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„Das gebrochene Herz“
- zur Psychosomatik der Herz– Kreislauferkrankungen Dipl. Psych. Dr. phil. Annegret Boll-Klatt
Vortrag am 4.11.2006 an der Akademie für med. Fort- und Weiterbildung, ÄK S-H
Die Post
Aus: „Wanderlieder“ von Wilhelm Müller
Die Winterreise 1823
Von der Straße her ein Posthorn klingt.
Was hat es, dass es so hoch aufspringt,
Mein Herz?
Die Post bringt keinen Brief für dich:
Was drängst du denn so wunderlich,
Mein Herz?
Nun ja, die Post kömmt aus der Stadt,
Wo ich ein liebes Liebchen hab,
Mein Herz!
Willst wohl einmal hinübersehn,
Und fragen, wie es dort mag gehen,
Mein Herz?
zit.n. Speidel H (2005)
Herzschmerz und Leidenschaft
Balint, 6, 1-9
Zur Metaphorik des Herzens
Trotz 2 Jahrzehnten Hirnforschung behaupten Gefühle trotzig ihren
Platz im Herzen und nicht im limbischen System, dort wo sie
eigentlich hingehören.
Das Herz ist das Symbol für Liebe, Treue und Freundschaft.
Reich-Ranicki (2001): „Das Herz ist der Joker der deutschen
Dichtung.“
Das Herz ist viel mehr als ein „zäher kleiner Muskel“, als den Woody
Allen das Objekt der Kardiologen bezeichnete.
„… aber solange das kommunikative Sprechen das Herz zu einem
zentralen Ort der Affekte macht, wird das vorbewusste mythische
Denken eine Rolle bei der Krankheitsbewältigung des „reparierten“
Herzens spielen.“ (Laufs 2002)
Broken Heart
Syndrom
resp.
Taku Tsubo
Syndrom
Diastole
Systole
Psychokardiologisch relevante Diagnosen in
der ICD-10
F 44
Konversionsneurotischer Herzschmerz
F 45.30 Somatoforme autonome Störung im kardiovaskulären System
(„Herzneurose“)
F 45.2 „Herztodhypochondrie“
F 43.2 Anpassungsstörungen (als Folge adäquater Krankheitsbewältigung
bei allen kardialen Erkrankungen)
F 43.0, F 43.1
Posttraumatische Belastungsreaktion und –störung
(bei ca. 10 % der Postinfarktpatienten;
cave: Patienten mit implantiertem Defibrillator)
F 54
Psychische und Verhaltensfaktoren, die Entstehung und Verlauf
körperlicher Krankheit beeinflussen
(I 24 KHK, I 21 Herzinfarkt)
„Somatopsycho – psychosomatose“
Übersicht
1.
Empirisch psychosomatische Sicht auf Patienten mit KHK bzw.
Herzinfarkt
1.1
Stress und Herzinfarkt: Aktuelle Stressmodelle
„
„
Soziale, psychosoziale und psychische Risikofaktoren in der Entstehung
der KHK
Schutzfaktor sozialer Rückhalt
1.2 Psychische Risikofaktoren im Verlauf
ƒ
2.
Psychoanalytische Sicht auf den Herzinfarkt-Patienten
„
„
„
3.
Bedeutung von Angst und Depression für Morbidität und Mortalität nach Herzinfarkt
Narzisstische Pathologie
Konzept der narzisstischen Krise
„Traumatische Situationsthemen“
Psychotherapeutische Sicht aus dem Blickwinkel der narzisstischen
Krise
Aktuelle Modelle zur
Konzeptualisierung von
beruflichem Stress
EFFORT: REWARD
IMBALANCE MODEL
physical
illness)
LOW
HIGH
JOB DEMANDS
HIGH
JOB
IMBALANCE
(Risk of
LOW
(Risk of
JOB REWARDS
HIGH
JOB STRAIN
LOW
JOB LATITUDE
JOB STRAIN MODEL
physical
illness)
LOW
HIGH
EFFORT
(Karasek R et al. Public Health 1981; 694 – 705
Siegrist J.J, Occup. Health Psychol. 1996; 71: 694- 705)
2– bis 4–fache Erhöhung des
Krankheitsrisikos durch psychosoziale und
soziale Belastungsfaktoren
(Beobachtungszeitraum: 4,5 Jahre)
• Hohe Anforderungen bei gleichzeitiger geringer Kontrolle
über die Aufgabe und deren Ergebnis
• Sandwichpositionen
• Berufliche Gratifikationskrisen
• Übersteigerte Verausgabungsbereitschaft bei hohem
Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung
• Fehlen guter Beziehungen am Arbeitsplatz
• Chronische Partnerschaftskonflikte
• Zugehörigkeit zu einer unteren sozialen Schicht
2- bis 4–fache Erhöhung des
Krankheitsrisikos durch psychische
Belastungsfaktoren
Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Gefühle
der Hoffnungslosigkeit, Depressivität
Vitale Erschöpfung mit extremer Müdigkeit,
Irritierbarkeit und Demoralisierung
Feindseligkeit und Ärgerneigung, akuter Ärger
Siegrist J Herz 2001; 26:316 - 325
Risikofaktoren und ihr Einfluss auf die
Morbidität (MI):
Risk Factor
Gender
Cont %
Case %
OR (99% CI)
Curr Smok
female
male
female
male
female
male
femal
male
female
male
female
male
female
male
female
male
female
male
9.3
33.0
7.9
7.4
28.3
19.7
33.3
33.3
50.3
39.6
16.5
20.3
11.2
29.1
14.1
21.9
-
20.1
53.1
25.5
16.2
53.0
34.6
45.6
46.5
39.4
34.7
9.3
15.8
6.3
29.6
27.0
35.5
-
2.86 (2.36,3.48)
3.05 (2.78,3.33)
4.26 (3.51,5.18)
2.67 (2.36,3.02)
2.95 (2.57,3.39)
2.32 (2.12,2.53)
2.26 (1.90,2.68)
2.24 (2.03,2.47)
0.58 (0.48,0.71)
0.74 (0.66,0.83)
0.48 (0.39,0.59)
0.77 (0.69,0.85)
0.41 (0.32,0.53)
0.88 (0.81,0.96)
4.42 (3.43,5.70)
3.76 (3.23,4.83)
3.49 (2.41,5.04)
2.58 (2.11,3.14)
Diabetes
Hypertension
Abd Obesity
Fruits/Veg
Exercise
Alcohol
ApoB/ApoA-1
Ratio
PS Index
0.25
0.5
1
2
OR (99% CI)
4
8
Klassische Risikofaktoren und ihr Einfluss auf die
kardiale Morbidität und Mortalität im Vergleich zu
depressiven Symptomen und Depression
(Framingham Studie)
RelativRe Risk [random]
(95% CI)
Age
1.05 (1.04,1.05)
HT Stage 2
1.92 (1.42,2.59)
Smoking
1.71 (1.39,2.10)
Diabetes
1.47 (1.04,2.08)
LDH>160
1.74 (1.36,2.23)
HDL< 35
1.46 (1.15,1.85)
Depressed Mood
1.49 (1.16,1.92)
Clinical Depression
2.69 (1.63,4.43)
0
Low Risk
1
2
3
4
5
High Risk
Wilson W et al. Circulation 1998; 97; 1837-47
Rugulies R. Am J Prev Med 2002; 23; 51-61
Psychosoziale Schutzfaktoren der KHK
Sozialer Rückhalt
strukturell
funktionell
Es gilt ein inverser Gradient für das Ausmaß des
sozialen (funktionellen) Rückhaltes und die Anzahl
kardialer Ereignisse.
Psychosoziale Schutzfaktoren der KHK
Vitalität
Ö Energie und Enthusiasmus
Ö Gefühl der Lebendigkeit
Ö Freude und Interesse
Ö Selbstwirksamkeits- und Selbstwertgefühl
ÖFrische und positive Anspannung
„Berufliche, außerberufliche, eheliche und andere interpersonelle
Aktivitäten, die sowohl Anstrengungen erfordern, aber auch Freude
und Interesse erzeugen, steigern die Vitalität und reduzieren das
kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko.“
Rozanski et al. JACC 2005;45, 5:637-651
Psychosomatische Krankheitsmodelle
Psychische
Ätiologie J
„der geheimnisvolle
Sprung“ J
PsychoSomatische
Bindeglieder J
Neuroanatomische
Voraussetzungen
Entwicklungs –
pathologie
Narzisstische
Pathologie
Bindungspathologie
(Vulnerabilitätskonzept)
Neurophysiologie
(zentral)
Konversion
Psychophysiologie
(peripher)
Störungsbilder
Dissoziative
Störungen
(„Konversionsneurosen“)
Somatoforme
Störungen
Konfliktpathologie
Somatisierung
Psychoneuroendokrinologie
Traumapathologie
Alexithymie
Psychoneuroimmunologie
Somatopsycho –
psychosomatosen
Genetische
Prädisposition
Posttraumatische
Belastungs störungen
(Neurobiologische
Traumatheorie)
Reaktive
Pathologie
(Stressmodell)
Körperliche
Prozesse
ABK,08/06
Schema der neuro-endokrinen Kopplung durch
Sympathikus und das hypothalamico-hypophysäre
System bei Stress
Stressoren
„Stress“
Amygdala
Hypothalamus
H
CR
Hypophyse
TH
AC
Nebennierenrinde
Nebennierenmark
Striatum
zentrales Höhlengrau
Hirnstamm
Rückenmark
präganglionäre
Sympathikusneurone
rt
Ko
i so
l
Effektorsysteme
n
a li
lin
en
na
r
e
d
A
dr
ra
o
N
Effektorsysteme
Stressreaktion
(Ruegg, 2001)
psychosomatische Erkrankung
Psychosoziale Risikofaktoren, Verhaltenskonsequenzen und pathogenetische
Mechanismen bei kardiovaskuären
Erkrankungen
Psychosoziale
Risikofaktoren
• Psychosozialer Stress
Verhaltenskonsequenzen
• Fehlernährung,Rauchen
Bewegungsmangel
• Negative Emotion
• mangelnde Compliance
• Geringe soziale
Unterstützung und soziale
Isolation
• Niedriger sozioökonomischer
Status
• Inadäquate Inanspruchnahme medizinischer
Ressourcen v.a. verzögerte
Hilfesuche und geringe Teilnahme an Rehamaßnahmen
Pathogenetische
Mechanismen
• Vegetative Dysfunktion v.a. verminderte HFV
• Aktivierung des SympathikusNebennierenmark-Systems, v.a. erhöhte HFund RR-Reaktivität,
erhöhte Thrombozytenadhäsivität
• Aktivierung der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse mit gestörten zirkadianen Cortisol- und Serotonin-Mustern
• Entzündliche und hämostatische Prozesse
v.a. Fibrinogen-, CRP- und ZytokinErhöhungen
(z.B. Deuschle M et al. Dtsch Ärztebl 2002;99:A3332-3338)
Psychosoziale Risikofaktoren, Verhaltenskonsequenzen und pathogenetische
Mechanismen bei kardiovaskuären
Erkrankungen
Pathogenetische Mechanismen
• Vegetative Dysfunktion v.a. verminderte HFV
• Aktivierung des Sympathikus-Nebennierenmark-Systems, v.a.
erhöhte HF- und RR-Reaktivität,
erhöhte Thrombozytenadhäsivität
• Aktivierung der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse mit gestörten zirkadianen Cortisol- und Serotonin-Mustern
• Entzündliche und hämostatische Prozesse
v.a. Fibrinogen-, CRP- und Zytokin-Erhöhungen
(z.B. Deuschle M et al. Dtsch Ärztebl 2002;99:A3332-3338)
Fazit
Die KHK in ihren verschiedenen klinischen Formen
erscheint als somatische Endstrecke eines komplexen
Gefüges bio-psycho-sozialer Mechanismen, wobei man
zwischen langfristigen Prozessen (z.B. somatische Risikofaktoren, chronischer „Stress“,ungünstiges Gesundheitsverhalten und langsamer Progress der KHK), mittelfristigen
Prozessen (z.B. Depression, vitale Erschöpfung und
zunehmende Entzündung) und akuten Prozessen (akuter
Ärger und Plaque-Ruptur) unterscheiden kann.
(Kop WJ Psychosom Med 1999;61:476-487)
„Das gebrochene Herz“
- zur Psychosomatik der Herz– Kreislauferkrankungen Dipl. Psych. Dr. phil. Annegret Boll-Klatt
Vortrag am 4.11.2006 an der Akademie für med. Fort- und Weiterbildung, ÄK S-H
Prävalenzen von Angst und
Depression bei Koronarpatienten
• Leichte depressive Verstimmung
- Pat. in den ersten Monaten nach MI
45%
• Mittelgradige depressive Episode
- KHK-Patienten
- Pat. in den ersten Monaten nach MI
- Normalbevölkerung
15%
20 –25%
5%
• Angst
- Patienten unmittelbar nach MI
15%
Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002
Depression und somatische Prognose nach
kardialem Ereignis
Zusammenfassung der Ergebnisse aus 22 methodisch „besonders
geeigneten“ Studien (N > 700)
1. Depressivität ist bei Herzinfarktpatienten prospektiv mit
einem erhöhten kardialen Risiko verbunden
2. Dies gilt bereits für Depressivität unter der Schwelle einer
klinischen Diagnose (einzelne depressive Symptome:
relatives Risiko 1,2 – 5,4)
3. Dies gilt ausgeprägter für Patienten mit vorliegender
depressiver Episode (mittelgradige depressive Episode:
relatives Risiko 2,1 – 4,5)
4. Je kürzer der Beobachtungszeitraum nach MI, desto
stärker wirkt sich die Depression Risiko steigernd aus
(Katamnesen: 6 Monate – 5 Jahre nach MI)
Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002
Angst und somatische Prognose nach
kardialem Ereignis
1. Ausgeprägte Angst ist einer des aussagekräftigsten
klinischen Indikatoren für die kurzfristige Prognose ( Steigerung des relativen Risikos um das 5-fache 4 Wochen
nach MI)
2. Für den langfristigen Verlauf sind die Ergebnisse weniger
konsistent als für die Depression
3. Ein mittleres Ausmaß an Angst kann auch ein Schutzfaktor
sein (adäquateres Krankheitsverhalten!)
Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002
Journal of the American College of Cardiology
© 2005 by the American College of Cardiology Foundation
Vol. 45, No.5, 2005
STATE-OF-THE-ART PAPER
The Epidemiology, Pathophysiology, and Management of
Psychosocial Risk Factors in Cardiac Practice
The Emerging Field of Behavioral Cardiology
Alan Rozanski, MD, FACC, James A. Blumenthal, PhD, Karina W. Davidson, PhD, Patrice G.
Saab, PhD, Laura Kubzansky, PhD
New York, New York, Durham, North Carolina, Coral Gables, Florida, Boson, Massachusetts
Fazit
„... the strong and robust relationship between
psycho-social factors and CAD suggests that
cardiologists need to be proactive in
addressing this important aspect of patient
care!“ (p 637)
Bio-psycho-soziodynamisches Modell zur Genese der koronaren
Herzerkrankung
Bio
Somatische
Risikofaktoren
Genetik
Plaquebildung
Destabilisierung
Entzündung
?
Somatische
Auslöser
(z.B. körperliche Belastung)
Autonome Imbalance
RR-Anstieg
Thrombozytenaggregation
Angina pectoris
Psycho
kindliche Entwicklung
Selbstwertproblematik
Kompensationsversuche,
Risikoverhalten
Typ A
Arrhythmie
Plaqueruptur
vitale Erschöpfung,
Depression
Psychische
Auslöser
(z.B. Hoffnungslosigkeit,
Ärger)
Thrombus
Plötzlicher Herztod
Instabile Angina
pectoris
frühe
Sozial
Beziehungen
Gruppennormen
(Rauchen,
Ernährung,
Bewegung)
soziale
Unterstützung,
job strain
Gratifikationskrise,
Konflikte
Infarkt
Ø
„ego infarction“
Ø
Soziale RollenKrise
(z.B. Rente)
Sozioökonomischer Status
(Herrmann – Lingen, 2000)
Psychodynamische Sicht auf den
Herzinfarkt-Patienten (I)
Patienten mit KHK sind keine homogene Gruppe.
Spezifitätshypothesen sind obsolet.
Aber: In psychoanalytischen Forschungen über mehr als 60 Jahre
zieht sich der rote Faden der narzisstischen Pathologie mit einer
defizitären und bedrohten Selbstwertregulation.
Der Komplex aus Enttäuschung, Ärger, Aggression und Depression,
der aus Defiziten der narzisstischen Selbstregulation resultiert, steht
im Zentrum der innerpsychischen Problematik.
In der sich nach dem Herzinfarkt einstellenden Depression wird ein
Phänomen gesehen, das auf Prozessen schon vor Krankheitsbeginn beruht.
Jede Konstellation von pathologischem Narzissmus birgt die Gefahr
der Depression in sich, nämlich dann, wenn es zu einer Verletzung
des Selbstwertgefühls kommt.
Psychodynamische Sicht auf den
Herzinfarkt-Patienten (II)
Es lässt sich eine Verbindungslinie zu den empirisch beforschten
Modellen der Entstehung von pathologischem Stress ziehen.
Sowohl das Anforderungskontrollmodell als auch das Modell
beruflicher Gratifikationskrisen legen nahe, dass ein subjektives
Kränkungserleben das entscheidende pathologische Agens ist.
Überhöhte Leistungsorientierung, Neigung zur Verausgabung etc.,
kompensieren das narzisstische Defizit (Begriff des „kompensatorischen Leistungsverhaltens“)
Konzentration auf die Selbstregulation durch Leistung und Streben
nach Anerkennung geht zu Lasten zwischenmenschlicher
Beziehungen.
Diese Eigenschaften sind per se nicht behandlungsbedürftig, sind
meistens ich-synton und kennzeichnen oft die Basis beruflichen und
gesellschaftlichen Erfolgs.
Konzept der narzisstischen Krise
„Kränkungen machen krank und Krankheit bedeutet
Kränkung.“
Markiert ein psychodynamisches Konstrukt, das die psychischen
und psychosozialen Risikofaktoren mit der Postinfarktdepression
psychologisch plausibel verbindet.
Narzisstische Krisen sind nicht gebunden an narzisstische
Persönlichkeitszüge, treten aber bei Patienten mit narzisstischer
Persönlichkeit häufiger auf.
Spezielle Form der Depression, gekennzeichnet durch Verlust von
Sinn, Gefühlen der Leere und Ratlosigkeit, sind oft Folge der
narzisstischen Krise.
Bei KHK-Patienten überdecken häufig Somatisierungen, diffuse
Spannungen, vegetative und Angstsymptome den narzisstischen
Charakter der Krise.
„Traumatische Situationsthemen“
= vor- und unbewusste Bedeutungszuschreibungen an das
Krankheitsereignis
Beschädigungen der körperlichen Integrität als
Beschädigungen der personalen Integrität
(„ego infarction“)
Todesangst nicht nur als Folge der Bedrohung der
physischen sondern auch der psychischen Existenz,
um so mehr, je ausgeprägter die narzisstische
Akzentuierung der Persönlichkeit
„Traumatische Situationsthemen“
Kränkung bzw. Zerstörung von Unversehrtheits- und Unverletzbarkeitsfantasien
Kontrollverlust („den Körper nicht im Griff haben“)
Zerstörung von Zukunftsplänen
Entlarvung der eigenen Schwäche
Fantasien einer gerechten oder ungerechten Bestrafung
Verlust von Autarkie (auch in der Gestaltung des eigenen Lebensstils),
Angst vor Abhängigkeit
Aktualisierung von Wünschen nach Intimität, Passivität und emotionaler
Nähe
Angst vor Statusverlust und finanzieller Verschlechterung
Aktualisierung unbewusster Identifikationen, vor allem beim altersparallelen
Auftreten eines Herzinfarktes bei nahen Angehörigen
Therapeutische Empfehlungen
„Traumatische Situationsthemen“ herausarbeiten, explizit benennen
Kein „Oben – Unten“; Asymmetrie in der therapeutischen Beziehung vermeiden
Bevorzugung eines nüchtern-sachlichen Interventionsstils; vor allem bei
Therapiebeginn Verzicht auf Fokussierung von Emotionen
Bevorzugung einer Sprache aus der Arbeitswelt
Klarifizierende und antwortende statt deutende Interventionen im Umgang mit
Aggressionen
Die „Not des Scheiterns“ benennen, nicht wegtrösten
Anerkennung der Lebensleistung des Patienten, insbes. bei Grandiosität
Ressourcenorientierung in bezug auf Bewältigungsfähigkeiten
Haltung des „Sowohl – als – auch“ im Umgang mit der Lebensbedrohung
Heilmittel „Zeit“ kritisch hinterfragen („Das wird schon wieder ! ???“)
Gute Zusammenarbeit mit dem Hausarzt / Kardiologen
(ABK 11/06)
11/06)
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit