Großes Interesse beim Autismus-Workshop in Kuchen Rund 80 Besucher trafen sich am Freitagabend im Bürgerhaus Kuchen zum Workshop „AutismusSpektrum-Störungen“. Bevor der Autismus-Experte Stefan Meir über die Diagnostik einer autistischen Störung sprach, konnten sich interessierte Eltern, Erzieher und Lehrer mit drei Autismusbeauftragten vom Schulamt Göppingen austauschen. Der Vorraum des oberen Saals im Bürgerhaus Kuchen war am Freitagabend erfüllt von zahlreichen Gesprächen: Eltern, Erzieherinnen, Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, aber auch viele Pädagogen und Schüler nutzten die Chance und holten sich Rat bei den Autismusbeauftragten Regine Janositz, Brigitte Welter und Axel Wild. Wie können wir mit einem autistischen Kind umgehen? Welche Beratungsangebote gibt es? An wen können wir uns wenden? „Ein Thema, das uns allen unter den Nägeln brennt“ – mit diesen Worten begrüßte auch Gabi Heer vom Göppinger Verein „Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen“ (siehe Kasten) das Publikum und eröffnete damit den Vortrag des Referenten Stefan Meir. Der leitende Psychologe an der Psychiatrischen Institutsambulanz der St. Lukas-Klinik in Liebenau gab den Zuhörern Einblicke in die „Diagnostik einer autistischen Störung“ und stellte verschiedene Diagnoseverfahren vor. Gleich zu Beginn machte er jedoch klar: „Die Diagnose Autismus zu stellen, ist eine komplexe Geschichte und ein langer Prozess; denn es gibt keinen Marker, der besagt ‚Autismus ja oder nein‘.“ Was eine sichere Diagnose zusätzlich erschwere, sei die Bandbreite, wie sie in dem Begriff „AutismusSpektrum-Störung“ (ASS) zum Ausdruck komme. So könnten zum Beispiel traumatisierte Menschen die Kernsymptome einer ASS aufweisen – Kontaktstörungen, Kommunikationsschwierigkeiten und eingeschränkte Interessen – und damit im Test eine bestimmte Punktzahl erreichen. „Das heißt aber nicht, dass sie tatsächlich eine ASS haben“, betonte Stefan Meir. „Die Untersuchungs-Instrumente sind kein Beweis für Autismus – sie geben uns nur einen Hinweis.“ Die Krux sei jedoch, dass Hilfen zumeist erst dann unproblematisch gewährt würden, wenn die Diagnose auch stehe und ein bestimmter Wert erreicht sei. Meir appellierte hier an den Mut seiner Zuhörer, trotz fehlender Diagnose und behördlichen Widerständen dafür zu kämpfen, bestimmte Hilfen zu bekommen. In der anschließenden Fragerunde brachten die Teilnehmer eigene Beispiele ein. Dabei tauchte immer wieder die Frage auf, was können wir tun? Aufgrund des großen Interesses plant Gabi Heer nun einen Folgeworkshop, in dem es um konkrete Handlungsmöglichkeiten gehen soll, denn: „Die treiben uns alle um.“ (Infokasten) In Kürze Zu dem Workshop hatte der Göppinger Verein „Gemeinsam Leben Gemeinsam Lernen“ (GLGL) im Rahmen des Projekts „Gestalt und Stimme“ eingeladen. Über GLGL Seit mehr als 20 Jahren setzt sich der Elternverein dafür ein, dass Menschen mit Assistenzbedarf selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Durch das langjährige Engagement sind im Landkreis Göppingen zahlreiche integrative und inklusive Angebote entstanden – ob im Bereich Kindergarten, Schule, Arbeitsleben, Wohnen oder Freizeit. Über „Gestalt und Stimme“ Ziel des von der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten Projekts ist es, Menschen mit Assistenzbedarf als Inklusionsbotschafter sichtbar und hörbar zu machen. Durch qualifizierte Beratung und Begleitung sollen sie befähigt werden, ihren Alltag ganz selbstverständlich inmitten der Gesellschaft zu erleben und somit automatisch als Botschafter für das Thema Inklusion unterwegs zu sein. (Bildunterschrift:) „Es gibt kein Patenrezept“ – der Autismus-Experte Stefan Meir im Bürgerhaus Kuchen.
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