musikaufnahme möglich sein. Die Materialien basieren auf der Einspielung der Komposition durch das Los Angeles Philharmonic Orchestra unter Esa-Pekka Salonen (Deutsche Grammophon). · Für die Abschlussphase empfiehlt sich die Rückkehr in den Musikraum oder an einen anderen Ort, der es ermöglicht, sich bei guter Tonqualität auf das Hörerlebnis zu konzentrieren. 28 Siehe http://audacity.sourceforge.net 16 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment zur begründung des vorgehens Das aufmerksame Verfolgen „klassischer“ Kompositionen ist eine Kulturtechnik, die nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, sondern stufenweise eingeübt werden muss. Die Aufgabenstellung ist so angelegt, dass schrittweise akustische Orientierungspunkte gesetzt werden. Den Schwerpunkt bilden dabei niedrigschwellige Aufgaben, die für alle Schülerinnen lösbar sein sollten. Die Lernende hört zunächst nur einige wenige Ausschnitte des Musikstücks, diese aber so oft, wie es zum Lösen der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist. Diese Passagen sollen im Gedächtnis verankert werden. Später, beim Anhören des gesamten Stücks, bieten sie die nötige strukturelle Stütze zum „Aushalten“ der bis dahin noch unbekannten Teile des Satzes. Mit Hilfe von Rechnern, Audio-Software und Kopfhörern haben die Schüler im Idealfall die Musik nach Abschluss der Unterrichtseinheit sehr viel öfter, aktiver und intensiver gehört als im klassischen „gelenkten Unterrichtsgespräch“: zunächst in kurzen Ausschnitten, schließlich als zusammenhängendes Ganzes. „Absolute“ Musik wie das „Concert Românesc“ wurde und wird in der Regel komponiert, um konzentriert (und mit Genuss) als musikalische Einheit angehört zu werden. Ein gemeinsames Gespräch über die Musik kann und darf diesen Vorgang ergänzen, aber niemals ersetzen. 17 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment 5. Bildnachweise, Literatur und Links bildnachweise Alle Notenbeispiele: G. Puffer literatur Dibelius, Ulrich (2004): Ligeti, György. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei Teilen]. 2., neubearb. Ausg. Kassel: Bärenreiter (Personenteil 11 Les-Men), Sp. 108–121. Dunnett, Roderic (o. J.): Concerto Românesc. Programme note. György Ligeti (1923— 2006), Concerto Românesc (1951). Scottish Chamber Orchestra. Online verfügbar unter http://www.sco.org.uk/content/concerto-românesc , [30.01.2015] Georgescu, Corneliu Dan (1998): Rumänien. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei Teilen]. 2., neubearb. Ausg. Kassel: Bärenreiter (Sachteil 8 Quer-Swi), Sp. 587–605. Keller, James M. (o. J. (2013)): LIGETI: Concert Românesc (Romanian Concerto). San Francisco Symphony. Online verfügbar unter http://www.sfsymphony.org/WatchListen-Learn/Read-Program-Notes/Program-Notes/LIGETI-Concert-Romanesc(Romanian-Concerto).aspx [30.1.2015] Ligeti, György (1996): Concert Românesc für Orchester (1951). Partitur. Mainz: Schott Musik International. Musik på tværs (Hg.) (o. J.): Concert Romanesc. Online verfügbar unter http://www.musikpaatvaers.dk/concerto_romanesc , zuletzt geprüft am 30.01.2015. Szendrei, Janka; Király, Peter; Papp, Ágnes; Sas, Ágnes; Szerzö, Katalin; Pintér, Éva et al. (1998): Ungarn. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei Teilen]. 2., neubearb. Ausg. Kassel: Bärenreiter (Sachteil 9 Sy-Z), Sp. 1121–1165. 18 schulkonzer t.ard.de a r d - ko n z ein macht sc hule ert da s ge rshwi n experiment links http://www.gyorgy-ligeti.com Homepage des Komponisten, betreut von seiner letzten Konzertagentur. https://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti http://de.wikipedia.org/wiki/Siebenbürgen http://de.wikipedia.org/wiki/Kreis_Cluj http://de.wikipedia.org/wiki/Cluj-Napoca#20._Jahrhundert Material zu rumänischen Folkloretänzen: http://www.dunav.org.il/ (Musik, Tanzanleitungen, Noten) http://www.folkloretanznoten.de/romanian.html (Notenmaterial) 19 Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ 6. Anhang: Arbeitsblätter Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV Arbeitsaufträge Der vierte Satz des „Concert Românesc“ von György Ligeti dauert gut fünf Minuten. Die Abbildung auf dem Partiturblatt zeigt eine grafische Darstellung des Lautstärkeverlaufs, wie du sie vielleicht schon aus Programmen zum Sound-Editing kennst. 1. Erster Eindruck: Höre dir den Beginn der Musik an (bis ca. 0:40). Welche Tempo- und AusdrucksBezeichnung passt hier? ¡ Andantino (leichtfüßig gehend) ¡ Molto vivace (sehr lebhaft) ¡ Adagio ma non troppo (langsam, behutsam – aber nicht zu sehr) 2. Ein Hinweis auf György Ligetis Herkunft: Der Komponist hat nach eigener Aussage im „Concert Românesc“ Melodien aus der Region verarbeitet, aus der er stammte – dem westlichen Rumänien. Höre dir die Passagen ab 0:40 und ab 4:30 an: Kannst du entschlüsseln, welche musikalischen Kindheitserinnerungen György Ligeti hier verarbeitet hat? ¡ Alphornbläser in den Karpaten ¡ Zwei Jugendgruppen, die im Wechsel eine colinda singen (Lied zu einem Winterritual) ¡ Eine wandernde Musikertruppe, die mit Dudelsäcken und Violinen in einem Dorf zum Tanz aufspielt Begründe deine Einschätzung kurz: ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ 3. Musikalische Schlüsselstellen: Höre und schaue dir drei wichtige Stellen des Stücks an: Ò den Beginn (0:00) Ò die Passage ab 0:40 Ò den Schluss ab 4:28 Notiere zu jedem Notenausschnitt die passende Stelle im Musikstück! Schneide die Notenbeispiele anschließend aus und klebe sie an der jeweils richtigen Stelle in die Hörpartitur! ____________ ____________ Solo-Violine ____________ Vl. II Vla. Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ 4. Gegensätze: Der vierte Satz des „Concert Românesc“ ist gekennzeichnet durch überraschende musikalische Gegensätze. Höre dir zwei Ausschnitte genauer an: die Passage von 3:06 bis ca. 3:40 (= Ausschnitt 1) und die von 3:51 bis ca. 4:15 (= Ausschnitt 2)! Umrande mit blauer Farbe die Begriffe, die deiner Einschätzung nach zum Ausschnitt 1 passen! Umrande mit roter Farbe die Begriffe, die zum Ausschnitt 2 passen! (Achtung: Manche Begriffe passen möglicherweise zu beiden Teilen – manche zu keinem! In der letzten Tabellenzeile kannst du selbst noch Begriffe ergänzen, die zur Musik passen.) piano/ pianissimo forte/ fortissimo zart kraftvoll schwungvoll bedächtig tänzerisch Mit vielen Betonungen abwechselnd laut und leise langweilig temperamentvoll schrill geordnet lebendig chaotisch fremd geheimnisvoll feierlich ausdruckslos aufregend belanglos ermüdend ernst lustig lärmend Ò Wähle die drei Begriffe aus, die deiner Ansicht nach jeweils am besten Ausschnitt 1 und Ausschnitt 2 beschreiben, und trage sie an den entsprechenden Stellen in die Hörpartitur ein! Benütze dazu jeweils die Farbe, die du zum Umranden der Begriffe verwendet hast! Falls du selbst ein gut passendes Wort in die Tabelle eingetragen hast, schreibe es dazu! 5. Zusatzaufgabe: Wenn du noch Zeit übrig hast, übe mit einem Partner schon einmal für die Abschlussaufgabe im Plenum: Hört das Stück im Ganzen an und lest in der Lautstärken-Partitur auf dem Arbeitsblatt mit. Zum Üben kann dein Partner die Musik mehrmals stoppen – du solltest dann sagen können, an welcher Stelle (Minute und Sekunde) ihr gerade angekommen wart! Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV Arbeitsblatt „Hörpartitur“ 0:00 4:15 Einleitung Coda (Abschnitt 1) (Abschnitt 2) Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV Lösungsblatt „Hörpartitur“ Solo-Violine 4:15 0:00 Einleitung Vl. II Coda Vla. (Abschnitt 1) (Abschnitt 2) individuelle Lösungen/ Begriffssammlungen Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ Musiziersatz zu Themen aus Satz IV (Melodiestimme vereinfacht) Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“ Spielsatz: Sopran-Blockflöte Spielsatz: C-Instrument Spielsatz: B-Instrument
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