Artikel als pdf - Sommerblut 2015

Sommerblut Kulturfestival 2015
Festivalthema GELD
Eigentlich ist Geld nichts weiter als eine praktische Erfindung: durch Einigung auf eine Werteinheit wird es
möglich, mit Waren und Gütern über den direkten Tausch hinaus zu handeln. Geld ist neutral. Sein Wert ist
unabhängig von der Person seines Besitzers. Und doch kann Geld die Ursache heftigster Emotionen sein. Die
schlechtesten Eigenschaften des Menschen wie Gier, Neid und Egoismus manifestieren sich am Geld, aber auch
Großzügigkeit und Solidarität können mit Geld zum Ausdruck gebracht werden.
Das Sommerblut Kulturfestival 2015 widmet sich diesem Stoff, der Träume Wirklichkeit werden lässt und
Menschen in den Ruin treibt.
Die nachfolgend skizzierten Themenbereiche sollen einen Eindruck von dem Spektrum vermitteln, in dem wir
uns bewegen wollen.
„Sinn des Lebens: etwas, das keiner genau kennt.
Jedenfalls hat es wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein.“
Peter Ustinov
1. Geldlos glücklich oder einfach nur arm
Kaum war das Geld erfunden, da behaupteten Einige, dass Geld nicht glücklich macht. Sie wandten sich ab von
der Jagd nach dem Mammon, um Erfüllung auf andere Weise zu finden. Häufig ist der Wunsch nach
Annäherung an Gott die spirituelle Triebfeder – Prinz Siddharta, der spätere Buddha, entsagte dem weltlichen
Reichtum ebenso, wie die Mitglieder katholischer Ordensgemeinschaften ein Armutsgelübde ablegen.
Das Prinzip der Selbstgenügsamkeit als Lebensphilosophie wird häufig mit dem griechischen Philosophen
Diogenes in Verbindung gebracht, der angeblich in einem alten Fass lebte. „Geh mir aus der Sonne!“, soll er
gesagt haben, als Alexander der Große versprach, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, den er aussprechen wollte.
Sowohl auf Verachtung als auch auf Bewunderung treffen Müßiggänger und Lebenskünstler, die sich dauerhaft
auf ein Leben mit minimalen finanziellen Ressourcen eingerichtet haben. Andere versuchen als zeitlich
begrenztes Selbst-Experiment, ohne Geld zu leben oder zu reisen.
Für Menschen, die in existenzieller Not leben, mögen solche philosophischen Betrachtungen höhnisch klingen.
Gemäß der Definition der Europäischen Union ist von Armut bedroht, wer mit weniger als 60 Prozent des
mittleren Einkommens (Median) der Bevölkerung auskommen muss. Wer in Deutschland weniger als 11.278
Euro im Jahr verdient, gilt als armutsgefährdet (Stand 2009). Im Jahr 2012 waren 15,2 % der deutschen
Bevölkerung nach dieser Definition von Armutsgefährung betroffen. Bei Kindern in Ostdeutschland lag die
Quote sogar bei 25,7 Prozent: Jedes vierte Kind ist von Armut bedroht.
Zu den Folgen von Armut gehören schlechtere Gesundheit, eingeschränkter Zugang zu Bildung und Kultur
sowie allgemeine Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben. Da Armut für gewöhnlich einhergeht mit
Billiglohnarbeit oder Arbeitslosigkeit sind Fragen nach dem gesellschaftlichen Stellenwert von Arbeit und der
Gestaltung der Arbeitswelt eng mit dem Thema „Armut“ verbunden.
„Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld“
Aristoteles Oanssis
2. Geld im Überfluss oder wahrer Reichtum
Vom Tellerwäscher zum Millionär – das ist ein Traum, der selten in Erfüllung geht und noch seltener zu einem
dauerhaft sorgenfreien Leben führt. Sicher gibt es die Reichen, die ihr Vermögen zum Wohle der Menschheit
einsetzen, doch proportional zum angehäuften Geld scheinen auch Geiz und Misstrauen zu wachsen. Selbst ein
scheinbar lustiger Super-Reicher, die Comicfigur Dagobert Duck, dessen größtes Vergnügen im Leben sein
tägliches Talerbad ist, ist bei näherer Betrachtung nichts weiter als ein einsamer alter Geizhals.
Plötzlicher Geldsegen, etwa durch einen Lottogewinn, ist oft nicht von Dauer. Es gibt mehr Lotto-Millionäre, als
man glaubt. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 100 neue Lotto-Millionäre gezogen. Obwohl einige sich sogar
bemühen, ihren Gewinn geheimzuhalten, entgehen nur wenige dem Muster, das unweigerlich droht: falsche
Freunde, gierige Verwandtschaft, eigene Maßlosigkeit und selbsternannte Anlageberater sorgen dafür, dass es
bald heißt „wie gewonnen, so zerronnen“.
Vielleicht ist es einfacher, Geld einfach zu erben? In den nächsten zehn Jahren werden unter den reichsten 2%
aller Deutschen 900 Milliarden Euro vererbt - so viel wie nie zuvor. „Was macht man mit seinem Leben, wenn
alles möglich scheint? Ist das die große Freiheit, von der wir alle träumen, eine Verantwortung, mit der man
lernen muss zu leben, oder eine Last, die man einfach nicht los wird?“ – so fragen Maria Magdalena Ludewig
und Tino Hanekamp in ihrer Theaterperformance „Born Rich“.
„Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann.“
Marcus Tullius Cicero
3. Die dunkle Seite des Geldes
Franz-Peter Tebartz-van Elst, ehemaliger Bischof von Limburg, verschwendete 31 Millionen Euro für den
Ausbau seines Amtssitzes. Uli Hoeneß, ehemaliger Präsident des FC Bayern München, wurde wegen
Hinterziehung von 3,5 Millionen Euro Steuern aus Kapitalerträgen zu einer Haftstrafe verurteilt. Dies sind zwei
aktuelle prominente Beispiele für die Verführungskraft des Geldes, die offensichtlich im stande ist, Menschen
die Grenzen von Moral und Anstand vergessen zu lassen und persönliche Überzeugungen über Bord zu werfen.
Lang ist die Liste der Verbrechen, deren Motiv die „Todsünde Habgier“ ist: Geldfälscherei, Banküberfälle,
Korruption und Mord. Die Globalisierung der Weltwirtschaft hat die Liste auf internationalem Niveau
erweitert. Nun kommen unfaire Handelsbeziehungen hinzu, bei denen die Gewinner sich an den schlechten
Produktionsbedingungen der Verlierer bereichern.
Und überhaupt: hat sich die Krake Geld nicht sowieso schon unbemerkt in sämtlichen Lebensbereichen
breitgemacht? Mit der Rhetorik von Unternehmensberatungen, deren Zweck es ist, die Arbeitseffizienz zu
optimieren, wird heutzutage auch in Bereichen ganz selbstverständlich hantiert, in denen man nicht unbedingt
erwartet, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis das Maß aller Dinge ist: auch in der KITA und in der
Kirchengemeinde sollten die Mitarbeiter darüber bescheid wissen, wo ihre Kernkompetenzen liegen, durch
welches Alleinstellungsmerkmal sich ihre Institution auszeichnet und welche Methoden des
Qualitätsmanagements angewendet werden.
Selbstverständlich gilt das auch im privaten Bereich. (Liebes)Beziehungen sind ein Geben und Nehmen, ein
Tauschhandel, bei dem mit Geld fast alles erkauft oder ersetzt werden kann. Aber das war eigentlich schon
immer so, oder?
„Über Musik spricht man am besten mit Bankdirektoren;
Künstler sprechen ja nur über Geld“
Jean Sibelius
4. Geld und Kunst
Die Produktion von Kunst war schon immer von Geld abhängig – sei es in Form eines Auftraggebers, eines
zahlenden Publikums oder öffentlicher und privater Zuschüsse. Die Bewertung von Kunst unterliegt weitgehend
den Mechanismen der Marktwirtschaft und ist damit dem Wandel des Zeitgeistes unterworfen.
Neuerdings richtet sich eine stärker werdende Aufmerksamkeit auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von
Künstlern. Ihre Anzahl in den westlichen Metropolen ist in den vergangenen Dekaden so stark gewachsen, dass
der niederländische Choreograph Jan Ritsema den Begriff einer „Army of Artists“ postuliert hat. Gemeint sind
damit freischaffende junge, zumeist sehr gut ausgebildete Künstler/innen aller Sparten, die mit einem
monatlichen Einkommen zwischen 800 und 1.200 Euro auskommen müssen. Jan Ritsema stellt folgende Fragen
zur Diskussion: repräsentieren diese Künstler das antibürgerliche Ideal der Bohème, weil sie frei über ihre Zeit
und ihren Wohn- und Aufenthaltsort bestimmen können? Bewegen sie sich frei im Paradies des „global village“,
wo sie im internationalen Kulturaustausch um die Welt jetten? Oder sind sie, ohne es selbst zu merken, in die
Rolle von Arbeitssklaven eines neoliberalistischen Systems geraten, in dem sie nun im 24/7-Modus rund um die
Uhr bereit stehen müssen, um nach jedem Projekt-Strohhalm zu greifen, der sie über die nächsten 3-4 Monate
bringt?