Ligeti im Unterricht - Das Gershwin Experiment

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unterrichtsmaterialien
zu györgy ligeti, concer t românesc, satz iv
d a s g e r s hw i n e x p e r i m e n t
ein ard-konzer t macht schule
donnerstag, 12.11.2015 11.00 uhr
g e o r g e g e r s hw i n „ r h a p s o dy i n b l u e “
györgy ligeti „concer t românesc“ für orchester
s y mp h o n i e o r c h e s t e r d e s b aye r i s c h e n r u n d f u n ks
d e n i s m a t s u e v k l av i e r m a r i s s j a n s o n s d i r i g e n t
herkulessaal der residenz münchen
l iv e a u f a l l e n a rd k u l t u r w e l l e n , i m b a y e r i s c h e n f e r n s e h e n
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Unterrichtsmaterialien zu György Ligeti,
Concert Românesc, Satz IV
Autorin: Gabriele Puffer
Inhalt
1. Allgemeine Hinweise ............................................................................................................................................................. 2
2. „Über Grenzen“: Informationen zu Komponist und Werk ........................................................................................ 3
2.1 Biografische Notizen zu György Ligeti ..................................................................................................................... 3
2.2 Concert Românesc, Satz IV: Molto Vivace .............................................................................................................. 4
3. Musiziersatz mit Themen aus György Ligeti, “Concert Românesc” ...................................................................... 14
4. „Ligeti hören lernen“ ............................................................................................................................................................ 16
5. Bildnachweise, Literatur und Links ................................................................................................................................. 18
6. Anhang: Arbeitsblätter ........................................................................................................................................................ 20
György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV ............................................................................................. 21
Arbeitsaufträge ..................................................................................................................................................................... 21
Arbeitsblatt: Hörpartitur ................................................................................................................................................... 24
Lösungsblatt: Hörpartitur ................................................................................................................................................. 25
Musiziersatz zu Themen aus Satz IV ................................................................................................................................... 26
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1. Allgemeine Hinweise
Die hier zusammengestellten Unterrichtsmaterialien sollen dazu dienen, Schülerinnen
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und Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 10 auf die Begegnung mit György Ligetis „Concert Românesc“ im Rahmen des „Gershwin-Projekts“ im November 2015 vorzubereiten.
Die beiden Unterrichtseinheiten sind als voneinander unabhängige Module konzipiert.
Sie können je nach den örtlichen Gegebenheiten ausgewählt, miteinander kombiniert
und dem Niveau der Klasse angepasst werden. Aus urheberrechtlichen Gründen wurde
auf längere Noten- und Hörbeispiele verzichtet.
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Im Folgenden wird der Lesbarkeit wegen entweder die weibliche oder die männliche Form verwendet.
Gemeint sind in der Regel beide Geschlechter.
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2 . „Über Grenzen“: Informationen zu Komponist und Werk
2.1 Biografische Notizen zu György Ligeti
György Ligeti (1923—2006) zählt zu den bekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er wurde in eine sprachlich, religiös und kulturell vielfältige Umgebung
hineingeboren. Die Region im nordwestlichen Zentrum des heutigen Rumänien, in der er
aufwuchs, stand im Laufe der Jahrhunderte unter den verschiedensten politischen und
kulturellen Einflüssen – was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass es bis heute
etliche gängige Bezeichnungen für sie gibt: im Deutschen „Siebenbürgen“ oder
„Transsilvanien“, im Rumänischen „Ardeal“ oder „Transilvania“, ungarisch „Erdély“,
siebenbürgisch-sächsisch „Siweberjen“. Im Mittelalter stand Transsilvanien unter
ungarischer Herrschaft, später auch unter osmanischem Einfluss, bis die Region Ende
des 17. Jahrhunderts dem Habsburger Reich einverleibt wurde. Seit dem 12. Jahrhundert
siedelten sich zudem Einwanderer aus dem Rhein- und Moselgebiet, Flandern und der
Wallonie in der Gegend an („Siebenbürger Sachsen“), etwa gleichzeitig dürften die Roma
Rumänien erreicht haben.
Die ethnische Vielfalt schlug sich in einer ebenso großen musikalischen Vielfalt nieder,
die Traditionen existierten nebeneinander oder vermischten sich im Laufe der Zeit. Eine
besondere Rolle dabei spielten die professionellen oder halbprofessionellen lâutari,
wandernde Musiker, meist Roma. Durch ihre hohe Mobilität förderten sie den Austausch
zwischen verschiedenen regionalen Stilen und Tanztypen. Sie waren bereits früh in
Gilden organisiert und genossen im 18. Und 19. Jahrhundert internationales Ansehen als
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Musiker. György Ligeti berichtete von musikalischen Kindheitserinnerungen, in denen
mit Tiermasken verkleidete Wandermusikanten auf Violinen und Dudelsäcken eine
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wilde, lebhafte, dissonante, „gegen den Strich gebürstete“ Tanzmusik spielten –
Charakteristika, die sich in stilisierter Form im vierten Satz des „Concert Românesc“
wiederfinden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fiel Transsilvanien an Rumänien, 1940 wurde es
teilweise von Ungarn annektiert, 1944 von den Deutschen besetzt und 1947 wieder an
Rumänien angegliedert. Für György Ligeti bedeutete dies unter anderem, dass er
zunächst eine ungarische Grundschule in der Stadt Cluj-Napoca besuchte (deutsch:
Klausenburg, ungarisch: Kolozsvár), später dann ein rumänisch-sprachiges Gymnasium.
Ab 1940 war die jüdische Minderheit in Transsilvanien erheblichen Repressionen
ausgesetzt. Die angestrebte Aufnahme eines naturwissenschaftlichen Studiums blieb
Ligeti deshalb verwehrt. So begann er 1941 zunächst mangels Alternativen ein
4
Musikstudium in den Fächern Komposition und Orgel am Konservatorium in Cluj. 1943
musste er das Studium abbrechen, durchlitt und überlebte in den folgenden beiden
Jahren Krieg und Arbeitslager. Ende 1945 konnte er seine Ausbildung wieder
aufnehmen, nun an der renommierten Budapester Musikakademie, unter anderem bei
5
Ferenc Farkas, Sándor Veress und Lájos Bárdos.
Die ersten Jahre nach Kriegsende waren in Ungarn durch eine Öffnung nach Westen,
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durch Experimentierlust und kulturelles Aufblühen gekennzeichnet – für einen jungen
Komponisten und Musiktheoretiker ein stimulierendes Umfeld. In der Tradition Kodálys,
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Georgescu 1998, Sp. 594 f.
Dunnett o. J.; Keller 2013
Dibelius 2004, Sp. 108
A.a.O.
Szendrei u. a. 1998, Sp. 1146
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Bártoks und Enescus arbeitete Ligeti nach Abschluss seines Studiums ein Jahr lang
musikethnologisch und war dabei intensiv mit der Transkription rumänischer
Volksmusik-Aufnahmen befasst. 1950 kehrte er als Dozent für Analyse, Harmonie- und
Satzlehre an die Budapester Musikakademie zurück.
Ligetis musikalische Arbeiten aus dieser Zeit zeigen deutliche Spuren von Béla Bártoks
Einfluss (z. B. Musica Ricercata, 1951—53; Concert Românesc, 1951). Er bearbeitete
Volkslieder, integrierte Volksmelodien und Nachschöpfungen im Volkston in seine
Kompositionen. Die frühen Werke zeugen aber auch von suchender Unruhe und
musikalischen Experimenten, die darauf angelegt waren, von allen vorgeprägten
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Modellen, klassischen wie modernen, loszukommen. In den folgenden Jahren erlebte der
junge Komponist die Auswirkungen des immer stärker werdenden sowjetischen
Einflusses auf Kultur und Musik Ungarns – im Positiven wie im Negativen: Neue
volksbildnerische Institutionen und Initiativen ergänzten die bereits vorhandene
ungarische Tradition; insbesondere die zahlreich vorhandenen, gut ausgebildeten Chöre
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boten Aufführungsmöglichkeiten für neue Kompositionen. Gleichzeitig verstärkte sich
unter dem Einfluss des „Sozialistischen Realismus“ sowjetischer Prägung die Tendenz,
musikalisches Schaffen vorwiegend an den Kriterien „Volkstümlichkeit“ und
„Verständlichkeit“ zu messen – bis hin zur Praxis, die Aufführung von Werken zu
unterbinden, die diesen Anforderungen nach Ansicht der staatlichen Zensoren nicht
entsprachen. Einem solchen Verdikt fiel auch das „Concert Românesc“ zum Opfer. Der
Konformitätsdruck wuchs zusehends. Ligeti erinnerte sich später an diese Zeit als eine
der „Kultur des geschlossenen Zimmers“ und der inneren Emigration:
Offiziell wurde der ‚sozialistische Realismus‘ oktroyiert, d. h. eine billige Massenkunst mit
vorgeschriebener politischer Propaganda. Moderne Kunst und Literatur wurden pauschal
verboten, die reiche Sammlung französischer und ungarischer Impressionisten im
Budapester Kunstmuseum beispielsweise hängte man einfach ab. […] Nicht genehme
Bücher verschwanden aus Bibliotheken und Buchgeschäften (unter anderem wurden auch
Don Quijote und Winnie the Pooh eingestampft). […] Geschrieben, komponiert, gemalt
wurde im Geheimen und in der kaum vorhandenen Freizeit: Für die Schublade zu arbeiten
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galt als Ehre.
Nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands von 1956 sah Ligeti in
Ungarn keine Zukunft mehr für sich und emigrierte in den Westen. In den folgenden
Jahren etablierte er sich rasch als einer der innovativsten Schöpfer, Denker und Förderer
„Neuer Musik“.
2.2 Concert Românesc, Satz IV: Molto Vivace
György Ligetis „Concert Românesc“ entstand im Sommer 1951. Es zählt zu einer Reihe
meist recht kurzer Frühwerke, die stark unter dem Einfluss der „ungarischen Schule“
standen, in der Ligeti ausgebildet worden war. Traditionelle Melodien und Neukompositionen im Geiste ungarischer und rumänischer Volksmusik spielten eine tragende
Rolle – in Ligetis Fall „modern“ gesetzt und harmonisiert. 1949/50 hatte Ligeti ein Jahr
lang als Musikethnologe gearbeitet und dabei im Bukarester Volksmusik-Archiv
rumänische Volkslieder von Wachszylinder-Aufnahmen transkribiert. Einige der
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Dibelius 2004, Sp. 114
Szendrei u. a. 1998, Sp. 1146; Dibelius 2004, Sp. 113
Ligeti 2010, zit. nach http://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti
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Melodien verarbeitete er unmittelbar im „Concert Românesc“. Nach einer „reading
session“ mit Orchester verbot die Zensur die geplante Uraufführung – nach Ligetis
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Angaben wegen bestimmter Dissonanzen im vierten Satz. Aber auch der subversive
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Humor, die spielerisch-ironische Überzeichnung, die dort zutage treten, dürften
Anstoß erregt haben: Ein stilisierter Volkstanz, der innerhalb weniger Minuten außer
Kontrolle gerät, bis er schließlich in eine flirrende Klangwolke zerstiebt, war vermutlich
mit den volkserzieherischen Absichten des Sozialistischen Realismus schwer vereinbar.
Nach seiner Emigration in den Westen distanzierte Ligeti sich viele Jahre lang von
seinem ungarischen Frühwerk. Die Kompositionen blieben unter Verschluss, erst seit
Beginn der 1970er Jahre wurden sie allmählich öffentlich zugänglich. Das „Concert
Românesc“ erlebte 1971 in Wisconsin seine Uraufführung. In den 1990er Jahren
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unterzog Ligeti das Werk einer Revision, 1996 erschien es schließlich im Druck.
besetzung
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2 Flöten (Flöte 2 auch Piccolo)
2 Oboen (Oboe 2 auch Englischhorn)
2 Klarinetten in B
2 Fagotti
Hörner (das dritte etwas entfernt von den anderen platziert und als Echo
eingesetzt)
2 Trompeten
Becken, kleine und große Trommel
Streicher
Das Werk hat eine Aufführungsdauer von knapp 15 Minuten und besteht aus vier
kurzen Sätzen, die unmittelbar ineinander übergehen. Mit gut fünf Minuten Dauer
kommt dem Finale das größte Gewicht zu. Satz I und II unterscheiden sich deutlich vom
Rest: Ligeti bearbeitete hier ein etwas früheres eigenes Werk für zwei Violinen, „Ballade
und Tanz“ aus dem Jahr 1950. Entsprechend kurz und schlicht fallen die Stücke aus. Satz
III und IV sind dem gegenüber genuine Orchestermusik – deutlich komplexer in
Satztechnik, Instrumentierung und formaler Anlage. Satz III beginnt mit einem
ausgedehnten Horn-Solo, das im Stile von Natur- bzw. Alphörnern gespielt werden soll,
Satz IV endet mit einer ebensolchen Solo-Passage: Die Soli bilden eine inhaltlichmusikalische „Klammer“ um die beiden Sätze und tragen so zur formalen Einheit bei.
Der vierte Satz präsentiert sich auf den ersten Blick als folge loser aneinander gereihter,
zunehmend ekstatischer werdender Tanzsätze. Eine genauere Analyse ergibt das Bild
eines präzise durchkonstruierten Werks, in dem der Komponist äußerst ökonomisch mit
motivisch-thematischem Material umgeht, vielfältige Wechselbezüge und Verflechtungen schafft. In engem zeitlichem Rahmen vereint Ligeti Reminiszenzen an zwei
gänzlich verschiedene musikalisch-volkskulturelle Welten: Die Horn-Soli am Ende
verweisen auf traditionelle westrumänische Musik, insbesondere auf das in den
Karpaten heimische „bucium“. Dieses Alphorn wurde in der traditionellen Musik immer
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solistisch gespielt und ist der alpinen rumänischen „Hirtenmusik“ zuzurechnen. Die
Hornisten sind explizit aufgefordert, ihre Instrumente wie Naturhörner zu spielen: „solo
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Vgl. Keller 2013.
A. a. O.
Vgl. dazu Dibelius 2004, Sp. 113.
Keller 2013
Vgl. Georgescu 1998, Sp. 593.
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naturale […]: Die 5. Und 7. Obertöne (e und b) nicht korrigieren, die rechte Hand aus der
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Trichteröffnung herausnehmen und ganz fern halten.“
Der größte Teil des Finalsatzes ist allerdings wohl als Reverenz an die Musik der „lăutari“
zu verstehen. Traditionelle Arten, die Violine (rum. Vioară) zu spielen, haben hier
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musikalische Spuren hinterlassen. Zudem versuchte Ligeti, die spezielle Art
einzufangen, wie die Dorfmusiker ihre Tänze ad hoc spielten, improvisatorisch
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ergänzten und harmonisierten, „voller Dissonanzen und gegen den Strich gebürstet“.
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Unmittelbar hör- und sichtbar wird dies beim Blick auf die Passage ab Takt 420:
Als Begleitung des Violinsolos sind tiefe Streicher im pizzicato zu hören. Sie spielen eine
schlichte Wechselbass-Begleitung, die jedoch in zwei Tonarten gleichzeitig erklingt
(Grundton a vs. Grundton gis). Dynamische Gestaltung (ppp), tiefe Lage und eine
ungewöhnliche Spielanweisung sorgen dafür, dass diese eigenartige Begleitung weniger
dissonant als vielmehr geräuschhaft wirkt: „2 soli, div. Pizz. Quasi timpani“ […] Der
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Timpani-Effekt wird durch das sehr präzise Anzupfen, halbwegs ponticello, erreicht.“
Ein Wellenbild vermittelt einen ersten Überblick:
Erkennbar ist eine kurzweilige Folge kontrastreicher Einzelabschnitte, die ab ca. 3:35
zunehmend „außer Kontrolle geraten“ – im Wellenbild gut sichtbar als fortschreitende
klangliche Verdichtung vor 4:15, der eine Reihe zeitlich immer enger aufeinanderfolgender, sehr lauter Schläge folgt (bis ca. 4:28). Klar erkennbar ist ebenfalls die sich
anschließende ungewöhnliche Schlusspassage im pp-Bereich mit einem jähen, sehr
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Ligeti 1996, S. 24; zur besonderen Beschaffenheit von ventillosen Blechblasinstrumenten und
Obertonreihe: siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Naturtonreihe#Blechblasinstrumente
Zur lăutari-Musik: vgl. Georgescu 1998, Sp. 593 f.
Vgl. Keller 2013.
Vgl. Ligeti 1996, S. 50; Notenbeispiel: GP
Ligeti 1996, S. 49.
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lauten Schlag des Orchesters am Ende. Hier, nach 4:30, haben die vorhin bereits
erwähnten „Alphorn-Soli“ ihren Platz.
Am Beginn des Stücks steht wie ein Weckruf ein Trompeten-Signal, das im weiteren
Verlauf des Stücks mehrfach wiederkehrt Gemeinsam mit starken Akzenten aus dem
Schlagwerk fungiert es als tektonisches Element, das den Satz zeitlich gliedert.
Auf das einleitende Trompeten-Signal folgt ab Takt 5 ein diffus aus der unteren
Mittellage sich aufbauender Streicherklang. Die Celli intonieren im pp eine schnelle
Folge von Achtel-Triolen, ausgehend vom Grundton D, die ebenfalls zum tragenden
motivischen Element des Satzes wird:
Die Spielanweisung „sul ponticello“ (nah am Steg streichen) sorgt für einen flirrenden,
geräuschhaften, obertonreichen Klang. Nach und nach übernehmen die übrigen
Streichinstrumente imitierend die „Melodie“. Auffallend ist die Diskrepanz zwischen den
klar konturierten Linien, die die Streicher zu spielen haben, und dem diffusen Klangbild,
das durch die klangliche Schichtung und das kanonische Spiel in engen Tonschritten
entsteht. Hier deutet sich vielleicht bereits Ligetis spätere Technik der „Mikropolyphonie“ an. Allmählich kommen Holzbläser hinzu, gut als neue Klangfarbe wahrnehmbar sind die Klarinetten ab T. 258. Harmonisch verharrt das Geschehen auf dem
Grundton D.
Ab Takt 269 strukturieren mehrere lineare Trompeten-Signale das Geschehen akustisch:
Beginnend mit nur drei Tönen, „erkämpfen“ sich die Trompeter zunehmend mehr
klanglichen Raum und intonieren dabei Töne in steigendem Spannungsverhältnis zum
inzwischen nur noch in Sopranlage hörbaren Grundton d:
Ab Takt 283 bringen die Hörner bringen mit einem Einsatz im fff mit dem Ton B erstmals
im Stück die tiefere Lage des Orchesters deutlich hörbar ins Spiel. Zwei scharfe
Percussions-Signale (kleine und große Trommel), im Wellenbild gut sichtbar kurz vor
0:40, setzen deutliche klangliche Akzente. Zwischen diesen beiden akustischen
„Schlägen“ wird das Geschehen nochmals harmonisch geschärft durch ein deutlich
akzentuiertes as in Trompeten und Hörnern. Deutlich ist auf jeden Fall: In den ersten
vierzig Sekunden des Satzes „braut sich etwas zusammen“, es baut sich Spannung auf.
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Mancher Hörer verbindet damit die Assoziation einer Menschenmenge, die voll
Erwartung aus vielen verschiedenen Richtungen zum Tanzplatz strömt und auf den
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Beginn eines Ereignisses wartet.
Mit Takt 291 (ca. bei 0:40) fällt das „klangliche Urchaos“ unvermittelt in sich zusammen,
auf klanglicher, harmonischer und melodischer Ebene findet ein plötzlicher
„Lichtwechsel“ statt. Eine Solovioline betritt die akustische Bühne und wird bis zum
Ende des Satzes heimlicher Hauptdarsteller bleiben. Sie spielt eine kraftvolle
Tanzmelodie, begleitet von Violinen und Violen, die auf leeren Saiten eine archaisch
klingende Bordunbegleitung mit Grundton a intonieren.
Im Anschluss folgt ein mehrfacher Wechsel zwischen Violinsolo und Orchester-Tutti,
organisiert in einem klar strukturierten, klanglich transparenten musikalischen Satz. Mit
seiner modalen Melodik über einer extrem schlichten Bordunbegleitung ohne tonale
„Ausreißer“ bildet dieser Abschnitt einen großen Kontrast zum diffusen Einleitungsteil.
Ligeti knüpft hier unmittelbar an Gepflogenheiten traditioneller rumänischer Musik an,
in der es keine elaborierte Mehrstimmigkeit gab, aber sowohl modale Melodik in
verschiedensten Varianten als auch den Bordun als gängige Praxis elementarer,
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improvisierter Mehrstimmigkeit.
Ab Takt 359 (ca. 1:28) wiederholt sich der Anfang des Satzes in intensivierter Form.
Dafür ist vor allem eine geänderte Instrumentierung verantwortlich: Das einleitende
Trompeten-Signal wird von allen hohen Holzbläsern inklusive Piccolo im Unisono
gespielt, was einen sehr obertonreichen, fast schrillen Klang ergibt. Die Triolenketten
werden von den Celli nun noch leiser begonnen, im ppp. Die anschließende Steigerung
verläuft im Wesentlichen wie am Beginn des Satzes, sie ist lediglich stärker
instrumentiert. Auch der plötzliche „Lichtwechsel“ hin zum Violinsolo ereignet sich wie
beim ersten Mal. Diesmal mündet er jedoch in das bereits oben vorgestellte, recht
eigenartig gestaltete Solo mit Wechselbassbegleitung (T. 420 ff, bei etwa 2:05, siehe
oben). Anstelle einer klar konturierten Melodie spielt die Violine nun rhythmische
Tonrepetitionen, später auch -umspielungen in gleichförmigen Achtelketten:
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Vgl. Musik på tværs o. J.
Vgl. Georgescu 1998, Sp. 596.
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Ab Takt 463 (ca. 2:14) kommt neues thematisches Material ins Spiel – eine weitere wildarchaisch klingende Tanzmelodie, diesmal aber nicht von der Violine intoniert, sondern
vom Orchester-Tutti. Die neue Melodie basiert auf einer für mitteleuropäische Hörer
recht ungewohnten Skala (Grundton f, Skala f-gis-a-h-c-d-es). Dadurch entsteht ein
fremdartig-orientalisch anmutender Eindruck – wohl wieder ein musikalischer Verweis
auf die lăutari und osmanische Elemente in deren Tanzmusik. Verstärkt wird die
Assoziation durch den Umstand, dass die Melodie im Unisono von Violinen, Klarinetten
und Oboen gespielt wird. Zusätzlich eingestreute Dissonanzen in den Oboen lassen eine
spezifische, heterophone Klangmixtur entstehen, die typisch ist für die volksmusikalische Praxis, Streich- und Blasinstrumente in hoher Lage unisono spielen zu lassen –
insbesondere dann, wenn Doppelrohrblattinstrumente wie Schalmei oder Dudelsack
22
beteiligt sind.
Die Begleitung besteht an dieser Stelle zunächst aus einer Wechselbass-Formel über
dem (nicht recht zur Melodie passenden) Grundton a, die nach fünf Takten, also an einer
„irregulären“ Stelle mitten in der Periode, plötzlich auf den Grundton f wechselt (Takt
468) – so, als hätten die begleitenden Musiker gerade erst bemerkt, dass hier andere
Begleitakkorde erforderlich sind als beim ersten Solo-Teil, und würden sich spontan
23
anpassen: wiederum eine Reminiszenz an improvisatorische Musizierpraktiken.
An dieser Stelle des Werks deutet sich erneut eine Tendenz an, die in Ligetis späteren,
avantgardistischen Kompositionen zum tragenden Prinzip werden sollte. In Werken wie
„Atmosphères“ oder „Lux Aeterna“ unterwirft er die Musiker strengsten Ausführungsbestimmungen – um letztlich musikalische Strukturen zu erzielen, die eher aleatorisch,
also improvisiert, wirken: „Innerhalb einer Komposition mag ich Improvisation überhaupt nicht. Nur im Jazz, also in stilistisch normierten Formen, mit einem vorgegebenen
begrenzten Vokabular, kann man damit einiges machen. Das besitzt oft hohe Qualität
[…]. Aber in komponierter Musik, in meinem Fach, bin ich für genaue Ausarbeitung und
24
Notation wie bei Bach.“
Die Solovioline greift das neue Melodiematerial kurz auf, kehrt dann aber wieder zu ihrer
ursprünglichen Tonrepetition und -umspielung zurück, bis sie in Takt 488 plötzlich ins
Trudeln zu kommen scheint, metrisch wie melodisch:
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Vgl. Georgescu 1998, Sp. 596.
A. a. O., Sp. 592.
Ligeti 2000, zit. n. https://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti
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Die Wechselbass-Begleitung endet abrupt, der 2/4-Takt weicht einem 3/8-Takt, vier
Takte lang sind nur Solovioline und Flöten im pp zu hören – eine der leisesten Stellen des
Satzes. In Takt 492 kehrt schließlich das Orchester mit Macht zurück und wiederholt die
Melodie aus T. 463 ff – diesmal aber von Beginn an „sauber intoniert“, mit reinen F-DurKlängen als Begleitung und einer melodischen Schlusswendung in Takt 501 (ca. 2:50) –
der ersten annähernd „kadenzierenden“ Stelle im Satz – wobei die Begleitstimmen ihren
Wechselbass unbeirrt fortzusetzen scheinen:
In Takt 502 (ca. 2:50) beginnt unvermittelt ein deutlich neuer musikalischer Abschnitt.
Harmonische Grundlage ist nun über längere Zeit ein f7-Klang. Die Bläser spielen eine
Variante des Trompeten-Signals aus der Einleitung des Satzes. Die Streicher intonieren
im selben Rhythmus in tiefer Lage eine stampfende Tanzmelodie mit klassischem
Vordersatz-Nachsatz-Schema, wie man sie in ungarischer oder auch tschechischer
Tanzmusik finden kann – hier stellvertretend notiert Violine und Oboe:
In den folgenden etwa 40 Takten (ab ca. 3:05) bildet dieses thematische Material mit
seiner strengen Periodik den Rahmen für kurze, virtuose solistische Einwürfe
verschiedener Solisten und Instrumentengruppen. Daraus entfaltet sich ein zunehmend
dynamischeres Geschehen, das nach einiger Zeit zu „entgleisen“ beginnt.
Die erste Abweichung vom Perioden-Schema findet sich in Takt 542: Die Klarinetten
greifen ein bereits vorher von der Viola gespieltes Triolen-Solo auf, „genehmigen“ sich
aber einen Solo-Takt mehr, als ihnen laut Schema zustünde, und stören damit die
Periodik. Das Orchester antwortet zunächst unbeeindruckt mit dem üblichen Nachsatz,
hier ist stellvertretend die Violinstimme notiert:
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In Takt 563 beginnt die Klarinette mit einer Umkehrung der Triolen-Melodik, obwohl die
Solo-Violine ihre Phrase noch nicht zu Ende geführt hat:
Bereits in Takt 561 bringt die Trompete ein akzentuiertes „Gegen-Thema“ zur
dominierenden Triolen-Melodie. Unterstützt durch die imitierende Piccoloflöte
entwickelt es sich zu einem schrillen und auffallenden klanglichen „Kontra-Punkt“ –
außer der Piccoloflöte spielen alle Instrumente dynamisch im p- und pp-Bereich!
Insgesamt ergibt sich damit ab Takt 561 eine Doppelstruktur aus der jeweils
imitatorisch gespielten Triolen-Motivik in Violine und Klarinette und den „kontrapunktischen“ Signalen von Trompete und Piccolo.
Ein deutlich wahrnehmbarer Schlag der großen Trommel in Takt 585 (ca. bei 3:48) leitet
den nächsten musikalischen Abschnitt ein. Das Orchester wechselt unvermittelt vom
pp-Bereich ins ff. Eine klar im Vordergrund stehende Melodie gibt es endgültig nicht
mehr. Die Streicher repetieren beharrlich Triolen-Ketten in einer dreiklangsbasierten
Mixtur:
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Der dadurch entstehende flächige Klang wird durch scharf akzentuierte Einwürfe der
Bläser und Kontrabässe strukturiert, die die Töne eines F-Dur-Dreiklangs intonieren. Ab
Takt 600, wiederum nach einem starken Impuls von der großen Trommel, löst sich diese
Klangfläche vorübergehend auf in Skalenfragmente und scharfe rhythmische Akzente,
die noch lauter gespielt werden als zuvor (fff). Ab Takt 511 herrscht „kollektive Raserei“:
Es gilt die Spielanweisung „tutta la forza“, gleichzeitig ist das motivische Material auf
ein Minimum reduziert. Streicher und fast alle Bläser wiederholen – noch immer in
hohem Tempo – immer dieselbe Dreitonfolge. Oben, Trompeten und Hörner halten mit
bereits kurz zuvor gespielten dissonanten Signal dagegen (vgl. Takt 561 ff). Zwei laute
Schläge von Becken und großer Trommel kennzeichnen ein weiteres Stadium
musikalischer Auflösung, in dem das ohnehin schon chaotisch klingende Geschehen
durch tiefes Grollen von Hörnern, Fagotti und Kontrabässen angereichert wird. Hier
greift Ligeti auf ein musikalisches Element zurück, das bereits am Beginn des Satzes eine
Nebenrolle gespielt hatte (vgl. Takt 281 ff, Hörner), nun aber quasi „übergroß“ nochmals
zu hören ist. Für Hörer, die an symphonische Filmmusik gewöhnt sind, kann die
Assoziation einer nahenden Katastrophe entstehen.
Das turbulente Geschehen endet jäh mit einem gewaltigen gemeinsamen „Schlag“ des
Orchestertuttis (Takt 626, ca. 4:08) – und es folgt eine wirklich außergewöhnliche Coda.
Ein letztes Mal löst sich ein Violin-Solo aus dem Orchester, das nur noch ein klägliches,
aber um so hartnäckigeres Überbleibsel der vorherigen Tanzmusiken ist.
Irrlichtende Triolen in extrem hoher Lage erklingen in aberwitzigem Tempo (Prestissimo,
punktierte Halbe = 126; der Solist müsste also ca. 18 Töne pro Sekunde spielen). Auch
diese zweiteilige Triolenkette wird beharrlich wiederholt, der Spieler scheint zu
ignorieren, dass inzwischen ein Dreiertakt gilt, und setzt unbeirrt alleine fort, was kurz
zuvor noch große Teile des Orchester gemeinsam gespielt haben. Das Orchestertutti
reagiert mit extrem lauten, trockenen „Schlägen“ in steigender zeitlicher Dichte (ab Takt
647, ca. 4:20, im Wellenbild gut sichtbar). Die Wirkung ist bizarr: „Das Stück scheint sich
dem Ende zu nähern, aber die Solovioline will dabei nicht mitmachen; sie wirbelt weiter
vor sich hin, sehr hoch und im pianissimo, obwohl der Rest des Orchesters emphatische
Akkorde im fortissississimo hämmert. Man kann sich dazu einen Tanz zwischen einem
25
Moskito und einer Fliegenklatsche vorstellen.”
Hier scheint sich die Beobachtung Ulrich Dibelius‘ zu bestätigen, Ligeti habe unter dem
zunehmenden Druck zur musikalisch-politischen Konformität eine zweite Reflexionsebene in seine Musik eingebaut und seiner Lust an spielerisch-ironischer Überzeichnung
26
nachgegeben. Es darf also darüber spekuliert werden, worauf sich die unzweifelhaft
vorhandene musikalische Ironie kurz vor Ende des „Concert Românesc“ beziehen könnte
– und inwieweit Empörung über die „musikalische Fliegenklatsche“ zum Verbot der
Uraufführung beigetragen haben könnte.
25
26
Keller 2013, Übersetzung: GP
Dibelius 2004, Sp. 113
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Am Ende „zerstiebt“ das Violin-Solo in einen einzigen, extrem hohen, lang ausgehaltenen ppp –Ton. Zu hören ist ein Triller auf dem c5, also im Frequenzbereich um
ca. 4000 Hz, in dem das menschliche Gehör am empfindlichsten ist und in dem sich
27
Lärmschwerhörigkeit als erstes bemerkbar macht. Der flirrende und hartnäckig nicht
weichende Ton weckt ein weiteres Mal Assoziationen an eine Stechmücke – oder auch
an sehr fernes Vogelgezwitscher. Noch einmal folgt eine musikalische Überraschung:
Eingebettet in das Flirren ertönt ein klanglicher Dialog zwischen zwei Hörnern, die ein
„Solo naturale“ im Stil von Alphörnern intonieren. Die zweite Solostimme agiert dabei
als Echo der ersten:
Für einige Sekunden entsteht so eine geradezu idyllische Stimmung – für Hörer, die nur
den vierten Satz kennengelernt haben, gänzlich neuartig; für ein Publikum, das mit dem
gesamten „Concert“ vertraut ist, eine Reminiszenz an den Beginn des dritten Satzes. Die
Hörner verklingen, und ein letzter, plötzlicher ffff-Schlag des Orchesters in reinem
F-Dur beendet das Stück endgültig.
27
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lärmschwerhörigkeit
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3. Musiziersatz mit Themen aus György Ligeti,
„Concert Românesc“
ziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen…
· über gemeinsames Musizieren thematisches Material aus dem ersten Teil des Finales
von „Concert Românesc“ kennenlernen;
· Freude am tänzerischen Duktus der Musik entwickeln und ihre jeweilige Instrumentalstimme entsprechend spielen können;
· die Melodien beim Hören von Ligetis Komposition wiedererkennen und aufmerksam
verfolgen können,
· klangliche Unterschiede zwischen Klassenensemble- und Orchesterfassung beschreiben können.
materialien
·
Spielpartitur für die Lehrkraft; ggf. Notenmaterial für Spieler der Melodiestimme
·
Melodieinstrument(e): Blockflöte, Querflöte oder Violine.
·
Stabspiele oder Boomwhackers. Die angegebenen Instrumente können ggf. durch
andere ersetzt werden. Der Satz lässt sich auch von einer Streicherklasse spielen. Es
sollte aber darauf geachtet werden, dass das Klangregister jeweils erhalten bleibt
(Sopran- vs. Basslage). Begleitinstrumente zu Teil 1 sollten durch Instrumente mit
kurzem, trockenem Klang ersetzt werden (z. B. gezupfte Streichinstrumente), die
Begleitung in Teil 2 durch Instrumente mit längerem Nachklang (z. B. gestrichene
Streichinstrumente).
methodische anmerkungen:
·
Die Begleitstimmen werden am besten auswendig erarbeitet, in der bewährten
Reihenfolge Sprechen (Vocussion) – Körperinstrumente (Body Percussion) – Musikinstrumente.
·
Sobald die Rhythmen stabil laufen, bringt die Lehrkraft die Melodiestimme ins Spiel
– singend, summend, auf einem Instrument zur Begleitung der Schüler spielend.
Damit wird der musikalische Kontext der Rhythmen früh deutlich gemacht.
·
Textierungsvorschlag für Vocussion:
(Horch!)
(Horch!)
(Horch!)
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·
Die Viertelpausen werden zunächst mit einer Geste gefüllt, z. B. Hand ans Ohr zur
Silbe „Horch!“ Dies sollte bis zur Übephase mit den Instrumenten beibehalten werden. Das Sprechen wird über die Zwischenschritte „flüstern“ – „innerlich vorstellen“
allmählich abgebaut.
·
Body-Percussion: Hier sollten Klanggesten verwendet werden, die den späteren
Spielbewegungen an den Instrumenten möglichst stark ähneln. Für Stabspiele ist
Patschen auf die Oberschenkel eine zweckmäßige Möglichkeit. Bereits hier kann
man auf klangliche Qualitäten und auf „schwer-leicht“-Akzentuierungen achten.
Besonders wichtig ist es, das pünktliche Einsetzen und Aufhören von Beginn an mit
zu üben. Jeder Einsatz muss vorbereitet sein – durch Einnehmen einer aufmerksamen Spielhaltung und genaues Hinhören.
·
Weiterführungsmöglichkeiten: Gemeinsam wird die Passage ab Takt 291 (ca. 0:40)
angehört. Nun spielt das Orchester die Melodien. Was verändert sich dadurch?
Im Anschluss kann gemeinsam der Beginn des Stücks gehört werden. Die Takte vor
291 dienen als Einleitung – wie die Ouvertüre im Theater, bevor sich der Vorhang
zur ersten Szene hebt. Wie beschreiben und deuten die Schüler die Gestaltung dieses Abschnitts? Welches Geschehen kann man sich dazu vorstellen: Wie sähe ein
passendes Bühnenbild aus? Eine Szene in der freien Natur, ein Ballsaal, eine Scheune, …? Ist es hell, dunkel, Tag, Nacht, Sommer, Winter? Wer ist zu sehen? Menschen,
Tiere, Geister…? Einzelne oder Viele? Sind bereits alle eingetroffen, versammeln sie
sich allmählich, oder stieben sie schon wieder auseinander? Hier gibt es selbstverständlich nicht „die“ eine, richtige Lösung – wohl aber ein „nah dran“ oder „weiter
weg“ von der Musik. Beim Sprechen über die „Bilder in den Köpfen“ sollte die Musik
noch mehrmals angehört werden. Dabei können einerseits die geschilderten Vorstellungen verifiziert und präzisiert werden, andererseits kann man versuchen, die
Musik mit dem Bild eines anderen im Kopf zu hören – und dabei vielleicht neue Details zu entdecken.
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4. „Ligeti hören lernen“
Die hier zusammengestellten Materialien sollen Jugendlichen mit wenig „klassischer“
Hörerfahrung ein aufmerksames und bewusstes Verfolgen des vierten Satzes aus
György Ligetis „Concert Românesc“ möglich machen. Wesentlicher methodischer
28
Baustein ist dabei der Einsatz eines Sound-Bearbeitungsprogramms wie Audacity , das
in zweifacher Hinsicht genutzt wird: einerseits als individuell verwendbares
„Abspielgerät“, andererseits als Hilfsmittel zur visuellen Orientierung im Musikstück.
Gelenkt wird der Lernvorgang durch ein individuell oder im Zweierteam zu bearbeitendes Aufgabenblatt; eine im Laufe des Arbeitsprozesses entstehende, einfache
Hörpartitur dient beim abschließenden gemeinsamen Anhören des gesamten Satzes als
Orientierungs- und Erinnerungshilfe. Alternativ zur Einzelarbeit kann das Material aber
auch zum „frontalen“ Arbeiten im Plenum verwendet werden.
ziele:
Im Idealfall können die Schüler am Ende der Unterrichtseinheit
·
das gesamte Musikstück mit Hilfe der selbst angefertigten Hörpartitur aufmerksam
und bewusst mitverfolgen; „Könnern“ gelingt dies bereits ohne die visuelle Unterstützung;
·
kurze, charakteristische Hörbeispiele mit Ausschnitten aus der Musik den richtigen
Stellen in der Hörpartitur zuordnen;
·
das Musikstück auch nach einigen Wochen noch wiedererkennen, Komponist und
geografisches Umfeld richtig benennen.
organisatorische und
inhaltliche voraussetzungen
·
Die Materialien können im Plenum genützt werden, sind aber in erster Linie für
Einzel- und Partnerarbeit gedacht. Dazu müssen die Schülerinnen und Schüler
bereits mit der Bedienung der Audio-Software grundlegend vertraut sein. Zudem
sollten sie die Fachbegriffe für Lautstärke-Unterschiede kennen und gängige
Orchesterinstrumente am Klang erkennen und benennen können.
·
Da das Arbeiten im individuellen Lerntempo einen zentralen Aspekt des Konzepts
darstellt, sollte die Unterrichtseinheit in einem Rechnerraum stattfinden, der
Einzel- oder Partnerarbeit mit PC und Kopfhörer ermöglicht.
·
An jedem Rechner muss die notwendige Audio-Software vorhanden sein, zudem
muss der Zugriff auf das Audiofile mit der passenden Musikaufnahme möglich
sein. Die Materialien basieren auf der Einspielung der Komposition durch das Los
Angeles Philharmonic Orchestra unter Esa-Pekka Salonen (Deutsche Grammophon).
·
Für die Abschlussphase empfiehlt sich die Rückkehr in den Musikraum oder an einen anderen Ort, der es ermöglicht, sich bei guter Tonqualität auf das Hörerlebnis
zu konzentrieren.
28
Siehe http://audacity.sourceforge.net
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zur begründung des vorgehens
Das aufmerksame Verfolgen „klassischer“ Kompositionen ist eine Kulturtechnik, die
nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, sondern stufenweise eingeübt
werden muss. Die Aufgabenstellung ist so angelegt, dass schrittweise akustische
Orientierungspunkte gesetzt werden. Den Schwerpunkt bilden dabei niedrigschwellige
Aufgaben, die für alle Schülerinnen lösbar sein sollten. Die Lernende hört zunächst nur
einige wenige Ausschnitte des Musikstücks, diese aber so oft, wie es zum Lösen der
jeweiligen Aufgabe erforderlich ist. Diese Passagen sollen im Gedächtnis verankert
werden. Später, beim Anhören des gesamten Stücks, bieten sie die nötige strukturelle
Stütze zum „Aushalten“ der bis dahin noch unbekannten Teile des Satzes.
Mit Hilfe von Rechnern, Audio-Software und Kopfhörern haben die Schüler im Idealfall
die Musik nach Abschluss der Unterrichtseinheit sehr viel öfter, aktiver und intensiver
gehört als im klassischen „gelenkten Unterrichtsgespräch“: zunächst in kurzen
Ausschnitten, schließlich als zusammenhängendes Ganzes. „Absolute“ Musik wie das
„Concert Românesc“ wurde und wird in der Regel komponiert, um konzentriert (und mit
Genuss) als musikalische Einheit angehört zu werden. Ein gemeinsames Gespräch über
die Musik kann und darf diesen Vorgang ergänzen, aber niemals ersetzen.
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5. Bildnachweise, Literatur und Links
bildnachweise
Alle Notenbeispiele: G. Puffer
literatur
Dibelius, Ulrich (2004): Ligeti, György. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte
und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei Teilen].
2., neubearb. Ausg. Kassel: Bärenreiter (Personenteil 11 Les-Men), Sp. 108–121.
Dunnett, Roderic (o. J.): Concerto Românesc. Programme note. György Ligeti (1923—
2006), Concerto Românesc (1951). Scottish Chamber Orchestra. Online verfügbar unter
http://www.sco.org.uk/content/concerto-românesc , [30.01.2015]
Georgescu, Corneliu Dan (1998): Rumänien. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in
Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei
Teilen]. 2., neubearb. Ausg. Kassel: Bärenreiter (Sachteil 8 Quer-Swi), Sp. 587–605.
Keller, James M. (o. J. (2013)): LIGETI: Concert Românesc (Romanian Concerto). San
Francisco Symphony. Online verfügbar unter http://www.sfsymphony.org/WatchListen-Learn/Read-Program-Notes/Program-Notes/LIGETI-Concert-Romanesc(Romanian-Concerto).aspx [30.1.2015]
Ligeti, György (1996): Concert Românesc für Orchester (1951). Partitur. Mainz: Schott
Musik International.
Musik på tværs (Hg.) (o. J.): Concert Romanesc. Online verfügbar unter
http://www.musikpaatvaers.dk/concerto_romanesc , zuletzt geprüft am 30.01.2015.
Szendrei, Janka; Király, Peter; Papp, Ágnes; Sas, Ágnes; Szerzö, Katalin; Pintér, Éva et al.
(1998): Ungarn. In: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart.
Allgemeine Enzyklopädie der Musik. [26 Bände in zwei Teilen]. 2., neubearb. Ausg.
Kassel: Bärenreiter (Sachteil 9 Sy-Z), Sp. 1121–1165.
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experiment
links
http://www.gyorgy-ligeti.com
Homepage des Komponisten, betreut von seiner letzten Konzertagentur.
https://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti
http://de.wikipedia.org/wiki/Siebenbürgen
http://de.wikipedia.org/wiki/Kreis_Cluj
http://de.wikipedia.org/wiki/Cluj-Napoca#20._Jahrhundert
Material zu rumänischen Folkloretänzen:
http://www.dunav.org.il/ (Musik, Tanzanleitungen, Noten)
http://www.folkloretanznoten.de/romanian.html (Notenmaterial)
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Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
6. Anhang: Arbeitsblätter
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV
Arbeitsaufträge
Der vierte Satz des „Concert Românesc“ von György Ligeti dauert gut fünf Minuten.
Die Abbildung auf dem Partiturblatt zeigt eine grafische Darstellung des
Lautstärkeverlaufs, wie du sie vielleicht schon aus Programmen zum Sound-Editing
kennst.
1. Erster Eindruck:
Höre dir den Beginn der Musik an (bis ca. 0:40). Welche Tempo- und AusdrucksBezeichnung passt hier?
¡ Andantino (leichtfüßig gehend)
¡ Molto vivace (sehr lebhaft)
¡ Adagio ma non troppo (langsam, behutsam – aber nicht zu sehr)
2. Ein Hinweis auf György Ligetis Herkunft:
Der Komponist hat nach eigener Aussage im „Concert Românesc“ Melodien aus der
Region verarbeitet, aus der er stammte – dem westlichen Rumänien. Höre dir die
Passagen ab 0:40 und ab 4:30 an: Kannst du entschlüsseln, welche musikalischen
Kindheitserinnerungen György Ligeti hier verarbeitet hat?
¡ Alphornbläser in den Karpaten
¡ Zwei Jugendgruppen, die im Wechsel eine colinda singen (Lied zu einem Winterritual)
¡ Eine wandernde Musikertruppe, die mit Dudelsäcken und Violinen in einem Dorf
zum Tanz aufspielt
Begründe deine Einschätzung kurz:
___________________________________________________________________
___________________________________________________________________
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
3. Musikalische Schlüsselstellen:
Höre und schaue dir drei wichtige Stellen des Stücks an:
Ò
den Beginn (0:00)
Ò
die Passage ab 0:40
Ò
den Schluss ab 4:28
Notiere zu jedem Notenausschnitt die passende Stelle im Musikstück! Schneide die
Notenbeispiele anschließend aus und klebe sie an der jeweils richtigen Stelle in die
Hörpartitur!
____________
____________
Solo-Violine
____________
Vl. II
Vla.
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
4. Gegensätze:
Der vierte Satz des „Concert Românesc“ ist gekennzeichnet durch überraschende
musikalische Gegensätze. Höre dir zwei Ausschnitte genauer an: die Passage von
3:06 bis ca. 3:40 (= Ausschnitt 1) und die von 3:51 bis ca. 4:15 (= Ausschnitt 2)!
Umrande mit blauer Farbe die Begriffe, die deiner Einschätzung nach zum Ausschnitt
1 passen! Umrande mit roter Farbe die Begriffe, die zum Ausschnitt 2 passen!
(Achtung: Manche Begriffe passen möglicherweise zu beiden Teilen – manche zu
keinem! In der letzten Tabellenzeile kannst du selbst noch Begriffe ergänzen, die zur
Musik passen.)
piano/ pianissimo
forte/
fortissimo
zart
kraftvoll
schwungvoll
bedächtig
tänzerisch
Mit vielen
Betonungen
abwechselnd
laut und leise
langweilig
temperamentvoll
schrill
geordnet
lebendig
chaotisch
fremd
geheimnisvoll
feierlich
ausdruckslos
aufregend
belanglos
ermüdend
ernst
lustig
lärmend
Ò Wähle die drei Begriffe aus, die deiner Ansicht nach jeweils am besten Ausschnitt
1 und Ausschnitt 2 beschreiben, und trage sie an den entsprechenden Stellen in
die Hörpartitur ein! Benütze dazu jeweils die Farbe, die du zum Umranden der
Begriffe verwendet hast! Falls du selbst ein gut passendes Wort in die Tabelle
eingetragen hast, schreibe es dazu!
5. Zusatzaufgabe:
Wenn du noch Zeit übrig hast, übe mit einem Partner schon einmal für die
Abschlussaufgabe im Plenum: Hört das Stück im Ganzen an und lest in der
Lautstärken-Partitur auf dem Arbeitsblatt mit. Zum Üben kann dein Partner die
Musik mehrmals stoppen – du solltest dann sagen können, an welcher Stelle (Minute
und Sekunde) ihr gerade angekommen wart!
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV
Arbeitsblatt „Hörpartitur“
0:00
4:15
Einleitung
Coda
(Abschnitt 1)
(Abschnitt 2)
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
György Ligeti (1923—2006), Concert Românesc, Satz IV
Lösungsblatt „Hörpartitur“
Solo-Violine
4:15
0:00
Einleitung
Vl. II
Coda
Vla.
(Abschnitt 1)
(Abschnitt 2)
individuelle Lösungen/
Begriffssammlungen
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
Musiziersatz zu Themen aus Satz IV
(Melodiestimme vereinfacht)
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
Materialien zu György Ligeti, „Concert Românesc“
Spielsatz: Sopran-Blockflöte
Spielsatz: C-Instrument
Spielsatz: B-Instrument