Controlling in deutschen Unternehmen Vorlesung 6 - 7 Thema 5: Kennzahlensysteme Dipl.-Kfm. Florian Böckling, MBA Dipl.-Kfm. Franz Zinser, MBA Lehrstuhl für Controlling Johannes Gutenberg-Universität Mainz www.controlling.bwl.uni-mainz.de Literaturbasis Küpper, H.-U.: Controlling - Konzeption, Aufgaben und Instrumente, 4. Auflage, Stuttgart 2005, S. 359-395. Weber, J. und Schäffer, U.: Einführung in das Controlling, 11. Aufl., 2006, S. 167-195. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 2 Struktur der Veranstaltung 1. Theoretische Grundlagen des Controlling 2. Erfolgsrechnung 3. Budgetsysteme 4. Wahrheitsgemäße Berichterstattung 5. Kennzahlensysteme Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 3 Überblick Thema 5: Kennzahlensysteme 1. Einführung 2. Kennzahlen 3. Kennzahlensysteme: Beziehungsarten, Funktionen, Anforderungen & Entwicklung 4. Ausgewählte Kennzahlensysteme Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 4 1. Einführung Kennzahlen sind quantitative Daten, die als bewusste Verdichtung der komplexen Realität über zahlenmäßig erfassbare betriebswirtschaftliche Sachverhalte informieren sollen. In der Praxis sind sie weit verbreitet. Sie zählen zum Standard-Instrumentenset von Controllern. Kennzahlen gestatten einen schnellen, pointierten Blick auf wichtige betriebliche Fakten und Aspekte. Dies macht sie als Informationsquelle potentiell fruchtbar. Kennzahlen erfüllen sehr unterschiedliche Funktionen. Sie reichen von der Schaffung von Awareness bis hin zur Kontrolle in Kennzahlen ausgedrückter Ziele. In der Praxis dominieren finanzielle Kennzahlen. Sie werden zunehmend durch nichtfinanzielle (z. B. kunden- oder prozessbezogene) Kennzahlen ergänzt. Kennzahlen werden zumeist zu Kennzahlensystemen zusammengefasst. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 5 2. Kennzahlen Begriff Kennzahlen sind quantitative Daten, die als bewusste Verdichtung der komplexen Realität über zahlenmäßig erfassbare betriebswirtschaftliche Sachverhalte informieren sollen. Arten von Kennzahlen Absolute Zahlen Bestandsgrößen (z.B. Anlagenbestand) Summen (z.B. Bilanzsumme) Differenzen (z.B. Gewinn) Verhältniszahlen Beziehungszahlen (z.B. Rentabilität) Gliederungszahlen (z.B. Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten) Indexzahlen (z.B. Lohnkostenindex) Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 [Vgl. Küpper, S. 359-360] 6 Ausgewählte Kennzahlen (1) Finanzkennzahlen Return on Investment [%]: Erfolg/Investiertes Kapital x 100 Deckungsbeitrag [EURO]: Umsatzerlöse Kapitalumschlag: Umsatz/Investiertes Kapital Markt- und Kundenkennzahlen Marktanteil [%]: Umsatz/Umsatzvolumen Gesamtmarkt x 100 Kostenüberwälzungsgrad [%]: Preiserhöhung/Kostensteigerung x 100 Kundenakquisitionsrate [%]: Anzahl neuer Kunden/Anzahl alter Kunden x 100 Prozesskennzahlen Fehlerquote [%]: Ausschuss der Periode/Produktionsmenge der Periode x 100 Kapazitätsauslastung [%]: tatsächliche Maschinenlaufzeit/mögliche Maschinenlaufzeit x 100 Manufacturing Cycle Effectiveness: Be- oder Verarbeitungszeit/Durchlaufzeit Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 [Quelle: Weber/Schäffer 2006, S. 169] 7 Einzelkosten variable Kosten Ausgewählte Kennzahlen (2) Mitarbeiterkennzahlen Krankenstand [%]: Zahl krankheitsbedingter Ausfalltage/Jahresmenge x 100 Fluktuationsquote [%]: Ausgeschiedene Mitarbeiter je Periode/durchschnittliche Mitarbeiterzahl x 100 Mitarbeiterproduktivität [EURO]: Erfolg/durchschnittliche Mitarbeiterzahl Innovationskennzahlen Innovationsrate [%]: Umsatz mit neu eingeführten Produkten/Gesamtumsatz x 100 Forschungsintensität [%]: F & E-Aufwand/Umsatz x 100 Vorschlagsquote: Anzahl der Verbesserungsvorschläge/Mitarbeiterzahl Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 8 Kennzahlen in der Praxis Manager werden vor allem mit finanziellen Kennzahlen konfrontiert: [Quelle: Weber/Sand 2001, S. 13] Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 9 Wichtige finanzielle Kennzahlen in der Praxis Spitzenkennzahlen der DAX 100-Unternehmen: [Quelle: KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft 2000; Aders/Hebertinger 2003] Shareholder Value-Orientierung ist stark verbreitet! Tendenz geht von renditeorientierten Kennzahlen hin zu absoluten Wertbeitragskennzahlen (EVA und CVA). Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 10 Grenzen finanzieller Kennzahlen Finanzielle Kennzahlen haben in der Praxis eine wesentliche Bedeutung. Mit der Internationalisierung der Rechnungslegung vereinheitlicht sich zunehmend das Set an maßgeblichen finanziellen Kennzahlen. Wertorientierte Kennzahlen basieren auf den Konzepten des Value-based Managements. Die bekanntesten sind der EVA und der CVA. Grenzen finanzieller Kennzahlen: Finanzielle Kennzahlen sind in der Regel - vergangenheitsorientiert, - kurzfristig, - einseitig. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 11 3. Kennzahlensysteme: Beziehungsarten, Funktionen & Entwicklung Kennzahlen werden zumeist zu Kennzahlensystemen zusammengefasst. Ein Kennzahlensystem soll die Beziehungen zwischen den als wichtig erachteten Größen wiedergeben. Durch die Einordnung in ein System erreicht man eine Informationsverdichtung und eine höhere Übersichtlichkeit. Das bekannteste von diesen ist die DuPont-Pyramide, das aktuellste die Balanced Scorecard. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 12 Beziehungsarten zwischen Kennzahlen (1) Zwischen Kennzahlen können logische, empirische und hierarchische [Vgl. Küpper, S. 361-362] Beziehungen bestehen. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 13 Beziehungsarten zwischen Kennzahlen (2) Logische Beziehungen: Definitorisch: Kennzahlen hängen aufgrund ihrer begrifflichen Abgrenzung zusammen (Bsp.: Erlös ist mit dem Begriff Gewinn (=Erlös – Kosten) verknüpft). Mathematisch: Beziehungen lassen sich durch die Anwendung mathematischer Regeln begründen. Beispiel: Gewinn Kapital Gesamtkapitalrentabilität Gewinn Umsatz Umsatzrentabilität x Umsatz Kapital Kapitalumschlag Empirische Beziehungen: Zwischen Kennzahlen werden aufgrund empirischer Untersuchungen in der Realität Zusammenhänge beobachtet (Bsp.: Abhängigkeit der Absatzmenge vom Verkaufspreis). Sie können deterministisch oder stochastischer Natur sein. Hierarchische Beziehungen: Hierarchische Beziehungen begründen eine Rangordnung über Kennzahlen. Die Rangordnung kann entweder sachlich begründet sein oder von subjektiven Präferenzen bestimmt werden. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 14 Funktionen von Kennzahlensystemen (1) Verwendung von Kennzahlen als Informations- und Steuerungsinstrument Kennzahlen bzw. Kennzahlensysteme erfüllen sehr unterschiedliche Funktionen. Sie reichen von der Schaffung von Awareness bis hin zur Kontrolle in Kennzahlen ausgedrückter Ziele. Im Vordergrund stehen die Informationsfunktion sowie die Steuerungsfunktion. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 15 Funktionen von Kennzahlensystemen (2) Kennzahlen als Informations- und Steuerungsinstrument: Übersicht [Vgl. Küpper, S. 363] Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 16 Funktionen von Kennzahlensystemen (3) Verwendung von Kennzahlen als Informationsinstrument Daten für die Entscheidung (entscheidungsrelevante Alternativen) werden als Kennzahl bereitgestellt (Informationsverdichtung) Kennzahlen dienen somit als Entscheidungsprämissen. Kennzahlen dienen der Beurteilung (Bsp.: Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten). Eine Beurteilung wird oft erst durch einen Vergleich ermöglicht. Kennzahlen dienen der Feststellung von Ursachen (bspw. kann ein geringer Kapitalumschlag für die geringe Rentabilität verantwortlich sein). Kennzahlen können als Indikatoren für schwer messbare bzw. prognostizierbare Tatbestände dienen (Bsp.: Fluktuationsquote als Indikator für Mitarbeiterzufriedenheit). Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 17 Funktionen von Kennzahlensystemen (4) Verwendung von Kennzahlen als Steuerungsinstrument Kennzahlen können als Zielvorgaben für Mitarbeiter dienen (Bsp.: Management by Objectives). Die Zielvorgabe dient hierbei sowohl der Motivation als auch der Kontrolle. Kennzahlen können (und sollen) der Koordination der Einzelaktivitäten dienen. Kennzahlen können als Ziele für die Lösung von einzelnen Entscheidungsproblemen durch Mitarbeiter dienen Entscheidungsproblemspezifische Kennzahlen (Bsp.: Minimierung der Durchlaufzeiten als Ziel bei der Reihenfolgeplanung). Kennzahlen können als Ziele für organisatorische Einheiten (wie Stelle, Abteilung oder Bereich) dienen Stellenspezifische Kennzahlen. Die Entscheidungen und Handlungen sollen sich an der Kennzahl orientieren. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 18 Entwicklung von Kennzahlensystemen (1) [Quelle: Küpper, S. 369] Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 19 Entwicklung von Kennzahlensystemen (2) Logische Herleitung: Entwicklung des Kennzahlensystems aufgrund definitionslogischer Beziehungen und mathematischer Umformungen (Bsp.: DuPont-Kennzahlensystem). Empirisch-theoretische Fundierung: Theoretische (empirisch überprüfte) Aussagensysteme und Hypothesen (bspw. im Rahmen der Produktions-, Preis-, Kostentheorie) dienen als Grundlage für die Entwicklung von Kennzahlensystemen. Empirisch-induktive Fundierung: Entwicklung des Kennzahlensystems aufgrund von empirischem Wissen oder Daten. Dazu dienen Expertenbefragungen und statistische Erhebungen sowie auch Plausibilitätsüberlegungen (Bsp.: Balanced Scorecard). Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 20 4. Ausgewählte Kennzahlensysteme Überblick: DuPont-Kennzahlensystem Werttreiberbaum Balanced Scorecard Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 21 DuPont-Kennzahlensystem Das DuPont-System of Financial Control stellt das wohl älteste Kennzahlensystem dar. Entwicklung des DuPontSystems aufgrund definitionslogischer Beziehungen und mathematischer Umformungen. [Quelle: Weber/Schäffer 2006, S. 182] Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 22 Werttreiberbaum auf Basis des Economic Value Added [Quelle: Weber/Schäffer 2006, S. 183] Ein Werttreiberbaum stellt ein durchgängig verknüpftes System von finanziellen und operativen Werttreibern zur Steigerung des Unternehmenswertes dar. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 23 Balanced Scorecard (1) Die Balanced Scorecard von Kaplan und Norton Ergänzung finanzwirtschaftlicher Perspektiven um nicht-finanzielle Perspektive Schaffung eines Gleichgewichtes zwischen (häufig nur kurzfristig orientierten) finanziellen und (längerfristig orientierten) nicht-finanziellen Kennzahlen. Basis: Empirische Untersuchung zum „Performance-Measurement“ in 12 USFirmen! Die Balanced Scorecard stellt in übersichtlicher Form - die finanziellen Kennzahlen ergänzt um - die operativen Treiber zukünftiger Leistungen dar. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 24 Balanced Scorecard (2) Aufbau der Balanced Scorecard Das Unternehmen wird aus 4 Perspektiven beleuchtet (Finanz-, Kunden, Potential-, Prozess-„Perspektiven“), jeweils mit mehreren operationalen Zielen und Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung sowie den entsprechenden Maßnahmen. Die Perspektiven werden aus der Strategie abgeleitet und bilden das „Herzstück“ der BSC. Die Perspektiven sind interdependent und über Ursache-Wirkungs-Ketten miteinander verknüpft. Letztlich dient die BSC der Leistungsmessung sowie der Operationalisierung und Umsetzung von Visionen und Strategien in konkrete Ziele und Maßnahmen. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 25 Balanced Scorecard (3) Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 26 Balanced Scorecard (4) Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge der Balanced Scorecard Return on Capital Employed Finanzielle Perspektive Kundenperspektive Kundentreue Pünktliche Lieferung Interne-(Geschäftsprozeß) Perspektive Prozeßqualität Lern- und Entwicklungsperspektive Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 Prozeßdurchlaufzeit Fachwissen der Mitarbeiter 27 Balanced Scorecard (5) Balance in der Balanced Scorecard Die Balance der Scorecard entsteht durch die Betrachtung aller vier Perspektiven und deren Zusammenhängen unter ausgewogener Berücksichtigung sowohl: kurzfristiger als auch langfristiger Ziele, Ergebniskennzahlen (Spätindikatoren) als auch Leistungstreibern (Frühindikatoren), monetärer als auch nicht-monetärer Kennzahlen, „harter“ als auch „weicher“ Kennzahlen. Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 28 Balanced Scorecard (6) Beispiele zu Perspektiven, Zielen und Kennzahlen als Messgrößen: Finanzen Ziele Kunden Kennzahlen ROCE über dem Branchendurchschnitt Ziele Kennzahlen ROCE Innovator-Image Umsatzanteil neuer Produkte und Dienstleistungen Schneller als der Markt wachsen Umsatzwachstum Preis-LeistungsVerhältnis hervorragend Kundenbewertung Cash-Flow steigern Discounted Free Cash Flow Vorzugslieferant sein Umsatzanteil mit Stammkunden Interne Prozesse Ziele Kennzahlen Innovation und Lernen Ziele Kennzahlen Frühes Einwirken auf die Kundenanforderungen Beratungsstunden für Kunden vor Eröffnung des Angebotsprozesses Kontinuierliche Verbesserung Halbwertszeitsindex Entwicklung des Regionalmarktes A Anzahl Neukunden in Region A Hohe Mitarbeiterzufriedenheit Index Mitarbeiter zufriedenheit, Anzahl Verbesserungsvorschl. pro Mitarbeiter Schnelle HardwareInstallation Arbeitstage zwischen Auftragserteilung und Hardware-Installation Time to market Produkteinführungszeitraum im Vergleich zum Wettbewerber Überragendes Projektmanagement Anteil Projekte ohne overrun Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 29 Balanced Scorecard (7) Die Perspektiven der Balanced Scorecard müssen unternehmensspezifisch mit konkreten Inhalten gefüllt werden: Perspektive Strategisches Ziel Kennzahl Vorgabe Finanzielle Perspektive Überdurchschnittliches Marktwachstum Umsatzwachstum Rate > 13 % KundenPerspektive Positionierung als Vorzugslieferant Umsatzanteil mit Stammkunden Anteil > 50 % ProzessPerspektive Entwicklung des Regionalmarktes X Anzahl Neukunden in X Anstieg um 30 % p.a. EntwicklungsPerspektive Hohe Mitarbeiterzufriedenheit ZufriedenheitsIndex Index > 80 % Controlling in deutschen Unternehmen: Vorlesung 6 - 7 30
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