Das neue Dommuseum Hildesheim April 2015 1 kunstRäume Das neue Dommuseum Hildesheim 2 Das neue Dommuseum Hildesheim Das neue Dommuseum Hildesheim Kunst braucht Räume Sichtachsen, Begegnungen, Aufbrüche Durchblicke Von Anfang an gab es einen Masterplan, eine Vision von einer Kirche des 21. Jahrhunderts, die neue Räume erschließt. Als das Kölner Architekturbüro Schilling mit der Sanierung von Dom und Dommuseum beauftragt wurde, ging es um eine umfassende Lösung. Den Raum klären, Dinge sichtbar machen – das Credo des Architekten Johannes Schilling unterstreicht das Anliegen, Bischofskirche und Museum als Einheit neu zu denken und entsprechend zu gestalten, als Symbiose von Kirche, Kunstraum und Schatzkammer aus einem Guss. In diesem groß angelegten Projekt sollen Tradition und Gegenwart gleichermaßen sichtbar bleiben, Schilling spricht von „transparenter Harmonie“. Das Eingangsfoyer verbindet Dom und Museum. Der Weg führt über den doppelstöckigen Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert, eine architektonische Rarität nördlich der Alpen. Es gibt wohl keinen schöneren Blick auf den Innenhof der mittelalterlichen Bischofskirche und den legendären 1000-jährigen Rosenstock, der mit der Gründungsgeschichte des Bistums im Jahr 815 verwurzelt ist. Der obere Kreuzgang grenzt an das südliche Querschiff der Bischofskirche. Hier gibt ein gläserner Durchbruch den Blick auf die bronzene Christussäule im Dom frei, eine Triumphsäule des Glaubens nach antikem Vorbild mit Szenen aus dem Neuen Testament aus der Zeit um 1000. Faszinierende Durchblicke ergeben sich auch in der ehemaligen Antoniuskirche. Ein Balkon mit gläserner Brüstung verbindet Alt- und Neubauteil sowie Ober- und Erdgeschoss. An diesem architektonischen Knotenpunkt bündeln sich die Perspektiven. Eine Blickachse öffnet sich zum ehemaligen Rittersaal auf der gegenüberliegenden Seite. Die Raumwirkung ist überwältigend. Von hier aus ist auch das gewaltige Stahlkreuz sichtbar, das der Innenarchitekt Dieter Thiel in den Rittersaal eingezogen hat. Dieses Kreuz prägt die gesamte Raumflucht. Das Konzept der Sichtachsen setzt sich im Erdgeschoss fort. Schlicht, funktional, transparent: Die neuen Vitrinen orientieren sich am puristischen Design moderner Inneneinrichtungen. Ziel und Wendepunkt im Obergeschoss: das Ringelheimer Kruzifix. Nach fünf Jahren Bauzeit wird das Hildesheimer Dommuseum wiedereröffnet. Die Ausstellungsfläche hat sich vervierfacht. Die neue Dauerausstellung verbindet Jahrhunderte alte Schätze mit Objekten der Gegenwartskunst. Eine verformte, einsame Figur, verloren, verzweifelt, „Methusalem“. Die kleine Bronzestatue empfängt den Besucher in den Räumen des neuen Dommuseums, eine Arbeit des 1995 jung verstorbenen Münchner Bildhauers und Kunstphilosophen Thomas Lehnerer. Der Mensch auf der Suche nach sich selbst und – vielleicht – nach Gott. Dieser Skulptur gegenüber hängt ein großformatiges Gemälde aus der frühen Barockzeit – Johannes der Täufer predigt am Jordan. Ein irritierender Auftakt. In der neuen Dauerausstellung des Hildesheimer Dommuseums sind Tradition und Moderne fest miteinander verwoben. Dom und Dommuseum bilden eine Einheit, sie sind über den oberen Kreuzgang miteinander verbunden. Der größte Teil der Sammlung ist in der ehemaligen Antonius-Kirche beheimatet, an die profanierte Kapelle schließt sich ein Kopfbau an. Hier hat der neun Meter hohe RenaissanceLettner aus dem historischen Dom Platz gefunden. Vom Obergeschoss aus ist die imposante Triumphkreuzgruppe zu sehen. Zeitachsen kreuzen sich. Ein Stockwerk tiefer kommt es zu einer Begegnung mit der Formensprache der Moderne: Der Bilderwand des Lettners aus dem 16. Jahrhundert mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament steht ein Kunstwerk des 20. Jahrhunderts gegenüber, die abstrakte Skulptur „Strukturen, vernetzt“ von Emil Cimiotti, einem der wichtigsten Vertreter des Informel. Nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs hatten die Künstler den Glauben an die Kraft der Bilder verloren. Sie waren auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Von der Bilderlust der Barockzeit wiederum zeugen die sechs prachtvollen Wandteppiche aus fürstbischöflicher Zeit. Der Gobelin-Zyklus wurde im 18. Jahrhundert für das Domkapitel angekauft – als Zeichen von Herrschaft und Repräsentation. Die Bildfolge mit der Artemisia-Legende kreist um das Thema der gerechten Regierung. Leihgaben aus dem Bestand der benachbarten Dombibliothek greifen dieses Thema auf und verweisen zugleich auf den Bildungsauftrag der Kirche in der Gesellschaft. Den Kampf um den rechten Glauben im Zeitalter der Gegenreformation bezeugen die drei Wrisbergschen Tafeln – das Tryptichon aus dem späten 16. Jahrhundert ist eine bildmächtige Verteidigung der römischen Kirche. Diesen heute schwer verständlichen Propagandabildern gegenüber hängt die grafische Collage des Künstlers Gerd Finkel mit dem poetischen Titel „Engel der Zeit“, eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Glauben. Die Große Goldene Madonna, eine der ältesten Marienfiguren abendländischer Kunst, gehört zu den zentralen Schätzen der Sammlung. Die Figur nimmt das Thema der Menschwerdung Gottes auf, das auch in dem monumentalen Bildwerk des Gekreuzigten anklingt, einer Stiftung Bernwards für das ehemalige Kloster Ringelheim. Das 1000 Jahre alte Kruzifix ist an einem mächtigen Stahlkreuz angebracht, das den ehemaligen Rittersaal gliedert. In diesem Raum, dem Herzstück der neuen Dauerausstellung, sind auch die hochmittelalterlichen Altargeräte ausgestellt, Prunkstücke des weltberühmten Domschatzes. Im Erdgeschoss ist das Thema „Endlichkeit und Ewigkeit“ eindrucksvoll in Szene gesetzt. Den kostbar umhüllten Reliquien, darunter Textilien aus dem Godehardschrein, werden zeitgenössische Arbeiten von Gerd Winner und Arnulf Rainer zur Seite gestellt. Seelenheilstiftungen neben ernüchternden Visionen vom Ende, Kreuzübermalungen. In dieser extremen Spannung dokumentieren die Kunstwerke, dass jede Epoche ihre eigenen Antworten auf existentielle Fragen finden muss. Im Untergeschoss öffnet sich ein Fenster in die Gründungszeit des Bistums. Archäologische Funde von historischen Stadtmauern erinnern heute daran, wie eng Stadt und Bischofssitz im Mittelalter aufeinander bezogen waren. Das neue Eingangsfoyer verbindet Dom und Dommuseum. Endlichkeit und Ewigkeit: Gerd Winners vierteilige Arbeit „The End“. 3 4 Das neue Dommuseum Hildesheim Das neue Dommuseum Hildesheim Zeitsprünge: Der Direktor des Dommuseums, Professor Michael Brandt, im Dialog Schatzkammern auf Zeit Das reiche Erbe verpflichtet. Das Dommuseum bewahrt eine der weltweit wichtigsten Sammlungen sakraler Kunst des Mittelalters auf, seit 1985 gehört der Hildesheimer Domschatz zum Weltkulturerbe der UNESCO. Im Bestand sind heute auch zeitgenössische Kunstwerke, allein die Grafiksammlung umfasst etwa 900 Blätter aus der Zeit vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Herr Professor Brandt, auf dem Plakat zur Wiedereröffnung des Hildesheimer Dommuseums werben Sie mit dem Slogan „mehr als ein Schatz“. Lässt sich denn ein Schatz noch überbieten? Unter einem Schatz stellt man sich doch eher ein Ensemble von goldglitzernden Gegenständen hinter dicken Mauern vor, die nur für sich selbst sprechen. Das Dommuseum sieht aber seine Aufgabe darin, die Kunstschätze aus dem Mittelalter im Gegenüber zu Werken von Künstlern unserer Zeit für Menschen von heute zum Sprechen zu bringen. Deshalb wollen wir auch keinen klassischen Rundgang durch die Kunstgeschichte präsentieren, sondern setzen Themenschwerpunkte. Das Spektrum ist einfach viel breiter geworden. Seit 1978 bis zum Beginn der Umbauarbeiten auf dem Domhof 2010 war das Museum auf engstem Raum im ehemaligen Kapitelhaus untergebracht. Trotz enormer Platznot wurde die Sammlung systematisch aufgestockt und wissenschaftlich erschlossen. Etwa 50 Publikationen und Ausstellungskataloge sind in diesen Jahren erschienen. Mit regelmäßigen Sonderausstellungen ist es gelungen, ein neues Publikum für die alten Schätze zu interessieren. Der Hildesheimer Domschatz gehört neben dem Dom und St. Michaelis zum Weltkulturerbe der UNESCO. Was verbirgt sich hinter diesem Gütesiegel? Bei der Michaeliskirche, die sich Bischof Bernward um 1000 als Grabkirche errichten ließ, spielt natürlich die Architektur eine wichtige Rolle. Bei Dom und Domschatz aber geht es vor allem um das Inventar. Ein Inventar, das in dieser Fülle und aus der Zeit des frühen und hohen Mittelalters an kaum einem anderen Ort so komplex und so umfangreich erhalten ist wie hier. Eine besondere Herausforderung bei der Neukonzeption der Dauerausstellung lag darin, das Ensemble von Dom und Dommuseum als Einheit erfahrbar zu machen. Wir haben eben nicht nur eine 1200 Jahre alte Bischofskirche mit kostbaren Ausstattungsstücken wie der berühmten Bernwardtür, der Christussäule oder dem bronzenen Taufbecken und daneben ein Museum mit den übrigen Schätzen. Die unmittelbare Nachbarschaft lässt deutlich werden, dass all diese Kostbarkeiten ein und demselben Zweck dienten: dem christlichen Kult, der Andacht und dem Gebet. Das wollen wir den Menschen heute bewusst machen. Sie präsentieren auch einige Schätze aus der benachbarten Dombibliothek. Wollen Sie am Domhof näher zusammen rücken? Es ist wichtig, dass ein Museum lebt. Der zentrale Kernbestand unserer Sammlung wird immer zu sehen sein, aber um diesen Kern herum sollen im Wechsel auch andere Kunstwerke und kulturgeschichtlich bedeutende Stücke gezeigt werden. Die Dombibliothek ist neben der in Köln, soweit ich sehe, deutschlandweit die einzige, die nicht säkularisiert worden ist. Mit der wechselnden Präsentation Eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Glauben: Gerd Finkels Collage „Engel der Zeit“. dieser Schätze wollen wir auch an die Kirche in ihrer Rolle als Förderin von Künsten und Wissenschaft erinnern. Über die Kirchen und Klöster des Mittelalters wurde das Wissen der Antike in die Gegenwart übermittelt. Die Dombibliothek hat hervorragende Schätze, die das dokumentieren. Ein solches Zeugnis etwa ist eine Handschrift mit Werken des berühmten antiken Philosophen Boethius. Einige der Prunkstücke des Dommuseums sind bis heute in liturgischem Gebrauch. Sind sie deshalb auch dem Himmel besonders nah? Man ist ja gewohnt, in einem Museum Dinge einer untergegangenen Kultur zu finden, etwa in Antikenmuseen. Das ist in einem Dommuseum eben nicht der Fall. So wird der Besucher hier zwar mit Zeugnissen aus früheren Jahrhunderten konfrontiert, aber es sind Zeugnisse, die etwas zum Ausdruck bringen, was bis heute für viele Menschen von zentraler Bedeutung ist, und das versuchen wir zu vermitteln. Das, was wir hier sehen, hat etwas mit uns selbst zu tun. Mit mir, mit meinen Fragen an das Leben. Was trägt mich, was ist mir heilig? In der neuen Dauerausstellung treten historische Kunstschätze in den Dialog mit zeitgenössischen Werken. Warum inszenieren Sie diese Zeitsprünge? Im Gegenüber: Emil Cimiotti, „Strukturen, Der Einband des Sog. Kleinen vernetzt“ und der Renaissance-Lettner. Bernward-Evangeliars und das Schätze aus der Dombibliothek: „Kreuz übermalt“ von Arnulf Rainer. kostbare Buchmalereien. In unserer bildersüchtigen Welt haben wir doch das Sehen längst verlernt. In unserer Ausstellung versuchen wir also, überkommene Sehgewohnheiten aufzubrechen. Deshalb haben wir mit einzelnen zeitgenössischen Kunstwerken gewissermaßen „verstörende“ Elemente eingebaut. Wir zeigen beispielsweise eine Reihe von mittelalterlichen Reliquiengefäßen mit Überresten von Menschen, von denen gläubige Christen annehmen, dass sie nah bei Gott sind, und dass von der Kraft, die deren Leben geprägt hat, hier etwas greifbar wird. Im Mittelalter dachten die Menschen ganz konkret, wenn man so etwas berührt, dann springt der heilige Funke über. Und so fremd ist dieser Gedanke ja auch gar nicht. Wir bewahren bis heute Gegenstände auf, die uns wichtig sind und die wir mit einer bestimmten Lebenssituation verbinden. Den Reliquien stellen wir ein großes, mehrteiliges Bild von Gerd Winner gegenüber – vier hohe, schwarze Wände und mittendrin ein grellgelbes Verkehrszeichen „End“. Dieses Schild verweist auf die Endlichkeit unseres Daseins, so, wie die Reliquien, die Knochensplitter in den kostbaren Gefäßen. Deren prachtvolle, goldglänzende Umhüllung will aber bewusst machen, dass es hinter dem menschlichen Ende eine Dimension des Heiligen und der Ewigkeit gibt. Und das ist es doch, wonach wir uns alle sehnen – dass es nicht mit dem Tod vorbei ist, sondern dass es weitergeht. Das Dommuseum schiebt sich nun deutlich sichtbar in die Stadt hinein. Will sich das Museum neu verorten – auch außerhalb der Kirchenmauern? Das Dommuseum hat einen einzigen Neubauteil, der im Rahmen der großen Sanierung entstanden ist. Dieser Neubau schließt eine städtebauliche Wunde, die der Zweite Weltkrieg geschlagen hat. Mit dem Neubau ragt der Domhof gewissermaßen in die Stadt hinein, eine Geste, die deutlich machen will, dass wir das Gespräch mit den Menschen suchen. So, wie es uralte Tradition jedes Bistumszentrums und jedes Domplatzes ist. Der Domhof ist keine klerikale Insel, sondern ein Forum, das sich in die Stadt hinein öffnen soll. Das betrifft natürlich auch die künftige Museumsarbeit, allein deshalb ist uns die Aufnahme zeitgenössischer Kunstwerke sehr wichtig. Kirche will sich in die Gegenwart hineinschreiben, und Gegenwartskunst kann hier eine Brücke bilden. Dank großzügiger Schenkungen konnten wir etwa unsere Grafiksammlung ausbauen, in kleinen Kabinettausstellungen wollen wir auch diese Schätze künftig zeigen. Wie in jedem modernen Museum wird es auch musikalische und literarische Veranstaltungen geben. Wir werden weiterhin den Dialog mit zeitgenössischer Kunst im Rahmen des „Aschermittwochs der Künstler“ führen. Mittlerweile bestehen zahlreiche Kontakte zu Künstlern, die großes Interesse signalisiert haben, sich gerade von dem neu erschlossenen historischen Ensemble herausfordern zu lassen. Den Anfang machte 1988 die Ausstellung „Der Schatz von St. Godehard“, internationale Beachtung fand 1993 die große Sonderausstellung „Bischof Bernward und das Zeitalter der Ottonen“ in Zusammenarbeit mit dem Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum. Mit „Byzanz. Die Macht der Bilder“ (1998) wurde die Reihe hochkarätiger Sonderausstellungen fortgesetzt, es folgten weitere Groß-Projekte wie „Abglanz des Himmels. Romanik in Hildesheim“ (2001) oder „Bild und Bestie“ (2008). Zu den Partnern und Leihgebern gehörten das Metropolitan Museum of Art in New York, das British Museum und das Victoria & Albert Museum in London sowie weitere bedeutende Museen in Metropolen wie Rom oder Paris. Das Dommuseum kooperiert mit namhaften Universitäten und Forschungseinrichtungen und ist wissenschaftlich international vernetzt. Mit der Erweiterung der grafischen Sammlung durch Ankäufe und Schenkungen wird ein weiterer Schwerpunkt gesetzt. Jüngst erhielt das Dommuseum ein umfangreiches Grafikkonvolut mit mehr als 500 hochrangigen Objekten. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) wurde während der Umbauphase ein Konzept zur Aufbewahrung der Grafiken erarbeitet. Der Kern der Sammlung reicht in die Anfänge des Bistums zurück, zu den ältesten Stücken zählt das Gründungsreliquiar aus dem 9. Jahrhundert. Schon im Mittelalter wurden kostbare Altargeräte und Reliquien in Schatzkammern des Doms verwahrt, nur besondere Gäste durften sie anschauen. Den Impuls zur Gründung eines Dommuseums gab der Hildesheimer Bischof Eduard Wedekin Mitte des 19. Jahrhunderts. 1960 wurden die Exponate in einer Schatzkammer im wieder aufgebauten Dom untergebracht, bevor das Dommuseum knapp 20 Jahre später in das ehemalige Kapitelhaus einziehen konnte. 5 6 Das neue Dommuseum Hildesheim Das neue Dommuseum Hildesheim Internationale Gastspiele Der Domschatz auf Reisen 7 Der neue Museumsführer Dommuseum Hildesheim Der Begleitband erscheint im Verlag Schnell & Steiner, Regensburg, und kostet ca. 29,95 Euro. Bildschön: die aufwendig restaurierten barocken Wandteppiche. Stein auf Stein, Stich für Stich Ein Werkstattbericht Auf Welttournee: Die mittelalterlichen Kunstschätze aus dem Hildesheimer Dommuseum wurden zu Kulturbotschaftern der Stadt und des Bistums. Museen zwischen Augsburg und Riggisberg, zwischen Köln und Paderborn zeigten Kunstwerke aus der Domstadt. Während der Umbauarbeiten am Domhof flogen 50 ausgewählte Objekte nach New York. Der Erfolg war überwältigend. Mittlerweile bestehen zahlreiche wissenschaftliche Kontakte zwischen Hildesheim und Nordamerika. Oft verändert sich der Blick auf vertraute Dinge, wenn sie in neuen Zusammenhängen auftreten. In der Umbauphase bot sich die einmalige Gelegenheit, ausgewählte Bestände andernorts zu präsentieren. Das berühmte bronzene Taufbecken aus dem Dom, ein Prunkstück aus dem 13. Jahrhundert, bildete den Auftakt zur großen Landesausstellung „Der Naumburger Meister. Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen“ im Jahr 2011 in Naumburg an der Saale in Sachsen-Anhalt. Das Taufbecken reiste auch nach Berlin, die Ausstellung im renommierten Bode-Museum zusammen mit den Hauptwerken des Welfenschatzes unter dem Titel „Schätze des Glaubens“ von September 2010 bis April 2013 war ein glanzvoller Auftakt der Gastspielreisen. Im Art Institute Chicago war ab November 2012 eine Auswahl byzantinischer Werke zur Eröffnung der neu eingerichteten „Mary and Michael Jaharis Galleries of Greek, Roman, and Byzantine Art“ zu sehen. Abschließender Höhepunkt war die Ausstellung „Medieval Treasures from Hildesheim“ im New Yorker Metropolitan Museum of Art vom 17. September 2013 bis 5. Januar 2014. Im Mittelpunkt der Schau standen die Werke, die Bischof Bernward für den Hildesheimer Dom und die benachbarte Michaeliskirche in Auftrag gegeben hat. Sie gelten als Meisterwerke ottonischer Kunst und gehören in Nordamerika zum Grundgerüst für angehende Kunsthistoriker. Einige der wertvollsten Objekte des Domschatzes wurden nach New York ausgeliehen, darunter das silberne Bernwardkreuz, die drei Scheibenkreuze, das Ringelheimer Kruzifix und die Große Goldene Madonna. Spektakulär war auch hier die Präsentation des Taufbeckens. In der „New York Times“ wurde die Schau zu den besten des Jahres 2013 gezählt. Der Kritiker Holland Cotter etwa ließ sich tief berühren von der Lebendigkeit der mittelalterlichen Meisterwerke: „Um dies zu spüren, müssen Sie nichts über Dogmen oder Geschichte wissen oder weit in die Vergangenheit zurückreisen aus einer säkularen Gegenwart. Sie müssen nur bereit sein, innezuhalten, aufmerksam zu sein, etwas Zeit zu investieren und so zu handeln, als ob Objekte aus der Vergangenheit Ihnen etwas Wahres über Ihr Leben in der Gegenwart erzählen könnten ...“. Zwei monumentale Kunstschätze wurden während der Umbauarbeiten des Hildesheimer Dommuseums umfassend restauriert: der Renaissance-Lettner und sechs barocke Wandteppiche, Meisterwerke der Tapisseriekunst. Gute drei Monate brauchten Steinmetzmeister Bernd Steinkamp und seine drei Kollegen, um den rund 35 Tonnen schweren Renaissance-Lettner aus hellem Baumberger Kalksandstein im Neubau des Museums aufzustellen. Ein Kraftakt und zugleich ein gelehrtes Geduldspiel, um das Werk des Münsteraner Bildhauers Johann Brabender mit seiner überbordenden Bildsprache wieder zusammenzufügen. Adam und Eva, die Königin von Saba und König Salomo, Jesus und seine Jünger, die Gottesmutter Maria und Bischof Bernward von Hildesheim: In ihren lebendig gemeißelten Gesichtern spiegeln sich Glaubensgeschichten. Die ehemalige Chorschranke aus der Zeit um 1546 stand bis zum Zweiten Weltkrieg im Hildesheimer Dom und trennte dort den Chorraum vom Langhaus. Während des Zweiten Weltkriegs hatte man den Lettner vorsorglich ausgelagert, mit dem Wiederaufbau des Doms 1960 diente er als Altarrückwand in der an den Dom angrenzenden Antonius-Kirche. Zu Beginn der Umbau- und Sanierungsarbeiten am Dom 2010 wurde der mächtige Kanzellettner abgebaut, in hunderte Einzelteile zerlegt und in der Restaurierungswerkstatt Lehmkuhl in Steinfurt bei Münster umfassend aufgearbeitet. Dabei stellte man fest, dass 90 bis 95 Prozent der Original-Bausubstanz erhalten geblieben sind. Allerdings waren viele Teile nur notdürftig mit Gips repariert. Tausende Arbeitsstunden waren nötig, um das Kunstwerk wiederherzurichten. Nun setzt der Lettner einen deutlichen Schwerpunkt in der neuen Dauerausstellung ebenso wie die sechs prachtvollen großflächigen Wandteppiche aus der Barockzeit. Sie wurden in der Textil-Werkstatt von Sabine Heitmeyer-Löns in Havixbeck bei Münster restauriert und Stich für Stich ausgebessert. Insgesamt gut 30 Jahre haben die Arbeiten an den jeweils rund vier mal fünf Meter großen Gobelins gedauert. In der neuen Dauerausstellung werden die sechs Gobelins in einem eigenen Raum präsentiert. Gerhard Lutz, Kurator am Hildesheimer Dommuseum und Mitglied im Beirat der Zeitschrift „Gesta“, herausgegeben vom „International Center of Medieaval Art“ in New York. New York Naumburg Chicagco Bonn Berlin Augsburg Köln Würzburg Washington Mit ruhiger Hand und sicherem Blick werden die Skulpturen des Lettners gereinigt. Handlich und kompakt – ein idealer Begleiter für den Rundgang durch die Dauerausstellung des neu eröffneten Dommuseums. Der reich bebilderte Museumsführer stellt eine breite Auswahl der Hauptwerke in kurzen Texten und mit größtenteils neuen Abbildungen vor. Die Schwerpunkte der Neupräsentation liegen in der Kunst zwischen 1000 und 1250, als Hildesheim eines der führenden geistigen und kulturellen Zentren war. Der mittelalterliche Domschatz als Teil der Ausstattung der Bischofskirche gehört – neben der Hildesheimer Michaeliskirche – zum Weltkulturerbe der UNESCO. Darüber hinaus sind im Dommuseum auch Hauptwerke aus jüngerer Zeit ausgestellt. Den historischen Werken stehen als Kontrapunkte Arbeiten zeitgenössischer Künstler wie Bernhard Heiliger, Arnulf Rainer, Gerd Winner oder Emil Cimiotti gegenüber. Ein einführender Text fasst die Geschichte der Sammlungen zusammen und skizziert das aktuelle Ausstellungskonzept mit seinen Themeninseln. Für Besucher Sonderaktion im Jubiläumsjahr von Mai bis Oktober 2015: Aktionstag: Jeden 1. Dienstag im Monat freier Eintritt für Einzelbesucher Abendführung: Kostenlose Führung durch das Museum an jedem 3. Mittwoch im Monat, Führungsbeginn 19.30 Uhr Dommuseum Hildesheim Domhof 18–21, 31134 Hildesheim Telefon 05121 307-760 [email protected] www.dommuseum-hildesheim.de Öffnungszeiten und Preise Di. bis So. 10.00 bis 17.00 Uhr, Mo. Ruhetag, geschlossen außerdem am 24.12. und 31.12. Öffentliche Führungen Sa. 10.00 Uhr, So. und feiertags 15.00 Uhr Gruppenführungen Di. bis Sa. nach Vereinbarung Eintritt 6 € pro Person, 4 € ermäßigt (Gruppen ab 10 Personen, Studenten, Inhaber eines Schwerbehinderten- oder Sozialausweises), Kinder bis 18 Jahre haben freien Eintritt Führungsgebühr 4 € pro Person, 3 € ermäßigt (Gruppen ab 10 Personen, Studenten, Inhaber eines Schwerbehinderten- oder Sozialausweises), Kinder bis 6 Jahre zahlen keine Führungsgebühr, 10 € Kombiticket für Gruppen ab 10 Personen (Eintritt Museum + Führung Museum und Mariendom) Impressum Kunsträume: das neue Dommuseum Hildesheim Herausgeber Dommuseum Hildesheim/Bistum Hildesheim, Hauptabteilung für Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlich für den Inhalt Prof. Dr. Michael Brandt, Thomas Hagenhoff Redaktion Karin Dzionara, Hildesheim Gestaltung Bettina Höhne, Bernward Mediengesellschaft mbH Verlag Bernward Mediengesellschaft mbH, Domhof 24 Druckauflage 25.000 Druck Fischer Druck GmbH, Peine Fotos: Dommuseum S. 4; Ina Funk Titelseite, S. 2; Stephan Kube S. 7; Gerhard Lutz S. 6; Hildegard Mathies S. 7; Florian Monheim S. 2, 3, 4, 5, 6, 8 www.dommuseum-hildesheim.de Die Generalsanierung des Dommuseums haben gefördert Unterstützung bei der Durchführung von Restaurierungsmaßnahmen gewährten Helge Hilgert · Maria Ursula Diwischek · Bernward Löffler · Richarda Kurzbach · Marion Habenicht · Dr. Heinrich Kaune · Dr. Hans Wilhelm Brandt · Georg Kandziora · Dr. Walther Heinermann · Helga Ristow · Petra Hettwer Ulrich Fahlbusch · Ruddock Foundation for the Arts, Lansdowne Partners Limited · Angelika Ernst · Joachim-Günther Malorny · Ruth Heymann · Thomas Adamski · Adalbert Kirchhoff · Bischof Norbert Trelle · Dietmar G. Busche Corinna Diedrich · Uwe Seifert · Peter Frölich · Dr. Michael Lukas · Barbara Meyer-Wilkens · Dr. Markus Güttler · Dagmar Hüttges · Dr. Johannes Otto Mispagel · Gisela Trelle · Kerzengießgruppe Zum Heiligen Kreuz, Regina Sauter Frank Denecke · Ulrich Müller · Werner Bröker · Dr. Hans-Ludger Heidtmann · Felix Splonskowski · Georg Aue · Dr. Günter Baeck · Dr. Georg Wilke · Dr. Wilhelm Buerstedde · Dr. Karl Kröpil · Dr. Benedikt Lenzner · Dr. Hubertus Haller Richard Waldmann · Hubertus Funke · Jürgen Breitkopf · Prof. Dr. Hans Gerhardy · Prof. Dr. Eberhard Schwarzer · Dr. Jochem Kreutzer · Heinz-Jürgen Marheineke · Dr. Winfrid Ashoff · Hans-Heinrich Busche · Ernst-August Hermanni Winfried Haller · Josef Stimpel · Horst Much · Franz-Georg Talleur · Gerhard Weißwange · Dr. Hartmut Galler · Franz Borgmeyer · Brigitte Rittmeier · Dr. Eckart Hermann · Barbara Düker Zur Erweiterung der Sammlung haben durch Schenkung und finanzielle Förderung beigetragen Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V. Verein Ausstellungshaus für Kunst christliche e.V. Kunst e.V. Verein Ausstellungshaus für christliche Emil Cimiotti · Gerhard und Brigitte Hartmann · Alfred Pohl · Gerd Winner
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