Beten an der Zapfsäule

d-spt/s-region/SRG01A - 05.03.2015 10:45:32 - merle.sievers
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Donnerstag, 5. März 2015 Kölner Stadt-Anzeiger
08
Land/Region
Polizei geht
erneut gegen
Rocker vor
Haftaufseher
kritisieren
Kutschaty
KRIMINALITÄT Beamte
STRAFVOLLZUG Die
nehmen 22 Mitglieder
des „Gremium MC“ im
Ruhrgebiet fest
Bediensteten beklagen
fehlende Vorbereitung
auf Islamisten
Bochum. Die Polizei hat bei einer
VON HILMAR RIEMENSCHNEIDER
Razzia im Ruhrgebiet 22 Rocker
vorläufig festgenommen. Die Ak- An dieser Tankstelle in Dorsten werden heute Curry-Würste verkauft. Viele Exemplare stehen – wie hier in Essen – leer. Fotos: Joachim Gies
tion richte sich gegen die Rockergruppe „MC Gremium“, teilte ein
Polizeisprecher in Bochum mit.
Mehrere Hundert Polizisten seien
im Einsatz gewesen und hätten insgesamt 25 Objekte durchsucht.
Dabei seien scharfe Schusswaffen,
verbotene Gegenstände, Rauschgift, Bargeld und andere Beweismittel entdeckt und sichergestellt
worden. Nun werde geprüft, ob einige der Festgenommenen einem
Haftrichter vorgeführt werden.
Die Beamten rückten in den frühen Morgenstunden zeitgleich in
Bochum, Herne, Witten, Marl,
Castrop-Rauxel, Duisburg, KampLintfort und Gelsenkirchen an. Benzin fließt hier in Gladbeck nicht mehr, dafür kann manAutos kaufen. Café mit Biergarten an einer stillgelegten Zapfsäule in Wuppertal
Sechs Wohnungen wurden von
Spezialeinheiten gewaltsam geöffnet. Auslöser der Aktion seien Ermittlungen wegen eines Raubes im
Februar 2014.
Der „Gremium Motorcycle
Club“ war 1972 in Mannheim gegründet worden. Er gilt als mitgliederstärkste deutsche Rockervereinigung und als Gegenpart der
Hells Angels. Der Club hat rund
140 Chapter (Niederlassungen) in
etwa zehn Ländern und ist im Südwesten Deutschlands besonders
präsent. Das Emblem des Clubs ist
in Nordrhein-Westfalen ebenso
wie die Symbole von Hells Angels
und Bandidos 2014 von der Polizei In dieser Ex-Tankstelle in Herne befindet sich ein Reifenhandel.
Himmlischer Beistand: eine Autobahnkapelle in Hamm-Rhynern
verboten worden.
Vor zwei Jahren hatte das Bundesinnenministerium zudem den
MC Gremium in Sachsen verboten
und damit erstmals die Auflösung
eines kompletten Regionalverbands verfügt. (dpa)
AUSSTELLUNG
Beten an der Zapfsäule
Fotograf Joachim Gies zeigt stillgelegte Tankstellen in Nordrhein-Westfalen
VON MERLE SIEVERS
LANDESFINANZEN
Effizienzteam
erspart NRW 200
Millionen Euro
Düsseldorf. Das umstrittene Effizi-
enzteam der Landesregierung hat
nach dreijähriger Arbeit seine
Sparvorschläge präsentiert. Von
den rund 100 Empfehlungen mit
einem Einsparvolumen von jährlich 214 Millionen Euro seien rund
200 Millionen Euro bereits umgesetzt, sagte NRW-Finanzminister
Norbert Walter-Borjans (SPD).
Allein mit den Kürzungen bei den
Förderprogrammen etwa beim
Denkmalschutz habe das Land
rund 145 Millionen Euro eingespart, betonte Walter-Borjans.
Weitere 53 Millionen Euro sollen
bei den landeseigenen Betrieben
zusammenkommen. Die Arbeit
des Teams aus Politikern und Finanzbeamten hat rund 1,8 Millionen Euro gekostet, die unter anderem für Gutachten ausgegeben
wurden. Mit weiteren Vorschlägen
sollen sich nun die Ministerien befassen. Darunter finden sich auch
politisch brisante Überlegungen
wie die, in Zukunft weniger Beamte und dafür mehr Angestellte einzustellen. Der Bericht bringt auch
eine Umwandlung der 47 eigenständigen Kreispolizeibehörden in
16 Großpräsidien ins Gespräch.
Die FDP nannte den Bericht „ein
Sammelsurium unambitionierter
Ideen“. (kla)
Köln. Egal ob mitten in der Stadt,
an einem verlassenen Weg auf dem
Land oder an der Autobahn: Tankstellen gehören zu Deutschlands
Straßen wie Stau und Asphalt.
Aber was passiert mit den Bauten,
wenn sie nicht mehr als Tankstelle
genutzt werden? Etwa weil die
Umgebung sich verändert hat und
die Kundschaft ausbleibt oder weil
– im Gegenteil – der Platz zu eng
wird?
Fotograf Joachim Gies ist dieser
Frage in seiner Abschlussarbeit
nachgegangen und hat stillgelegte
Tankstellen in ganz NordrheinWestfalen ausfindig gemacht.
„Die Recherche war ziemlich aufwendig“, erzählt Gies. „Zwei Monate lang habe ich jeden Tag zwischen neun und zwölf Uhr Ämter
und Behörden abtelefoniert und
nachgefragt. Am Ende hatte ich
rund 300 Adressen verteilt über
das Ruhrgebiet, das Sauerland und
das Bergische Land.“
Von den 300 Tankstellen haben
es schlussendlich 61 in den Bildband geschafft. Bei seinen Besuchen an den Tankstellen ging der
Fotograf auch immer der Frage
nach, ob und wenn ja wie die alten
Zapfstationen aus den Fünfzigerund Sechzigerjahren heute noch
genutzt werden.
Dabei entdeckte er TankstellenGebäude, die als Friseursalon, als
Dönerladen, als Reisebüro oder
sogar als Autobahnkapelle dienen.
Besonders skurril: In dem Kassenhäuschen einer stillgelegten Tankstelle in Marienheide hat die Besit-
zerin, eine ältere Dame, einen
Wintergarten eingerichtet, in dem
nun ihr Graupapagei namens Werner lebt. Tankstelle statt Vogelkäfig.
Die neuen Nutzungen fasst Gies
in vier Kategorien zusammen:
„Essen und Trinken“ zeigt Tankstellen, die zu Cafés, Gaststätten
oder Restaurants wurden, „Automobil“ nennt er solche Gebäude,
die weiterhin irgendwie mit Autos
zu tun haben, etwa als ReparaturWerkstätten. „Quer-beet“ fasst die
unterschiedlichsten neuen Verwendungen zusammen. Und dann
gibt es da noch den „Leer-stand“,
Tankstellengelände und -gebäude,
die ohne neue Bewohner oder Nutzer langsam, aber sicher verfallen.
Für Gies ist seine Abschlussarbeit nicht die bloße Erfüllung einer
Hochschul-Aufgabe, sondern eine
Herzensangelegenheit. „Mir ist es
wichtig, dass diese tollen Bauten
mitsamt ihrer individuellen Gestaltung dokumentiert werden. Immer mehr Tankstellen werden abgerissen, da gehen Geschichten
verloren“, sagt der Fotograf im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Zunächst ist aus den insgesamt
61 Fotografien ein Bildband entstanden, der im vergangenen Jahr
veröffentlicht wurde. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zeigt die Bilder nun erstmals
auch in einer öffentlichen AusFotograf
Joachim
Gies
Tankstellen als Symbol für Strukturwandel
Für seine Abschlussarbeit im
Studiengang Fotografie an der FH
Dortmund machte Joachim Gies
(29) Tankstellen aus den 1950ern
und 1960ern im Bergischen Land,
im Sauerland und im Ruhrgebiet
ausfindig. Entstanden ist ein Bildband, der den Charme der Tankstellen zeigt und erzählt, wie sie
heute genutzt werden. Gies arbeitet als freier Fotograf in Köln.
www.abgetankt.de
stellung. Geschwungene, übergroße Dächer, elegante, runde, nach
oben strebende Formen, große
Glasfronten – die Architektur der
1950er Jahre „kündete von Aufbruch, Fortschritt und der Liebe
Mir ist es wichtig, dass
diese tollen Bauten
mitsamt ihrer
individuellen Gestaltung
dokumentiert werden
Joachim Gies
der Deutschen zum Automobil“,
heißt es zur Ausstellung von der
Architektenkammer.
Auch im Rheinland sind noch einige der alten 50 oder 60 Jahre alten Tankstellengebäude erhalten,
so zum Beispiel jenes aus dem Jahr
1959 an der Deutz-Kalker Straße
in Köln-Kalk, das mit einem spektakulären rautenförmigen Dach
aufwartet. Das Gebäude wird seit
15 Jahren auch wieder als Tankstelle genutzt, nachdem die Zapfanlagen zuvor 27 Jahre lang – von
1973 bis 2000 – stillgelegt waren.
Im Sommer will Gies sein Projekt fortsetzen und weitere stillgelegte Tankstellen, diesmal in der
ganzen Bundesrepublik, fotografieren. „Die Zeit läuft langsam
aber sicher ab“, so Gieß. „Ich muss
die Tankstellen finden, bevor sie
verschwinden.“
Düsseldorf. Der Bund der Strafvoll-
zugsbediensteten stellt sich gegen
Justizminister Thomas Kutschaty:
Anders als vom Minister am Vortag beschrieben, seien die Mitarbeiter in den NRW-Gefängnissen
nicht darauf vorbereitet, eine islamistische Radikalisierung von Gefangenen frühzeitig zu erkennen,
betonte der Landesvorsitzende Peter Brock am Mittwoch. „Wir müssen fit gemacht werden im Erkennen solcher Prozesse.“
Die Fortbildungsangebote kritisierte er als zu gering. Auch die
Ausbildung junger Vollzugsbeamter gehe nicht intensiv genug auf
salafistische Einflüsse in Gefängnissen ein. „Für die Bediensteten
ist die Unsicherheit, wie sie mit
den Gefangenen umgehen sollen,
besonders hoch“, sagte Brock. Insbesondere in den vier Jugendhaftanstalten, wo der Anteil muslimischer Gefangener fast 50 Prozent
betrage, müsse man von einem besonders hohen Radikalisierungspotenzial ausgehen.
Ein Sprecher des Ministeriums
reagierte verwundert auf die Kritik. Eine Abfrage bei den Personalräten aller Haftanstalten habe keine Beschwerden über eine fehlende Ausbildung ergeben.
Gegen Separierung von Islamisten
Brock wandte sich dagegen, islamistische Häftlinge von den anderen Gefangenen zu separieren.
„Wir sind nicht dazu in der Lage.“
Das sei im Alltag beim Umschluss
oder bei Hofgängen nicht praktikabel. Sinnvoller sei es, die Islamisten zu beobachten.
CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach forderte, in den Haftanstalten dürften nur solche Imame
mit der Seelsorge betraut werden,
die in Deutschland ausgebildet seien und Deutsch sprechen.
AUFSICHTSRATSPOSTEN
Rhein-Sieg-Kreis
zahlt kein Geld an
früheren Landrat
Rhein-Sieg-Kreis. Die Verwaltung
des Rhein-Sieg-Kreises wird
600 000 Euro, die der ehemalige
Landrat Frithjof Kühn (CDU) als
Nebeneinkünfte für seine Arbeit
im Aufsichtsrat des Energiekonzerns RWE erhalten hat, nicht an
den 71-Jährigen auszahlen. Das
hat sein Nachfolger Sebastian
Schuster (CDU) entschieden.
Kühn hatte die RWE-Bezüge einem Erlass des Landes an die
Kreiskasse entsprechend abgeführt – aber nur unter Vorbehalt,
weil er der Auffassung ist, dass er
dem Gremium seinerzeit als Privatperson angehörte.
„Wenn Herr Kühn weiterhin der
Auffassung ist, dass ihm das Geld
zusteht, dann muss er das vor einem Gericht einklagen“, sagte
Schuster. Der Kreis hatte in der
Angelegenheit auf eine Klarstellung des Landes gehofft. Weil das
Die Ausstellung „Abgetankt!“ kann Innenministerium aber auch acht
vom 4. März bis zum 24. April im
Monate nach Kühns Ausscheiden
Haus der Architekten (Zollhof 1) im aus dem Amt des Landrates noch
Medienhafen in Düsseldorf besich- nicht entschieden hat, handelte der
tigt werden. Der Eintritt ist frei.
Kreis jetzt. (pf)